Verwaltungsgericht Minden
Staatliche Grundschule darf muslimischen Sechsjährigen ablehnen
Der Schulleiter einer katholischen und staatlichen Bekenntnisschule verweigert die Aufnahme eines 6-jährigen muslimischen Jungen und das Verwaltungsgericht Minden gibt ihm Recht. So sei die Landesverfassung in NRW. Handeln müsse die Politik.
Donnerstag, 05.09.2013, 8:29 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 11.09.2013, 0:51 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Sommerferien sind vorbei und in Nordrhein-Westfalen erleben zahlreiche Erstklässler ihren ersten Schultag, das wohl aufregendste Tag im Leben eines Kindes. Darauf hatte sich auch der 6-jährige Bülent (Name geändert) gefreut, bis der Schulleiter der öffentlichen Grundschule Bonifatius in Paderborn ihm die Aufnahme verweigerte.
Begründung: Bülents Eltern waren bei der Anmeldung nicht bereit zu unterschreiben, dass Bülent am katholischen Religionsunterricht teilnehmen muss. Es kam zum Rechtsstreit mit einem großen Verlierer: Bülent. Mit Beschluss vom 30. August hat das Verwaltungsgericht Minden den Eilantrag der Eltern abgelehnt.
Nichts überzeugt
Dabei hatten Bülents Eltern das Grundgesetz hinter sich. Art. 7 gibt Eltern das Recht, über die Teilnahme ihrer Kinder am Religionsunterricht zu bestimmen. Außerdem besucht Bülents ältere Schwester die dritte Klasse der Bonifatius Grundschule, ohne am katholischen Religionsunterricht teilzunehmen, ebenso wie viele andere Kinder an dieser Schule, die nicht katholisch sind. Das alles überzeugte das Gericht nicht.
Auch nicht die Tatsache, dass die meisten städtischen Grundschulen in Paderborn katholisch sind, nämlich 15 von 23. Von Bülents Wohnung aus gesehen sind die sechs nächstgelegen Grundschulen Bekenntnisschulen. Zur nächsten bekenntnisfreien Schule müsste der Sechsjährige täglich fast eine Stunde mit dem Bus fahren.
Gericht: Aufgabe der Politik
Nach Auffassung des Gerichts ist der Besuch der nächsten bekenntnisfreien Schule für Bülent zwar mit höherem Aufwand verbunden aber zumutbar. In Nordrhein-Westfalen sei die gleichberechtigte Existenz von Gemeinschafts-, Bekenntnis- und Weltanschauungsgrundschulen durch die Landesverfassung vorgegeben. Insofern sei es nicht Aufgabe des Gerichts, sondern der Politik, die rechtlichen Rahmenbedingungen an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen.
Info: Die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ besteht aus nicht gläubigen und gläubigen Bürgern unterschiedlicher Konfessionen. Sie fordert ein Aufnahmerecht von Kindern an der nächstgelegenen öffentlichen Grundschule unabhängig von ihrem Bekenntnis und von Glaube und Herkunft ihrer Eltern.
So sieht das auch Max Ehlers, Mitglied der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“. Das Recht auf Abmeldung vom Religionsunterricht müsse an allen öffentlichen und zu hundert Prozent staatlich finanzierten Schulen uneingeschränkt gelten. Ehlers: „Die derzeitige Praxis einer Trennung von Kindern nach ihrer Religion an öffentlichen Grundschulen in NRW ist angesichts der gesellschaftlichen Realitäten nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.“
Online Petition
Deshalb hat Ehlers eine Online Petition gegen die Ablehnung des Sechsjährigen gestartet. Sie ist an den Schulleiter der Bonifatius-Schule gerichtet, um die Ablehnung des Jungen Rückgängig zu machen. Zugleich fordert Ehlers Maßnahmen von der Politik: „Der Landtag muss schleunigst dafür sorgen, dass die gesetzlichen Regelungen entsprechend geändert werden.“
Ehlers Petition hat bereits über 1.300 Unterstützer gefunden, doch das reicht nicht. Erforderlich sind 2.000. Bis zum 8. September kann die Petition noch unterschrieben werden. Einen Tag später ist der Einschulungstermin der Bonifatius-Schule. (eb) Aktuell Recht
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Der Einschultungstermin war bereits heute. Das OVG hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt. Der Schulleiter bleibt bei seiner Ablehnung: Nach wie vor hat Bülent also keinen Platz an dieser Schule. Auch die 2000 Unterschriften werden keine Änderung der Situation erzwingen können. Aber je mehr Unterschriften es sind, desto höher wird der Druck auf die Politik, die rechtlichen Rahmenbedingungen den gesellschaftlichen Realitäten anzupassen.
Wieso möchte ein sechsjähriger muslimischer Junge auf eine katholische Schule gehen und dann aber doch nicht den katholischen Religionsunterricht besuchen? Gibt es in seiner Gegend keine andere Schule? Wie lächerlich, dass dann auch noch geklagt wird! Eine katholische Schule ist nun einmal katholisch. Daran ändert doch nichts, dass sie staatlich anerkannt ist. Das macht sie nicht zu einer bekenntnisfreien Schule.
Wie kann es sein, daß es in der BRD Kinder gesetzlich zum Schulbesuch verpflichtet sind, die Schulen eben jenes Staates sie jedoch ablehnen können? Das ist doch paradox! Ein Schulweg von einer Stunde mit dem Bus als Alternative ist doch unzumutbar. Und was wäre, wenn alle Schulen, auch in noch weiterer Umgebung, den Schüler ablehnen würden? Wohin sollte er bei gleichzeitiger Schulpflicht dann gehen? Wenn der Streit sich in die Länge ziehen sollte und es bei dessen Beilegung bereits zu spät für eine Einschulung sein sollte, dann hat der Schüler ein Jahr verpaßt.
Mir erschließt sich auch nicht warum ein muslimischer Schüler auf eine katholische Schule möchte, um anschließend das Katholische auszusparen.
Was bringt des dem Träger denn eine Schule zu betreiben, wenn die Schüler den Träger bzw das Programm ablehnen?
Was meinen Sie, wie es ‚gottlosen‘ Kindern geht, wenn deren Eltern der Fremdmanipulation durch Religionsunterricht an einer staatlichen Schule NICHT zustimmen. Vorausgesetzt dort gibt es keinen Ethik-Unterricht.
Ralf und Steffen, ja, es erscheint auf den ersten Blick absurd. Aber in Paderborn sind 2/3 der Grundschulen katholisch. Und zwar nicht als Privatschulen, sondern es handelt sich um öffentliche Bekenntnisgrundschulen, die ausschliesslich aus allgemeinen Steuermitteln finanziert sind. Die Kirchen steuern keinen Cent bei. Das ist eine Besonderheit in NRW. In allen anderen Bundesländern ist das rund um die 1970er abgeschafft worden, weil man sich weitgehend einig war, dass Kinder unabhängig von ihrer Religion zusammen lernen sollen. An dieser konkreten Schule sind übrigens nur 40% der Kinder katholisch.
Ganz ehrlich ich würde da weiter kämpfen. Aber vorerst würde ich „Bülent“ niemals in diese Schule schicken, denn wer weiß was da der arme Junge an psychischem Druck erleiden muss. Ebenso würde ich die Tochter da herausholen. Alle nicht christlichen Kinder sollen da am besten mal rausgenommen werden und in eine andere Schule gehen. Mal sehen, wie lange die Lehrer noch dort arbeiten können!!! Anstatt aus der Geschichte zu lernen, werden ähnliche Fehler begangen! Anderssein soll keine Diskriminierung, sondern als Bereicherung gesehen werden!!!
@Didem
„Anderssein soll keine Diskriminierung, sondern als Bereicherung gesehen werden!!!“
Aber natürlich nur, wenn es einen selber nicht betrifft, oder? Die Eltern könnten ja den Religionsunterricht und den Gottesdienst auch als Bereicherung akzeptieren, wie von Ihnen gefordert.
Aber klar, das ist dann natürlich wieder „etwas anderes“. Bereichern lassen darf sich nur die Mehrheitsgesellschaft.
Angesichts solcher Urteile fragt man sich wirklich, ob die Richter in NRW in Priesterseminaren ausgebildet werden anstatt in einem Jura-Studium.
Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass eine derartige Entscheidung vorm Bundesverfassungsgericht Bestand haben könnte. Ein erheblich längerer Schulweg ist schließich ganz objektiv betrachtet eine Benachteiligung gegenüber den anderen Kindern in derselben Wohngegend. Benachteiligung aufgrund religiöser Zugehörigkeit ist in Deutschland allerdings per Grundgesetz verboten. Der Zwang zum Reli-Unterricht übrigens auch.
@Malso das ist jetzt nicht dein ernst oder?! Seit wann wird Bereicherung als alleiniges Profit für die Mehrheitsgesellschaft gesehen??! Muss sich die Minderheit der Mehrheit unterlegen, nur weil sie andere Sichtweisen haben? Ist das keine Rücksichtslosigkeit? Und wie kann es sein, dass ein „demokratisches“ Land,welches für Religionsfreiheit ist, widersprüchlich agieren? Sollte sich denn die Minderheit der Mehrheit assimilieren?? Es gibt Fächer wie Ethik oder Islamunterricht, das an vielen Schulen unterrichtet wird, also ist es doch wohl möglich. Und dieser Anspruch ist keine Gefährdung für die Schule und für das Land, denn wir sind auch Menschen mit Perspektiven und Ansprüchen und keine „billigen“ Arbeitskräfte die ihr mal selbst vor 50 Jahren nach Deutschland einbestellt habt. Ihr braucht uns, denn ohne uns Migranten können viele Firmen schließen, die für Deutschland und ihre Wirtschaft einen großen Vorteil bringen.