Vergabepraxis von Ausbildungsplätzen
Jeder dritte Arbeitgeber lehnt Frauen mit Kopftuch ab
Dass Frauen mit Kopftuch es schwer haben, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden, war bekannt. Dass diesen Frauen aber mehr als jeder dritte Betrieb verschlossen bleibt ist neu und geht aus einer aktuellen Studie der Pädagogischen Hochschule Freiburg hervor.
Donnerstag, 15.08.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Sie sind hoch motiviert und bringen beste Voraussetzungen mit für einen Ausbildungsplatz – junge Frauen mit Kopftuch. Dennoch bleiben ihnen die Türen von mehr als ein Drittel (35,1 Prozent) aller Ausbildungsbetriebe verschlossen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Erhebung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg.
Für die Untersuchung wurden exemplarisch kleine, mittlere und große Betriebe im Breisgau-Hochschwarzwald angeschrieben und nach der Vergabepraxis ihrer Ausbildungsplätze befragt. Mehr als 700 haben geantwortet – mit erstaunlicher Offenheit. Danach würden viele Betriebe (12,4 Prozent) eine Bewerberin nicht nur wegen dem Kopftuch ablehnen, sondern auch dann, wenn sie oder er den Islam praktiziert. Einen Homosexuellen würden der Erhebung zufolge 4,5 Prozent der befragten Betriebe ablehnen.
Massive Einschränkung der Ausbildungschancen
Studienautor Prof. Albert Scherr sieht darin eine „massive einschränkung“. Im SWR-Fernsehen erklärte er, dass viele dieser Jugendlichen oft doppelt eingeschränkt seien in ihren Ausbildungschancen. Für Hartmut Möller von der Industrie- und Handelskammer Freiburg ist das nichts Neues. Er kennt die Gründe für die ablehnende Haltung der Betriebe: es sind Vorurteile und Ängste.
Vor allem im Dienstleistungsbereich würden viele wegen des Kundenkontakts keine Musliminnen mit Kopftuch einstellen. „Wir können die Betriebe nicht zwingen, ihr Verhalten zu ändern. Wir können nur appellieren. Das Damoklesschwert des Fachkräftemangels hängt über den Betrieben und die müssten das jetzt endlich mal begreifen“, so Möller.
Politik in der Pflicht
Bereits am Dienstag hatte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) eine Studie vorgelegt, die die Ergebnisse der Freiburger Erhebung stützt. Danach ist die Benachteiligung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund im Bildungssektor oder auf dem Arbeitsmarkt weit verbreitet. Dass Frauen mit Kopftuch viel häufiger diskriminiert werden, ging auch schon aus der ADS-Erhebung hervor.
Vertreter türkischer und muslimischer Organisationen sehen die Politik in der Pflicht. „Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass Menschen mit Migrationshintergrund in der Bildung oder auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden und die Politik immer noch keine Konsequenzen daraus zieht und Schritte zur Behebung von Diskriminierung verweigert, und das, obwohl immer wieder auch die Diskriminierung von staatlicher Seite belegt wird“, erklärte etwa Ayşe Demir, stellvertretende Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Diese Diskriminierungserfahrungen führten bei den Betroffenen zu Resignation und Frust mit negativen Auswirkungen auf Leistungen und Motivation.
Forderung nach AGG in Bundesländern
Demir fordert Allgemeine Gleichbehandlungsgesetze (AGG) in den Bundesländern und unabhängige Beratungs – und Beschwerdestellen damit Betroffene Anlaufstellen haben. „Solange Vorbehalten, Vorurteilen und Diskriminierungen nicht mit konsequenten Maßnahmen von staatlicher Seite entgegengewirkt wird, wird sich an dieser Situation kaum etwas ändern“, erklärte Demir.
Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kızılkaya, zeigte sich von den aktuellen Untersuchungen nicht überrascht. Die Ergebnisse bestätigten, was muslimische Religionsgemeinschaften schon lange kritisieren: „Von Kindesalter an sehen sich Muslime aufgrund ihrer Religion oder ihrer ethnischen Herkunft Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt“, so Kızılkaya.
Arbeiten am Kern des Problems
Das Bild des Islam und der Muslime in Deutschland werde durch die mediale Berichterstattung, aber auch durch teilweise islamfeindliche Rhetorik von Politikern mit Vorurteilen versehen. Es sei nicht verwunderlich, dass diese Darstellungsweise einen negativen Einfluss auf die Gesellschaft und alle Lebensbereiche habe. „Von Vorurteilen gegenüber Muslimen sind weder Lehrer an Schulen, Erzieher an Kindergärten noch Arbeitgeber in Unternehmen ausgeschlossen. Dadurch wird dann auch deren Handeln gegenüber Muslimen negativ geprägt“, erklärte Kızılkaya weiter. Er fordert nicht nur die Einrichtung von Beschwerdestellen, sondern auch ein Arbeiten am Kern des Problems, „nämlich dort, wo diskriminierende Einstellungen entstehen“. Sonst werde nur am Symptom gearbeitet, nicht aber an der Ursache.
Beunruhigt von den Studienergebnissen zeigte sich auch Ali Ataullah Demirezen, Präsident des Verbandes der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). „Dass Menschen aufgrund ihres Andersseins in dieser Gesellschaft benachteiligt und ausgegrenzt werden, ist inakzeptabel. Jeder Bürger dieses Landes, unabhängig seiner Herkunft, Hautfarbe oder Religion muss gleich behandelt werden“, so Demirezen. Der VIKZ-Präsident appelliert ebenfalls an Politik und Gesellschaft, Diskriminierung und Ungerechtigkeit stärker zu bekämpfen und Hilfsangebote für Betroffene zu fördern. Sonst würden unnötig Potenziale verschwendet und das gesellschaftliche Klima negativ beeinflusst.
Bereits in der Vergangenheit kritisierte der Dachverband der vier größten islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland, Koordinationsrat der Muslime (KRM), dem auch Islamrat und VIKZ angehören, staatliche Kopftuchverbote als schlechte Vorbilder für die freie Marktwirtschaft. Wenn schon der Staat Benachteiligung per Gesetz legitimiere, seien Nachahmer aus der Privatwirtschaft die selbstverständliche Folge, so der Vorwurf. (etb/sb) Gesellschaft Studien Wirtschaft
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@Deix
Ein Neutralitätsgebot ist in Ordnung. Jedoch wofür stehen Sie, für eine pluralistische oder eine sterile Neutralität?
@Deix
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Gewiss ist das Kopftuch manchmal einfach ein harmloses meditatives Zeichen, allerdings kann nicht in Abrede gestellt werden, dass es auch eine politische Komponente hat. […] Jeder Mensch muss damit leben, dass jenes sichtbare Zeichen, welches ihm bedeutsam ist, von anderen Menschen aus gutem Grund abgelehnt werden kann. Jene Personen, für welche solche Äußerlichkeiten am Arbeitsplatz völlig unverzichtbar sind, disqualifizieren sich selbst und sind keine Diskriminierungsopfer.
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Diese Form der sterilen Neutralität ist schlicht nicht umsetzbar. Betrachten wir einige Konsequenzen Ihres Vorschlags:
1) Weil ein potentieller antisemitischer Kunde sich an den Schläfenlocken eines orthodoxen Juden stören könnte, hat sich der Jude für den Arbeitsplatz selbst disqualifiziert.
2) Nur weil ein potentieller islamfeindlicher Kunde sich am Bart des Propheten stören könnte, muss jeder barttragende Bedienstete wissen, dass sein Bart ein „sichtbares Zeichen ist, was von anderen Menschen aus gutem Grund abgelehnt werden kann.“
Diese Liste kann man endlos fortsetzen. Die sterile Neutralität räumt bei der Güterabwägung einer rechtlich überhaupt nicht verankerten Intoleranz ein größeres Gewicht ein, als der Würde des Menschen (Recht auf Selbstentfaltung) und der Glaubensfreiheit. Die geforderten Einschränkungen sind im Sinne der Grundrechte für die Bediensteten nicht mehr zumutbar. Die sterile Neutralität in der von Ihnen vorgeschlagenen Form ist wegen ihrer Beliebigkeit nicht operationalisierbar und ist ein Scheunentor für Willkür. Ich kann einen Bediensteten ohne Ende mobben, weil fingierte Kunden sich an Äußerlichkeiten des Bediensteten stören.
Die Religionsfreiheit ist allerdings ausdrücklich durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt. Religiöse Verpflichtungen wie das Kopftuch der Muslima oder der Bart und Turban der Sikhs können deswegen nicht auf eine Stufe mit freiwilligen Bekenntnissen zu weltanschaulichen Fragen gestellt werden. Die Konsequenz für einen Anhänder der Linken kein Che-Guevara Shirt tragen zu dürfen ist eine völlig andere als von einem Sikh zu verlangen, den Bart zu scheren, seine Haare zu schneiden und den Turban abzulegen. Der Sikh verliert seinen Lebensinhalt, der Linke nichts.
Warum wird das Kopftuch getragen? Doch weil die Person meinst, ihre Religion verlangt das. Damit ist ein Kopftuch aber nicht mehr irgendein Kleidungsstück, sondern ein Kommunikationsmittel über Werte. Es geht ja nicht um das Kleidungsstück, sondern die Ursache für das Tragen. Und das ist sehr wohl eine Eigenschaft des Arbeitnehmers. Wofür steht diese Person? Kann diese Person mit Personen anderen Geschlechts zusammenarbeiten? Hat diese Person Probleme mit Dienstreisen? Lehnt diese Person bestimmte Kunden ab? All diese Fragen entstehen mit dieser Kommunikation.
Darüber hinaus ist dieser Person die Religion so dermaßen wichtig, dass sie sie in jedem Fall kommuniziert. Alle anderen Beschäftigten sind religionsmäßig betrachtet neutral gekleidet. Wie stark ist diese Bewerber von einer Religion geprägt? Lehnt der homosexuelle Kunden zu bedienen ab? Unterbricht er die Tätigkeit für Gebete? All diese Fragen kommuniziert ein Kopftuchträger.
Es ist für mich erstaunlich, dass du in Kleidungstücken und sonstigen Äußerlichkeiten den Lebensinhalt von religiösen Menschen siehst. Ich dachte eigentlich bei Religionen sollte es um innere Werte gehen. Deine Ausführungen, wonach religiöse Wünsche wichtiger zu nehmen sind als weltanschauliche Anliegen sind klar diskriminierend und unterscheidet zwischen Menschen erster und zweiter Klasse, was das Antidiskriminierungsrecht gerade bekämpfen will. Unterzeichnerstaaten der Europäiischen Menschenrechtskonvention wie Frankreich, die Schweiz, Belgien, Tschechien und die Türkei praktizieren das Neutralitätsprinziip im staatlichen Bereich schon lange mit Erfolg und Gutheißung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Diese Länder sollten ein Vorbild für private Unternehmen sein!
@ aloo masala
Pluralität kommt von innen! Unter meinen Arbeitskollegen gibt es Sunniten, Schiiten, Aleviten etc. beiderlei Geschlechts. Menschen, die ihre Einstellungen nicht pausenlos optisch zeigen wollen, sind nicht steril. Ständiges aufdringliches Sichtbarmachen von Überzeugungen ist keine Heldentat und vom AGG nicht geschützt. Religionsuniformen in Betrieben sind nicht wünschenswert. Wie jemand auf der Straße privat herumläuft, soll jeder selbst entscheiden. Bestimmte Kleidungstücke oder Symbole zum vorrangigen Lebensinhalt zu machen ist für mich Hohlheit und bringt der Menschheit keinen Nutzen. Respekt verdienen Menschen, die sich mit ethischen Fragen beschäftigen – egal welcher religiösen oder weltanschaulichen Richtung sie angehören.
@deix
Ich kann die Ausführungen alle nachvollziehen. Nur eins: Das Neutralitätsgebot gilt für den Staat, nicht für private Unternehmen. Ebenso wie man jenen, die weltanschaulich neutral auftreten wollen, diese Regel nicht absprechen sollte, sollte man auch jenen, die dies nicht wünschen, die Freiheit lassen. Da private Unternehmen oft selbst eine bestimmte Weltanschauung zum Ausdruck bringen, könnte es sogar in manchen Fällen erwünscht sein.
Außerdem: Das Neutralitätsgebot des Staates wird so interpretiert, dass der Staat nicht aktiv weltanschaulich einzugreifen hat, nicht, dass er Neutralität herzustellen habe. Für Beamte hingegen gilt die Neutralitätspflicht.
Das Bundesverfassungsgericht kam übrigens sogar zu der Überzeugung, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung bei Beamten eingeschränkt gilt:
„Jedes Verhalten, das als politische Meinungsäußerung gewertet werden kann, ist nur dann verfassungsrechtlich durch
Art. 5 GG gedeckt, wenn es nicht unvereinbar ist mit der in Art. 33 GG geforderten politischen Treuepflicht des Beamten. Im konkreten Fall ist dann die Vereinbarkeit der Äußerung mit der politischen Treuepflicht des Beamten nach dem Grundsatz, dass rechtlich begründete Grenzen des Art. 5 GG im Lichte des durch sie begrenzten Grundrechts auszulegen sind, zu entscheiden.“
@Deix
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Es ist für mich erstaunlich, dass du in Kleidungstücken und sonstigen Äußerlichkeiten den Lebensinhalt von religiösen Menschen siehst. Ich dachte eigentlich bei Religionen sollte es um innere Werte gehen. Deine Ausführungen, wonach religiöse Wünsche wichtiger zu nehmen sind als weltanschauliche Anliegen sind klar diskriminierend
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Ich muss meine Aussage revidieren. So wie ich Sie dargelegt habe, muss ich natürlich Ihnen Recht geben.
Was ich mitteilen wollte ist folgendes: Niemand darf wegen seiner Religion oder Weltanschauung diskriminiert werden. Jedoch sind bei Anwendung eines sterilen Neutralitätsprinzip die Konsequenzen für religiöse Menschen, die ihren religiösen Pflichten im Arbeitsleben nicht mehr nachkommen können, weitaus schwerwiegender, als für Menschen mit linken politischen Weltanschauungen, die auf ein Che-Guevara Shirt verzichten müssen. Das ist kein juristisches Argument, sondern ein rein menschliches.
@deix
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Unterzeichnerstaaten der Europäiischen Menschenrechtskonvention wie Frankreich, die Schweiz, Belgien, Tschechien und die Türkei praktizieren das Neutralitätsprinziip im staatlichen Bereich schon lange mit Erfolg und Gutheißung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Diese Länder sollten ein Vorbild für private Unternehmen sein!
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Ich sehe in diesen von Ihnen genannten Ländern (mit Ausnahme der Türkei) als auch bei anderen europäischen Staaten eher Vorbilder für eine systematische Diskriminierung der Muslime.
Viele der in den EU-Staaten vorgeschlagenen als auch. verabschiedeten Maßnahmen erscheinen zwar so. als ob es um ein Neutralitätsprinzip geht, die politischen Debatten, aus der die verabschiedeten Maßnahmen hervorgehen, belegen, dass es jedoch hauptsächlich um die Verschleierung gläubiger Muslima geht.
Die Umsetzung des sterilen Neutralitätsgebot wird folglich auch diskriminierend umgesetzt. Beispielsweise ist in Frankreich Staatsbediensteten verboten, religiöse Symbole u tragen. Ähnliches gilt auch für Schüler. Das sterile Neutralitätsgebot wurde jedoch auf um den Hals getragene Kreuze bislang nicht angewendet.
Ähnlich verhält es sich in Deutschland. In acht Bundesländern wurde Lehrkräften öffentlicher Schulen untersagt, sichtbare religiöse Symbole und Kleidungsstücke zu tragen. Angewendet werden die Regelungen ebenfalls nicht auf das Kreuz um den Hals. Es wird für unsichtbar erklärt. Man hat sich in den Gesetzestexten die nötige Schwammigkeit gelassen, um das sterile Neutralitätsgebot diskriminierend anwenden zu können. Das wird auch durch die Parlamentsdebatten zu den Gesetzentwürfen und die entsprechenden Gesetzeskommentare belegt, dass das vorrangige Ziel der Verbote religiöser Symbole das Kopftuch ist.
Auf der anderen Seite verstoßen Kreuze in Klassenzimmern aus Sicht des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht gegen die Religionsfreiheit. Es lasse sich nicht beweisen, dass ein Kruzifix an der Wand Einfluss auf die Schüler habe – auch wenn es in erster Linie ein religiöses Symbol sei, befanden die Richter. Hier stehen Ihre Argumente, die Sie mit der Rechtsprechung des EGMR untermauern im Widerspruch zum geforderten sterilen Neutralitätsprinzip. Auch dieser fall bestätigt, wie die angebliche Beeinflussung durch religiöse Symbole selektiv und daher diskriminierend angewendet wird.
Europa manifestiert mit den sterilen Neutralitätsgeboten auf dem Papier in der Praxis eine Diskriminierung der Muslime. Die Maßnahmen stehen nicht im Einklang mit den internationalen Menschenrechten.
Die internationalen Menschenrechtsgesetze schützen das Recht auf freie Religionsausübung. Das umfasst u.a. das Recht, religiöse Überzeugungen durch „Gottesdienst“ öffentlich zu bekunden. Der Begriff „Gottesdienst“ schließt laut UN auch die Zurschaustellung religiöser Symbole mit ein.
Regierungen dürfen Rechte wie die Glaubensfreiheit einschränken, jedoch nur, wenn sie belegen können, dass dies zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Sittlichkeit bzw. der Grundrechte und Grundfreiheiten anderer notwendig ist. Europa ist diesen Nachweis bislang schuldig geblieben.
Der EGMR gesteht den Regierungen bei der Beurteilung ihrer Verbote einen erheblichen Ermessensspielraum zu. Die Richter des EGMR versäumten zu verdeutlichen, dass Einschränkungen durch den Staat in überzeugender Weise gerechtfertigt werden müssen.
Europa und der EGMR stoßen wegen ihrer diskriminierenden Praxis auf massive Kritik bei internationalen Menschenrechtsvertretern. Das kann auch kein Vorbild für jemanden sein, der eine totale sterile Neutralität wie Sie propagiert.
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@aloo masala
Das Neutralitätsgebot existiert schon seit ewigen Zeiten. Dass man damit bewusst Diskriminierung von Muslimen rechtfertigen möchte, halte ich für einen Mythos. Das Kopftuch wird ausschließlich von den Frauen in eine Debatte hineinfokussiert, die es nicht ablegen wollen bzw. den Männern, die sich so vehement dafür einsetzen, dass Frauen es nicht ablegen sollen dürfen müssen.
Das Paradoxe ist, dass der Symbolgehalt von etwas umso mehr steigt, je entschiedener man das symboltragende Ding für unverzichtbar erklärt. Gleichzeitig ist die Zumutbarkeit, dass man darauf verzichtet, umso höher, je geringer der Gehalt an damit verbundener Weltanschauungssymbolik. Ein Kettchen mit einem Kreuz, ein Palästinensertuch oder eine Baskenmütze sind deshalb sehr viel weniger weltanschaulich aufgeladen als ein Kopftuch, obwohl die Baskenmütze, dieses beliebte Lehrerkäppi, eigentlich eine hochpolitische Bedeutung hat. Würde nun das Tragen von Baskenmützen an Schulen verboten, gäbe es vielleicht einen kurzen Aufschrei der Baskenmützenträger, aber abgesehen von ein bisschen Nörgelei würde man das hinnehmen.
Die entscheidende Frage ist: Warum kann man ein wahlweise normales Kleidungsstück oder normales religiöses Symbol – wenn es die wie auch immer gearteten Regeln des Arbeitgebers (die nicht nur auf das Kopftuch beschränkt sind) erfordern, partout nicht abnehmen?