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Arbeitsmigration Osteuropa

Weder Überschwemmung noch Fachkräfte

Seit der Osterweiterung im Jahr 2004 sind acht osteuropäische Länder neue Mitglieder der Europäischen Union. Seitdem gelten auch für sie die EU-Freiheiten. Welchen Einfluss hat das bisher auf die Arbeitsmigration gehabt?

Von Paula Remann Montag, 11.03.2013, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.03.2013, 23:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Seit den 1990er Jahren, als die Osterweiterung der EU bereits in Vorbereitung war, bestehen in Deutschland und auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten Zweifel und Ängste. Wird die Eingliederung der osteuropäischen Staaten in die Europäische Union und somit die Öffnung der Arbeitsmärkte nicht zu einer „Überschwemmung“ westeuropäischer Länder mit osteuropäischen Arbeitskräften führen?

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Gerade in Deutschland, das spätestens seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ und der Berliner Mauer 1989 als attraktives Einwanderungsland für osteuropäische Arbeitskräfte gilt, wurden immer wieder Zukunftsängste laut. Ob nun die Polen, Tschechen, Bulgaren oder Rumänen, sie alle würden in Arbeitsbereiche wie die der Industrie, Landwirtschaft oder Reinigungsbranche drängen, diese geradezu überlaufen. Das würde unter anderem Lohndumping und den Verlust von Arbeitsplätzen deutscher Arbeitnehmer bedeuten. So jedenfalls die landläufige Meinung. Die wenigsten sahen der Erweiterung positiv entgegen, Zweifel gab es überall, ob in privater Runde am Stammtisch oder in den Medien – wie zuletzt die Diskussion um eine vermeintliche „Armutszuwanderung“ von Bulgaren und Rumänen zeigte.

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Die Osterweiterung 2004: Übergangsregelungen
Am 1. Mai 2004 traten Lettland, Litauen, Estland, Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien und Ungarn der EU bei, am 1. Januar 2007 kamen Rumänien und Bulgarien hinzu. Grundsätzlich haben Staatsangehörige von EU-Mitgliedsländern das Recht, sich innerhalb der Europäischen Union frei zu bewegen. Sie benötigen keine Einreiseerlaubnis und haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt.

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In Bezug auf die neuen EU-Länder machte Deutschland – neben Österreich – jedoch von den Übergangsregelungen der EU Gebrauch. Das sogenannte „2+3+2-Modell“ bot die Möglichkeit, den Zugang zum Arbeitsmarkt mithilfe von nationalem Recht jeweils für 2, 3 und 2 Jahre zu beschränken. Volle EU-Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedsstaaten gilt in Deutschland daher erst seit dem 1. Mai 2011. Zusätzlich wurde in Deutschland die Dienstleistungsfreiheit in einigen Branchen eingeschränkt. Außerdem brauchten Arbeitnehmer aus den neuen EU-Ländern in der Übergangszeit von 2004 bis 2011 eine Arbeitserlaubnis, die von der Arbeitsagentur genehmigt werden musste.

Entwicklungen seit der Erweiterung
Jedenfalls hat eine „Überschwemmung“ des deutschen Arbeitsmarktes nicht stattgefunden. Zwar ist die Zuwanderung nach Deutschland angestiegen, doch bei weitem nicht so stark wie anfangs vermutet. Laut den Migrationsberichten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und des Bundesinnenministeriums aus den Jahren 2004 bis 2010 variierten die Zuwanderungszahlen aus den neuen EU-Staaten zwischen 170.000 und 290.000. Dem Migrationsbericht 2010 zufolge liegt dem aber gleichzeitig eine Abwanderungszahl von rund 211.000 gegenüber.

Der wohl wichtigste Grund für diese relativ geringe Zuwanderung aus Osteuropa dürfte die Übergangsregelung sein, von der Deutschland Gebrauch gemacht hat. Denn damit mussten Arbeitsmigranten einen neuen Weg einschlagen. So ist seit 2004 eine „Migrationsverschiebung“ in andere Länder der EU zu beobachten, vor allem nach Großbritannien und Irland. Diese Länder haben die Übergangsregelungen nicht beansprucht und somit ihre Arbeitsmärkte gleich mit der Erweiterung 2004 vollständig für die Arbeitskräfte aus den neuen Mitgliedsstaaten geöffnet. Deshalb sind laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2010 gerade für junge, hoch qualifizierte Zuwanderer Großbritannien und Irland die neuen Top-Zielländer.

Schuss nach hinten und Eigentor
Angesichts der aktuellen Debatte um den Fachkräftemangel wirft diese Entwicklung die Frage auf, ob Deutschland mit der Übergangsregelung nicht ein Eigentor geschossen hat. Die Beschränkungen sollten dem Risiko einer Arbeitsmigration geringqualifizierter Arbeitskräfte entgegenwirken, haben aber gleichzeitig auch die heiß begehrten Hochqualifizierten ausgeschlossen. Im Hinblick auf den aktuellen Fachkräftemangel kann man also resümieren: selbst verschuldet.

Zusätzlich zu den verschiedenen Arbeitsmarktregulierungen in den Zielländern beeinflussten auch Faktoren in den Herkunftsländern die Abwanderung in die alten EU-Staaten. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist in den meisten neuen EU-Ländern eine sinkende Arbeitslosenquote und gleichzeitig eine stetige Steigerung des Reallohns zu beobachten. Hinzu kommt, dass deutsche Unternehmen bereits seit Jahren viele ihrer Produktionen nach Osteuropa auslagern. Das wiederum unterbindet Arbeitsmigration zusätzlich.

Aufgrund vielfältiger bisher ungelöster Hindernisse wie zum Beispiel Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und Probleme bei der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen wird wohl auch in Zukunft die Zahl der abhängig beschäftigten Migranten aus Osteuropa nicht sonderlich steigen. Die Zweifel zu Beginn der Osterweiterung können also ad acta gelegt werden. Aktuell Wirtschaft

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MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Benedict sagt:

    Liebe Paula Remann,

    meine Informationen bzgl. der eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit sind different zu Ihren.
    Die datieren die Aufhebung der Einschränkung auf den 1.Mai 2011.
    Nach meinen Quellen erlangen die Neu-EU-Bürger aber erst die Freizügigkeit nach dem 31.12.2013, also mit Beginn des Jahres 2014.

    Viele Grüße,
    Benedict

  2. Paula sagt:

    Lieber Benedict,

    danke für Ihren Hinweis.
    Tatsächlich tritt für Rumänien und Bulgarien, welche am 01.Januar 2007 der EU beigetreten sind, die Freizügigkeit voraussichtlich zum 01.Januar 2014 in Kraft. Für die anderen 8 neuen EU-Staaten gilt sie aber mit Ablauf der Übergangsregelungen (maximal 7 Jahre) ab dem 01.Mai 2011. In meinem Artikel habe ich deswegen bewusst eher Bezug auf diese genommen.

    Beste Grüße,
    Paula

  3. Lionel sagt:

    In Städten wie Dortmund, Duisburg oder Mannheim wäre man sehr glücklich, wenn die Zweifel im Hinblick auf den EU- Beitritt Rumäniens und Bulgariens ad acta gelegt werden könnten.
    Dort weiß man nämlich nicht , wie die Kosten, die durch die Armutsmigration aus diesen Ländern entstanden sind, finanziert werden können.
    Und die steigt jährlich: Von 2007 bis 2012 hat sich die Zahl der Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien auf nunmehr 325 000 verdreifacht.
    EU-Parlamentarier (u.a. der Vorsitzende der Sozialistischen Fraktion, H. Swoboda) haben deshalb kürzlich in Duisburg ein solches Problemgebiet in Augenschein genommen – und gefordert, dass die Kommunen mit den Folgen der Armutsmigration nicht allein gelassen werden dürfen

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