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Kümmert euch um eure eigene Politik!

Das Erdoğan-Bashing der deutschen Leitmedien nervt

Seit Wochen berichten hiesige Medien über die Demonstrationen am Taksim-Platz in Istanbul. Angeprangert wird vor allem der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan. Unter den Türkeistämmigen sind die Meinungen geteilt, Mustafa Esmer ist genervt.

Von Mustafa Esmer Freitag, 14.06.2013, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.07.2013, 12:13 Uhr Lesedauer: 8 Minuten  |  

Titel wie „Türkischer Frühling“ oder „Die Wut der Türken gegen das System Erdoğan“ zeugen nicht einzig von der Inkompetenz deutscher Redakteure, sondern von eindeutiger Einmischung in die türkische Innenpolitik, durch unhinterfragte Parteiergreifung. Seit Wochen erzeugen die deutschen Medien, durch undifferenzierte Berichterstattung, ein Zerrbild des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan. Er wird als Despot, als Diktator oder bei den ganz kreativen Redakteuren als Sultan beschrieben. Dass man damit lediglich die Zuschreibungen bestimmter oppositioneller Gruppen wiedergibt, scheint unwichtig.

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Wer, außer den Volksvertretern, soll denn sonst die Macht innehaben?
Ich als Enddreißiger kenne die Türkei vor der AKP-Regierung. Daher stoßen Aussagen wie, dass es in der Türkei, unter der Erdoğan-Regierung, eine Einschränkung der Freiheitsrechte gibt, bei mir auf taube Ohren. Politik ist jedoch ein Prozess und diese Rechte müssen auch für die Zukunft bewahrt, sogar ausgebaut werden.

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Zu allererst müsste den deutschen „Experten“ auffallen, dass die türkische Republik mit einer Junta-Verfassung vom 7. November 1982 regiert wird. Diese sprach dem türkischen Präsidenten immense Macht zu und die Arbeit der großen türkischen Nationalversammlung (TBMM) fand unter dem Damoklesschwert des Militärs statt. Die stets von der Opposition kritisierten Gesetzesänderungen der Regierung stärkten den TBMM und die demokratisch gewählten Vertreter des Volkes. Dieses als Konzentrierung von Macht zu beschreiben ist bedauerlich!

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Die Dominanz des Militärs wurde eingeschränkt und die Rechte des Individuums gestärkt. Weitere Beispiele für einen positiven Wandel sind die Abschaffung der Todesstrafe, die Aufhebung der Benachteiligung von Frauen im Erbrecht, die Aufhebung der Strafmilderung für „Ehrenmorde“ und der Strafbarkeit unehelicher Beziehungen. Außerdem wurden die Rechte, der in der Republik lebenden Minderheiten gestärkt. Ein sehr gutes Gesundheitssystem aufgebaut, das Bildungswesen modernisiert und die an das 20. Jahrhundert, zu Zeiten des Kalten Krieges, erinnernden Militärparaden, an nationalen Feiertagen, abgeschafft.

Gleiches Recht für alle!
2005 wurden in der Türkei Anti-Terror-Gesetze verabschiedet, die wesentlich die Handschrift des Militärs und der türkischen Opposition tragen. Diese Gesetze legitimieren heute die Anklagen der Staatsanwaltschaften und haben zu den ganzen Inhaftierungen der letzten Jahre geführt. Selbst Erdoğan hat die Justiz dafür mehrfach kritisiert. Schließlich war er selbst, oft genug, Opfer der türkischen Justiz. Das Problem in der Türkei ist, dass jeglicher Reformversuch der Regierung, beispielsweise der Justiz, an der Opposition scheitert. Mit populistischen Kampagnen werden Vorwürfe wie Landesverrat, Islamisierung und so fort erhoben und eine negative gesellschaftliche Spannung erzeugt.

Man kann sich gerne die Zusammensetzung der Kommission für die neue Verfassung anschauen. Obwohl die AKP mehr als 50 % der Sitze im TBMM, innehat, ist sie selbst, mit der gleichen Anzahl an Mitgliedern vertreten, wie alle anderen im TBMM vertretenen Parteien auch, selbst die BDP (Politischer Arm der PKK), die nur einige Direktmandate hat.

Die Oppositionsparteien könnten zur Abwechslung auch mal am Tisch sitzenbleiben und gemeinsam mit der Regierung diese notwendigen, sorry, dringend notwendigen Reformen durchführen!

Die Behauptung „Erdoğan lässt knüppeln“ suggeriert doch in sich schon, dass es in der Türkei ein Sultanat gibt, wo der Ministerpräsident alles bestimmt.
Der Oberbürgermeister Istanbuls Kadir Topbaş, Architekt, der dies sicherlich eher entscheidet, ist seit 2004 im Amt und er war vorher Berater von Erdoğan, als dieser selbst noch Oberbürgermeister Istanbuls war. Ruft der dann bei Erdoğan an und fragt, ob er die Umweltschützer niederknüppeln lassen soll? Hat Erdoğan nichts Wichtigeres, worum er sich kümmern muss? Hüseyin Avni Mutlu, der Gouverneur von Istanbul, Jurist, hat lange Jahre die gleiche Tätigkeit im Südosten der Türkei, in Siirt und Diyarbakir, ausgeübt. Er kennt sich also mit gewaltbereiten Protestierenden aus. Ob seine Vita einen Einfluss auf seine Entscheidung bezüglich der Härte des Polizeieinsatzes hatte, kann ich nicht beurteilen. Es sollte dennoch festgehalten werden, dass er, als Gouverneur, die politische Verantwortung für die Ereignisse am Taksim-Platz trägt.

Mich stört, dass die meisten Erdoğan-Gegner – viele studieren oder studierten Wirtschaft oder Sozialwissenschaften – bei der Betrachtung der türkischen Innenpolitik ihre Bildung vergessen aufgrund einer ideologischen Verblendung.
Fördert die Regierung den Handel mit dem „Westen“, dann verkauft sie das Land und sie sind Verräter. Wird der Handel mit den vorwiegend islamischen Nachbarstaaten gefördert, islamisieren sie das Land. Werden Entscheidungsfindungsprozesse de-olligarchisiert und dem TBMM mehr Macht gegeben, versucht Erdoğan Sultan zu werden. Man nehme zum Beispiel das Präsidialsystem, das von Erdoğan favorisiert wird?

Jetzt mal ganz ehrlich! Wie viele Erdoğan-Gegner, die dieses Argument benutzen, haben sich mal angeschaut, wie es gestaltet werden soll? Wie viele haben recherchiert und wissen, wogegen sie sind? Wie viele haben die inhaltliche Validität ihrer Anklage wirklich untersucht?

Es ist die Absurdität der Vorwürfe, die mich ärgert. Natürlich brauchen wir den Handel mit den islamischen oder türkischen Staaten, weil wir kein eigenes Öl oder Gas haben und der Verbrauch, mit steigendem Wohlstand, steigt. Natürlich müssen wir Handel mit dem Westen betreiben, wie auch mit allen anderen Regionen in der Welt. Natürlich ist die USA, gerade in unserer Region ein wichtiger Bündnispartner.

Globalisierung bedeutet in der Türkei das Gleiche wie hier in Deutschland, das sollte jedem bewusst sein.
Mir gefällt’s! Es findet keine Islamisierung statt, was sich im Straßenbild widerspiegelt. Die Menschen dürfen seit den letzten Jahren erst offen zeigen, dass sie Muslime sind, ohne verhöhnt zu werden. Weil sie das tun, fällt auf, das es mehr sind als vorher. Richtig! Aber kämpft man nicht für Freiheiten? Es wird viel von der Symbolik der baulichen Änderungen am Taksim-Platz gesprochen, die man als Indiz für eine Islamisierung und einer Abkehr von Atatürk deutet. Ich frage mich, ob auch nur ein deutscher Journalist das Projekt kennt, wenn Aussagen der Protestler publizistisch reproduziert werden? Dieses Projekt ist bereits 2011 verabschiedet worden und trägt nicht nur die Unterschrift der AKP, sondern auch die Unterschrift, der damals vom Projekt begeisterten und heute dagegen protestierenden Oppositionspartei CHP. Aktuell Meinung

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  1. Marie sagt:

    „@Marie

    Darf ich fragen, weshalb Sie die neoliberale Politik der SPD so schlecht und die von Erdogan so gut finden?

    Bei dieser Gelegenheit würde mich auch interessieren, ob Sie die CSU auch ähnlich toll finden, wie die islamisch-wertkonservative & neoliberale AKP von Erdogan?“

    Diese „Frage“ kann ich leider nicht beantworten, da ich nie geschrieben habe, dass ich „die neoliberale Politik von Erdogan so gut finde.“ Ich habe etwas ganz anderes geschrieben und sowohl im Eingangsbeitrag, als auch in meinem Beitrag geht es in keiner Weise darum, Erdogans Politik toll zu finden oder toll finden zu müssen, sondern um etwas völlig anderes. Mir ist Übrigens auch nicht bekannt, dass die türkischen Medien ohne Unterlass gegen die CSU hetzen.

    Im Übrigen habe ich, ohne das abschließend beurteilen zu wollen/zu können, keineswegs den Eindruck, dass diese Proteste durchgehend so friedlich sind, wie es uns die deutschen Medien weismachen wollen. Blockupy war absolut friedlich, wenn man von einem Farbbeutel an einem Polizistenbein absieht. Sollte in der Türkei tatsächlich ein Polizist im Rahmen der Vorgänge von einer Brücke gestoßen worden sein (in den deutschen Medien ist davon nichts zu lesen und ich kann leider nicht türkisch), dann sind das keine gewaltfreien Demonstrationen, sondern gewalttätige Ausschreitungen gegen eine demokratisch von der Mehrheit gewählte Regierung.

  2. Muammer Yazar sagt:

    Ein sehr guter Beitrag

    Wer denkt das es in Deutschland Meinungsfreiheit gibt, der hat nicht begriffen, das die Medien nur aus Interessensgründen handeln. Meine Beiträge aus der Zeit wurden gelöscht und mein Zugang gesperrt. Alles nur weil ich folgendendes geschrieben hatte:
    Wer sind die Medien in der TR
    Wussten sie das ca. 60-70% des Kapitals der türkischen Medien aus Deutschland kommen. Das die Medien durch Werbeverbot für Zigaretten und alkoholische Getränke finanzielle Nachteile erleiden werden und gegen diese neue Gesetze zu Felde ziehen.
    Was wird mit dem Werbeverbot beabsichtig?
    Kinder und Jugendliche sollen davor Werbung geschützt werden damit diese zum Beispiel nicht zum Rauchen verführt zu werden.
    Gibt es nicht schon ähnliche Gesetze seit Jahren in Deutschland?
    Ärzte protestieren gegen T. Erdogan
    Das Gesundheitssystem der TR war marode und ein Fass ohne Boden.
    Durch die Reformen im Gesundheitswesen wurde Angestellten Ärzten die parallel noch eine Privatklinik hatten vor die Wahl gestellt entweder oder.
    Bisher waren Versicherte der Willkür der Ärzte schutzlos ausgeliefert.
    Wenn man zu den öffentlichen Gesundheitswesen ging, bekam man vom Arzt keine Behandlung und auch nur einen sehr späten Behandlungstermin genannt.( bis zu einem Jahr!) oder hatte die Wahl am selben Tag gegen Barzahlung einer hohen Summe in seiner eigenen Praxis behandelt zu werden.
    Dürfen Ärzte das in Deutschland?
    Bis zu den Reformen hatten Ärzte zwei Einkommen – einmal als Angestellter im öffentlichen Gesundheitsdienst und zum zweiten durch Ihre Privatpraxis/Privatklinik.
    Wieso demonstrierten die Ärzte gegen die Reformen im Gesundheitswesen?
    Sind sie noch gegen diese Regierung?
    Was ist Pro Erdogan?
    Wenn die Bundeskanzlerin Frau Merkel sich dafür einsetzt, das sie Zinsen für Verbraucherkredite und Dispokredite der Banken auf 3 bis 4% herabgesetzt werden sollen ODER der Verbraucherschutz bei Nahrungsmittel gestärkt wird, damit die schädlichen Nahrungsmittelzusätze verboten werden wäre doch auch gut – dann würde Frau Merkel sicher einen großen Wahlerfolg erlangen.
    Aber die durch freie Wahlen gewählte Ministerpräsident Herr Erdogan macht das. Denn die Banken verlangen teilweise 48% bis 100% Zinsen vom Verbraucher – das ist Wucher oder nicht.
    Wer sind die Hintermänner, wer die finanziellen Unterstützer der Demonstranten?

    Soviel zur freien Meinungsäußerung in Deutschland und den deutschen Medien..

  3. ccrcop sagt:

    Erdogan fragt berechtigterweise, wo die Deutschen Medien und die Politiker in den ganzen 10 Jahren waren, als die NSU mordend durch Deutschland zog.
    Sein Resümee: „Deutschland, behalt deine Ratschläge für dich“

    Finde ich auch.

    “Almanya aklını kendine sakla!”

    http://zaman-online.de/34462/erdogan-canli-yayinda-istanbul-il-baskanlari-toplantisinda-konusuyor-son-dakika

  4. Kara Türk sagt:

    Worüber wird hier eigentlich diskutiert? Warum werden unsinnige Unterstellungen nicht zur Abwechslung mal hinterfragt?`Den objektiven Betrachtern der Diskussion, um die derzeitigen Proteste in der Türkei und Erdogan, sollten sich die geäußerten und hier vertretenen Positionen beider Parteien sorgfältig durchlesen und sich erst dann eine Meinung bilden. Ich stimme dem Autor vollkommen zu, dass die Berichterstattung der deutschen Leitmedien weder objektiv, noch informativ ist. Die gibt lediglich einen Einblick in deren Denke, mehr nicht! Danke, Herr Esmer!

    Um die hier getroffenen Aussagen und Unterstellungen der Erdogan-Gegner mal auf eine Faktenbasis zu stellen, zunächst einige Zahlen. Bei den letzten Wahlen in der Türkei, gab es eine Wahlbeteiligung von 87%. Davon wählten 49,5% die aktuelle Regierung und Erdogan. 51Mio Wahlberechtigte gab es zu dem Zeitpunkt in der Türkei. (http://www.kas.de/wf/doc/kas_23101-1522-1-30.pdf) Zum Vergleich. Bei den letzten Bundestagswahlen gab es eine Wahlbeteiligung von 70,8 % und die CDU/CSU erhielt 33,8 % der abgegebene Stimmen.

    Wer ist demokratisch legitimierter? Erdogan oder Merkel?

    Zu den inhaftierten Journalisten: Die Unterstellung, dass es sich bei der türkischen Justiz um eine Exekutivgewalt der aktuellen Regierung handelt ist lächerlich und entbehrt jeglichem Faktenwissen. Ich empfehle hierzu den Artikel von, ich glaube, Hakan Turan auf seinem Blog, mit dem Titel: „Ist die neue türkische Justiz eine AKP-Justiz?“ (http://andalusian.de/index.php/blog-kategorien/item/ist-die-neue-tuerkische-justiz-eine-akp-justiz)

    Der biodeutschen- und der kemalsitischen Presse scheint der Wahrheitsgehalt der Vorwürfe gegen Erdogan und seiner Regierung wenig zu interessieren, wenn sie ständig, die Position der türkischen Opposition vertritt. Ursächlich für die Verhaftungen sind, wie vom Autor richtig beschrieben, die „Anti-Terror-Gesetze“ aus dem Jahr 2005. Diese wurden vom Militär mitgeschrieben und der Opposition forciert. Als man in den Folgejahren auf Basis dieser Gesetze kleine Kinder, die Steine warfen, Kemalismuskritiker, muslimische Oppositionelle … inhaftierte, hat man von diesen Gruppen nichts von fehlender Meinungsfreiheit vernehmen können. Auf Basis dieser Gesetze wurde die Partei von Ahmet Türk (DTP) verboten und diese Gesetze bildeten auch die Basis des Verbotsantrags gegen die AKP, nach den gewonnen Wahlen 2008. Das die reformierungsversuche der Justiz von den selben, die heute die Protestler aufwiegeln, damals mit Fahnenmärschen verhindert wurde scheint hier auch niemanden zu interessieren. Uns schon!

    Jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich! Selbst die Kemalisten, auch wenn sie es nicht gewohnt sind!

    Die Inhaftierungen sind die Ausprägung einer funktionierenden Gewaltenteilung und einer geRechten Justiz. Nichts anderes! Die Gesetze sind schieße! Helft doch der Regierung diese zu ändern, anstatt erst jede Reform zu verhindern und danach die Existenz und Durchsetzung der Gesetze zu kritisieren! Die türkische Republik ist ein Rechtstaat!

    Man kritisiert die fehlende Meinungsfreiheit und publiziert es tagtäglich in Form von Kommentaren, Leitartikeln und Artikelserien, in der TÜRKISCHEN PRESSE und in den Bildmedien, wie Ulusal Kanal. Die Regierung wird diffamiert, Erdogan aufs niveauloseste beleidigt, Hetze betrieben und die Leserschaft mit Falschmeldungen aufgewiegelt.

    Fehlende Meinungsfreiheit wäre es dann, wenn Erdogan wie die Regierungen vor ihm, diese Journalisten inhaftieren und die Medien, die es publiziert haben, schließen würde. Macht er aber nicht. Er nutzt sein demokratisches Recht, die Publizisten wegen Verleumdung anzuzeigen und hat bis heute fast jedes Verfahren gewonnen. Nicht weil es eine AKP Justiz ist, sondern weil er Recht bekommen hat!

    Zur CHP- Opposition: Der stellvertretende Vorsitzenden der CHP, Gürsel Tekin, der seit dem ersten Tag an den Protesten teilnimmt, sagte : „Sollte auch nur eine CHP-Stimme dieses Projekt (Taksim-Projekt) unterstützt haben, beende ich meine politische Karriere!“ Nur wenige Stunden später berichteten der Nachrichtensender „Habertürk“, dass der Beschluss für das Taksim-Projekt im Istanbuler Stadtrat, EINSTIMMIG! am 16.09.2011 gefasst wurde. Die Sitzverteilung im Rat sah zu dem damaligen Zeitpunkt wie folgt aus:

    176 AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung)- Abgeordnete
    111 CHP (Republikanische Volkspartei)- Abgeordnete
    10 Parteilose – Abgeordnete
    2 SP (Glückseligkeitspartei) – Abgeordnete
    1 MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) – Abgeordneter

    Er ist natürlich nicht zurückgetreten und stachelt noch immer an. Wenn die Gezi-Park-Protestler nicht deren eigenen Leute wären, würde jeder Mensch mit Anstand, Gürsel Tekin und seine Konsorten, aus dem Park raustreten!

    Tun sie aber nicht. Sie feiern sie … !

    Als die deutschen Bundeswehrsoldaten vom „Bund türkischer Jugendlicher (TGB)“, der Jugendorganisation der „Isci Partisi“ (Arbeiterpartei), im Rahmen deren Protests gegen die Stationierung des Raketensystems angegriffen wurden, lobte man deren Verhalten nicht und stilisierte sie nicht zu Wutbürgern oder als Helden der Demokratie. Warum nicht? Es sind dieselben Gruppen, die heute gegen Erdogan protestieren!

    Die Fülle an absurden Unterstellungen ist derart hoch, dass man gar nicht alles ausführen und kommentieren kann. Mein Wunsch ist es nur, dass man sich erst informiert und erst dann eine Meinung bildet!

  5. Marie sagt:

    Ach, ja, und noch eines Herr Masala – lesen Sie mal auf dieser Seite die Beiträge von M. Klein, Sir Nathan Lorebrig, Ibrahim Bas, Hasab, Rose im Licht, Hayri, da werden Sie erkennen, dass beileibe nicht die Mehrheit der türkischen Bevölkerung die Politik Erdogans so rückständig, neoliberal und sonst noch was finden, wie es uns die deutschen Medien und Sie glauben machen wollen.

    Das kann ich sehr wohl nachempfinden und wer die Türkei vor Erdogan erlebte, der kann auch nachvollziehen, was sich seither zum Positiven verändert hat. Dass es auch Dinge gibt, die kritikwürdig sein mögen, will ich ja gar nicht abstreiten, aber die Wahl einer Regierung ist allein Sache der türkischen Bevölkerung und nicht die der Deutschen oder der deutschen Medien. Das nennt man Demokratie, Herr Masala.

    Die unerträgliche Scheinheiligkeit der deutschen Medien, die Proteste gegen das eigene Wirtschaftssystem, die eigene Regierung und deren brutales Niederknüppeln weitgehend totschweigen, aber ohne Ende mit dem Finger auf die Türkei zeigen, weil dem Westen die dortige Regierung, von der Mehrheit der Bevölkerung mit Ergebnissen legitimiert, von der die GröFaZ Merkel nur träumen kann, ein Dorn im Auge ist, ist mehr als offensichtlich. Weder die deutschen Medien noch sonstwer haben den türkischen Staatsbürgern vorzuschreiben, welche Regierung sie wählen dürfen und welche nicht, das sind türkische Angelegenheiten und was hier läuft, das ist keine normale Kritik an diesem oder jenem, sondern m.E. Erdogan- und Türkeibashing der Sonderklasse. Ich sehe das genauso, wie Hasab und Herr Klein u.a. Vorredner – die Türkei soll destabilisiert werden und hier wird mal wieder dem rassistischen Hass auf die Türkei, ihre Regierung und ihre Bürger ungeniert und hemmungslos freien Lauf gelassen.

  6. trauma sagt:

    @Hayri
    Es ist Überall zu lesen das es 4 tote Demonstranten und 1 von der Brücke „Gefallenden Polizisten „gibt.
    Kein Wort in den Deutschen Medien also?

  7. posteo sagt:

    Noch eine Erwiderung auf den Beitrag von Resa:
    „…Es wird in Deutschland oder besser gesprochen, in der christlichen EU mit Hilfe der kirchenpropangada Medien (allen voran Springer Presse) immer zu eine türkeikritische These vertreten. Dieses Vorgehen ist in Persona des Herrn Erdogan seit Jahren zu beobachten. Allerdings sollte man nicht außer acht lassen, dass auch ein Jeder sonst der für Interessen der Türkei sich stark machte ganz schnell die Propagandamaschinerie der hierzulande zusammengeschalteten christlichen Medien (“Ethikrat”, “Zusammenschluß der konservativen Medien in Europa”, “PEN”, etc.) geraten.
    Meine persönlichliche Analyse über den Grund dieses Vorgehens, geht einher mit dem jahrhunderte langen Imperialismus der Christen über muslimische Länder sowie der a priori angenommenen Überlegenheitsgefühl des Orientalismus (frei nach Edward Said).“

    Hier nimmt der Schreiber grobe Vereinfachungen vor:
    Dass Europa und damit auch die EU in religionskultureller Hinsicht überwiegend christlich geprägt ist, ist Fakt. Dass die deutsche Presse deshalb nur kirchenfreundlich berichtet, ist mir seither so nicht aufgefallen, siehe Mißbrauchsskandale, Papstbesuch, etc..
    Nun aber zum Verhältnis Europa-Türkei. Mit dem Aufstieg der Osmanen wurden weite Teile Europas, zu denen ursprünglich auch Kleinasien gehörte, militärisch erobert und kolonialisiert. Europa hatte insgesamt 25 Türkenkriege abzuwehren. Aber auch ihre islamischen Glaubensbrüder haben die Osmanen nicht verschont, sondern ebenso weite Teile der arabischen Welt militärisch erobert und jahrhundertelang kolonialistisch beherrscht. Mit der europäischen Kolonialzeit wurde dem osmanischen Reich lediglich seine arabischen Kolonien, nicht jedoch sein kleinasiatisches Kernland militärisch abgeluchst, wobei die europäische Besatzungszeit wesentlich kürzer war.

  8. aloo masala sagt:

    @Kara Turk

    —-
    Fehlende Meinungsfreiheit wäre es dann, wenn Erdogan wie die Regierungen vor ihm, diese Journalisten inhaftieren und die Medien, die es publiziert haben, schließen würde. Macht er aber nicht. Er nutzt sein demokratisches Recht, die Publizisten wegen Verleumdung anzuzeigen und hat bis heute fast jedes Verfahren gewonnen. Nicht weil es eine AKP Justiz ist, sondern weil er Recht bekommen hat!
    —-

    Erdogan bekommt Recht, weil er rege Gebrauch von einem undemokratisch inspirierten Anti-Terror Gesetz macht. Aus diesem Grund wird die Türkei nicht nur in der westlichen Welt als das größte Gefängnis für nicht linientreue Journalisten bezeichnet. Die meisten Journalisten in der Türkei sitzen im Knast, weil sie positiv über die PKK geschrieben haben. Nun muss man nicht einer Meinung mit der PKK und auch nicht mit den Journalisten sein. Meinungsfreiheit bedeutet auch die Meinung des Anderen. Für Sie, Kara Turk, sind nicht linientreue Meinungen Verleumdungen. Das ist eine demokratische Bankrotterklärung.

  9. hijazz sagt:

    Ich stimme dem Artikel in mehreren Punkten zu: Rückgang des Einflusses des Militärs (zum Glück), Inkompetenz und Rückwärtsgewandtheit der CHP und ihre unfruchtbare Atatürkglorifizierung, fehlende Tiefe und Detailkenntnis vieler deutscher Kommentatoren, Gesundheitssystem. Ja, stimmt alles. Aber nichts über Pressefreiheit, nichts über Meinungsfreiheit, nichts über Polizeigewalt, nichts über die Rumproleterei von Egeman Bagis und RT Erdogan gegenüber der EU, deren Mitglied sie doch eigentlich werden wollen, nichts über die zunehmende Ignoranz des PM, nichts über die Missachtung von Verwaltungswegen, die verschobene Korruption von CHP hin zu AKP wird auch nicht erwähnt, und die gefährlichen Seiten der Bildungsreform (nämlich des nur der religiösen Einflussnahme dienenden 4-4-4-Zugs) werden verschwiegen. All das muss aber doch miteinbezogen werden, wenn man die Kritiker von RTE kritisiert. Da kann man nicht einfach sagen, die Kritiker hätten keine Ahnung. Stattdessen eine ziemlich einseitige Lobhudelei für wirtschaftliche Errungenschaften, die teils nicht auf seinem Mist gewachsen sind, teils gefährliche Folgen für die Gesellschaft haben. Ich kann verstehen, dass man genervt ist, wenn andere auf einem PM rumhacken, den man für seinen hält oder den man gewählt hat. Aber dann soll man doch so ehrlich sein und zugeben, dass diese Genervtheit eher auf einem diffusen Gefühl verletzten Stolzes beruht als auf falschen Argumenten der Gegenseite.

  10. Marie sagt:

    „Nun, bei der Einschätzung von Gewalt und deren Folgen muss unbedingt beachtet werden, wer mit der Gewalt begonnen hat.

    Im türkischen Falle ging die Gewalt eindeutig von staatlicher Seite aus. Alles andere ist als Folge daraus erwachsen.

    Es ist fatal Ursache und Wirkung zu verwechseln, es sie denn es geht um Ideologie, da ist es natürlich vorteilhaft eine solche Verdrehung zu vollführen.

    Josef Özcan (Uni-Köln / Amnesty International)“

    In westlichen Staaten, Herr Özcan und nicht zuletzt in der BRD ging die Gewalt ebenfalls in zahlreichen Fällen von staatlicher Seite aus – erinnern Sie sich beispielsweise an die Proteste der Globalisierungskritiker in Heiligendamm und jetzt an die staatliche Gewalt gegen Blockupy? Und sehr, sehr vieles andere mehr. Mir ist nicht bekannt, dass die deutschen Medien hieraus einen Feldzug gegen GröFaz Merkel konstruiert hätten. Die staatliche Gewalt in Frankfurt wurde weitestgehend totgeschwiegen, von den deutschen Medien. Sicher ist es fatal, Ursache und Wirkung zu verwechseln, aber mindestens ebenso fatal ist es, mit zweierlei Maß zu messen, mit dem Finger andere Nationen zu zeigen, deren Regierung man feindselig gegenübersteht, und den eigenen, dicken Balken im eigenen Auge zu übersehen.

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