Partiziano
Migrationsdynamimik
Noch sind es Gerüchte, dass eine neue Modekollektion namens Benedetton den Abschied vom Papst erleichtern will. Fest steht jedoch, dass nicht nur die Kurie keine Deckmäntelchen mehr, sondern ein neues Gesicht braucht - und mehr Bewegung dank Migrationsdynamimik.
Von Marcello Buzzanca Donnerstag, 14.02.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 18.02.2013, 6:06 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Ich befinde mich gerade auf der Suche nach einem neuen Cover für mein Buch. Bilder findet man natürlich in den Datenbanken der Bildagenturen, nur leider nicht die passenden. Gibt man Deutschland und Italien als Wortpaar – oder sagen wir besser als hassliebende Sitzgäste auf einer Partnerschaukel – ein, kommen immer dieselben Motive: Fußball, Pizza, Pisa, Pasta, Papst. Die erscheinen übrigens auch dann, wenn man nur Italien als Stichwort eingibt. Ok, dann gute Miene zum bösen Spiel? Nein, Schluss mit den Klischees, sage ich mir und fahre nach Dortmund, um dort zu unterrichten. Noch in Gedanken suche ich nach meinem Klassenbuch und öffne versehentlich den Schrank, in dem die Jacken der Dozentinnen und Dozenten hängen. „Da müssen Sie vorsichtig sein“, sagt meine Kollegin zu einer anderen. „Der ist Italiener!“ Meine Kollegin übrigens auch.
Also Entwarnung! Sie macht sich auch über sich selbst lustig, sage ich mir lachend und lasse das Klassenbuch aus Versehen fallen. Beim Bücken spüre ich noch den Muskelkater vom Wochenende. Da war ich nämlich Fußball spielen – mit 20 manischen Migrations-Maradonas aus Montenegro. Ich als einziger Ausländer, sprachlich isoliert, aber immer am Ball und damit in gewisser Weise auch wieder integriert. Nur, als einer der Jungs mir anbot, doch sein Trikot anzuziehen (Hier, nimm, ist Montenegro!), musste ich natürlich ablehnen. Aber das hat er mit einem Lachen quittiert. Die Hose habe ich aber genommen. Schließlich wollte ich ja Fußball spielen. So wie Mario Balottelli auch. Gut, er macht es nicht in einer Schulsporthalle mit 20 äußerst ambitionierten Männern um die 40 aus Montenegro, wohnhaft im Sauerland. Nein, er macht es für den AC Mailand, den Club des größten Polit-Dribblers der Geschichte Italiens, Silvio Berlusconi.
Balotelli schießt also in zwei Spielen drei Tore und wird trotz dieser wundersamen Dreifaltigkeit Ziel rassistischer Beleidigungen, wohlgemerkt seitens Inter-Mailand-Fans und in einem anderen Spiel, bei dem er physisch überhaupt nicht anwesend ist. Doch scheint seine Ubiquität fast schon mirakulöse Züge anzunehmen. Er ist überall, auch wenn er eigentlich woanders ist. Und da wo er einst mal war, also bei Inter, haben ihm die Fans wohl zwar verziehen, dass er nun für den Erzrivalen AC Mailand spielt, nicht aber, dass er „ein Neger“ ist. Das hat übrigens auch Paolo Berlusconi erkannt und als Vize-Präsident des AC Mailand am Ende einer Wahlkampfveranstaltung gesagt, „dass man jetzt zum Negerlein der Familie, dem Hitzkopf gehe“, um ihm beim Fußball spielen zuzusehen.
Natürlich war das liebevoll gemeint. Schließlich wurde der jüngste Bruder von Blutgrätschen-Silvio am 6.Dezember geboren und hatte immer auch schon einen Sack voller Geschenke für geneigte Politiker in seiner Wundertüte. Das brachte ihm viel Macht, eine Bewährungsstrafe und viele Millionen an Geldstrafe. Und nicht zu vergessen: Den Vize-Thron-Sessel bei Milan. Die Metropole ist neuerdings ja auch im Mittelpunkt einer anderen Form geistlicher Umnachtung. Seit Papst Benedikt XVI. nämlich angekündigt hat, nicht mehr der vatikanischen Startelf als Kapitän zur Verfügung zu stehen, herrscht reges Intrigentreiben auf der Ersatzbank.
Der Erzbischof von Mailand, Kardinal Angelo Scola, würde sich wahrscheinlich gerne selbst schon einmal die Flügel umschnallen und die Pole Position einnehmen. Angelo Scola sollte man übrigens nicht mit dem Regisseur Ettore Scola verwechseln, wie es die Wiener Zeitung gemacht hat.
Dieser nämlich prägte die commedia all’italiana und drehte in den 1960er Jahren eine Abenteuer-Komödie mit dem Titel: „Riusciranno i nostri eroi a ritrovare l’amico misteriosamente scomparso in Africa?“ Übersetzt heißt das: „Wird es unseren Helden gelingen, den in Afrika auf mysteriöse Weise verschwundenen Freund wiederzufinden?“ Diese Frage könnte tatsächlich bald mit einem Ja beantwortet werden, denn auch der nigerianische Kardinal Francis Arinze ist ein heißer Kandidat auf den Petrusstuhl. Doch es stellt sich die Frage, ob die katholische Kirche bereit ist für einen schwarzen Papst. Oder wird man wie Ettore Scola bei den Vorbereitungen auf seinen Film in Angola, auf offenen Rassismus treffen?
Einen Bayern hat die Kurie ja schon verkraftet und das Papamobil steht trotzt eines Polen als Papst immer noch zur Verfügung. Tja, vielleicht verhält es sich mit dieser Frage ähnlich wie mit jener, bei der Hessens FDP-Chef und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn der sprichwörtliche Kamm schwoll: Ist denn die deutsche Gesellschaft schon so weit, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler noch länger zu akzeptieren? Wie der MiGAZIN-Kolumnist Martin Hyun teffend bemerkt, muss die Antwort Noch nicht heißen.
Dafür aber ist bzw. war eine andere Geheimgesellschaft bereit für einen Asiaten in Führungsposition: Der Multiinstrumentalist Leon Lisztewink wurde im Jahre 2006 von der Westfalenpost zum Jäger von Soest Nr. 31 gekürt. Die Zeitung stellte in ihrem damaligen Artikel fest, dass man ihm ansehe, dass er nicht in der Soester Börde geboren sei. Und klar, dass es einige Bierzelt-Backen der Allerheiligenkirmes störte, dass der Jäger ja ein Chinese ist.
Leon Lisztewink ist aber Deutscher, wurde im südkoreanischen Jin Hae geboren und im Alter von zwei Jahren von einem Soester Ehepaar adoptiert. Seine Wahl der Westfalenpost zum Jäger von Soest stehe laut damaligem Bürgermeister für die Weltoffenheit der, der hanseatischen Tradition verpflichteten Stadt. Und ein bisschen Aseate steckt ja in jedem Hanseaten. Aktuell Meinung
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