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Marwa El-Sherbini

Ein Vorbild an Zivilcourage

Gemeinsam mit dem Koordinationsrat der Muslime (KRM) werden der sächsische Justizminister Jürgen Martens, der Bürgermeister sowie weitere Gäste den 4. Todestag von Marwa El-Sherbini im Dresdener Landgericht erinnern.

Montag, 01.07.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.07.2013, 12:14 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

Am 1. Juli 2009 wurde die schwangere Pharmazeutin und Doktorandin El-Sherbini im Dresdener Gerichtssaal vor den Augen der Richter, ihres Mannes und ihres damals dreijährigen Sohnes mit 18 Messerstichen brutal ermordet. Ihr Ehemann, Okaz El-Sherbini, wurde vom Täter mit drei Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Ein hinzukommender Polizist gab zudem gezielt einen Schuss auf Okaz ab und traf ihn in ein Bein, da er ihn für den Angreifer hielt. Über den Täter sprach die Staatsanwaltschaft später von einem Einzeltäter, der aus einer „extrem ausländerfeindlichen Motivation“ handelte. Waffenkontrollen gab es im Gerichtssaal keine.

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Dem Mord im Gerichtssaal war eine Auseinandersetzung auf einem Dresdner Spielplatz vorausgegangen. Der Täter, Alex W., hatte El-Sherbini als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpft. In der Folge kam es zu einer Anzeige und zum Prozess, wo Marwa El-Sherbini sterben musste. Die Tat hatte bundesweit Aufsehen erregt und in der islamischen Welt heftige Proteste ausgelöst.

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KRM-Sprecher Aiman Mazyek: „Marwa El-Sherbini ist für uns alle ein großes Vorbild an Zivilcourage und sie hat am Ende sogar mit ihrem Leben dafür bezahlt. Ihr Vermächtnis ist das Eintreten für die uneingeschränkte Freiheit des Glaubens, welche in unserem Grundgesetz verankert ist; dies gilt es zu verteidigen, gerade auch in diesen Tagen. Dazu zählt die Toleranz gegenüber dem Andersdenkenden, Andersaussehenden, auch das religiöse Tragen eines Kopftuches gehört dazu.“

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Die Gedenkveranstaltung findet um 13 Uhr im Foyer des Landgerichts statt. Um 17 Uhr findet ein ökumenisches Friedensgebet in der Kreuzkirche statt. Um 18 Uhr soll am Landgericht Dresden der Ermordeten gedacht werden. Anschließend lädt der Ausländerrat zu Austausch und Gespräch ins Marwa-El-Sherbini-Kultur- und Bildungszentrum. (hs) Aktuell Gesellschaft

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  1. Marie sagt:

    Upps, ein Schreibfehler : Es muss natürlich heißen: Weder der Gerichtspräsident, noch der Richter haben im Gerichtssaal für den Schutz der Getöteten gesorgt.

  2. mo sagt:

    @Marie
    Sie können natürlich darüber spekulieren, ob der Polizist aus rassistischen Gründen gehandelt habe, werden jedoch letztlich eingestehen müssen, dass Sie es nicht wissen.

    „Fakt ist und bleibt, Herr Mo, dass nicht der Ehemann, sondern der Täter das MESSER trug.“

    Das von mir zitierte Urteil sieht es anders. Ich zitiere daraus: „Die beiden miteinander ringenden Männer befanden sich ca. 2 bis 3 m vom Polizeibeamten entfernt und hielten beide das Messer umfasst.“

    Im übrigen verstehe ich nicht, von welchem Freispruch Sie sprechen. Es gab gegen den Polizisten keinen Prozess. Es gab ein Ermittlungsverfahren, welches eingestellt wurde. Vermutlich meinen Sie das. Nein, es ist keineswegs davon die Rede, dass nicht mit absoluter Sicherheit rassistische Motive nachgewiesen werden konnten, sondern die Untersuchung hat ergeben, dass die Motivation, dem Opfer zu helfen glaubhaft war. Gerichte fällen nicht nur Urteile, sondern sie begründen diese auch. Und wenn einfach die Beweise fehlen, schreibt ein Gericht dies auch ins Urteil, gewöhnlich heißt es dann „im Zeifelsfall für den Angeklagten“ oder „Aus Mangel an Beweisen“ oder „da nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, dass…“. Beim Prozess wegen übler Nachrede stellt das Gericht jedoch fest, „Diese Einlassung des Polizeibeamten kann nicht widerlegt werden und steht im Einklang mit den Ermittlungsergebnissen im Verfahren der Staatsanwaltschaft“. Mit anderen Worte, das, was der Beamte erklärt hat, deckt sich mit den Ermittlungen.

    Dass das Gericht zu dieser Beurteilung kommt, ist kein Skandal. Es wäre ein Skandal, wenn ein Gericht aus ideologischen Gründen oder weil ein Richter rassistische Erfahrungen gemacht hat und die nun in jedem Deutschen sehen will, zu einer anderen Beurteilung kommen würde und diese entgegen Untersuchungsergebnissen und Zeugeneinlassungen durchsetzen würde und könnte. Das würde in der Tat bedeuten, das wir vor Gericht den Spekulationen von Richtern ausgeliefert wären. Und das wiederum würde bedeuten, dass, hätte man einen rassistischen Richter vor sich, dieser rassistische Urteile fällen könnte. Es käme dann jeweils darauf an, wen man gerade vor sich hätte.

  3. Marie sagt:

    Na, um so schlimmer – alle Ermittlungsverfahren wurden eingestellt, weil in Deutschland solche Ermittlungsverfahren gegen Polizisten, Richter und so weiter regelmäßig eingestellt werden – AI beklagt nicht ohne Grund in Deutschland ein Klima der Straflosigkeit in solchen Fällen und Ermittlungsmethoden, die in solchen Fällen nicht den von Deutschland unterzeichneten Menschenrechtsabkommen entsprechen.
    Dafür war der Ermittlungseifer der Staatsanwaltschaft in Sachen Antragsdelikt üble Nachrede/Beleidigung gegen Frau Schiffer, wo üblicherweise die Staatsanwaltschaften gerne auf die Privatklage verweisen und gar nicht erst ermitteln, erstaunlich hoch. Es ist absolut ungewöhnlich, wenn eine Staatsanwaltschaft in Sachen angeblicher Beleidigung/übler Nachrede Revision einlegt. Es ist mehr als offensichtlich, dass die Staatsanwaltschaft da aus einem Fall der freien Meinungsäußerung unbedingt eine Straftat konstruieren wollte. Aber da ging es ja auch nicht um den Verdacht rassistischer Handlungen durch Polizisten, Richter oder Gerichtspräsidenten, da ging es darum, dass Frau Schiffer eben diese Handlungen im Rahmen der freien Meinungsäußerung als „sicherlich rassistisch“ bezeichnet hat. Dass Sie deshalb in Hassmails massiv bedroht wurde, das hat die Staatsanwaltschaft auch nicht interessiert, aber institutionellen Rassismus gibt es in Deutschland nicht, nie und nimmer.

  4. mo sagt:

    @Marie
    „weil in Deutschland solche Ermittlungsverfahren gegen Polizisten, Richter und so weiter regelmäßig eingestellt werden“

    Sie werden regelmäßig eingestellt, weil sie ebenso regelmäßig bei Gewaltanwendung staatlicherseits eröffnet werden. Auch bei jeder legitimen Gewaltanwendung muss untersucht werden, ob sie im rechtlichen Rahmen stattfand oder nicht. War es überhaupt notwendig einen Schuss abzugeben oder hätte man auch ohne Gebrauch der Schusswaffe eingreifen können etc.?

    „Dafür war der Ermittlungseifer der Staatsanwaltschaft in Sachen Antragsdelikt üble Nachrede/Beleidigung gegen Frau Schiffer, wo üblicherweise die Staatsanwaltschaften gerne auf die Privatklage verweisen und gar nicht erst ermitteln, erstaunlich hoch.“

    Bei einem Repräsentanten des Staates wird der Staat in Form der Staatsanwaltschaft nicht unbedingt auf Privatklage verweisen.

    Die Frage, die das Gericht klären musste und geklärt hat, war, ob die Äußerung von Frau Schiffer eine Meinungsäußerung war oder eine Tatsachenbehauptung. Hier hat das Gericht entschieden, dass das Wort „sicherlich“ eine abschwächende Wirkung hatte und es deshalb keine Tatsachenbehauptung gewesen sei. Wäre es eine Tatsachenbehauptung gewesen, wäre Frau Schiffer sicherlich nicht freigesprochen worden.

    Zitat aus dem Urteil: „Bezüglich des Tatbestandes § 186 StGB war zu entscheiden ob die Angeklagte damit über den Polizeibeamten die Tatsache behauptet hat, dass dieser „aus rassistischen Gründen“ auf den falschen geschossen hat oder ob die Angeklagte damit lediglich eine Meinung oder Annahme geäußert hat. Dabei lag das Problem nach Auffassung des Gerichts in dem Wörtchen „sicherlich“, das die Angeklagte ihrer Aussage vorangestellt hatte.“

  5. Marie sagt:

    Ach wissen Sie – nach unabhängigen Schätzungen sind ca. 25 % aller Urteile in Deutschland rechtswidrig, In Deutschland gibt es (im Gegensatz zu zivilisierten europäischen Rechtsstaaten), keine unabhängige Kommission, um die Rechtsverstöße zu überprüfen und mit formalen Verfahren, die nur dem Zwecke dienen, den formalen Anschein von Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten, ist den Geschädigten nicht gedient. Ein Klima von Straflosigkeit (im Falle von Rechtsverstößen der Polizei und anderer Stellen des staatlichen Gewaltmonopols), wie es AI in Deutschland zu Recht festgestellt hat, zerstört das Vertrauen in den Rechtsstaat. Im allgemeinen fürchtet derjenige, der nichts zu verbergen hat, weder die rechtsstaatlich gebotene Transparenz durch Kennzeichnung noch die rechtsstaatlich gebotene Prüfung potentieller Menschenrechtsverstöße durch eine unabhängige Kommission. Dass Deutschland diese rechtsstaatlichen Selbstverständlichkeiten seit vielen Jahren anhaltend verweigert, trotz aller Appelle und des Tadels/ der Rügen europäischer Kommissionen und der Menschenrechtsorganisationen, spricht Bände. Die Feststellungen der Ermittlungsbehörden oder deutscher Gerichte, die nach deutschem Recht intern gegen sich selbst „ermitteln“ und jede unabhängige Prüfung der Ermittlungen gegen sich selbst verweigern, sind in derartigen Fällen m. E. das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

    Für jeden noch so eklatanten Menschenrechtsverstoß und jede Art der rechtswidrigen Einstellung eines Ermittlungsverfahren lässt sich eine „Begründung“ finden und eine Justiz, die Transparenz und unabhängige Überprüfung notorisch verweigert, die steht in meinen Augen in der Tradition einer Justiz aus unseligen Zeiten. Nach der NS-Zeit wurde die deutsche Justiz mit Schreibtischtätern aus der Justiz der NS-Zeit „aufgebaut“ (die fanden in ihrem Amte als NS-Schreibtischtäter seinerzeit auch für alles eine „rechtliche“ Begründung“) und der obrigkeitsstaatliche Geist, der sich der rechtsstaatlich gebotenen Transparenz und unabhängiger Überprüfung verweigert, der weht da aus o. g. Gründen m. E. heute noch.

  6. Supatyp sagt:

    Vor einigen Tagen wurde ein offenbar geistig verwirrter Mann in einem Brunnen in Berlin vor etlichen Augenzeugen von einem Polizeibeamten erschossen. Sämtliche Medien haben über den Vorfall berichtet, inklusive einer darauf folgenden Diskussion bezüglich einer Schusswaffen-Anwendungsverhältnismäßigkeit seitens der Polizei. Es wurde sogar debattiert, ob die Polizei mit Tasern wie in Amerika ausgestattet werden sollte.

    So, und nun denken wir mal an den Fall „Marwa El-Sherbini“, auf welche Art und Weise damals in den Medien diskutiert wurde, bezogen auf Waffengebrauch usw… War da was?

  7. Kigili sagt:

    http://www.youtube.com/watch?v=CzG248H6-IQ

    Liebe Schwester, wir sind uns nie begegnet.
    Haben leider nie zusammen gebetet.
    Ich wusste nichts über dich,
    bis zu jenem Tag, als ich zufällig den Titel las: Tod im Gericht“.
    Ich fing an zu lesen. Erfuhr, dass du einen Mann und einen Sohn hast.
    Dann der große Schock im nächsten Satz, ich las, dass du schwanger warst.
    Meine Neugier ließ mich nicht mehr los,
    ich verschlang die Worte bis zu dem Punkt, als ich erfuhr, warum der Täter dich ermordete.
    18 Stiche in 30 Sekunden, überall war dein Blut. 18 Stiche und das, wegen deinem Kopftuch.
    Mir schnürte es den Hals zu, weil du meine Schwester im Glauben bist.
    Mein Herz pocht jetzt noch und ich frage mich:
    wie kann so was passieren, in einem Land, das sich so aufgeklärt und modern hält, dass die Gleichberechtigung und Menschenwürde an höchster Stelle stellt.
    Hier in einem Land, in dem man frei zu sein scheint, ob als Homosexueller, als Punk oder Nonne, wenn man meint. Ein Land, dessen Geschichte uns erzählt, wohin Hass und Ausgrenzung führt, dennoch ein Land, welches nicht versteht, sich nicht rührt.
    Warum? Weil euch das Kopftuch stört? Weil es zum Feindbild des Westens gehört? Warum? Weil der Islam eure Freiheit zerstört, habt ihr euch deshalb gegen uns verschwört?
    Während der Staat damit beschäftigt, ist Schläfer zu suchen, hat die Antiislamkampagne jetzt einen Tod in Deutschland zu verbuchen.
    18 Stiche in 30 Sekunden, überall war dein Blut. 18 Stiche und das, wegen deinem Kopftuch.
    Die Berichterstattungen sind voller Vorurteile.
    Sie füllen die Medien Zeile für Zeile.
    Die Muslimische Frau ist unterdrückt, darf ihre Meinung nicht sagen. Nur ihr Vater zwingt sie dazu Kopftuch zu tragen.
    Kein Platz für den Tod unserer Schwester Marwa.
    Für den Schmerz ihres Mannes, der dazwischen ging,
    den Schmerz ihres Sohnes, der an seiner Mutter hing.
    Wo sind sie Frau Kanzlerin?
    Auf dem G8 Gipfel sprechen sie darüber mit dem ägyptischen Präsidenten.
    Doch ihre Aufmerksamkeit sollten sie uns hier lieber schenken.
    Wo soll das hinführen?
    Moscheen haben schon gebrannt in diesem Land.
    Frauen wir Marwa werden Islamistin, Terroristen und Schlampe genannt.
    Du hast kein Recht zu leben, sagte der Täter.
    Was ist Frau Merkel, ist Rassismus immer noch ein Randthema?
    18 Stiche in 30 Sekunden, überall war dein Blut. 18 Stiche und das, wegen deinem Kopftuch. Ich halt mir immer wieder diesen Satz vor Augen.
    18 Stiche in 30 Sekunden, überall war ihr Blut. 18 Stiche und das, wegen ihrem Kopftuch.
    Sollte mich jemand nach der Bedeutung des Wortes Sinnlosigkeit fragen, kann ich voller Überzeugung sagen:
    18 Stiche und das, wegen einem Kopftuch.

  8. Marie sagt:

    „Vor einigen Tagen wurde ein offenbar geistig verwirrter Mann in einem Brunnen in Berlin vor etlichen Augenzeugen von einem Polizeibeamten erschossen. Sämtliche Medien haben über den Vorfall berichtet, inklusive einer darauf folgenden Diskussion bezüglich einer Schusswaffen-Anwendungsverhältnismäßigkeit seitens der Polizei. Es wurde sogar debattiert, ob die Polizei mit Tasern wie in Amerika ausgestattet werden sollte.

    So, und nun denken wir mal an den Fall “Marwa El-Sherbini”, auf welche Art und Weise damals in den Medien diskutiert wurde, bezogen auf Waffengebrauch usw… War da was?“

    Ja, da war was – der geistig verwirrte Mann trug kein Kopftuch und war kein Muslim – und das macht in Deutschland den Unterschied bei der Debatte.

    @Kigili: Was kann man in einem Land erwarten, in welchem ein Bundeskanzler angesichts rassistischen 5-fachen Mordes in Solingen seine Weigerung, nach Solingen zu kommen, damit begründet, er lehne den „Beileidstourismus“ ab. 18 Stiche in 30 Sekunden wegen einem Kopftuch. Die Kanzlerin schweigt, die Zeitungen benötigen Wochen, um den rassistischen Hintergrund der Tat wenigstens ansatzweise zu beleuchten, der Alarmknopf wird nicht gedrückt, auf Schutzmaßnahmen wird trotz bekannter Gefährungssituation verzichtet. Sämtliche Ermittlungsverfahren werden eingestellt. Dafür wird eine Wissenschaftlerin, die einen rassistischen Hintergrund in Sachen Niederschießen des Ehemannes vermutet, kriminalisiert und vor Gericht gestellt – einschließlich eines Revisionsverfahrens nach dem Freispruch.

    SO wird in Deutschland „ermittelt“, SO geht man in Deutschland mit Opfern rassistischer Gewalt um -man hat das auch bei den NSU-Morden und bei sehr vielen anderen rassistischen Gewalttaten in gleicher Weise gesehen und da kann man sich als Mensch deutscher Herkunft nur noch abgrundtief schämen und vor den Opfern tief verbeugen. Auch wenn Marwa nicht meine Schwester im Glauben war, sie war meine Schwester, weil wir alle Brüder und Schwestern sind, egal,welcher Herkunft, egal welcher Religion, egal, welcher Hautfarbe. Marwa war auch meine Schwester.

  9. Marie sagt:

    Und auf die Frage, was denn deutscher Rassismus sei:

    „Ein dreigeschossiges Haus brannte lichterloh; auf der Straße wimmerten Verletzte. Hinter dem Dachgeschossfenster im schwarzen Qualm stand eine junge Frau, 27, mit zwei Kindern. In Verzweiflung warf sie eines in die Tiefe. Ein Feuerwehrmann versuchte, das Mädchen aufzufangen; es rutschte ihm durch die Arme und fiel in eine Grube; es hat überlebt. Dann sprang die junge Frau. Noch im Sturz presste sie die kleine Güldane fest an die Brust. Die Frau schlug mit dem Rücken auf eine Grubenkante und war auf der Stelle tot. Das Kind, durch den Körper der Mutter geschützt, blieb am Leben. Unter Schuttbergen fand die Feuerwehr drei verkohlte Leichen. Hatice Genç, 18 Jahre, Gülistan Öztürk, zwölf Jahre, Saime Genç, vier Jahre. Hülya Genç, neun Jahre, war schon vorher tot im Erdgeschoss aufgefunden worden. So hat der Reporter Hans Leyendecker damals den Mord-Morgen des 29. Mai beschrieben.

    Dies geschah am Pfingstsamstag 1993, drei Tage nach Änderung des Asylgrundrechts im Bundestag; damit sollte, wie es hieß, den Rechtsextremisten „das Wasser abgegraben“ und die Gewalt gegen Ausländer eingedämmt werden. Die fünf Morde von Solingen waren der Höhepunkt einer grausamen Serie von Verbrechen, die seit Ende 1990 immer dichter geworden war.

    In Eberswalde wird der angolanische Vertragsarbeiter Amadeu Antonio Kiowa totgeprügelt. In Dresden werfen Skinheads Jorge Gomodai aus der Straßenbahn, der Mosambikaner stirbt. In Wittenberg werden zwei Namibier aus dem vierten Stock ihrer Unterkunft gestürzt. In Friedrichshafen wird ein Flüchtling aus Angola erstochen. Brandanschlag auf eine Unterkunft in Saarlouis, ein Ghanaer stirbt. Tagelange gewalttätige Belagerung der Unterkünfte von Flüchtlingen und Gastarbeitern in Hoyerswerda; sie werden unter Polizeischutz aus der Stadt geschafft. Angriffe auf Ausländerheime in zahlreichen Städten. Brandanschlag in Hünxe, zwei libanesische Kinder schwer verletzt. Überfall auf einen Vietnamesen in Berlin-Hellersdorf, er liegt tagelang im Koma.

    Deutsche Flüchtlingshelfer bringen siebzig Asylbewerber zum Schutz in einer Kirche bei Hamburg unter. Was tut die Polizei? Sie ermittelt wegen des Verdachts auf „politisches Kidnapping“ gegen die Helfer. Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Hörstel; ein dort untergebrachter Deutscher stirbt. Im brandenburgischen Wendisch-Rietz schlagen Rechtsradikale einen Flüchtling bewusstlos und werfen ihn in den Scharmützelsee. Im baden-württembergischen Ostfildern stirbt ein Kosovo-Albaner bei einem Überfall auf ein Wohnheim. August 1992: Sprengsatz gegen ein jüdisches Mahnmal in Berlin. Tagelanger Pogrom gegen Ausländer in Rostock-Lichtenhagen. Nachahmertaten in ganz Deutschland. Im KZ Sachsenhausen wird eine Baracke abgefackelt. In Frankfurt/Oder wird ein Flüchtling erstochen. In Dolgenbrodt geht ein Heim für Asylbewerber vor der Eröffnung in Flammen auf. In Mölln fallen drei türkische Frauen einem Brandanschlag zum Opfer. Brandstiftungen im ganzen Land folgen.“

    In München formiert sich am 6. Dezember 1992 die erste einer ganzen Reihe von Lichterketten in deutschen Städten: Die Menschen protestieren gegen Ausländerhass. In Bonn freilich formiert sich an eben diesem Tag eine große politische Koalition zur Abschaffung des bisherigen Asylgrundrechts. Die Vereinbarung, die an diesem Tag von CDU/CSU, SPD und FDP geschlossen wird, heißt „Nikolaus-Kompromiss“. Je massiver die Anschläge geworden waren, umso schwächer war die Verteidigung des Grundrechts geworden.

    Im August 1991 sagte der damalige bayerische Innenminister Edmund Stoiber, dass das Asylrecht zu einem „abstrakten Grundrecht“, zu einem Gnadenrecht werden müsse, weil sonst „rechtsradikale Organisationen Aufwind bekommen“. Die Bevölkerung sei vor einer „totalen Überforderung“ durch Flüchtlinge zu schützen.

    Die Angst vor den „Flüchtlingsmassen“ wurde politisch so gefördert, wie früher die Angst vor dem Kommunismus gefördert worden war; das Asylgrundrecht wurde zum Symbol für die angebliche „Überfremdung“ gemacht, und die Zerschlagung des Symbols als Abhilfe angekündigt. Immer mehr Politiker redeten von Flüchtlingen im Katastrophenjargon; je mehr Ausländerheime brannten, umso mehr „Asylschwindler“ gab es. 1998 bekannte dann der frühere nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor (SPD), der 1993 seinen langen Widerstand gegen die Grundgesetzänderung aufgegeben hatte, dass die Politik „eine Art Beihilfe zur Stärkung der Gewalt“ geleistet habe: „Wenn junge Menschen erleben, wie Politik über Flüchtlinge und über Ausländer spricht, dann muss man sich nicht wundern, wenn Jugendliche diese verbale Gewalt in brutale Gewalt übersetzen.“
    http://www.sueddeutsche.de/politik/brandanschlag-von-solingen-vor-jahren-erst-stirbt-das-recht-dann-stirbt-der-mensch-1.1683458

  10. aloo masala sagt:

    Ich denke inzwischen habe auch ich verstanden, was mit deutschen Rassismus gemeint ist, auch wenn erneut einige Beispiele davon zeugen, dass leichtfertig eine rassistische Motivation vorgeworfen wird, bei der völlig andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen könnten.

    Der Begriff „deutscher Rassismus“ erweckt den Eindruck, dass es eine typisch deutsche Form von Rassismus gibt. Deswegen hatte ich mich dafür interessiert, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Ich hätte nicht gedacht, dass hier Foristen, die gerne großen Wert auf eine korrekte Auslegung der deutschen Sprache legen gerade, bei so sensiblen Begriffen sich derart schlampig ausdrücken und Wortkombinationen produzieren, die von einem latenten Rassismus zeugen. Schaut man sich jedoch an, mit welcher Inbrunst hier ein Pranger fortgeschrieben wird und berücksichtigt man, dass eine Foristin den Spiegel mit dem Stürmer verglichen hatte, dann fühle ich mich in meinem Eindruck bestätigt, dass hier einige Personen öffentlich ihre Deutschfeindlichkeit ausleben.

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