Ausgrenzende Frage
„Woher kommen Sie?“ – ein Beispiel für den alltäglichen Rassismus
Woher kommen Sie? Eine scheinbar harmlose Frage. Doch was versteckt sich dahinter? Was möchte der Fragende damit wissen? Woher man kommt oder den ethnischen Hintergrund? Wenn Letzteres: Wieso wird dann nicht direkt danach gefragt?
Von Alev Dudek Dienstag, 29.01.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.02.2013, 11:45 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
„Menschen mit Migrationshintergrund“ werden in Deutschland durch die Frage „woher sie denn kommen“ zu „Fremden„ gemacht. Durch den unkritischen Umgang mit dieser Frage tragen viele von uns – auch Betroffene – zu dem Kreislauf des alltäglichen Rassismus und „Unterordnung“ der „Menschen mit Migrationshintergrund“ bei.
Diese Frage sollte nicht beantwortet werden, um die Erwartung des Gegenübers zu befriedigen oder weil eine bestimmte Auskunft der gesellschaftlichen Norm entspricht. Menschen, die diese Frage als unpassend sehen, sollten dies dem Gegenüber aufrichtig kommunizieren. Damit würden sie einen wichtigen Beitrag zu Bekämpfung von „Kultur des Vorurteilens“ und vom Rassismus, leisten.
Denn in seltenen Fällen dient die Frage dazu, die Gemeinsamkeiten zwischen zwei Menschen zu identifizieren und eine Verbindung zwischen ihnen zu schaffen. Häufig hat diese Frage eine rassistische Konnotation – auch dann, wenn sie von einem „Menschen mit Migrationshintergrund“ gestellt wird.
Obwohl die Frage – je nach Situation, Umstand, Kontext oder Land – auch eine andere „Funktion“ haben kann, gibt es erstaunliche Parallele, wie ausgrenzend viele Minderheiten in vielen Teilen der Erde diese Frage empfinden. Hier ein Beispiel aus den USA:
http://www.youtube.com/watch?v=IRc_7Xk-4is.
Deshalb sollten wir, bevor wir die „Woher-kommen-Sie-Frage“ beantworten, herausfinden, wonach sich die andere Person eigentlich erkundigt und warum.
„Woher kommen Sie?“ ist in den meisten Fällen, eine versteckte Form, Information über die ethnische Herkunft einer Person einzuholen. Sie sollen ihre ethnische Herkunft offenlegen! Wenn das so ist, wieso fragt er/sie/man dann nicht direkt nach der ethnischen Herkunft? Das tut er/man(?) nicht, weil man sich hinter einer direkten Frage schlecht verstecken kann. Außerdem kann sich der Gefragte gegen diese indirekte, vermeintlich „harmlose und nette Frage“ kaum wehren. Im Zweifelfall kann sich der Fragensteller auf die „Mehrdeutigkeit“ der Frage berufen. Genau deshalb ist diese Art des Rassismus sehr problematisch. Es ist schwer zu detektieren und ist psychologisch einer der „effektivsten“ Formen von Ausgrenzung.
Außerdem: Wir in Deutschland sind nicht gerade bekannt dafür, dass wir eine offene und neugierige Kultur pflegen. Wieso sind wir aber in Hinsicht auf diese spezielle Frage so „offen“? „Menschen mit Migrationshintergrund“ werden doch selten etwas gefragt. Eher werden sie belehrt und aufgeklärt. Nach ihrem Wissen über Technologie, Kunst, Literatur oder was sie denn über die deutsche Fiskalpolitik denken, erkundigt sich ja auch kaum jemand. Warum also dieses Interesse, „woher sie kommen“? Warum diese Ausschweifung von der „Norm“?
„Mark Terkessidis hat erkannt, dass Rassismus der Apparat ist, der Menschen systematisch zu Fremden macht.“ Terkessidis, M. (2004): Die Banalität des Rassismus. Bielefeld: Transcript Verlag
Oft kommt das Gegenargument, auch Menschen der „dominanten Kultur“ würden gefragt, „woher sie kommen“. Ja, aber nicht so oft. Außerdem wird die Antwort nicht infrage gestellt oder eine zweite Frage nachgeschoben, wenn als Antwort „Aachen“ kommt.
Mindestens zwei Unterschiede können wir also festhalten: (1.) Ein weißer Deutscher darf diese Frage wörtlich verstehen und hat das Privileg, den „Ort, woher er kommt“, selbst zu „bestimmen“. Ein Privileg, dass dem „Menschen mit Migrationshintergrund“ selten eingeräumt wird. Bei ihm wird die „Befragung“ mit hoher Wahrscheinlichkeit so lange fortgesetzt, bis aus seiner Antwort auch sein ethnischer Hintergrund hervorgeht bzw. der Fragesteller eine Antwort erhält, der sein Vorurteil befriedigt.
Erst danach kann sich der Fragensteller wieder „konzentrieren“. Er kann sein Gegenüber in die zugehörige „Box“ einsortieren und die von ihm bestimmte Konversation weiterführen – etwa über den letzten Urlaub und über die netten Menschen aus dem „dort“igen Kulturkreis. Ständige Assoziationen mit Urlaubserlebnissen und andere (auch „positiven“) Vorurteilen führen zur verstärkten Ausgrenzung von „Menschen mit Migrationshintergrund“. Der wichtigste Effekt dieser „Frage“ ist aber, dass dem Gegenüber klargemacht wird – ob gewollt oder ungewollt, dass er nicht „hierher“, sondern „woanders“ hingehört. Damit wird definiert, wer sich in wessen „Territorium“ aufhält. Dabei hat er ja nichts gegen „Migranten“ und ist froh, dass sie in Deutschland sind. Dass der Gegenüber eventuell genauso ein Deutscher ist, ist irrelevant, denn er ist offensichtlich kein „weißer Deutscher“ wie er und somit nicht gleichberechtigt.
(2.) Der weiße Deutsche wird mit der „Woher-kommen-Sie-Frage“ viel seltener konfrontiert. Dabei ist die Häufigkeit des Auftretens dieser Frage ein kritischer Faktor in diesem „Entfremdungsprozess“. Es ist ein großer Unterschied, ob jemand die Frage ein bis zweimal im Jahr gestellt bekommt oder ob diese Frage jedes Mal, wenn man auf eine Gruppe von Menschen trifft, die man nicht kennt, gestellt wird. Manchmal wird diese Frage mehrere Male während einer einzigen Veranstaltung gestellt, was durch die ständige Wiederholung an sich schon zu einer Entfremdung führen kann.
Zum Schluss soll nicht unerwähnt bleiben, dass manche Menschen diese Frage gerne hören und beantworten. Jeder Mensch hat das Recht zu bestimmen, welche Frage er toleriert und welche nicht. In diesem Artikel geht es aber nicht um persönliche Vorzüge. Es geht darum, die sozial-psychologischen Aspekte dieser „seltsamen“ Interaktion zwischen Menschen, die sich nicht kennen, zu verstehen.
Die Frage „Woher kommen Sie?“ ist nicht nur eine Frage, die den Teufelskreis vom Rassismus verstärkt. Sie bietet dem vermeintlichen Fremden auch eine Gelegenheit, den Teufelskreis vom Rassismus und Inferiorization zu brechen. Ihm wird eine Gelegenheit geboten, eine unerwartete Antwort zu geben und diese kulturell tief verwurzelte und gesellschaftlich akzeptierte Form des Rassismus herauszufordern.
Das Ziel in einer zivilisierten Gesellschaft sollte sein, Menschen als Individuen zu sehen und sich auch als Individuen kennenzulernen. In diesem Sinne mal eine andere Frage: Werden wir, „Menschen mit Migrationshintergrund“, die Gelegenheit nutzen und den Status-quo herausfordern, oder werden wir das tun, was von uns erwartet wird – sehr persönliche Informationen zur Verfügung stellen, damit man uns weiterhin kategorisieren und entfremden kann? Aktuell Meinung
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Wenn ich einen Weißen mit bayrischem Akzent in Köln frage, woher er kommt, dies aber bei jemanden zwanghaft vermeide, der südländisch aussieht, dann ist gerade diese ungleiche Behndlung rassistisch. und diskriminierend.
Ich möchte aber auf jeden unbefangen neugierig fragend und mich für seinen
Hintergrund interessierend zugehen können unabhängig von Hautfarbe und Rasse.
Habe übrigens als Deutscher (hier in Deutschland ohne Migrationshimtergrund, mein Gott wie beschreibt man das politisich korrekt, „Bo-Deutscher“ ist ein schreckliches Wort) 7 Jahre in der Türkei gelebt (also von dort aus gesehen war ich wohl ein Deutscher mit Migrationshintergund).
Dort wurde ich permanent danach gefragt , wo ich herkomme. Dazu kamen oft schon in den ersten Minuten alle möglichen intimen Fragen:
Ob ich verheiratet bin, ob ich Kinder habe, wieviel Geld ich verdiene etc.
Man sollte einfach nicht zu überempfindlich reagieren, wenn jemand aus Interesse einem Fragen stellt, solange eben keine Abwertung damit verbunden ist, sondern nur normale Neugier.
der „normale“ deutsche hat ein schubladendenken.
er will, wie die autorin auch mit „box“ meint, den „ausländer“ in eine bestimmte schublade oder box hineinstecken.
dieses denken über migranten wird meiner meinung nach leider auch sehr negativ von medien beeinflusst .
viele unterstützen oder animieren die user in internetforen zu rufmordkampagnen durch ihre negative berichterstattung über ein land, ethnie oder religion und fördern damit rassismus.
sie dulden verläumdungen und beleidigungen, indem sie diese kommentare posten, und machen den rassismus gesellschaftsfähig.
in einem deutsch-türkischen forum soll ein user geschrieben haben..“nur ein toter türke ist ein guter türke“ oder „man sollte alle türken totschlagen…“. und diese kommentare wurden von der redaktion gepostet. (für mich ist das keine meinungsfreiheit sondern gezielte volksverhetzung)
ich finde das ist ein missbrauch der meinungsfreiheit und gehört strafrechtlich verfolgt. sowas ist mit einer demokratie nicht vereinbar.
ich verstehe nur nicht, wieso man da nicht juristisch gegen vorgeht.
Wer sich an der Herkunftsfrage stört sollte den Begriff „Bananenrepublik“ nicht verwenden.
Als Kreisvorstandsmitglied der Grünen könnte die Autorin ja eine Initiative starten, damit die rassistisch konnotierte „Woher-kommen-Sie-Frage“ des weißen Deutschen sanktioniert wird, eventuell sogar strafrechtlich.
Um das Ziel einer zivilisierten Gesellschaft und Erziehung des weißen Deutschen zu erreichen, könnte eine solche dezidierte Herausforderung sehr hilfreich sein.
Ich würde die Gesellschaft von Menschen meiden, die als erstes die Frage stellen, wo ich herkomme, wie ich politisch denke, was ich verdiene. Denn für mich sind es dumme oberflächlich Menschen, die ihr Lebenslang ihre Schubladen hinter sich schleppen und den Gesprächspartner in einer der Schubladen schnell unterbringen. Es ist doch der Sache mehr gedient, wenn der Gegenüber nicht aufgrund seine Herkunft, Hautfarbe… in eine Schublade reinkommt, sondern viel mehr sollt der Character des Menschen im Vordergrund stehen.
Wo kommen sie her? Aus Polen..: Was glaube ich zu wissen über diesen Menschen?
Klar eine rassistische Frage und es ist gut, dass es mal wieder thematisiert wird.
Gern empfehle ich dazu folgendes Video: http://www.youtube.com/watch?v=rFYIu4WYJ7A und zur Vertiefung ins Thema auch folgendes Buch:
http://www.deutschland-schwarzweiss.de/
@ Pelda: Die beiden waren richtig gut und haben mir gesagt: “Wir wollen Dir nichts unterstellen, aber wenn du so fragst, so sagst du indirekt, dass wir hier nicht hingehören, das ist rassistisch.” Ich bin den beiden heute noch dankbar, denn da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Wir alle sind in einer durch und durch rassistischen und sexistischen Gesellschaft groß geworden…
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Falsch. Wer so fragt, sagt weder indirekt noch direkt, dass jemand hier „nicht hingehört“. Also ist diese Frage auch nicht rassistisch. Hier wird Rassismus einfach so unterstellt – ein Kampfbegriff, der am tatsächlich vorhandenen Rassismus vorbeigeht… Ein Spiel mit Worten – ohne Inhalt.
Aber Frau Pelda sagt es uns ja: „Wir alle sind in einer durch und durch rassistischen und sexistischen Gesellschaft groß geworden…“
Wie schön, Frau Pelda, dass wir das jetzt alle wissen! Durch und durch rassistisch… haben wir das schon gewusst? Danke, Frau Pelda!
Meine griechische Freundin und ich gehen regelmäßig zu Treffen der Gastfreundschaftsnetzwerke CouchSurfing und BeWelcome. Dort ist „Where are you from?“ eine der meistgestellten Fragen. Klar: Man will sich kennenlernen, man ist neugierig, man fragt auch aus Respekt (zum Beispiel um nach der Antwort die Sprache von Englisch nach Französisch oder Russisch zu wechseln). Man fragt auch, weil man vielleicht selber Reisepläne hat und Kontakte in andere Orte knüpfen will.
Situationen wie diese beweisen, dass die Frage „Wo kommst Du her“ eben nicht zwangsläufig rassistisch sein muss, sondern manchmal die Voraussetzung für einen Informationsaustausch, die Basis für ein gutes Gespräch oder sogar der Anfang einer lebenslangen Freundschaft sein kann.
Ist es auch eine rassistische Frage, wenn ein ausländischer Student einem anderen ausländischen Student diese Frage stellt?