Hochschulbildungsreport 2020
Der typische Lehrer ist weiblich und deutsch
Das deutsche Hochschulsystem hinkt der demografischen Realität hinterher: Herkunft und Bildungschancen sind immer noch stark gekoppelt und nur 0,1 Prozent der Ausländer werden Lehrer. Das sind Ergebnisse des Hochschulbildungsreports 2020.
Montag, 28.01.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 01.02.2013, 0:53 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Das deutsche Hochschulsystem ist noch nicht ausreichend auf die demografische Herausforderung vorbereitet. Um sinkenden Studierendenzahlen, der wachsenden Vielfältigkeit der Bildungsbiografien und dem steigenden Weiterbildungsbedarf gerecht zu werden, muss die Hochschullandschaft gezielt weiterentwickelt werden. Das ist eines der Ergebnisse des ersten Hochschulbildungsreports, den der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und McKinsey & Company vergangene Woche in Berlin vorgestellt haben.
Jürgen Schröder, Director von McKinsey Deutschland, wies auf die positiven Ansätze im Hochschulsystem hin: „Es gibt immer mehr Studierende ohne Abitur, immer mehr Weiterbildungsstudierende, immer mehr Fernstudierende. Das ist eine gute Entwicklung. Allerdings hinken die Hochschulen mit entsprechenden Studienangeboten bislang hinterher. Hier liegt noch ein großes Akademisierungspotenzial, das es mit Blick auf die langfristige demografische Entwicklung zu heben gilt. Das derzeitige Studierenden-Hoch sollte uns nicht über die langfristig dramatischen Auswirkungen des Geburtenrückgangs hinwegtäuschen.“
Herkunft und Bildungschancen entkoppeln
Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes, sagte: „Eine der größten Herausforderungen des Hochschulbildungssystems besteht darin, mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund und mehr Nichtakademikerkinder zum Studienerfolg zu führen. Wir müssen Herkunft und Bildungschancen entkoppeln. Das ist nicht nur gerecht, sondern auch notwendig, denn wir können es uns nicht länger leisten, soviel Talent brachliegen zu lassen und so viel Potenzial zu verschwenden.“ Stifterverband und McKinsey empfehlen, die Studieneingangsphase zu stärken und neu zu strukturieren, um unterschiedliche Vorkenntnisse der Studienanfänger auszugleichen. Ausgewählte Hochschulen in Ballungsräumen sollten sich als Integrationshochschulen profilieren, die sich mit ihren Strategien, Strukturen und Angeboten an den speziellen Bedürfnissen von unterrepräsentierten Studierendengruppen ausrichten.
Das deutsche Bildungssystem sollte insgesamt durchlässiger gestaltet werden und mehr Angebote an der Schnittstelle zwischen beruflicher und akademischer Bildung schaffen, so die Autoren der Studie. Wechsel in beide Richtungen sollten erleichtert und Kompetenzen und Qualifikationen gegenseitig besser anerkannt werden. Stifterverband und McKinsey empfehlen den weiteren Ausbau dualer Studiengänge sowie die konsequente Öffnung der Hochschulen für Studierende ohne Abitur, aber mit einer entsprechenden beruflichen Qualifikation. Hochschulen sollten mehr zeitlich und räumlich flexibel studierbare Studienangebote einrichten, die es Arbeitnehmern erlauben, sich über ein ganzes Berufsleben hinweg für ihre jeweiligen Aufgaben zu qualifizieren.
Der typische Lehrer ist weiblich und deutsch
Die derzeit größte Baustelle an den Hochschulen ist die Lehrerbildung und hier vor allem die Diversität im Studium und in den Lehrerzimmern. Der typische Lehrer ist weiblich und deutsch, in den Schulen sorgen allein die Schüler für Vielfalt. Ihnen fehlen Vorbilder und Ansprechpartner. Nur 0,1 Prozent der Ausländer werden Lehrer. Nicht mal ein Drittel der Lehrer sind männlich, bei den unter 30-Jährigen sogar nur 14 Prozent.
Info & Download: Der Hochschulbildungsreport 2020 (kann hier kostenlos heruntergeladen werden) erscheint 2013 zum ersten Mal. Mit ihm möchten die Initiatoren der Debatte um die Zukunft der Hochschulbildung eine Richtung und analytische Substanz geben. Der Report analysiert künftig jedes Jahr den Status quo des Hochschulsystems anhand von 70 Indikatoren, zeigt Veränderungen und Trends auf, formuliert messbare Ziele für das Jahr 2020 und gibt Empfehlungen, wie diese Ziele zu erreichen sind.
„Die Hochschulen sollten sich aktiv um mehr Diversität bei den Studienanfängern in Lehramtsstudiengängen bemühen. Die Lehrerbildung muss sich an der Schulpraxis orientieren, sie darf nicht länger Anhängsel der Fachausbildung sein“, sagte Andreas Schlüter. „In der Schule werden die Grundlagen für den Studienerfolg gelegt. Wir müssen die besten Abiturienten für den Lehrerberuf gewinnen, und wir brauchen hier dringend mehr Ausländer und Männer. Wir appellieren an Bund und Länder, die angekündigte Qualitätsoffensive zur Lehrerbildung umzusetzen und dabei das Thema Diversität in den Blick zu nehmen.“ Stifterverband und McKinsey empfehlen, den Quereinstieg in den Lehrerberuf zu erleichtern und die Attraktivität des Grundschullehramts durch eine leistungsgerechte Bezahlung und bessere Karrierechancen zu erhöhen.
Hohe Abbrecherquote bei ausländischen Studierenden
Weitere zentrale Ergebnisse der Studie: Die MINT-Bildung hat weiterhin mit hohen Abbrecherquoten zu kämpfen: Nur zwei von drei Studienanfängern schaffen tatsächlich einen Abschluss. Stifterverband und McKinsey regen daher ein Studienerfolgsmonitoring an, das den Studienerfolg mit finanziellen Anreizen für Hochschullehrer und Fakultäten verknüpft.
Ähnliche Herausforderungen gibt es im Bereich der internationalen Bildung: Zwar bleiben 31 Prozent der ausländischen Absolventen zum Arbeiten in Deutschland, mehr als jemals zuvor. Dennoch gehen zu viele ausländische Studierende dem Arbeitsmarkt verloren: Ihre Abbrecherquote ist mit 50 Prozent doppelt so hoch wie die der deutschen Studierenden. Stifterverband und McKinsey empfehlen, verstärkt Unternehmen in die Betreuung ausländischer Studierender einzubinden, um ihnen früh konkrete berufliche Perspektiven aufzeigen zu können. (ots/mig) Gesellschaft Leitartikel
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@: Der typische Lehrer ist weiblich und deutsch, in den Schulen sorgen allein die Schüler für Vielfalt. Ihnen fehlen Vorbilder und Ansprechpartner. Nur 0,1 Prozent der Ausländer werden Lehrer.
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Was möchte uns der Autor dieser Zeilen sagen? Gibt es eine Zugangsbeschränkung für Studierende mit sog. „Migrationshintergrund“?
Mein Eindruck ist, dass es bei diesem Artikel hauptsächlich darauf ankommt, die Verantwortung für das mangelnde Interesse am Lehrerberuf auf die „deutsche Seite“ zu schieben… vielleicht sollten sich unsere Abiturienten mit „Migrationshintergund“ mal an die eigene Nase fassen…
Hat das etwas mit dem Ansehen des Lehrerberufs zu tun?
Ich habe gelesen, dass der Lehrerberuf im Ausland und da insbesondere in der Türkei ein recht angesehener Beruf ist.