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Ali Konkret

Türkische Medien beim NSU-Prozess: Karlsruhe erspart uns die Blamage

Wochenlang kochten die Emotionen rund um den bevorstehenden Prozess gegen das NSU-Mitglied Beate Zschäpe in München hoch, noch bevor auch nur eine Seite der Anklage verlesen wurde.

Von Dienstag, 16.04.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.04.2016, 23:04 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Das unwürdige Hickhack um die Vergabe von Plätzen zur Medienberichterstattung durch das OLG München, wobei türkische Medien leer ausgingen, hat Deutschland international ziemlich alt aussehen lassen. Wie gut, dass uns das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach der Klage der türkischen Zeitung „Sabah“ eine Blamage in Zeitlupe erspart hat!

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Karlsruhe als moralische Feuerwehr
Dass das Bundesverfassungsgericht jetzt mal wieder eingreifen musste, ist kein Einzelfall. Schon öfter mussten die Richter in den roten Roben korrigierend tätig werden, wenn juristisch und politisch etwas daneben lief. So z.B. kassierte Karlsruhe 2005 die so genannte „Rasterfahndung“ gegenüber Personen mit muslimischem Hintergrund, wobei in NRW das Landeskriminalamt über die Einwohnermeldeämter und Hochschulen spezielle Daten besagter „Zielgruppe“ zum Zwecke der Anti-Terrorbekämpfung überprüfte, ohne dass die Betroffenen bis dahin etwas ahnten. Wie gut das der Rechtsstaat wachsam ist.

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Das „Urteil von oben“
Im Falle des Streites um den medialen Zugang türkischsprachiger Medien zum NSU-Prozess erwies sich der Klageweg als einzige noch mögliche Instanz, nachdem sich das OLG beharrlich hinter seiner eigenen Hausordnung versteckt hat, ohne auch nur ein Stückchen den gesellschaftspolitischen Sprengstoff zu erkennen. Dass andere Gerichte, wie z.B. beim Prozess gegen den schweizerischen Wetterexperten Jörg Kachelmann, vorsorglich Plätze für Zeitungen aus der Schweiz reservierten, macht das Verhalten des OLG München noch unverständlicher. Jetzt muss das OLG das „Urteil von oben“ zufriedenstellend umsetzen und mindestens drei weiteren ausländischen Pressevertretern Zugang gewähren. Um weiteren Fettnäpfchen aus dem Weg zu gehen, gönnt sich das OLG München erst einmal eine Verschiebung des Prozesses auf den 6. Mai 2013.

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Regierung kritisiert aus der zweiten Reihe
Nun könnte man meinen, dass sich wenigstens Bundeskanzlerin Merkel mit eindringlichen Appellen an das OLG München gewandt hätte. Stattdessen gab es eher kurzsilbige Statements von Regierungssprecher Seibert über den Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz.

Dass dann doch Regierungsvertreter aus der zweiten Reihe die Platzvergabepraxis des OLG München kritisierten, dürfte viele Menschen aus der Migrantencommunity kaum noch erreicht haben. Das hätte eigentlich „Chefinnensache“ sein müssen!

Die Welt schaut genau hin
Umso genauer schauen jetzt viele Menschen in Deutschland, in der Türkei und weltweit zum Prozessstart nach München, um zu erleben, wie die deutsche Justiz mit einem der grausigsten, rassistisch motivierten Verbrechen der letzten Jahrzehnte umgeht.
Zwar hat Karlsruhe Deutschland vor einer größeren Blamage bewahrt, eine Impfung gegen künftige war das allerdings nicht! Aktuell Meinung

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  1. Umbecco sagt:

    @alle anderen
    Die die sich für die Wahrheit interessieren bitte lesen Sie die Kommentare von anfang an durch!

    Anfangs kritisiere ich das Migazin wegen der einseitigen Berichterstattung bzw. der nicht-berichterstattung zu den Gerichtsprozessen aus der Türkei, dann kritisiere ich die türkische Regierung wegen ihrem extrem dreisten auftretens und danach versuche ich lediglich Marie beizubringen, dass es wenig glaubhaft ist, wenn jemand die deutschen Gerichte kritisiert und als befangen darstellt, wenn es zuhause kein deut besser aussieht und offenbar noch schlimmer ist/wird (und auch noch selbst daran schuld ist). Die Vergleiche mit anderen Staaten sind mir nicht so wichtig, da ich die lediglich zum besseren Verständnis was ich sagen wollte herbeigezogen habe. Sich darauf einzuschiessen, sind nur Ablenkungsmanöver.
    Und ja, ich verbitte der türkischen Regierung zurecht sich zu dem Prozess zu äußern.

    Nichts schlimmes, nichts rassistisches! Aber zugegeben ich habe sämtliche Satzbausteine geliefert, damit ein mir böse gesinnter Mensch daraus Rassismus konstruieren kann. Und Marie hat es getan!

  2. AI sagt:

    Und weil es wo anders nicht klappt, darf man die Sachen hier nicht kritisieren? Umbecco, auch wenn Ihnen das nicht bewusst ist, man
    nennt das strukturellen Rassismus.

  3. Marie sagt:

    Sie, Herr Umbecco, haben hier überhaupt niemandem etwas zu verbieten. Sie, Herr Umbecco, haben dem Migazin nicht vorzuschreiben, worüber es berichtet, Erst recht nicht haben Sie der türkischen Regierung vorzuschreiben, was diese kritisiert. Was bilden Sie sich in Ihrem nationalistischen Größenwahn eigentlich ein? An Lächerlichkeit nicht zu überbieten ist Ihre Behauptung, ich hätte mich auf Ihre Staatenvergliche eingeschossen – Ihre Staatenvergleiche offenbaren zum Einen Ihr an nationalistischer Selbstgerechtigkeit (Wir sind die Guten) kaum zu überbietendes Messen mit zweierlei Maß, zum Anderen müssen Sie es sich schon gefallen lassen, dass diese Ungeheuerlichkeiten (die jetzt angeblich plötzlich nicht mehr „so wichtig“ sind) kommentiert werden. Nicht die türkische Regierung tritt „extrem dreist“ auf, Sie treten extrem dreist auf und es ist eine Ungeheuerlichkeit sondersgleichen, der türkischen Regierung vorschreiben zu wollen, was diese kritisieren darf, weil es angeblich zu Hause „noch schlimmer“ sei. Nicht die türkische Justiz hat deutsche Journalisten ausgesperrt in Angelegenheiten von deutschem Interesse, es war genau anders herum. Und doch, das ist etwas Schlimmes, was Sie hier ohne Unterlass in Ihrem nationalistischen Größenwahn schreiben und das ist rassistisch. Genau das habe ich mit ausführlicher Begründung erläutert, und ich werde „es“ immer wieder tun.

  4. Lionel sagt:

    Mir war gar nicht bekannt, dass Einzelpersonen struktureller bzw. institutioneller Rassismus sein können und dass die Meinung, ausländische Regierungen sollten sich nicht in die Angelegenheiten eines unabhängigen Gerichts einmischen, ein Beleg dafür ist.
    Die gängige Rassismusdefinition von Memmi gehört dringend überarbeitet.

  5. AI sagt:

    Sie sind es nicht, sie machen es…. . Sie beginnen die Dinge zu verdrehen, aber das mag damit zusammenhängen, dass Sie zu vielen Foren-Mitgliedern antworten müssen. Es ging nicht um das Einmischen, sondern um eine Kritik, die nicht von Gerichten kam, sondern von Journalisten und Politikern. Zumal im internationalen Strafrecht, Völkerrecht und im internationalen Wirtschaftsrecht es gang und gäbe ist, dass sich eingemischt wird.

    Aber Lionel, beim strukturellen Rassismus geht es nicht nur darum, dass Institutionen und Behörden per sè rassistisch sind, sondern durch Verfahrensweisen Rassismus produziert wird, und man sich nicht immer bewusst ist rassistisch zu sein.