Beratung im Bundestag
Assoziationsrecht türkischer Staatsbürger
Ende Februar stand im Bundestag eine Beratung zum Gesetzesentwurf der Grünen zur „Klarstellung des assoziationsrechtlichen Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei“ an. Die Reden wurden zu Protokoll gegeben. MiGAZIN dokumentiert die Redebeiträge im Wortlaut:
Montag, 18.03.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 21.03.2013, 8:20 Uhr Lesedauer: 27 Minuten |
Vorab: Worum geht’s?
Das Assoziationsrecht geht zurück auf ein Vertrag aus dem Jahr 1963. Dieser wurde zwischen der Türkei und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen, um die Türkei schrittweise an Europa anzunähern. In den Siebzigern und Achtzigern wurde der Vertrag schrittweise erweitert.
Danach ist es den Vertragsstaaten untersagt, „neue Beschränkungen“ in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit von türkischen Staatsangehörigen einzuführen (Verschlechterungsverbot). Das bedeutet: Laut Assoziationsrecht gilt für türkische Staatsbürger immer noch die Rechtslage aus den Jahren 1973 bzw. 1980. Sämtliche Änderungen, die später in Kraft getreten sind und die Freizügigkeit der Türken mindern, sind europarechtswidrig. Und weil es sich um EU-Recht handelt, gilt das deutsche Ausländerrecht selbst dann nicht, wenn es etwas gegenteiliges vorschreibt.
Tipp: Im MiGAZIN Dossier finden Sie weitere Informationen, Hintergrundberichte und Meinungsbeiträge zum Thema.
Weitreichende Auswirkungen
Insofern hat das Assoziationsrecht weitreichende Auswirkungen. Denn seit dem Inkrafttreten dieses Vertrages wurden viele Rechte türkischer Staatsbürger eingeschränkt: Die Visumspflicht für türkische Staatsbürger wurde beispielsweise nach Inkrafttreten des Verschlechterungsverbotes eingeführt, genauso die Spracherfordernisse beim Ehegattennachzug.
Das Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mittlerweile in über 50 Entscheidungen die Rechtslage konkretisiert und wiederholt deutlich gemacht, dass das Assoziationsrecht gilt. Auch in der Fachliteratur ist das Konsens. Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte in einem Gutachten festgestellt, dass die aktuelle Rechtslage in Bezug auf Türken gegen Europarecht verstößt.
Schwarz-Gelb wehrt sich
Davon unbeirrt weigert sich die Bundesregierung, das deutsche Recht und die behördliche Praxis anzupassen. Im Aufenthaltsgesetz wird das Assoziationsabkommen ganz allgemein und ganz klein im Paragraphen 4 Absatz 5 erwähnt – und im Bußgeldkatalog! Welche Rechte türkischen Staatsbürgern zustehen oder welche Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes bei ihnen keine Anwendung finden dürfen, ist nicht geregelt.
Hinweis: Die Bundestagsfraktionen haben erstmals eine Sachverständigenanhörung zum Thema beschlossen. Dort werden ausgewiesene Experten die Rechtslage erörtern und Empfehlungen aussprechen. Den Gesetzesentwurf der Grünen kann man hier einsehen.
Eine Antwort geben allenfalls die Allgemeinen Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums, die mittlerweile über zehn Jahre alt sind und viele Entscheidungen des EuGH der letzten Jahre nicht berücksichtigen. Nach Angaben des Ministeriums werden diese Hinweise, an denen sich die Ausländerbehörden bundesweit orientieren – sofern sie in den Amtsstuben überhaupt bekannt sind, schon seit über drei Jahren überarbeitet. Und weil ein Ende dieser Überarbeitung nicht in Sicht ist, haben die Grünen einen Gesetzesentwurf eingebracht, der Rechtsklarheit schaffen soll und über den beraten wurde:
Im folgenden die Redebeiträge von
- Reinhard Grindel (CDU/CSU)
- Rüdiger Veit (SPD)
- Serkan Tören (FDP)
- Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
- Memet Kılıç (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
im Wortlaut: Aktuell Politik
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