15 Jahre Kopftuch-Streit
„Die Ursprünge des Konflikts wurden nie untersucht“
Vor 15 Jahren durfte Fereshta Ludin nicht Lehrerin werden, weil sie ein Kopftuch trug. Seit dem wurden zahlreiche Kopftuchverbote erlassen. Im Gespräch mit dem Mediendienst Integration erklärt Prof. Yasemin Karakaşoğlu die Sinnhaftigkeit dieser Verbote.
Von Ferda Ataman Mittwoch, 31.07.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 06.08.2013, 3:59 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Sie arbeiten an der Universität Bremen im Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Seit 2005 gilt auch hier ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Haben Sie noch Studentinnen, die gern ein Kopftuch tragen würden?
Yasemin Karakaşoğlu: Unter unseren Lehramtsstudentinnen sind meiner Einschätzung nach seit Jahren vielleicht gleichbleibend 4-5 muslimische Studentinnen pro Jahrgang mit Kopftuch. Manche von ihnen legen es im Laufe des Studiums ab, andere wiederum beginnen hier erst, sich zu bedecken. Mein Eindruck ist dennoch, dass das Gesetz bei dieser Zielgruppe eine abschreckende Wirkung auf das Berufsziel Lehramt hat.
In einer Ihrer Untersuchungen befragten Sie Lehramtsstudentinnen, die ein Kopftuch trugen. Was ist aus ihnen geworden?
„Einige haben sich auch zurückgezogen und arbeiten nicht mehr – bei ihnen hat die Ablehnung zu Resignation geführt. In den seltensten Fällen haben sich diese Frauen entschieden, das Kopftuch abzunehmen. Die Ablehnung Fereshta Ludins 1998 und die darauf folgenden Kopftuchverbote haben diese Wirkung eher nicht erzielt.“
Karakaşoğlu: Ich habe nicht alle Wege verfolgt, aber mit einigen noch längere Zeit Kontakt gehalten. Manche haben sich nach dem Referendariat für die Tätigkeit an Privatschulen entschieden, die von Migrantenverbänden gegründet wurden. Oder sie arbeiten an privaten ergänzenden Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, sind Dozentinnen in der Erwachsenenbildung geworden oder haben sich selbstständig gemacht. Einige haben sich auch zurückgezogen und arbeiten nicht mehr – bei ihnen hat die Ablehnung zu Resignation geführt. In den seltensten Fällen haben sich diese Frauen entschieden, das Kopftuch abzunehmen. Die Ablehnung Fereshta Ludins 1998 und die darauf folgenden Kopftuchverbote haben diese Wirkung eher nicht erzielt.
Der Fall Ludin landete vor dem Bundesverfassungsgericht, das 2003 erklärte, einer Lehrerin könne das Tragen des Kopftuchs nur dann untersagt werden, wenn hierfür eine besondere gesetzliche Grundlage bestünde. Seither haben acht Bundesländer entsprechende Verbotsregelungen in ihren Schulgesetzen verabschiedet. Sind die Länder hier gespalten?
Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu ist Konrektorin der Universität Bremen für Interkulturalität und Internationalität. 2000 veröffentlichte sie ihre Dissertation zu „Religiosität und Erziehungsvorstellungen. Eine empirische Untersuchung zu Orientierungen bei türkischen Lehramts und Pädagogikstudentinnen in Deutschland“. Zur Kopftuchdebatte veröffentlichte sie zahlreiche Stellungnahmen. Karakaşoğlu ist u. a. Mitglied im SVR, dem Rat für Migration und seit Juli 2013 im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für den Bereich Bildung und Wissenschaft.
Karakaşoğlu: Man kann einen deutlichen Unterschied zwischen Ost und West ausmachen. Die fünf neuen Bundesländer haben einen sehr geringen Anteil an muslimischer Bevölkerung und sehen offenbar keinen Handlungsbedarf. In den westdeutschen Bundesländern ist entweder ein solches Gesetz erlassen worden oder es laufen Planungen dafür. Lediglich in Hamburg ist eine solche Gesetzesinitiative nicht geplant. Es gibt also unter den Bundesländern sehr unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema, was insofern nicht verwunderlich ist, als dieses im Bereich der Kulturhoheit der Länder liegt und diese sich ja auch im Hinblick auf die jeweiligen Bildungssysteme und die Lehrerausbildung unterscheiden.
In seinem Urteil erklärte das Stuttgarter Verwaltungsgericht 2000, „dass das Tragen des Kopftuches im Unterricht durch die Klägerin zu einer religiösen Beeinflussung der Schüler und zu Konflikten innerhalb der jeweiligen Schulklasse führen kann“. Der Fall wurde jedoch exemplarisch geführt, entsprechende Beschwerden von Eltern gab es nicht. Wie sehen Sie als Erziehungswissenschaftlerin das Konfliktpotenzial?
„Wir sollten nicht vergessen, dass die Zeiten noch nicht so lange vorbei sind, in denen Lehrerinnen von Schulleitungen angehalten wurden, keine Hosen zu tragen, sondern sich an übliche weibliche Bekleidungsformen zu halten. Diese Normalitätsvorstellung haben wir inzwischen glücklicher Weise überwunden.“
Karakaşoğlu: Obwohl ich das Thema seit Jahren intensiv auch medial verfolge, ist mir kein Fall bekannt, an dem es an einer Schule aufgrund des Kopftuches einer Lehrerin ernsthafte Konflikte zwischen Lehrern und Schülern oder Eltern gegeben hat. Empirische Studien wie etwa aus meiner Arbeitsgruppe an der Universität Bremen, die sich in jüngster Zeit wissenschaftlich mit dem Thema befassen, belegen jedoch: Das Auftreten einer kopftuchtragenden Praktikantin oder Referendarin hat im Einzelfall zu konflikthaften Situationen im Lehrerzimmer geführt, etwa weil dieser mit Ablehnung oder Angst vor religiösem Fundamentalismus begegnet wurde. Der Konflikt entzündete sich an der Wahrnehmung des Kopftuches als frauenfeindliches oder religiös-fundamentalisitsches Symbol durch das Kollegium, nicht an einem entsprechenden Verhalten der Praktikantin oder Referendarin.
Hierbei handelt es sich um neuere Untersuchungen, die bei der Entstehung der entsprechenden Gesetze zwischen 2004 und 2009 noch nicht vorlagen, für die Gesetze also nicht leitend gewesen sein können. Die vorliegenden Gesetze gehen damit von einer abstrakten Gefährdung des Schulfriedens, insbesondere der Neutralität gegenüber Schülerinnen und Schülern durch kopftuchtragende Lehrerinnen aus.
Ist dann ein Kopftuchverbot zur Vermeidung von Konflikten sinnvoll?
Karakaşoğlu: Ohne Zweifel stehen Schülerinnen und Schüler unter dem besonderen Schutz des Staates, damit auch der staatlichen Schule. Um so sorgfältiger muss der Staat bei der Auswahl des pädagogischen Personals an Schulen vorgehen. Fachliche Qualifikation und pädagogische Eignung sind hier vorrangig, dazu gehört eben auch ein Bekenntnis zum pädagogischen Ethos . Die Sorge, dass weltanschaulich motivierte Beeinflussung durch Lehrende stattfindet, ist ohne Zweifel ernst zu nehmen. Meines Erachtens sollte sich diese aber auf den gesamten Lehrkörper und Weltanschauungen jeder Art erstrecken und im Fall einer nachweislichen Beeinflussung müssen dann die üblichen arbeitsrechtlichen Möglichkeiten konsequent angewandt werden, um die betreffende Person gegebenenfalls aus dem Dienst zu entfernen. Interview Leitartikel Politik
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die einzige lösung besteht darin private schulen zugründen ,getragen durch die hiesigen migrantenverbände .
„….bei ihnen hat die Ablehnung zu Resignation geführt.“ , es geht nicht um die Qualität der lehre ,es geht nicht um Fakten , sondern Stimmungen , den Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft. Sei es durch Politiker oder sogenannte Lehrer von anno dazu mal .
Diese Realitätsverweigerung seitens der erziehungspolitischen verantwortlichen wird sich ,wie auch andere Fehler , noch später rächen .
„….bei ihnen hat die Ablehnung zu Resignation geführt.“
die einzige lösung besteht darin eigene schulen zuhaben , wo weder Schüler noch Lehrer aufgrund ihrer Herkunft, ihres glaubens , ethnischen Zugehörigkeit , oder sozialen hintergrundes diskriminiert werden .
und wenn da jemand schreit ,“integrationsverweigerer , parallelgesellschaft “ , dann sage ich klipp und klar , ja lieber parallelgesellschaft und seine ruhe haben , als der Sündenbock für die kollektive Zwangsneurose der deutschen mehrheitsgesellschaft zudienen
wenn man schon von morgen bis abends das wort parallelgesellschaft hören muss , und wie schrecklich dumm und „minderwertig“ doch insbesondere „muslimische“ kinder und jugendliche sind ,dann kann es ja nicht schlimmer kommen als jetzt ,mit den staatlichen Institutionen die ein niederschwelliges Bildungsangebot für Migranten bieten , in form von hauptschulen .
und wehe ihr zensiert mich wieder !!!
Gutes Interview, danke!
Wenn es die Intention des Bundesverfassungsgerichts war, mit seinem Urteil von 2003 einen gesellschaftlichen Diskussionsprozeß anstoßen zu wollen, so waren seine Erwartungen an die Politiker und einen Großteil der Bevölkerung damit offensichtlich zu hoch gesetzt. Führende österreichische Juristen sind zum Schluß gekommen, daß Kopftuchverbote für Lehrerinnen kontraproduktiv für die Integration sind, und daß Lehrer /-innen keine solch unmittelbaren Vertreter des Staates sind wie Polizisten /-innen und Richter /-innen, weswegen sie keine besondere Berufskleidung – Uniform und Robe – tragen. Daher sei es unangebracht, Lehrer /-innen eine bestimmte Kleidung vorzuschreiben oder zu verbieten, und dadurch würde die Neutralität des Staates nicht beeinträchtigt. Zu solch logischen Schlüssen sind die bundesdeutschen Politiker und Richter anscheinend nicht fähig oder willens gewesen, sondern sie haben sich darauf verlegt, als Vertreter einer Mehrheit ihre Macht über eine Minderheit zu demonstrieren, indem sie einfach Verbote aussprechen, anstatt den schwierigeren und mühsameren Weg zu gehen, Toleranz zu üben und nach Kompromissen zu suchen.
Der Fall der muslimischen Lehrerin in NRW, der vom Gericht das Tragen selbst einer neutralen Baskenmütze verboten wurde, zeigt, daß es diesen Entscheidungsträgen in Wirklichkeit gar nicht um die Neutralität des Staates geht, sondern – wie im Beitrag erwähnt – darum, das staatliche Definitionsmonopol zu demonstrieren und die Angehörigen einer Minderheit zu demütigen. In einem anderen Bundesland unterrichtet ein Lehrer im Outfit eines Punkers; die Schüler und ihre Erziehungsberechtigen sind großenteils davon begeistert und damit einverstanden. Zwar stellt er damit nicht seine Religionszugehörigkeit zur Schau, aber immerhin seine Weltanschauung, und man läßt ihn gewähren. Anstatt zu einem gesellschaftlichen Diskussionsprozeß ist es außer zu diesen Kopftuchverboten für Lehrerinnen im außerstaatlichen Bereich auch zur häufigen Ablehnung von Kopftuch tragenden Bewerberinnen und zu verbalen und tätlichen Angriffen auf Kopftuchträgerinnen gekommen.
Auch wenn man über den integrativen Nutzen von Kopftüchern im Schuldienst unterschiedlicher Meinung sein kann, bleibt dennoch festzustellen, dass der Artikel bereits im ersten Satz einen falschen Sachverhalt darstellt. Die Lehrerausbildung einschließlich Referendariat ist vom Neutralitätsgebot unberührt.
Ich finde das wichtigste Problem wird nicht angesprochen. Der Lehrer als Beamter ist rechtlich gesehen Funktionsträger, welcher Personen unabhängig seiner Herkunft, Religion, Weltanschauung etc. bewerten solle und deshalb die in den Schulgesetzen der Länder oder/und Verfassungen . Das es hier im Grunde zu religiös-kulturellem „Unbehagen“ von Eltern kommen könnte, wenn sie etwa nicht Muslime sind (wie die Mehrheit der Gesellschaft nun mal ist). An diesem Punkt appelliere ich z.B. mal die türkischen Vertreter daran zu erinnern, dass in Österreich der Verkauf von Legospielzeug erwirkt wurde und Unbehagen ausgelöst hat unter einigen türkischen Eltern. Wenn aber eine Lehrerin die sich als Funktionsträgerin in einem Berufszweig entwickeln möchte, darauf insistiert unbedingt ein Symbol ihrer Identität/Religion zu tragen, finde ich es nicht abwegig wenn nicht-religiöse Eltern auch hier Unbehagen pflegen. Ich finde hier liegt ganz eindeutig die Sinnhaftigkeit solcher Verbote.
Lynx, solange der Lehrer in einem Rechtsstaat verfassungsrechtliche Verankerung findet (etwa in der Berliner Verfassung) und an staatlichen/öffentlichen (!) Schulen unterrichtet obliegt ihm als Funktionsträger auch die Pflichten nach des Grundgesetzes der Bundesrepublik zu handeln, welche wiederum als Primärrechtsquellen die Sekundärrechtsquellen prägen.
„Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions oder Weltanschauungsgemeinschaft demons
trieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kl
eidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht.“ § 2 des Art. 29 Berliner Verfassung
Ihr Vergleich mit „Punks“ würde in einer rechtlichen Interpretation niemals standhalten. „Punk“, z.B. das äußere Erscheinungsbild, ist eben keine konsistente Weltanschauung, nur weil sie es mit Anarchisten etc. assoziieren z.B.. „Punk“, ist Musik, kann sowohl politisch als unpolitisch sein, (Sub-)Kultur oder einfach nur ein kommerzielles Modegenre od. genereller unpolitischer Lifestyle. Solange der Lehrer als Punk keine bestimmten politischen Aufnäher trägt oder die Schüler mit einschlägigen Parolen penetriert, kann ihm so niemand eine weltanschauliche Orientierung nachsagen. Das ist bei Kopftüchern aber anders, da die Klienten zumeist in den Fällen immer auf ihre Bekenntnis- und Religionsfreiheit abstellen, das Kopftuch durch die alltägliche Erfahrung und dem Rechtsalltag, zweifelsohne eine religiöse Implikation enthält. Es werden ja eindeutig immer wieder muslimische Minderheitenrechte mit Kopftuch, Hijab, Niqab oder Tschador.
Es ist natürlich klar, für mich zumindestens, dass allein das Tragen bestimmter Symbolik nichts über den Charakter einer Person aussagt und auch eine Muslima eine gute Lehrerin sein kann. Ich kann jedoch auch verstehen warum nicht-Muslime keine kopftuchtragende Lehrerin wollen, genau wie muslimische Eltern nicht wollen das ein Pfarrer ihre Kinder indoktrinieren könnte.
Gruß
@Crit.Rat.
Sie schrieben: „Es ist natürlich klar, für mich zumindestens, dass allein das Tragen bestimmter Symbolik nichts über den Charakter einer Person aussagt und auch eine Muslima eine gute Lehrerin sein kann. Ich kann jedoch auch verstehen warum nicht-Muslime keine kopftuchtragende Lehrerin wollen, genau wie muslimiscie Eltern nicht wollen das ein Pfarrer ihre Kinder indoktrinieren könnte.“
Genau da liegt das Problem. Die Gesellschaft unterstellt von vornherein, dass eine muslimische Lehrerin, die ein Kopftuch trägt, AUTOMATISCH und PER SE die Kinder indoktrinieren würde. Warum, wenn es dafür im Allgemeinen keine Beweise gibt und eigentlich immer die Prüfung des Einzelfalles Vorrang haben sollte. Es soll ja vorkommen, dass Mathematiklehrer noch Mathe unterrichten ;-)
interessanter Artikel dazu:
http://www.tagesspiegel.de/politik/fereshta-ludin-im-gespraech-ich-habe-nicht-fuer-das-kopftuch-gekaempft/8606454.html
…Die Gesellschaft unterstellt von vornherein, dass eine muslimische Lehrerin, die ein Kopftuch trägt, AUTOMATISCH und PER SE die Kinder indoktrinieren würde….
Das sind alles vorgeschobene Gründe, und geheuchelt.. Ich denke, wenn Sie mit anderen (urdeutschen) Eltern sprechen, werden diese ihnen bestätigen, dass diese genau das von der Lehrerschaft erwarten.. Da stört der/die MoslemA nur noch die Befindlichkeiten.. Wobei ich denke, dass es vielen urdeutschen Eltern auch egal ist, wer die Indoktrinierung schluss endlich durch führt… Dass das so nicht sein muss, ist in der BRD ein Ding der Unmöglichkeit.. Die Indoktrinierung bleibt allemal unvermeidlich.. Es ist allenthalben ein deutsches Kulturding, ein dialektischer Trick, „Anderen“ von der Öffentlichkeit unterstellen zu lassen, was man/frau selbst praktiziert.. Darauf baut das politische System der deutschen Staatsräson nun mal auf.. Eine ehrliche Diskussion nur darüber wird es in Schildkrötenhausen, ääh, Deutschland aber nicht geben, ohne einen Bezug auf die „großen“ Taten des Anstreichers oder des Kaisers.. Dieser mentale Bezug ist tief verwurzelt und nicht weg zu kriegen, dafür hat das System derselbigen gesorgt.. Die Masse zu verdummt oder zu faul, um sich die Realität ein zu gestehen, denkt sie, die SPD oder Konsorten werden’s schon richten..
In Baden-Württemberg ist doch jetzt der grüne Kretschmann MP seit einer Weile, hat sich da bereits etwas bewegt wegen des Berufsverbotes für Hijabis?
Ich habe mehr als einmal erlebt, wie atheistische Lehrer versucht haben, ihre Schüler weltanschaulich zu beeinflussen. Die einzigen Schüler, die sich getraut haben, sich dagegen zu wehren, waren i.d.R. muslimische Schüler. Gegen solche Lehrer unternimmt man gar nichts, während Lehrerinnen mit Kopftuch mit rabulistischen subtilen Argumenten eine virtuelle Beeinflussung unterstellt wird. Ungeheuerlich!
Das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung der Frau oder Zeichen religiöser Indoktrination ist eine westliche Obsession.
Die Debatte um das Kopftuch ist ein sehr bemerkenswerter Fall, der uns einen ganz interessanten Einblick in die Denkweise westlicher Gesellschaften und ihr reichlich gestörtes Verhältnis zur Demokratie liefert.
Die Integrationsdebatte war über Jahre von penetranten Aufforderungen geprägt, dass die muslimischen Bürger dieses Landes zum Grundgesetz, zu den westlichen Werten und zur Demokratie zu bekennen haben.
Zu diesen westlichen Werten gehören auch die Emanzipation der Frau und das Neutralitätsgebot des Staates. Letzteres wird jedoch vom Staat gerne geflissentlich ignoriert, wenn es um christliche Symbole geht.
Zu den westlichen Werten gehören jedoch auch das Recht auf Selbstbestimmung. Wer Demokratie einfordert, muss aushalten können, dass die Menschen großen Wert auf Individualität und Selbstbestimmung legen. Es ist also in erster Linie Sache der Frauen, selbst zu entscheiden, ob sie das Kopftuch tragen wollen. Fragt man Muslima, weshalb sie ein Kopftuch tragen, dann geht es den meisten um persönliche und selbstbestimmte Entscheidungen innerhalb einer freiheitlich-demokratischen kulturellen Orientierung. Ganz ähnlich argumentierte auch Frau Ludin in einem Interview vom Tagesspiegel, das von der Foristin Saadiya verlinkt wurde. Politik und Gesellschaft fragen Muslima jedoch erst gar nicht nach ihrer Meinung. Stattdessen wird von einer Parallelgesellschaft gesprochen, vom Kopftuch als Symbol der Unterdrückung und von religiöser Indoktrination, auch wenn keine der bedeckten Frauen das mit einem Wort zu verstehen geben.
Christian Bommarius hat in diesem Zusammenhang vor Jahren einen ganz klugen Kommentar geschrieben. Die Behauptung, das Kopftuchs sei Ausdruck einer bestimmten negativen Botschaft (z.B. Unterdrückung der Frau) verrät uns wenig über den Gegenstand der Betrachtung aber eine Menge über den Betrachter. Wenn eine Muslima wie Frau Ludin deutlich zu verstehen gibt, dass sie ein Kopftuch aus freien Stücken als Ausdruck ihrer persönlichen Selbstbestimmung trägt, dann kann man sie entweder beim Wort nehmen oder man kann auf seine eigene Deutungshoheit beharren. In der laufenden Debatte um das Kopftuch obliegt die Deutungshoheit allein beim Kopftuchgegner. Auf diese Weise widerfährt den betroffenen Muslima genau das, wovor sie das Verbot des Kopftuchs angeblich bewahren will: sie werden zum Schweigen gebracht und entmündigt.
Diese Form des Diskurs ist kein herrschaftsfreier Dialog sondern ein Diktat. Der Kopftuchgegner beschneidet demokratische Werte wie das Selbstbestimmungsrecht und die freie Religionsausübung von muslimischen Frauen zum Schutz der Demokratie, aufgrund seiner Obsessionen aber nicht auf Grundlage von Fakten und ohne sich die Stimmen der Betroffenen anzuhören. In diesem Sinne unterscheidet sich der Kopftuchgegner kaum von den Befürwortern des theokratischen Regimes im Iran. Beide sind aufgrund ihrer konträren Obsessionen unfähig den Frauen demokratische Grundfreiheiten wie die persönliche Selbstbestimmung einzuräumen.
In diesem Zusammenhang sein an die iranische Friedens-Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi erinnert. Die Anwältin und Menschenrechtlerin trägt ihr Kopftuch in ihrer Heimat Iran, legt es bei Auslandsbesuchen aber ab. Shrin Ebadi hat öfters erklärt, dass sie gegen das Kopftuchgebot im Iran sei, aber umgekehrt auch Kopftuch-Verbote ablehne. Die Entscheidung darüber müsse bei den Frauen selbst liegen. Also nicht bei ihren Familien, nicht ihren Männern – und erst recht nicht bei ihren Regierungen.