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Ministerium räumt ein

Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien ist in erster Linie keine Armutsmigration

Seit Monaten warnt Innenminister Friedrich vor einer vermeintlichen Armutsmigration aus Bulgarien und Rumänien. Wie sein Ministerium jetzt einräumt, gibt es keine Belege für diese Behauptung. Ganz im Gegenteil. Die Opposition spricht von Stimmungsmache.

Freitag, 03.05.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 10.05.2013, 1:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Zahl der Menschen, die „hierherkommen um Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen“ nehme zu, hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Februar in einem Zeitungsinterview gesagt. Gemeint waren vermeintliche „Armutszuwanderer“ aus Rumänien und Bulgarien. „Und ich befürchte, dass die Entwicklung in den nächsten Jahren so weiter geht, wenn wir nicht gegensteuern“, fügte der Bundesinnenminister hinzu.

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Wie aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervorgeht (liegt dem MiGAZIN vor), kann sein Ministerium diese Aussagen aber nicht belegen. Im Gegenteil: Soweit amtliche Zahlen vorliegen, deuten sie in eine ganz andere Richtung. Wörtlich heißt es im Regierungsschreiben: „Die Bundesregierung teilt die … Auffassung, dass es sich bei der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nicht in erster Linie um sogenannte ‚Armutsmigration‘ handelt“.

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Gut integriert
Wie aus der Antwort weiter hervorgeht, sind Rumänen und Bulgaren in Deutschland in den Arbeitsmarkt sogar gut integriert. So waren rund 110.000 Rumänen und Bulgaren 2012 in Deutschland sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt, 29,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit machen sie 0,3 Prozent der Beschäftigten in Deutschland aus und stellen 0,4 Prozent der Arbeitslosen, wobei „in absoluten Zahlen kein erheblicher Anstieg der Arbeitslosigkeit von rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen statistisch erfasst“ sei, teilt das Ministerium mit.

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Die gestiegene Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter aus diesen Ländern zeige sogar, dass Deutschland „vor allem auch für Arbeitskräfte“ aus diesen Ländern ein attraktives Zielland darstelle. Die aktuellen Zahlen zu den Zu- und Fortzügen ließen zudem erkennen, dass „diese Arbeitskräfte nach Beendigung ihrer Beschäftigungsphasen (beispielsweise als Saisonarbeitskräfte) das Land oftmals auch wieder verlassen“, räumt das Ministerium ein. Außerdem sei die Arbeitslosigkeit unter Bulgaren und Rumänen mit 9,6 Prozent deutlich niedriger als unter allen Ausländern (16,4 Prozent).

Friedrich schreibt
Ein Vergleich zeigt zudem, dass Deutschland nicht einmal Top-Zielland für Bulgaren und Rumänen ist. Laut Vorlage lebten zum Jahreswechsel 2012/13 rund 205.000 rumänische und 119.000 bulgarische Staatsangehörige in Deutschland, das waren 29 bzw. 26,5 Prozent mehr als im Vorjahr. 141.000 der rumänischen und 75.000 der bulgarischen Staatsangehörigen, d.h. etwa 70 Prozent, leben bereits seit mehr als einem Jahr in Deutschland. In Spanien und Italien hingegen beträgt ihre Zahl jeweils über eine Million, also gut dreimal so viel wie im bevölkerungsstärkeren Deutschland (324.000). Weitere Hauptzielländer sind die Niederlande, Belgien, Österreich und Schweden.

Ungeachtet dieser Faktenlage hatte Bundesinnenminister Friedrich Ende April gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Österreich, Großbritannien und den Niederlanden in einem Brief die EU-Ratspräsidentschaft aufgefordert, Maßnahmen zu treffen, „um den Folgen dieser Art von Einwanderung zu begegnen“. Die Minister führen aus, es sei eine „Beleidigung für den gesunden Menschenverstand“, Neuankömmlingen denselben Zugang zu Sozialleistungen zu gewähren wie Einheimischen. Konkret wird eine neue „Auslegung“ der EU-Freizügigkeitsrichtlinie gefordert. Bei EU-Innenministertreffen im Juni soll darüber beraten werden.

Stimmungsmache
So lange hat Friedrich noch Zeit, seine Aussagen zu untermauern. Gelingt es ihm nicht, droht eine weitere Schlappe. Bereits im März hatte die Europäische Kommission anlässlich ähnlicher Forderungen klargestellt, dass sie keine Vorschläge zur Eindämmung von „Sozialtourismus“ machen werde, weil es diesen ihrer Ansicht nach nicht gebe. Es handele sich vielmehr „um ein Wahrnehmungsproblem in manchen Mitgliedstaaten, das keine Grundlage in der Wirklichkeit hat“, so EU-Sozialkommissar Laszlo Andor.

So sieht es auch die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. „Die Behauptungen über massiven Missbrauch der Sozialsysteme durch sogenannte Armutsmigranten aus Bulgarien und Rumänien haben null Substanz“, so die Linkspolitikerin. Friedrich könne nichts beweisen, er könne „nur Stimmung machen“. (bk) Leitartikel Politik

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