Replik
Die imaginären Haustürken
Es ist richtig, die Aussagen von Necla Kelek und Akif Pirinçci zu hinterfragen. Es ist aber falsch, bei der Auseinandersetzung Wörter wie „Haustürke“ zu verwenden, wie es Gümüşay in ihrer Kolumne tut. Eine Replik auf "die deutschen Haustürken".
Von Anatol Stefanowitsch Montag, 06.05.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.01.2016, 14:12 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Es ist gut und richtig, die Aussagen und Absichten der türkischstämmigen Soziologin Necla Kelek und des türkischstämmigen Autors Akif Pirinçci zu hinterfragen, wie es Kübra Gümüşay in einer Kolumne getan hat. Beide sind wiederholt durch polemische und teilweise stereotypisierende Kritik der türkischstämmigen Gemeinschaft in Deutschland aufgefallen, die nicht unwidersprochen stehen bleiben darf.
Es ist aber falsch, bei der Auseinandersetzung mit Kelek, Pirinçci oder anderen Wörter wie „Haustürke“ zu verwenden, wie es Gümüşay in ihrer Kolumne tut. Das Wort ist aus mindestens zwei Gründen problematisch und sollte selbst in einer notwendigen und harten Auseinandersetzung vermieden werden.
Das erste Problem sehe ich in dem historischen Zusammenhang, auf den das Wort sich bezieht und in der Weltsicht, die sich in diesem historischen Zusammenhang manifestiert. Gümüşay lässt sich zu diesem Begriff durch eine berühmte Rede von Malcolm X inspirieren, der zwischen house ne****s (bzw. house ni****s) auf der einen und field ne****s auf der anderen Seite unterscheidet. Erstere waren Hausbedienstete, die sich (angeblich) mit ihren Besitzer identifizierten und ihm halfen, letztere unter Kontrolle zu halten, wenn die sich gegen ihren Besitzer auflehnten. Malcolm X bezieht sich damit explizit auf das (weiße) Narrativ um „Onkel Tom“ (den gütigen und zufriedenen Sklaven aus Harriet Beecher-Stowes Roman Onkel Toms Hütte). Sein Ziel ist es dabei, die Mehrheit der Schwarzen, die er mit den field ne****s vergleicht, gegenüber denjenigen Schwarzen zu radikalisieren, die sich aus seiner Sicht noch in den 1960er Jahren mit dem weißen Amerika und seinen Machtstrukturen identifizierten.
Unabhängig davon, ob es die Haussklaven tatsächlich in der von Beecher-Stowe romantisierten und von Malcolm X kritisierten Art und Weise gab, ist die Verwendung dieser Narrative durch Malcolm X insofern gerechtfertigt, als die Schwarzen in den USA tatsächlich jahrhundertelang entrechtet und auf brutalste Weise ausgebeutet wurden, und die Allegorie des „Onkel Tom“ seinen Zuhörer/innen helfen sollte, das zu erkennen und sich von den Machtstrukturen des weißen Amerika nicht vereinnahmen zu lassen, sondern auf Gerechtigkeit zu pochen.
Tatsächlich aber dürften wenigstens Zweifel an der Existenz einer nennenswerten Zahl von „Onkel Toms“ angebracht sein. Auch Haussklaven waren Sklaven, die ausgebeutet und missbraucht und ohne Rücksicht auf Familienbeziehungen ge- und verkauft wurden. Die Idee, dass sie das nicht durchschaut und sich stattdessen in großer Zahl mit ihren Peinigern solidarisiert haben, dürfte eher (weißen) medialen Darstellungen als der Wirklichkeit entspringen. Zumindest verbietet es sich, die Narrative unreflektiert zu übernehmen und auf andere Zusammenhänge anzuwenden, wie Gümüşay das tut. Spätestens mit dieser Übertragung akzeptiert man den Wahrheitsgehalt, und damit die rassistische Perspektive, dieser Narrative.
Das zweite Problem besteht darin, dass Gümüşay den von ihr (inhaltlich durchaus zu recht) kritisierten Necla Kelek und Akif Pirinçci durch die Kategorisierung als „Haustürken“ nicht nur, wie vielleicht intendiert, die Legitimation abspricht, für die Türken (bzw. Deutsche mit türkischem Hintergrund) insgesamt zu sprechen, sondern die Legitimation abspricht, überhaupt als Türken (bzw. Deutsche mit türkischem Hintergrund) zu sprechen. Die Kategorisierung als „Haustürke“ suggeriert, dass Kelek, Pirinçci und andere so stark mit den Machtstrukturen der deutschen Mehrheitsgesellschaft identifizieren, dass sie nicht mehr für sich, sondern für die Mehrheitsgesellschaft reden.
Hinweis: Eine Replik von Kübra Gümüşay auf diesen Beitrag von Prof. Anatol Stefanowitsch finden Sie hier.
Und bei allem, was an Kelek und vor allem Pirinçci schärfstens kritikwürdig ist, halte ich das für anmaßend und absolut ungerechtfertigt. Man muss Keleks und Pirinçcis Ansichten nicht ernst nehmen, akzeptieren oder gar teilen (ich tue nichts davon), aber man sollte die biografischen Erfahrungen und die Gedankengänge respektieren, die sie dort hingeführt haben. Beide sind meiner Einschätzung nach intelligente Menschen, die in der Lage sind, für sich selbst zu denken. Und beiden kann man eine differenzierte Einstellung zur deutschen Mehrheitsgesellschaft bescheinigen (sie stehen der nämlich beide an verschiedenen Stellen durchaus kritisch gegenüber).
Zielführender wäre es gewesen, zu zeigen, dass die deutsche Mehrheitsgesellschaft nur zu bereit ist, sich genau die Aussagen von Angehörigen einer Minderheit herauszusuchen, die gut zu ihrem Selbstbild passen und die es nicht erfordern, die eigene Rolle zu reflektieren oder gar zu verändern. Das ist aber kaum Kelek und Pirinçci anzulasten, die – bei aller Befremdlichkeit vieler ihrer Aussagen – nur ihre Meinung vertreten. Es ist denjenigen anzulasten, die diese Aussagen unter Ausschluss anderer Meinungen oder Tatsachen zur Grundlage politischen Handelns machen. Aktuell Meinung
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Nach Budget-Halbierung Regierungsbeauftragter für Reform der Integrationskurse
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- „Hölle“ nach Trump-Sieg Massenabschiebungen in den USA sollen Realität werden
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
Die Antwort Pirinccis auf den Artikel vom K. Gümüsay.
Von seiner Facebook -Steite:
„Ich verrate euch mal einen Trick aus der Rhetorikkiste. Er ist alt, aber wenn man ihn geschickt anwendet, erzielt er immer noch eine erstaunliche Wirkung. Der Trick ist unter dem Begriff „Umkehrung des Sachverhalts“ bekannt, und ich will seine Funktionsweise an einem Beispiel und unter Zuhilfenahme des unten stehenden Artikels erläutern. Angenommen es gibt eine Minderheit, die so minder gar nicht mehr ist und deren Verhalten und öffentliche Präsentation aus dem Mittelalter stammt. Zudem ist sie menschen- und frauenverachtend. Da jedoch im Laufe der Jahre eine kolossale Migrationsindustrie aufgebaut wurde, die es sich wie ein parasitärer Furunkel am Arsch des Steuerzahlers gut ergehen läßt, und die Politik die Wahlstimmen dieser mittelalterlichen Menschen braucht, ist es vonnöten, diese Gruppe in der Öffentlichkeit so darzustellen, als seien sie nicht vormodern und ekelhaft in ihrer Lebensweise, sondern nur, sagen wir mal, anders. Hierzu stellt man eloquente „Intellektuelle“ aus dieser genannten Schicht ein, die diese Sichtweise propagieren und jeden, der anderer Meinung als sie sind, als rassistisch verleugnen. Nennen wir diese groben Propagandaleute aus der „anderen“ Ethnie „Haussklaven“. Sie tun getreulich ihren Dienst und verbreiten gnadenlos und mit Akkuratesse die Mär vom edlen Wilden, der selbst bei seinem verachtenswerten Verhalten als unberührbar und unkritisierbar zu gelten hat.
Das Problem taucht jedoch auf, wenn sich aus der Gruppe der edlen Wilden plötzlich ein paar Spaltpilze hervortun, die offenen Auges die eigene Gruppe kritisieren und die Wahrheit sagen. Was macht man da? Klar, die sind dann auch rassistisch, nazi, hasspredigend und so weiter. Aber das reicht noch nicht, hat man schon oft gehört, ist abgestumpft dagegen. Da kommt der altbewährte rhetorische Trick zu Hilfe: Man dreht den Spieß einfach um! Nicht man selbst ist der Haussklave, sondern der Kritiker des menschenverachtenden Verhaltens. Wie gesagt, ist ein alter Trick.“
@soistes
Hier gilt kein Relativitätsprinzip. Niemand spricht den alteingesessenen nur aufgrund ihrer Herkunft die Menschlichkeit ab oder bezichtigt sie der dadurch zwangsläufig verursachten sexuellen Gewalt und Drang zum Genozid. Die Umkehrung der Richtigstellung der zuvor schon verdrehten Schuldzuweisung durch Pirincci ist schlicht absurd.
http://www.migazin.de/2013/05/07/macht-die-achse-guten/
Einer wird dort zum Rassisten, wo jener alle zu „edlen Wilden“ macht. Als ob alle eine Meinung und eine Vorgehensweise hätten. Und als ob alle dasselbe vorhätten. Und intellektuelle Brandstiftung wird es dort, wo jener sich selbst zum Kritiker einer Sache überhöht, deren Kritik andere nicht mehr üben dürfen, oder können. Aber Diskussion zeigt: Alle sitzen in Ihrer Ecke und schiessen – gleich Scharfschützen – auf laufende Passanten.
Ich nenne das: Unser intellektuelles Sarajevo.
„Wo die Vernunft aufhört ,fängt die Gewalt an “ , dieser Satz kann zweideutig sein .
Der vergleich von onkel toms , und housnegros oder haustürken ist mehr als treffend .
Und unser Herr Professor relativiert natürlich , und versucht zu suggerieren das die Volksverhetzung ,die betrieben wird , unter die Meinungsfreiheit fällt . Er nennt es Kritik .
Nur interessant finde ich das er den beiden Brandstiftern , eine „differenzierte Einstellung zur deutschen Mehrheitsgesellschaft “ attestiert und bescheinigt .
das seltsame ist ,das diese kritische Einstellung dann doch nicht so zu Tage kommt , wie die Hetze gegen Muslime und Türken .
Anscheinend kann man mit Kritik an der deutschen Mehrheitsgesellschaft keine Bücher verkaufen , keine bezahlten Vorträge halten , keine Talkshowauftritte erhalten oder der gleichen . Es lohnt sich halt nicht und sonderlich beliebt macht man sich auch nicht damit .
Das einzigste was diese Subjekte bedienen , sind die kollektiven latenten minderwertigkeitskomplexe der mehrheitsgesellschaft .sie brauchen etwas an dem sie sich auslassen können , an dem sie ihre unsicherheit und selbstzweifel abstreifen können .etwas minderwertiges .
Fakten ,Realität oder eine gar sachliche inhaltliche auseinandersetzung ist dabei egal , wie auch im artikel von unserem professor aus berlin . der mit seiner sprachgewandtheit und seiner debattierkunst , viel redet aber nichts sagt . sondern nur geschickt versucht die realität mit worten zuverdrehen .
und diese art von auseinander setzung sieht man in der ganzen debatte
“ islam /integration/ausländer “ . Es werden große ideologische kampfbegriffe gebraucht , große worthülsen ohne inhalt ,polemik .
Aber wehe es wagt sich einer von „den anderen “ mal zurück zusticheln , und seine meinung zusagen .anstatt stumm auf den boden zugucken und diese ganze scheiße über sich ergehen zulassen . dann heisst es nämlich reaktionär ,islamistisch , terroristisch , INTEGRATIONSVERWEIGERER .