Unerträglich
Der faktische Ausschluss türkischer Medien
Der faktische Ausschluss türkischer Medien und Journalisten vom NSU-Prozess ist schlicht unerträglich und an Ignoranz und Peinlichkeit kaum mehr zu überbieten, kommentiert Ekrem Şenol.
Von Ekrem Şenol Mittwoch, 27.03.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.06.2013, 12:25 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Art und Weise, wie das Bayerische Oberlandesgericht die zur Verfügung stehenden Medienplätze im Gerichtssaal vergeben hat, zeigt: Zum einen haben die Verantwortlichen nicht verstanden, dass in drei Wochen der wohl größte Strafprozess der deutschen Nachkriegsgeschichte beginnt. Zum Zweiten haben sie nicht begriffen, worum es bei diesem Prozess geht.
Mehr als zehn Jahre konnten die neo-nationalsozialistischen NSU-Terroristen raubend und mordend durch Deutschland ziehen. Zehn Menschen erschossen sie – darunter acht Türkeistämmige – und verletzten bei Bombenanschlägen mehr als 20 weitere – ohne dass sie jemand stoppte. Grund: Die Sicherheitsbehörden sind keiner Spur nachgegangen, die ins rechtsextreme Milieu führen könnte. An Hinweisen hat es dabei nicht gemangelt. Wie das passieren konnte und wer die Verantwortlichen sind, kann bis heute niemand beantworten.
Entsprechend ist das Vertrauen der Menschen – allen voran der Türkeistämmigen – in den Sicherheitsapparat und in die Politik erschüttert. Ermittlungspannen und die Aktenvernichtungen haben das letzte Stück Vertrauen geraubt. Einziger Lichtblick am Horizont ist der anstehende Prozess. Von der Justiz erwarten sie nicht nur die Verhandlung über die Schuld und das Strafmaß der Angeklagten. Nein, sie hoffen auch auf eine Antwort darauf, was und wer hinter der NSU steckt.
Unterdessen sind Aktenschieber im Gerichtsdienst auf bestem Wege, den Menschen auch den letzten Hoffnungsschimmer auf eine Antwort zu rauben – noch bevor die Anklageschrift verlesen wurde. Zwar wird der Prozessverlauf von der An- bzw. Abwesenheit einzelner Medienvertreter nicht beeinflusst werden, doch wird der Ausschluss türkischer Journalisten einen langen Schatten auf das Empfinden der türkeistämmigen Beobachter werfen.
Das Vorgehen fügt sich jedenfalls reibungslos in die bisherige Pannen- und Fehlerkette ein, mit der Folge, dass ausgerechnet türkische Medien beim NSU-Prozess nicht dabei sein können. Sie werden auf Eindrücke anderer Journalisten angewiesen sein und sie werden Berichte von Blättern und Nachrichtenagenturen wiedergeben müssen, die über viele Jahre unkritisch über vermeintliche „Dönermorde“ berichtet haben. Aktuell Meinung
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Herr Senol,
das Gericht hat Medienplätze wie eh und je nach einem rein sachlichen Argument: Anmeldereihenfolge vergeben.
Das ist nicht unerträglich sondern nur eins:
völlig vorurteilsfrei!!
Warum sollte ein Gericht Medien nach nationaler Identität zulassen? Soweit werden wir hoffentlich nie kommen!
Die Aufregung ist absurd. Wir wollen Leute strafrechtlich anklagen die Menschen wegen ihrer Nationalität selektieren, und Sie beklagen sich darüber, dass Gerichte die Medien NICHT nach Nationalität auswählen??
Sie sind auch nur Vertreter in eigener Sache, wie es scheint.
Pingback: NSU-Prozess: Sollte man dem OLG München den Prozess entziehen?
Nun, Herr Kessler, da finde ich es aber seeeehr merkwürdig, dass Sie hier ein Urteil abgegeben haben, wenn ein Urteil nicht lohnt. Dazu noch ein Urteil, dass ich (als Deutsche) als diskriminierend gegenüber Türken empfinde und pauschalisierend Vorurteile und rassistische Ressentiments schürend.
Was fällt Ihnen eigentlich ein, hier pauschal Türken sozusagen als „lahmarschig“, sinngemäß und „alles auf dem Silbertablett serviert bekommend“ zu diffamieren und zu beleidigen? Das ist wirklich die Höhe.
Für die rechtzeitige Anmeldung am ersten Tag gibt es die Aussage der entsprechenden Medien, mehrerer übrigens – für die Behauptung des Gerichts, die Anmeldungen seien angeblich zu spät eingegangen, hat das Gericht dagegen trotz entsprechender Aufforderungen keinerlei Beweise vorgelegt und es wäre doch ein Leichtes, die angeblich verspäteten Anmeldungen zu präsentieren. Dass „zufällig“ so gut wie alle ausländischen Medien und alle türkischen Medien sowieso, sich zu spät angemeldet haben, erscheint wenig glaubhaft. Und zum Dritten, selbst wenn es so wäre, es gibt keinerlei Rechtsgrundlage, dass das Gericht auf diese Weise hätte vorgehen müssen und es sprach nichts dagegen, aber alles dafür, in einem Fall, in welchem türkische Medien selbstverständlich ein besonderes und berechtigtes Interesse haben, zu berichten, ein Kontingent für dieselben zu reservieren. So wie man es etwa im Falle Kachelmann für die Schweizer Medien gemacht hat. Und im Falle Kachelmann ging es NICHT um zahlreiche Morde aus rassistischen Gründen.
Hier geht es nämlich NICHT um einen ganz normalen Prozess, auch NICHT um einen ganz normalen Mordprozess, hier geht es um jahrelanges Morden aus rassistischen Gründen und darum, dass dieser angebliche Rechtsstaat nicht ermittelt hat in alle Richtungen, sondern die Opfer zum Täter gemacht hat, obwohl es dafür keinerlei Anhaltspunkte gab. Und dass dieser angebliche Rechtsstaat in das Geschehen massiv verstrickt ist und vertuscht hat. Und dass man diesem Staat, zumindest im Falle rassistischer rechter Gewallt, nicht mehr trauen kann. Die Sache stinkt gewaltig zum Himmel.
Selbstverständlich ist es ein erheblicher Unterschied, wenn türkische Medien ihre Informationen nicht an der Quelle, sondern aus zweiter Hand bekommen. Dass nach den riesen Sauereien, die sich der deutsche Staat, diverse Verfassungsschutzämter, diverse Polizeibehörden, bei der Nichtaufklärung, wo man zumindest bedingten Vorsatz vermuten muss, geleistet hat, dass bei der direkten Verstrickung des Verfassungsschutzes und bei den angeblichen „Pannen“, die man selbst bei größter Blauäugigkeit auch wohlwollend als Pannen nicht mehr erklären kann, ein Misstrauen gegen den deutschen Staat von türkischer Seite völlig zu Recht besteht, ist mehr als nachvollziehbar. Gerade deshalb müsste der deutsche Rechtsstaat alles tun, um das berechtigte Misstrauen zu entkräften – das Gericht macht ohne vernünftigen Grund genau das Gegenteil. Ich gehe davon aus, dass das einen „besonderen“ Grund hat – anscheinend gibt es wieder, wie schon so oft, etwas zu verbergen. Es ist NICHT vorgeschrieben, nach dieser undurchsichtigen Methode die Plätze zu vergeben. Schließlich haben die deutschen Strafverfolgungsbehörden einschließlich des Verfassungsschutzes diverser Länder seit Jahren in diesem Falle sehr vieles, eigentlich alles, vor der Öffentlichkeit verborgen, vertuscht, gelogen und Akten zwecks weiterer Vertuschung vernichtet. Sie haben die Täter sogar über Mittelsmänner bezahlt und Ihnen das Untertauchen ermöglicht und selbst dann nicht zugegriffen, als sie der Täter problemlos hätten habhaft werden können.
Auch wenn einige Schreiber, den unsäglichen Beiträgen nach zu urteilen, offensichtlich der Meinung sind, der deutsche Staat dürfe sich Derartiges ruhig erlauben (wobei in den teilweise abschätzigen Kommentaren, auch im Parallelthread, unschwer zu erkennen ist, dass die Türken anscheinend endlich mal die Klappe halten sollen (weil das ja schließlich „nur“ Türken, mit minderwertigen Eigenschaften und unverschämten Ansprüchen angeblich sind)) – so ist dem zu entgegnen: Jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich, hat dieselben Menschenrechte, ausdrücklich auch Türken und Griechen. Die türkischen Medien haben ein Recht auf Information aus erster Quelle. Auch dann, wenn das einigen Herrschaften hier ganz offensichtlich nicht gefällt. Denn es waren vorwiegend Menschen mit türkischer Herkunft Opfer rassistischer Morde. Ähnliche Kommentare liest man u.a. auch auf der Anti-Muslim-Hetzseite PI, da scheint sich wohl der eine oder andere „verirrt“ zu haben.
@ Herr Kessler und alle, welche der Meinung sind es gelte „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“:
„Tief verwurzelt im Deutschen der Drang in Reih und Glied zu stehen oder vielmehr die anderen in Reih und Glied stehen zu lassen. Dieses Volk liebt es, Vorschriften zu ersinnen, die immer für die anderen gelten. “ (Kurt Tucholsky)
Sich hinter einer „üblichen“ Regelung zu verschanzen, ohne auf die Menschen zu achten, das ist allerdings eine typisch deutsche Unart. Die Empörung ist völlig berechtigt, zeigt sie doch, wessen Geistes viele Deutsche auch nach 80 Jahren noch sind.
@Marie
Rolf Kessler fragte ja schon nach dem Insiderwissen. Vermutlich haben Sie dies alles irgendwo aufgeschnappt und basteln sich ein Schwarz-Weiß-Weltbild zusammen. Sie sind nicht besser als die von Ihnen genannten PI-ler.
Fakt ist: Sie wissen gar nichts. Genauso wenig wie jeder andere von uns.
Kennen Sie Ströbele? Trauen Sie dem?
http://www.wdr2.de/aktuell/nsuplatzvergabe100.html
Grüße
Malenki
@Lutheros
Formal mag das Akkreditierungsverfahren nicht zu beanstanden sein.Vom ethischen Standpunkt ist das Verhalten des Gerichts inakzeptabel undmenschenfremd, so dass Senols Bezeichnung „Aktenschieber“ den Sachverhalt auf den Punkt bringt.
Es ist normal und üblich in der EU, dass Medien aus dem Ausland dem Prozess beiwohnen wollen und dürfen, wenn es um Betroffene aus dem entsprechenden Land geht. Nur dieses Gericht bekommt das nicht hin. Das ist eine Farce, die durch keine Formalie zu rechtfertigen ist.
@ malenki Etwas Licht ins Dunkel bringt das hier: http://www.freitag.de/autoren/gsfrb/akkreditierungsanfragen-fuer-nsu-prozess
Hier stinkt etwas!
@malenki lizard: Ich habe das nicht aufgeschnappt, ich habe mich informiert. Ich bastele mir gar nichts zusammen und wenn Sie nichts wissen, sollten Sie nicht von sich auf andere schließen. Da ich zwischen Fakten und Meinungen unterscheide, interessiert mich da nicht die persönliche Meinung von Herrn Ströbele. Die Vergabe von Zuschauerplätzen in Kontingenten ist kein Revisionsgrund, das sind die Fakten. Auch die Übertragung des Verfahrens in einen Saal, zu dem nur die Presse Zugang hat, ist kein Revisionsgrund und in letzterem vertraue ich den Aussagen der ehemaligen Verfassungsrichter, Hoffmann-Riem und Hassemer, höchstrangige Richter beide, die das jedenfalls ganz sicher besser wissen, als der Herr Ströbele. Und meinem Menschenverstand – die Vergabe von Medienplätzen in Kontingenten oder die Übertragung, wie von den Verfassungsrichtern gefordert, war noch NIE ein Revisionsgrund und es gibt auch keinerlei vernünftiges Argument, weshalb das ein formaler Revisionsgrund sein sollte. Insofern handelt es sich beim Vorgehen des Gerichtes, das ohne zwingenden Grund türkische Medien und fast alle ausländischen Medien ausgeschlossen hat, um reine Willkür.
http://www.tagesschau.de/inland/nsuprozess114~mobil.html.
Nofate, Sie haben die Dinge hervorragend auf den Punkt gebracht – der „schreckliche“ Deutsche lässt andere strammstehen – das ist eine typisch deutsche Unart, sich auf angebliche Formalien zu berufen, für die es keinerlei Notwendigkeit gibt, man lässt andere strammstehen und man rechtfertigt mit Formalien häufig auch Menschenrechtsverstöße. Dass dieses Gericht es wegen angeblicher Formaslien angeblich nicht hin bekommt, dass Medien aus dem Ausland dem Prozess beiwohnen, so wie das in anderen Fällen und anderen Ländern gängige Praxis ist, ist nicht nur eine Farce, das ist ein Skandal erster Güte.
Dass die deutsche Mentalität, andere stramm stehen zu lassen und Formalien zu ersinnen, um alles Nichtdeutschen auf die Plätze zu verweisen, noch höchst lebendig ist in diesem Volk, das zeigt nicht nur die unsägliche Vorgehensweise dieses Gerichts, das zeigen auch zahlreiche Kommentare strammer Deutscher in diesem Forum. Der Schoss ist fruchtbar noch.
@Marie
“ Dass die deutsche Mentalität, andere stramm stehen zu lassen und Formalien zu ersinnen, um alles Nichtdeutschen auf die Plätze zu verweisen, noch höchst lebendig ist in diesem Volk, das zeigt nicht nur die unsägliche Vorgehensweise dieses Gerichts,…“
Wieso schreiben Sie „alles Nichtdeutschen“? Ich dachte die einzigen die Probleme haben sind die türkischen Medien. Von den anderen Ländern gab es ja keine Reklamationen? Ich glaube ihre Aussagen sind mal wieder undifferenziert und unreflektiert hier gepostet worden um nicht rassistisch zu sagen. Es kommt mir vor, als würden sie hier nur Frust ablassen.
Hören Sie bitte auf damit und bleiben Sie sachlich! Sie können nicht von einem Gericht auf eine deutsche Mentalität schliessen.
Echt, brutal wie hier die Marie von allen Seiten angegriffen wird. Ich bewundere sie und wünsche mir, dass sie sich nichts einreden lässt. Also Marie danke dir, bitte bleib so wie du bist.
Aus eigenen Erfahrungen kann ich in vielen Punkten der Marie zustimmen, denn hier in der Bundesrepublik, welches sich ein freiheitlich demokratischer und sozialer Rechtsstaat nennt, läuft einiges aus den Rudern. Ob jetzt ausländische Medien vertreten sind oder nicht…nichts bringt uns die Menschen zurück, die übelst hingerichtet worden sind. Als sogenannte Dönermorde wurde uns allen (Ganz Deutschland) dieses Gericht auf dem Silbertablett serviert. Im 21. Jahrhundert, in einer Zeit, wo sich die Menschen als aufgeklärt bezeichnen töten die einen Menschen die anderen Menschen. Warum, was ist der Grund?
Aber nein, wer zu erst kommt mahlt zuerst. Was ist das, ist das jetzt eine neue deutsche Tugend? Unverschämt! Wir sind doch nicht im Schlussverkauf bei einem Discounter.
Eindeutig haben einige Behörden allgemein ein Ausländerproblem und speziell ein Türkenproblem. Baden-Württemberg und Bayern sind dabei ganz extrem. Diese Menschen sind bei den jeweiligen Behörden Schikanen, Diskriminierungen und Willkür ausgesetzt. Ich bin nicht der eine, der das erfahren hat. Aber einigen hier in dieser Diskussion ist das völlig egal. Sie wollen das nicht wissen. Eventuell finden sie es sogar gut so. Ach…mehr möchte ich nicht mehr schreiben, nur noch…was würde Jesus sagen, wenn er heute hier, Bundesrepublik Deutschland, ein freiheitlich demokratischer und sozialer Rechtsstaat, leben würde?
Danke nochmals Marie, du bist richtig cool ;)