Am Mainstream vorbei
„Beuge dich nicht, die Auslandstürken sind mit dir!“
Diesen Satz stimmten Zehntausende Türkeistämmige am Sonntag (07.07.2013) bei einer Demonstration in Düsseldorf im Chor. Eine Demonstration, die von den hiesigen Medien kaum beachtet wurde. Mustafa Esmer war vor Ort:
Von Mustafa Esmer Montag, 15.07.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.07.2013, 2:21 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Bereits am frühen Nachmittag ist der Rheinpark proppenvoll. Zu Beginn der Demonstration zählt die Polizei 25.000 Teilnehmer. Die Cecilienallee am Rheinufer der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ist gesperrt. Unter strahlend blauen Himmel und ungetrübtem Sonnenschein verwandelt sich der Rasen vor der Bühne im Rheinpark, in ein rot-weißes Fahnenmeer. Unter dem Motto „Respekt vor der Demokratie“ demonstrierten Zahntausende für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seine Haltung während der Gezi-Park Proteste.
Viele Teilnehmer sind mit Bussen aus dem gesamten Bundesgebiet und aus dem benachbarten Ausland nach Düsseldorf gekommen. Die Menschen halten deutsch, englisch oder türkisch beschriftete Plakate hoch, auf denen steht: „We are Erdoğan“ oder „Dik dur eğilme, Gurbetçiler seninle” – „Bleibe aufrecht, beuge dich nicht, die Auslandstürken sind mit dir!“
Das macht mich wütend
Filiz Işler, stellvertretende Vorsitzende der Union europäisch-türkischer Demokraten (UETD), die zu der Demonstration aufrufen hat, erklärt, man demonstriere auch gegen die einseitige Berichterstattung in den deutschen Medien. Anders als die deutschen Medien dargestellt hätten, sei der Zuspruch für die Haltung der türkischen Regierung enorm und das wolle man zeigen.
Der junge Medizinstudent Savaş ist aus Bochum gekommen, wegen dem „Ohnmachtsgefühl, den Lügen der Politik und der Medien seit Jahren hilflos ausgeliefert zu sein“, sagt er. Das mache ihn wütend. „Die verwenden einfach unterschiedliche Worte, um das Gleiche zu kommentieren“, sagt er. So würden gewaltbereite-linke Gruppen in Deutschland als Linksextreme bezeichnet, in der Türkei als Wutbürger. Von „muslimischen Gruppen“ hätten die Medien gesprochen bei den Gezi-Protesten, die man in Deutschland als Islamisten bezeichne und der demokratisch-legitimierte Ministerpräsident sei zum Diktator stilisiert worden. Mit solchen „Wortspielereien“ manipuliere man die öffentliche Meinung.
70 Prozent des türkischen Meinungsspektrums
Es fällt auf, dass sich unter den Demonstranten auch Jugendgruppen anderer konservativer Parteien befinden. „Du darfst das nicht als AKP-Veranstaltung sehen“, erklärt mir mein Begleiter Kerim. „Betrachtet man die Parteifahnen, die hier geschwenkt werden, sind auf diesem Platz gerade über 70 Prozent des türkischen Meinungsspektrums vertreten.“
Auch ältere Teilnehmer propagieren an diesem Tag ihre Sympathie für Erdogan, ihre Kritik an der ausländischen Berichterstattung und speziell die Haltung der Bundesregierung während der Gezi-Park-Proteste. Während die Älteren ihre Kritik an Deutschland aber sehr allgemein formulieren, sind Jugendliche konkreter.
Es interessiert sie nicht
Die deutsche Haltung ist für sie, mit Verweis auf den harten Polizeieinsatz während der Stuttgart21-Proteste, nicht nachvollziehbar. Ein Staat müsse doch die öffentliche Ordnung gewährleisten und die Medienkritik habe bei Stuttgart21 mehr Tiefe gehabt. Auch das belegt ihre Vermutung, in Deutschland nicht gewünscht zu sein. Kommentare über Islamkritik und dem öffentlichen Umgang damit wechseln sich ab.
Konsens herrscht in einem Punkt: Ihre Wut über die Berichterstattung der deutschen Leitmedien, wenn die Türkei oder die Türkeistämmigen thematisiert werden, empfinden sie als unfair. Sie verweisen auf die Abstinenz der deutschen Presse vor Ort. „Es interessiert sie nicht, was wir zu sagen haben. Sonst wären die doch gekommen“ wirft die 15-jährige Serpil ein, Gymnasiastin aus Essen. Es sei zur Unkultur geworden, dass die deutsche Presse lieber die Menschen befrage, die einem die gewünschten Antworten geben.
Selektive Aufnahmen
Besonders im Fokus der Kritik stehen neben ARD, ZDF und WDR auch private Printmedien wie Der Spiegel und Bild, denen vorgeworfen wird, sie würden Lügen verbreiten statt Nachrichten. Die ständige Reproduktion oppositioneller Propaganda, wenn es um die Türkei gehe, habe dazu geführt, dass Türkeistämmige ihr Vertrauen in die deutschen Leitmedien vollständig verloren haben. „Es wächst eine gebildete, selbstbewusste und kritische deutsche Jugend mit türkischem Migrationshintergrund heran und die hat es verdient, gehört zu werden. Bedauerlicherweise haben die deutschen Leitmedien, diese Chance nicht genutzt“, so eine junge Demonstrantin.
„Schauen sie sich das an“, sagt Abiturientin Ebru aus Köln und zeigt auf das einzige deutsche Fernsehteam bei der Kundgebung. „Wie selektiv die Aufnahmen machen. Die Mädels da vorne haben das Gleiche auf ihren Plakaten stehen wie die, die gerade aufgenommen werden. Mit dem Unterschied, dass die keine Kopftücher tragen. Ich beobachte das Team bereits seit 20 Minuten und die sprechen nur diejenigen an, die dem erwünschten Bild entsprechen. Das musst du schreiben.“
Wir haben es satt
„Denen geht es doch nicht um die Wahrheit“, meint auch die Pädagogikstudentin Sibel. „Die anwesende Presse sucht doch nur Bilder, um die eigene Meinung zu belegen und nicht, um zu erfahren, warum die Menschen gekommen sind. Das gelte für die türkischen Medien, wie auch für die Deutschen.
An diesem Tag fällt oft der Begriff „Stiefkinder“. So fühlten sich die diese Jugendlichen in Deutschland. Sie haben das Gefühl, nicht willkommen zu sein und als Problem betrachtet zu werden. Eine junge Demonstrantin aus Duisburg fasst die Stimmung zusammen: „Wir haben es satt, negativ etikettiert und an den gesellschaftlichen Rand gedrängt zu werden.“ Aktuell Gesellschaft
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@ Eine Rose Sie fragen, ob es eine Demo wegen der Morde durch die NSU Nazi gegeben hat.
Jawohl, es gab eine in meiner Stadt und ich war persönlich dabei, damals am 16. November nachdem die Wahrheit über die NSU Teroristen endlich an s Licht kam.
Es wäre schön gewesen, wenn es überall in Deutschland solche Demonstrationen gegeben hätte und ich war auch traurig, dass wir nur so wenige Menschen waren, die ein Zeichen der Solidarität mit den Nazi Opfern
setzen wollten.
Was hat der abscheuliche Nazi Terror in unserem Lande aber damit zu tun,
wenn wir Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern anprangern?
Zum Beispiel auch in der Türkei.
Was sollen die pauschalen Verdächtigungen gegen Kritiker der brutalen Polizeigewalt in der Türkei?
@Eine Rose Kennen Sie eigentlich alle diese Kritiker persönlich, oder woher nehmen Sie die Information, dass sie einseitig nur auf die türkische Regierung eindreschen.
Ich verbitte mir die beleidigenden Anwürfe der von Eine Rose!
„Lügen, Nachrichten unterschlagen und falsch darstellen…“? Das ist genau das was die regierungsfreundliche Presse in der Türkei ständig macht. Wer das nicht wahr haben will. sollte sich erst einmal genau informieren, bevor er andere beleidigt.
Es gibt so etwas wie „Netiquette“: schon mal davon gehört? Die haben Sie gröblich verletzt , Kommentator Eine Rose.
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