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Nach CERD-Rüge

Bundesregierung fordert neue Ermittlungen gegen Sarrazin

Die Bundesregierung stellt in seiner Stellungnahme an den UN-Antirassismus-Ausschuss schärfere Gesetze gegen Rassismus in Aussicht. Außerdem soll erneut geprüft werden, ob Thilo Sarrazins Äußerungen strafrechtlich geahndet werden können.

Montag, 15.07.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 19.07.2013, 1:20 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In einer Verbalnote an den Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen (CERD) stellt die Bundesregierung Änderungen der Gesetzgebung gegen Rassismus in Aussicht. „Die Bundesregierung prüft aktuell die deutsche Gesetzgebung zur Strafbarkeit rassistischer Äußerungen im Lichte der Äußerungen des Ausschusses“, heißt es darin nach Informationen des Tagesspiegels. Zudem sei die Berliner Staatsanwaltschaft gebeten worden, „jede Möglichkeit zu prüfen, die Entscheidung zur Verfahrenseinstellung zu überdenken“.

Die Erklärung der Bundesregierung ist eine Reaktion auf eine CERD-Rüge vom April dieses Jahres. Der UN-Ausschuss hatte Deutschland vorgeworfen, die Äußerungen Thilo Sarrazin zu Türken und Arabern nicht geahndet zu haben. Innerhalb von 90 Tagen sollte sich Deutschland erklären, mit welchen Maßnahmen sie reagiert wolle.

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CERD-Rüge Auslöser
Auslöser der CERD-Rüge war ein Strafantrag der Türkischen Gemeinde Berlin-Brandenburg (TBB) wegen Beleidigung und Volksverhetzung, der 2009 von der Berliner Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. Sarrazins Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt, lautete die Begründung. Der TBB gab nicht nach und wandte sich an den Antirassismus-Ausschuss.

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Die jetzt bekannt gewordene Stellungnahme der Bundesregierung nahm der TBB „zu Kenntnis“. Sie fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich Maßnahmen gegen Rassismus einzuleiten. TBB-Sprecherin Ayşe Demir appellierte an die Berliner Justiz, zu prüfen, ob das wegen Volksverhetzung und Beleidigung gegen Herrn Sarrazin eingestellte Strafverfahren wieder aufgenommen werden könne. Hierzu erwarte der TBB auch eine Aussage des Justizsenators von Berlin.

Unabhängige Beobachtungsstelle gefordert
Die Strafparagrafen Volksverhetzung und Beleidigung müssten deutlich konkretisiert und verschärft werden. Außerdem müsse – wie von CERD gefordert – das Thema Rassismus, in der Aus- und Fortbildung von Staatsanwälten, Richtern und Anwälten verstärkt zu berücksichtigen. Die Einrichtung einer unabhängigen Beobachtungsstelle von der Zivilgesellschaft wie in Großbritannien sei ebenfalls notwendig. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat wandte sich ebenfalls an die Bundesregierung, zügig einen Ausschuss einzurichten, der die bestehenden Gesetze auf die Strafbarkeit rassistischer Äußerungen überprüft und Vorschläge hierzu gibt.

Der CERD-Rüge war ein Interview Thilo Sarrazins in der Zeitschrift „Lettre International“ im Herbst 2009 vorausgegangen. Darin sagte er über die türkischen und arabischen Migranten wörtlich: „Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate. […] Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin.“ Später gestand Sarrazin, dass diese Zahlen nicht belegt sind.

Medien uninteressiert
Dem Interview folgte Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“. Es wurde durch Vorabveröffentlichungen in der Bild und Der Spiegel zum meistverkauften Sachbuch seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Über Wochen und Monate hielt sich Sarrazin in den Schlagzeilen. Die CERD-Rüge und auch die jetzt bekannt gewordene Stellungnahme der Bundesregierung hingegen wurden von den Medien nur vereinzelt aufgegriffen. Kolat und Demir: „Der gesellschaftliche Diskurs über Rassismus muss in der Gesellschaft breiter debattiert werden.“ (bk) Leitartikel Politik

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  1. Songül sagt:

    @aloo masala

    Jetzt bin ich aber irritiert.

    Wie kann eine Aussage rassistisch sein ( Du bezeichnest Sarazzins Ausagen selber als “ rassistischen Unsinn“ ) und gleichzeitig unter Meinungsfreiheit fallen?

    Rassistische Äußerungen gehören immer noch geahndet, oder?!

  2. Lionel sagt:

    @Songül

    Dass die scharfe Polemik des intelligenten Sarrazin mehr trifft, als bösartiger empfunden wird, als die Beschimpfungen eines tumben Kerls, ist nur zu verständlich.
    Unverständlich ist daher, weshalb das eine strafrechtlich sanktioniert wird, und das andere nicht. (Die Berliner Staatsanwaltschaft hat eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Sarrazin vor ein paar Tagen abgelehnt)

    Zwei Dinge müssen unterschieden werden, die nur zu oft vermischt werden: Zum einen der politische Rassismusbegriff (wobei es hier enge und weite Definitionen gibt) und zum anderen die Ahndung von Rassismus durch gesetzliche Normen.
    § 130 StGB (Volksverhetzung) deckt nur einen Teil rassistischer Handlungen ab – andere Normen finden sich in § 185 ff. StGB oder im AGG.
    In Sarrazins Fall (es geht hier nur um das Lettre-Interview) wäre die Volksverhetzung einschlägig gewesen.
    Wäre, denn dessen Verlautbarungen erfüllen nicht die notwendigen Tatbestandsmerkmale – das ist die unter Juristen ganz „herrschende“ Meinung.

    Zwar gab es Gutachten, die dessen Aussagen als rassistisch bewerteten, jedoch im Sinne eines politischen Rassismusbegriffs und nicht im Sinne einer einschlägigen Strafrechtsnorm.
    Das Institut für Menschenrechte hat in seiner Stellungnahme (auf die sich der UN-Ausschuss wesentlich stützte) zwar den Tatbestand des § 130 StGB als erfüllt angesehen, doch das war eher ein politisches Gutachten und die dortige juristische Argumentation – der entsprechende Entscheidungen des BVerfG entgegenstanden – vermag nicht zu überzeugen.
    Der US-Vertreter (hier wird die Meinungsfreiheit weiter gefasst als z. Bsp. in Europa) im UN-Ausschuss stimmte daher gegen die Rüge.

    Das nur zur Erläuterung – politisch mag man Sarrazins Äußerungen als rassistisch bewerten, juristisch sind sie es nicht.

  3. serap-62 sagt:

    Hallo Herr Masala, es ist sehr löblich von Ihnen, dass Sie die Fahne der Meinungsfreiheit hochhalten. Fänden Sie also, dass auch folgende Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt sind?

    „Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“

    „Gemäßigte Moslems geben nur ein lückenhaftes Bild ihres kulturellen Charakters. In den Ghettos Duisburgs und Berlins zeigen sie uns ihr wirkliches Gesicht bevor sie ihre Maske der Takkiya aufsetzen.
    Über drei Millionen Türken leben in Deutschland, jedoch wird man sie unter der arbeitenden Bevölkerun kaum finden. Sie sind auch nicht von der bestehenden Finanzkrise betroffen wie die hier beheimateten Deutschen. Sie gammeln in den ihren Ghettos rum und machen ihre Drogengeschäfte.
    Schon vor Jahren haben wir einen Blick auf diese Gruppe geworfen, jedoch ist unser Blick inzwischen klarer geworden. Wir begreifen, dass hier ein Krebsgeschwür vorliegt, das das deutsche Volk terrorisiert.“

  4. Mathis sagt:

    @Lionel,aloo masala,Songül
    Vielen Dank für eure Beiträge, die die Diskussion so weit versachlicht haben, dass man sie mit Gewinn statt mit Kopfschütteln verfolgen konnte.

  5. aloo masala sagt:

    @Songül: Ich denke, Du bist intelligent und kritisch genug, um Dich nicht durch strafrechtliche Paragraphen bevormunden zu lassen.

    @serap-62: Ich denke man sollte die von Ihnen zitierten Meinungen frei äußern dürfen. Das tut weh, ich weiß.

    @Mathis: Danke

  6. Marie sagt:

    Es mag sein, Herr Lionel, dass die juristische Argumentation des UN-Ausschusses SIE nicht überzeugt. Mich und sehr viele andere vermag sie sehr wohl zu überzeugen. Deshalb ist es unrichtig und anmassend, dass die Argumentation (allgemein) nicht zu überzeugen vermag. Dass die Argumentation SIE nicht zu überzeugen vermag, hat m. E. mit Ihrer persönlichen Geisteshaltung zu tun – die Entscheidungen des BVerfG stehen der Argumentation des Ausschusses jedenfalls in keinster Weise entgegen. Es ist auch absolut irrelevant, ob der Vertreter der USA die Meinungsfreiheit weiter fasst oder nicht, denn in Deutschland und in Europa gilt europäisches und deutsches Recht. Ihre bemühten Versuche, hier einen politischen und einen juristischen Rassismus zu konstruieren, sind einfach unerträglich, denn einen politischen Rassismus, der sich von einem juristischen Rassismus unterscheidet, den gibt es nicht – Rassismus IST Rassismus, auch wenn Sie hier ohne Unterlass versuchen, den Rassismus juristisch weg zu definieren. Schauen Sie sich mal den Beitrag von Serap an, und dann erklären Sie mir bitte, was Herr Sarrazin eigentlich rein theoretisch Ihres Erachtens noch hätte sagen müssen/können, um ihr zwecks Relativierung/Verharmlosung erfundenes Konstrukt eines angeblich juristischen Rassismus zu erfüllen. Welche Aussage, Herr Lionel, würde Ihres Erachtens überhaupt den Tatbestand der „juristischen“ rassistischen Volksverhetzung erfüllen? Rein theoretisch. Irgend etwas müsste es ja geben, sonst bräuchte man den Paragrafen nicht. So, wie Sie „argumentieren“, gibt es überhaupt keine juristisch strafbare „Form“ des Rassismus. Denn rassistischer, als das, was der Herr Sarrazin von sich gegeben hat, geht es nicht.

  7. Marie sagt:

    Songül soll sich durch Strafrechtsparagraphen nicht „bevormunden“ lassen? Ich fasse es nicht. Dann schaffen wir am besten das gesamte Strafrecht ab, damit wir nicht durch Paragraphen zu strafbaren Handlungen „bevormundet“ werden und geben Mord und Totschlag am besten auch gleich frei.. Die Rassismusverharmlosungs- und -rechtfertigungsstrategien treiben immer seltsamere Blüten.

  8. serap-62 sagt:

    Herzlichen Glückwunsch Herr Masala! Sie haben soeben volksverhetzende Nazipropaganda aus der NS-Zeit als freie Meinungsäußerung aufgeweret. Mal von dem Sarrazin-Zitat abgesehen, ist der restliche Text aus dem Nazipropagandafilm „Der ewige Jude“ aus dem Jahre 1940 entommen. Ich habe lediglich „Jude“ durch „Moslem“ bzw. „Türke“ und ein paar weitere Begriffe durch Synonyme ersetzt, um die Suche nach dem Text mit Google zu erschweren.

    „Die zivilisierten Juden, welche wir aus Deutschland kennen, geben uns nur ein unvollkommenes Bild ihrer rassischen Eigenart. Dieser Film zeigt Originalaufnahmen aus den polnischen Ghettos, er zeigt uns Juden, wie sie in Wirklichkeit aussehen, bevor sie sich hinter der Maske des zivilisierten Europäers verstecken.

    Fast vier Millionen Juden leben hier in Polen. Allerdings wird man sie unter der bäuerlichen Bevölkerung vergeblich suchen. Sie haben auch nicht unter den Wirren des Krieges zu leiden gehabt, wie die eingeborene polnische Bevölkerung. Sie saßen wie Unbeteiligte in den dunklen Ghettogassen der polnischen Städte, und eine Stunde nachd er deutschen Besetzung machten sie schon wieder Geschäfte.

    Wir Deutschen haben schon vor 25 Jahren einmal Gelegenheit gehabt, einen Blick in das polnische Ghetto zu werfen. Diesmal aber ist unser Bild durch die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte geschärft. Wir sehen nicht mehr wie 1914 bloß das Groteske und Komische an diesen fragwürdigen Gestalten des Ghettos. Wir erkennen, dass hier ein Pestherd liegt, der die Gesundheit der arischen Bevölkerung bedroht.“

  9. Marie sagt:

    „Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“

    „Gemäßigte Moslems geben nur ein lückenhaftes Bild ihres kulturellen Charakters. In den Ghettos Duisburgs und Berlins zeigen sie uns ihr wirkliches Gesicht bevor sie ihre Maske der Takkiya aufsetzen.
    Über drei Millionen Türken leben in Deutschland, jedoch wird man sie unter der arbeitenden Bevölkerun kaum finden. Sie sind auch nicht von der bestehenden Finanzkrise betroffen wie die hier beheimateten Deutschen. Sie gammeln in den ihren Ghettos rum und machen ihre Drogengeschäfte.
    Schon vor Jahren haben wir einen Blick auf diese Gruppe geworfen, jedoch ist unser Blick inzwischen klarer geworden. Wir begreifen, dass hier ein Krebsgeschwür vorliegt, das das deutsche Volk terrorisiert.“

    Aloo Masala schreibt dazu: „Ich denke man sollte die von Ihnen zitierten Meinungen frei äußern dürfen.“
    Da liegen Sie mit der NPD und anderen Rechtsextremen ganz auf einer Linie – die finden das auch.

  10. Marie sagt:

    „Man erkennt welchen Stellenwert bei einigen Foristen die Meinungsfreiheit hat. Sie folgt faschistoiden Denkstrukturen.“

    Da haben Sie recht, ich finde allerdings, nicht die Beiträge der von Ihnen angesprochenen Foristen folgen faschistischen Denkstrukturen, sondern in erster Linie und in herausragender Weise Ihre eigenen. Und genau deshalb plädieren Sie auch leidenschaftlich dafür, dass Rassisten ihre menschenverachtende und menschenrechtswidrige Ideologie zwecks Aufhetzung und Aufstachelung der Bürger, die den Hassparolen alltäglich Taten folgen lassen, frei und ungestraft verbreiten dürfen und vertreten hier eindeutig Positionen der NPD, der Neonazis und der rechtsextremen Szene. Die sagen exakt dasselbe.
    Erst kommen die rassistischen Worte, dann folgen die rassistischen Taten, zuletzt brennen Menschen, das hat man schon im Dritten Reich gesehen und jetzt sieht man es wieder – fast 200 Opfer rassistischer Gewalt seit 1990. Aber das ist Ihnen anscheinend noch nicht ausreichend -Herr Masala fordert das freie Recht auf uneingeschränkte Hetze, mit den Menschenrechten der mit Worten und Taten attackierten Rassismusopfer hat der Herr Masala nichts am Hut. Das sind halt die „Kollateralschäden“ des angeblichen Rechtes auf freie rassistische Hetze, nicht weiter erwähnenswert. Er dreht die Sachverhalte wie üblich um: Da werden faschistische Rassisten zu armen Verfolgten, denen man angeblich das total harmlose Wort streitig machen will und die, die sich gegen den Faschismus und Rassismus positionieren, werden von Herrn Masala kurzerhand zu Faschisten erklärt. Derartige Methoden sind eindeutig faschistisch und das steht sinngemäß exakt so auch bei PI und ich frage mich immer wieder entgeistert, wie Derartiges in einem seriösen Forum durchgehen kann.