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Ich bin Türke!

Wo ist das Problem?

Warum dürfen wir Türken in Deutschland nicht nach unserer Façon selig werden? Warum muss ich mich denn in dieser Gesellschaft als Deutscher beschreiben, um nicht in den Verdacht zu kommen, ein „Integrationsverweigerer“ zu sein oder ein Problem?

Von Mustafa Esmer Freitag, 19.04.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 24.04.2013, 8:20 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Ich wurde 1976 in Remscheid als Kind türkischer Eltern geboren. Keine Angst, ich habe nicht vor, eine Sammlung meiner Diskriminierungserfahrungen zu verfassen. Relevant ist nur das Faktum meiner Herkunft zur Wahrnehmung, dass ich mit der Politik eines Helmut Schmidt und viel prägender, mit der Politik von Helmut Kohl aufgewachsen bin, die in beiden Fällen, signifikant-türkenfeindlich war. Interessierte können gerne in den Archiven einschlägig bekannter Polit-Magazine oder Tageszeitungen die Jahre 1980-1995 recherchieren. Sie werden die Politik dieser Zeit nicht anders beschreiben können als ich, falls Sie nicht Ignorant oder Politiker sind.

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Ich bin kein Deutscher
Ja, ich bin hier geboren. Ja, ich bin ein Remscheider, Ja, ich bezeichne das Bergische Land als meine Heimat und nein, ich bin kein Deutscher! Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer sagte mal: „Ein eigentümlicher Fehler der Deutschen ist, dass sie, was vor ihren Füßen liegt, in den Wolken suchen.“ Man muss keine Kaffeesatzleserei betreiben, um zu verstehen, warum ich das sage. Ich bin das Produkt deutscher Innenpolitik, das aus einem Kind, in Deutschland geboren, einen Türken gemacht hat. Ich habe diese, aufgrund meiner Herkunft, zugeschriebene Identität lediglich angenommen und die gefällt mir. Die Entscheidung meinen türkischen Pass zu behalten und mich als Türke in Deutschland zu bezeichnen habe ich bewusst getroffen, vielleicht auch unter dem Einfluss der ständig wiederkehrenden Hetzkampagnen. Unabhängig von dieser Frage, bereue ich meine Entscheidung nicht.

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Gratulation, liebe Rückführungspolitik!
Ich verlasse meine Heimat zwar nicht, aber bleibe, dank der jahrzehntelang betriebenen Politik, offiziell betrachtet ein „Fremdkörper“ in dieser Republik. Dies ist keine Beschwerde, nicht missverstehen! Die deutsche Ausländerpolitik produzierte einen in Deutschland geborenen und lebenden Türken. Sie werden von mir keine Klagelieder hören, über fehlende Akzeptanz und Anerkennung vonseiten der Mehrheitsgesellschaft. Dieses Thema betrifft die vielen türkeistämmigen Neudeutschen, die offiziell, ausgrenzend und diffamierend, in der Öffentlichkeit zu „Deutsche[n] mit Migrationshintergrund“ degradiert werden. Ich hatte persönlich nie den Drang, als gleichberechtigtes Mitglied dieser Gesellschaft anerkannt zu werden, dennoch sichert mir das Grundgesetz meine Gleichwertigkeit zu und das Recht, als Türke in Deutschland leben zu können. Die medial inszenierten Hetzkampagnen, die ständige politische Legitimation der Diffamierung durch Wiederholung und Desinformation oder das Infragestellen meiner Integrität, stellen nicht nur einen Eingriff in meine Persönlichkeitsrechte dar, sie zementieren auch Vorurteile in den Köpfen der Mehrheitsgesellschaft. Des Weiteren widersprechen sie dem Fundament unserer Grundordnung, dem Gedanken der Gleichwertigkeit aller Menschen.

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Ich bin bereits integriert!
Ich bin hier aufgewachsen, habe mein Abitur gemacht, den akademischen Grad des Diplom- Sozialwissenschaftlers erlangt und mein gesamtes Leben, in Interaktion mit meiner Umwelt verbracht. Ich kann Deutsch, ich finde das Grundgesetz gut und bin ein rechtschaffener Türke in Deutschland, der seine Steuern zahlt und schon immer seine GEZ-Gebühren bezahlt hat. Warum versucht man mich dennoch mit Gesetzen zu verwalten, die davon ausgehen, dass ich eine Gefahr für dieses Land bin? Es ist traurig, denn das deutsche Ausländerrecht ist bis heute vorwiegend „die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“. Dieser Geist begegnet einem immer dann, wenn man mit öffentlichen Akteuren zusammentrifft, Verwaltungsakte erledigen muss oder Kommentare von Politikern, zu ausländerspezifischen Themen, zur Kenntnis nimmt.

„Jeder soll nach seiner Façon selig werden“
… sagte einst Friedrich II, König von Preußen. Warum dürfen wir Türken in Deutschland nicht, im Rahmen des Grundgesetzes, „nach [unserer] Façon selig werden“? Warum muss ich mich denn in dieser Gesellschaft als Deutscher beschreiben und „Deutscher als die Deutschen“ erscheinen, um nicht in den Verdacht zu kommen, ein „Integrationsverweigerer“ zu sein oder ein Problem? Bin ich wirklich undankbar gegenüber Deutschland oder gar Illoyal, wenn ich darauf hinweise, dass meine vom Grundgesetz garantierten Rechte von der Politik mit Füßen getreten werden? Ist Deutschland denn nicht ein Rechtsstaat?

Wenn ich mich für das kommunale Wahlrecht für Drittstaatenangehörige einsetze, muss man es nicht als Geheimplan zur Türkisierung bzw. Islamisierung Deutschlands wahrnehmen. Man darf ruhig unterstellen, dass mir auch ein friedliches Zusammenleben in Deutschland wichtig ist, obwohl ich nicht die „richtigen“ Ausweispapiere in meiner Tasche habe. Meine Freunde, meine Familie, viele Menschen, die ich schätze oder einfach nur gut leiden kann, leben hier. Warum sollte ich diesen Menschen, die vielen unterschiedlichen Ethnien, Religionen, Konfessionen und Nationalitäten angehören, schaden wollen? Warum spricht man mir die menschlichsten Verhaltensmuster ab?

Was ist eigentlich die Mehrzahl von Deutschland?
Bei der Niederschrift meiner Gedanken habe ich mir irgendwann die Frage gestellt: „Was ist eigentlich die Mehrzahl von „Deutschland“? Wenn ich Deutschland kritisiere, ist damit vorwiegend das öffentliche Deutschland gemeint. Die Politik, die seit Jahren medial- aufrechterhaltene-öffentliche Spannung, die dadurch erzeugte negative Stimmung und keinerlei ernstzunehmende Forderung der Bevölkerung, gesellschaftliche Konflikte lösen zu wollen.

Andererseits gibt es auch sehr viele schöne Deutschland-Bilder in meinem Kopf. Erinnerungen, Ereignisse, Menschen, einfach Bilder eines Lebens. Ich fühle mich grundsätzlich wohl in Deutschland, solange ich mich in meinem personalisierten Lebensraum bewege. Bei der Arbeit, unterwegs mit Freunden, Nachbarn, Kollegen, überall fühle ich mich nicht als Türke, sondern als ich. Gutes Deutschland. Sobald ich jedoch das öffentliche Deutschland betrete, ist es meist vorbei mit wohlfühlen und man stellt sich oft die Frage, warum man dieses Land nicht einfach verlässt. Da Deutschland offiziell durch die Politik repräsentiert wird, kann ich nicht sagen, dass mir Deutschland gefällt und man als Türke hier würdevoll, in einem freiheitlich-demokratisch organisierten Gemeinwesen, leben kann. Da hauptsächlich der öffentliche Raum, ein konfliktfreies Zusammenleben zu erschweren scheint, wäre es dann nicht einfach durch einen politischen Willen lösbar? Nein, dieses Deutschland mag ich nicht. Aber die vielen anderen … womit wir bei meiner Frage sind. Was ist eigentlich die Mehrzahl von Deutschland? Deutschlands? Aktuell Meinung

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  1. SaDiyeMe sagt:

    Als Deutsche mit türk. Hintergrund bin ich nach mittlerweile 40 Jahren leid mich rechtzufertigen warum ich hier lebe und arbeite. Dialoge wie diese kommen mir schon zum Halse raus:
    „Wo kommen Sie her?“
    „Oh, hört man mein friesisches Dialekt immer noch? Bin aus Norddeutschland.“
    „Nein, wo kommen Sie ursprünglich her? Sie sind doch keine Deutsche?!“

    Oder

    Sie: „Sie sprechen aber gut deutsch!“
    Ich: „Danke, Sie sprechen auch gut deutsch. Sind Sie hier geboren?“
    Sie: „Wie bitte?? Ich BIN Deutsche. Geborene Deutsche.“

    Ich lebe mein Leben nach meinem Facon und es interessiert mich mittlerweile nicht die Bohne was die Mehrheitsgesellschaft von mir will oder erwartet. Ich ziehe mein Ding durch. Ich bin es einfach leid ständig die Erwartungen anderer erfüllen zu müssen, die selbst nicht wissen was sie eigentlich wollen und ständig neue Gründe finden um auszugrenzen.

  2. Der bayrische Türke sagt:

    Es ist erstaunlich, dass die deutsche Gesellschaft der festen Meinung ist, dass nur die Türken integrationsunwillig sind. Integration ist keine Einbahnstraße. Wie oft habe ich erlebt, dass integrationswillige Türken von der deutschen Gesellschaft einfach ignoriert wurden! Beispiele gibt es genug:
    Kein Einlass in den Clubs, Schützenvereine, Tanzkurse und und und.
    Da wird man als Türke wie ein Alien angesehen, getreu dem Motto: „Was suchen die denn hier bei UNS (Deutschen).
    Mit dieser Einstellung bracht sich Deutschland nicht zu wundern, wenn Türken sich in Ihre eigene Community zurückziehen. Im Übrigen war es nie Ziel der deutschen Politik, die Türken zu integrieren! Siehe dazu Spiegel Artikel!!!