Diskriminierung bei der Wohnungssuche
Wenn Vermieter nur noch abwimmeln
Unter dem Wohnungsmangel leidet besonders, wer die „falsche“ Hautfarbe, Religion oder Herkunft hat. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kennt viele solcher Geschichten, obwohl die Wenigesten eine Diskriminierung melden.
Von Emran Feroz Freitag, 21.06.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 27.06.2013, 7:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Ärztin Samira Al-Youm arbeitet in einem Dortmunder Krankenhaus. Sie raucht nicht, besitzt keine Haustiere, ist alleinstehend und verdient gut. Als sie in ihrer Lokalzeitung eine Anzeige aufgab, meldeten sich viele Vermieter bei ihr.
Obwohl sie akzentfreies Deutsch spricht, wurde sie schon beim ersten Telefonat gefragt, ob sie einen „Migrationshintergrund“ habe. Als sie zu der Besichtigung einer Wohnung eingeladen wurde, die noch nicht ausgeschrieben worden war, servierte die Vermieterin ihr Tee und plauderte freundlich mit ihr. Als sie einige Tage später anrief, klang diese jedoch etwas verunsichert und wollte nun wissen, welcher Religion Samira eigentlich angehöre. Sie habe sich nicht getraut, diese Frage schon früher zu stellen.
Als Samira antwortete, sie sei Muslimin, erzählte ihr die Vermieterin, dass sie oft arabische und türkische Jugendliche auf der Straße sehe, die immer sehr laut seien und aggressiv wirkten. Das dürfe Samira jetzt aber nicht falsch verstehen! Kurz darauf erhielt Samira eine Absage. Die Begründung: Da sie ja Ärztin sei, müsse sie sicher auch bis spät in die Nacht arbeiten. Das Treppenhaus sei aber so hellhörig, dass sie zu später Uhrzeit womöglich die Nachbarn stören könnte.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) kennt viele solcher Geschichten. „Besonders häufig erfahren wir von Muslimen auf Wohnungssuche, die vom Vermieter oder der Hausverwaltung abgelehnt werden“, sagt Stefan Bickerich, Sprecher der Antidiskriminierungsstelle. Manchmal kann seine Behörde da vermitteln: Als eine Vermieterin von einer Wohnungszusage an ein muslimisches Ehepaar wieder Abstand nahm, nachdem es deswegen in ihrem Haus Gerede gab, habe die Behörde „zu einer gütlichen Einigung beitragen“ können, so der Sprecher.
250.000 Wohnungen fehlen
In Deutschland fehlen nach Einschätzung des Deutschen Mieterbundes (DMB) 250.000 Wohnungen. Besonders schwer hat es da, wer die „falsche“ Hautfarbe, Hekunft oder Religion hat. Die Studentin Sarah Kernbeck trägt ein Kopftuch, seit sie vor einigen Jahren zum Islam konvertiert ist. Gemeinsam mit ihrem Mann, ebenfalls Student und gebürtiger Syrer, wollte Sarah aus ihrem Studentenheim in Tübingen ausziehen und eine größere Unterkunft finden. Nach einem Besichtigungstermin sagte ihr die Vermieterin ab. Zur Begründung sagte sie, dass „Leute aus arabischen Ländern zu viel Besuch bekommen würden“.
Auch James Irubé* fiel die Wohnungssuche schwer, als er in Bonn nach einer Bleibe suchte. Der gebürtige Ghanaer lebt schon lange in Deutschland, spricht fließend Deutsch und war damals schon finanziell unabhängig. Als ihn eine potenzielle Vermieterin einmal von oben bis unten beäugte und dann feststellte, dass die Einzimmerwohnung nur an „Personen mit deutschen Eltern“ zu vermieten sei, blieb ihm die Spucke weg.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat eine „niedrige, dreistellige Zahl“ solcher Fälle erfasst. Doch viele Betroffene wenden sich bis jetzt gar nicht an solche Stellen. Außerdem müssen sie nachweisen können, dass ihnen der Mietvertrages tatsächlich nur aufgrund ihrer Herkunft oder Religion verwehrt wurde.
Um Diskriminierung nachzuweisen, dafür hat sich das „Testing-Verfahren“ bewährt. Wer bei der Wohnungssuche eine Absage erhält, die ihm merkwürdig erscheint, kann mit Hilfe einer Testperson überprüfen, ob es dabei mit rechten Dingen zuging. Wenn ein Vermieter einem Bewerber gegenüber behauptet, seine Wohnung sein schon vergeben, und einem anderen gegenüber erklärt, sie sei frei, liegt der Verdacht auf eine gezielte Diskriminierung nahe.
„Testings“ vor Gericht zugelassen
In solchen Fällen kann man rechtlich gegen den Vermieter vorgehen und auf Entschädigung klagen, solche „Testings“ werden vor Gericht als Beweis zugelassen. Beim Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg rät man Menschen, die von Diskriminierung bei der Wohnungssuche berichten, zur Klage, wenn ausreichende Indizien vorliegen.
Vielen Betroffenen ist das aber zu aufwändig, selbst wenn der Fall eindeutig ist. „Viele fürchten das Risiko, am Ende auf den Prozesskosten sitzen zu bleiben“, sagt Eva Maria Andrade vom Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin. Außerdem seien die Entschädigungssummen im Erfolgsfall zu gering.
Einer schwarzen Familie in Aachen wurde vor drei Jahren einmal eine Entschädigung von 5.000 Euro zugesprochen, weil ihnen aufgrund ihrer Herkunft die Besichtigung einer Wohnung verwehrt wurde. Doch das ist eine Ausnahme geblieben: Seitdem gab es kein vergleichbares Urteil mehr.
*Namen geändert Gesellschaft Leitartikel
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@Piyaus
Und Sie meinen, ein Deutscher bekommt die Wohnung sofort ohne Wenn und Aber auf dem Silbertablett serviert oder wie? Ich habe in München 3 Jahre ne Wohnung gesucht als Singlemann (weil Päärchen wohl bevorzugt werden). Nur durch einen glücklichen Zufall mit Hilfe einer Bekannten habe ich dann eine Wohnung ergattert. Mit eindeutig deutschem Namen.
@Potatoetheater
„Auch behandel ich ureinwohner schlechter als migranten“
Eindeutiger (mitunter strafbarer) Fall von Volksverhetzung. Warum wird sowas hier abgedruckt? Ansonsten können Sie dies ja alles gerne tun, nur frage ich mich, warum man das dann alles in Deutschland macht. Aber gut, Geschmäcker sind vielfältig. Jedem das seine. Jaaa, ich weiß, es sollte sich wohl um Satire handeln.
@aloo Masalla
„Zur Menschenwürde gehört jedoch nicht, auf Kosten der Würde anderer Menschen frei wählen zu dürfen.“
So, so, weil ich meine Wohnung nicht an Sie vermieten möchte, mache ich das auf Kosten Ihrer Würde? Dann lade ich mich mal bei Ihnen zu Hause zum Essen ein, gut? Und wenn Sie mich und meine Freunde mit ihrem Kasten Bier dann nicht reinlassen, bin ich ganz traurig, fühle mich diskriminiert und behaupte so einen Quatsch. Jeder Vermieter hat das Recht, das staatlich zugesicherte Recht, seine Wohnung, sein Eigentumn an den zu vermieten, an den er will. Oder sollen wir hier auch Quoten einführen? Und wenn ein Vermieter seine Wohnung nicht an Angehörige einer Kultur, einer politschen oder ideologischen Gruppierung, oder einer Jugendgruppe oder aus sonstwelchen Gründen vermieten will, dann muss er das nicht. Ich würde meine Wohnung, wenn ich denn eine hätte, auch nicht an hartz4-empfangende Punks vermieten. Sorry.
@ Mollenbucher: Sie haben ganz offensichtlich nicht verstanden, worum es den von Ihnen zitierten geht. Die Vorbehalte der Eigentümer richten sich aufgrund ihrer Klischees und Vorbehalte explizit gegen Menschen anderen Glaubens, anderer Herkunft und anderer Hautfarbe. Kein Vermieter käme auf die Idee, beispielsweise einen debilen Österreicher wegen seiner Nationalität zurückzuweisen, ein studierter Migrant dagegen hat enorme Probleme. Und allerdings ist es ein Fußtritt gegen die Würde eines Menschen, ihn ohne jede Kenntnis seiner Person von irgendetwas auszuschließen, bloß weil er etwa anders aussieht oder anders spricht.
Aber genau darum soll es gehen: etwas verblödete Vorbehalte sollen unter dem alles totschlagenden Ruf: „Ich darf das aber! Ich habe die Freiheit!“ kaschiert werden.
@Mollenbucher
Der Schutz vor Diskriminierung ist ein allgemeines Menschenrecht, das in nahezu allen völkerrechtlichen Standards festgeschrieben ist. Dabei zählt Rassismus als eine besonders schwerwiegende Form von Diskriminierung, die wegen Stigmatisierung, Benachteiligung und Ausgrenzung ein Angriff auf die Menschenwürde darstellt.
Führt die rassistische Diskriminierung zu einer strukturellen Ungleichbehandlung und sozio-ökonomischen Benachteiligung, dann stellt dieses eine Verletzung der Menschenrechte dar.
Wenn ich Deutsche nicht ausstehen kann und deswegen Sie und Ihre Saufkumpanen nicht in meiner Wohnung als Gast sehen möchte, dann bin ich zwar ein Rassist, jedoch erleiden Sie dadurch keine sozio-ökonomische Benachteiligung. Möchte ich Sie nicht in meiner Wohnung zu Gast haben, weil ich Sie nicht ausstehen kann, dann liegt keine rassistische Diskriminierung vor.
Anders verhält es sich auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie in der Bildung und dem Dienstleistungssektor. Eine strukturelle Ungleichbehandlung führt auf diesen Gebieten zu einer systematischen sozio-ökonomischen Benachteiligung.
Es ist die Frage, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, die sich demokratische Werte und Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben haben oder lieber in einem rassistischen System, das ethnische und religiöse Gruppen systematisch ausgrenzt und benachteiligt.
Widersprüchlich wird es dann, wenn man von den Einwanderern lauthals ein Bekenntnis zu den westliche Grundwerten einfordert, man selbst diese Grundwerte jedoch nur noch als lästig empfindet.
In der Kontroverse geht es im Kern um eine Grundrechtskollision, nämlich zwischen der allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. Art. 2 Abs.1 GG), die ihren Ausdruck auch in der Vertragsfreiheit findet, und dem sich aus Art. 3 GG
ergebenden Diskriminierungsverbot
Grundsätzlich gilt: Es gibt keinen Kontrahierungszwang, d.h. niemand darf zu einem bestimmten Vertragsabschluss genötigt.werden.
Ein Vermieter ist also im Prinzip völlig frei in der Wahl seines Mieters.
Der einfache Vermieter (also z.Bsp keine Wohnungsbaugesellschaften die 50 und mehr Wohnungen vermieten) darf nach den AGG nicht nach Rasse oder Ethnie diskriminieren.
Sagt ein solcher Vermieter zu einem Interessenten (wie im Artikel genannten Fall) er würde nur an Deutsche vermieten, ist es eine unerlaubte Diskriminierung, die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche begründen könnte.
Lehnt dieser Vermieter jedoch wegen der Religion des Interessenten ab, wie in dem zweiten oben geschilderten Fall, so handelt es sich zwar um eine Diskriminierung, aber um eine quasi erlaubte, weil hier keine Kompensationsansprüche begründet werden.
Als z. Bsp. koptischer Christ könnte er nämlich anführen, dass die Angehörigen seiner Religion durch die Anwendung der Scharia benachteiligt werden und er folglich nicht an einen Muslim vermieten möchte.
Hier würde das AGG nicht greifen.
„Eindeutiger (mitunter strafbarer) Fall von Volksverhetzung. “
Wie bitte? Kaum zu glauben, wenn Foristen hier die Meinung vertreten, die breite rassistische Diskriminierung von Muslimen z.B. bei der Wohnungssuche sei absolut in Ordnung und wenn dann ein von der Mehrheitsgesellschaft rassistisch Diskriminierter sagt, er persönlch würde Ureinwohner schlechter behandeln, dann ist das angeblich strafbar und Volksverhetzung? Potatoetheater darf jeden behandeln, wie es ihm beliebt und er hat hier auch nicht dazu aufgerufen, dass die Gruppe der Muslime die Ureinwohner diskriminieren möge. Das würde auch gar nicht möglich sein, weil es einer diskriminierten Minderheit nicht möglich ist, der Mehrheitsgesellschaft beispielsweise den von ihr benötigten Wohnraum vorzuenthalten, weil dieser sich zum weit überwiegenden Teile im Besitze der Mehrheitsgesellschaft befindet.
Der überwiegende Teil der „Mehrheitsgesellschaft“ wohnt zur Miete und hat gar keinen Wohnraum zu vergeben.Der überwiegende Teil der „Mehrheitsgesellschaft“ kann sich in diesem Punkt nicht diskriminierend verhalten.Von den Wohnungsbesitzern wohnen die meisten wiederum selbst in denselben und bieten auch keine Wohnungen an, die sie rassistisch motiviert vergeben könnten.Der Rest wird auch nicht sein Glück darin suchen,Menschen außen vor zu lassen, höchstens sicherstellen wollen, dass die Miete gezahlt wird.Ein weiterer Rest mag sich diskriminierend verhalten.
Dies nur am Rande, um mal diese gebetsmühlenartig vorgebrachten Pauschalisierungen zu relativieren.Es langweilt! Die Wohnungsvermittler (Makler) bieten übrigens nicht selten Wohnungen für studentische Wohngemeinschaften an, die bekanntlich oftmals sehr bunt und „international“ sind.Man muss sich nur mal die Mühe machen, das Angebot zu studieren.
Na, wenn die Mehrheitsgesellschaft überwiegend gar keinen Wohnraum zu vergeben hat, in welchen Wohnungen lebt dann die deutsche Mieterschaft, die ja sehr zahlreich ist? Dass rassistische Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe gang und gäbe ist, ist zweifelsfrei belegt – da können Sie noch so viel behaupten, was dieser oder jener angeblich tun „wird“, um den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft entgegen nachgewiesener Tatsachen abzustreiten.
Er existiert sowohl bei der Wohnungs-, als auch bei der Jobsuche und in allen anderen Bereichen auch. Sicher gibt es auch in Deutschland Menschen, die nicht rassistisch diskriminieren, aber das ist eine kleine Minderheit. Der Rassismus ist in der Mitte der Gesellschaft fest verankert, das belegen alle Studien.
„In welchen Wohnungen lebt denn….“ Nun, verehrte Marie, natürlich wie alle anderen Mieter in diesem Land in einer angemieteten Wohnung.
Welche Studie belegte doch noch gleich den Rassismus der Vermieter?Mir ist keine solche Studie bekannt.Wo befindet sich das Wohnungslosencamp der rassistisch ausgegrenzten genau? Wäre schön, darüber genaueres zu erfahren.
@ Mathis
Hier die Studie: http://www.migazin.de/2008/12/31/wohnungssuche-mit-auslandischem-namen-schwieriger/
Hier der Eigentumserwerb: http://www.migazin.de/2012/11/15/diskriminierung-von-migranten-beim-wohneigentumserwerb/ ;)
Und hier ein Fall, der ausnahmsweise mit einem Urteil entschieden wurde: http://www.migazin.de/2010/01/20/entschadigung-wegen-diskriminierung-bei-der-wohnungssuche/
I love Migazin ;)
Es gibt mittlerweile bezogen auf Berlin und auch NRW Verpflichtungen landeseigener Wohnungsbaugesellschaften,Migranten prozentual bei der Vergabe zu berücksichtigen.Das heißt, es gibt eine einzuhaltende Quote, für Berlin z.B. 15%.Die Studie der Studentin, die 2008 für ihre Diplomarbeit in Berlin recherchierte, hat dies in ihrer Ausführung gar nicht berücksichtigt,obschon diese Verpflichtung bereits seit 2007 besteht.Sie wird wohl gar nicht erst danach gesucht haben.Aber vielen Dank für die Verweise auf die Quellen, auch wenn diese nicht unbedingt das belegen, was sie vorgeben, belegen zu wollen.