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Bundesverwaltungsgericht

Schwimmunterricht in „Burkini“ für muslimische Mädchen zumutbar

Muslimische Schülerinnen müssen grundsätzlich am gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht teilnehmen - gegebenenfalls in einem sog. Burkini. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden und damit seine Rechtsprechung aus dem Jahre 1993 verworfen.

Donnerstag, 12.09.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 17.09.2013, 23:55 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Vor 20 Jahren hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine 12-jährige Muslima sich vom gemischtgeschlechtlichen (koedukativen) Schwimmunterricht befreien lassen kann, wenn sie mit ihrem Glauben in Gewissenskonflikte kommt. Nun verwarf das Bundesverwaltungsgericht diese Entscheidung. Die Leipziger Richter urteilten am Mittwoch, dass einer Muslima die Teilnahme an einem koedukativ erteilten Schwimmunterricht zuzumuten sei. Sie könne einen Ganzkörperbadeanzug (sog. Burkini) tragen. Der staatliche Bildungsauftrag überwiege sowohl die Religionsfreiheit der Schülerin als auch das Erziehungsrecht der Eltern.

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Dieser Entscheidung lag der Fall von Asmae A. zugrunde, Tochter von marokkanischen Eltern, die bis zu ihrem achten Lebensjahr in Marokko zur Schule ging. In Deutschland schaffte sie den Sprung auf ein Gymnasium und gilt dort als Musterschülerin mit Bestnoten. Im Alter von 11 Jahren stellte Asmae einen Antrag auf Befreiung vom Schwimmunterricht, weil die gemeinsame Teilnahme von Jungen und Mädchen am Schwimmunterricht mit den muslimischen Bekleidungsvorschriften nicht vereinbar sei. Die Schule lehnte ab, es kam zum Rechtsstreit.

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Burkini zumutbar
Sowohl in der Vorinstanz als auch vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel entschieden die Richter, dass Asmae den muslimischen Bekleidungsvorschriften genügen kann, wenn sie im Schwimmunterricht eine Burkini trägt. Dieser Auffassung hat sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen und die Revision zurückgewiesen.

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Das Tragen eines Burkinis sei Asmae zuzumuten. „Die Klägerin hat nicht hinreichend verdeutlichen können, dass und inwiefern die Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht bei Anlegen eines Burkini die aus ihrer Sicht maßgeblichen muslimischen Bekleidungsvorschriften verletzt hätte. Eine Befreiung war auch nicht deshalb geboten, weil sie im Schwimmunterricht den Anblick männlicher Mitschüler in Badekleidung hätte auf sich nehmen müssen“, so das Gericht.

Religionsfreiheit hätte Vorrang haben müssen
Das Grundrecht der Glaubensfreiheit vermittle grundsätzlich keinen Anspruch darauf, nicht mit Verhaltensgewohnheiten Dritter konfrontiert zu werden, die außerhalb der Schule an vielen Orten im Alltag verbreitet sind. „Die Schulpflicht steht nicht unter dem Vorbehalt, dass die Unterrichtsgestaltung die gesellschaftliche Realität in solchen Abschnitten ausblendet, die im Lichte individueller religiöser Vorstellungen als anstößig empfunden werden mögen“, so das Gericht weiter.

Für Klaus Meissner, Rechtsanwalt von Asmae, ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar. „Die Koedukation gehört nicht zum Kernbereich des staatlichen Bildungsauftrags, da hätte die Religionsfreiheit eigentlich Vorrang haben müssen“, so der Jurist. Außerdem würde das Mädchen durch das Tragen eines Burkinis „stigmatisiert und ausgegrenzt“.

Schwimmunterricht als Integrationsmaßnahme
Ganz anders argumentiert der Philologenverband NRW. Würden Sonderregeln für muslimische Mädchen gelten, würden sich diese erst recht ausgegrenzt fühlen. Daher sei das Urteil aus mehreren Gründen sinnvoll. Es stelle eine „vernünftige Form der Integration“ dar, sagte Verbandssprecher Peter Silbernagel dem WDR.

Ähnlich argumentiert auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland, Kenan Kolat, in der Saarbrücker Zeitung. Er begrüßt das „Burkini-Urteil“ des Bundesverwaltungsgerichtes: „Ich finde, das Gericht hat einen hinnehmbaren Ausgleich zwischen Religionsfreiheit und Bildungsauftrag gefunden.“ Es sei wichtig, dass muslimische Kinder am gesellschaftlichen Leben teilhaben könnten. Dazu gehöre auch der Schwimm- und Sportunterricht. Zugleich betont Kolat, dass es bei ähnlichen Fällen in Berlin oder Nordrhein-Westfalen Schulen gelungen sei, im Gespräch pragmatische Lösungen zu finden. „Deswegen denke ich, wir sollten aus diesem Fall kein neues, kulturpolitisches Problem machen. Sondern sehr sachlich damit umgehen.“

Sofern Schwimmunterricht angeboten wird
Einer Studie der Deutschen Islam Konferenz aus dem Jahre 2008 zufolge nehmen gerade einmal 3,5 Prozent der muslimischen Schülerinnen in Deutschland aus religiösen Gründen nicht am gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht teil – sofern dieser überhaupt angeboten wird. In Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg werden etwa 90 Prozent des Sport- und Schwimmunterrichts nach Geschlechtern getrennt angeboten – aus mehreren Gründen.

Und laut Sprint-Studie des Deutschen Sportbundes fällt in Deutschland ohnehin jede vierte Unterrichtsstunde Sport aus und fast jeder vierten Schule steht nicht einmal ein Schwimmbecken zur Verfügung. Betroffen sind in der Regel sozial schwache Stadtteile. So beispielsweise in Hamburg: Während im Nobelviertel Blankenese fast alle Schüler bis zum Ende der vierten Klasse den „Freischwimmer“ erwerben, können sich in abgehängten Stadtteilen weniger als fünf Prozent der Zehnjährigen über Wasser halten – entgegen dem staatlichen Bildungsauftrag. (eb) Leitartikel Recht

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  1. mo sagt:

    @Marie
    Getrennt geschlechtlicher Schwimmunterricht:
    1. Eltern, die möchten, dass ihre Kinder koedukativ unterrichtet werden bzw. alle Schüler, die das wollen, dürfen nicht benachteiligt werden. Es wäre also keine Lösung koedukativen durch monoedukativen Unterricht zu ersetzen.
    2. Wenn beides nebeneinander möglich wäre, okay. Zu meiner Schulzeit wurde Schwimmunterricht nur ca. jedes Halbjahr angeboten, da die Schule kein eigenes Becken hatte und die Bahnen im öffentl. Bad von mehreren Schulen ausgebucht waren. Außerdem: Selbst bei monoedukativem Schwimmunterricht wäre bei parallelem teilweise öffentlichem Badebetrieb das Sehen und Gesehenwerden nicht zu verhindern.

  2. Clemens M. sagt:

    Es fällt mir schwer bei dieser Geschlechtertrennung nicht an Apartheid zu denken. Da wird einer Gruppe der Bevölkerung Beschränkungen und Regelungen auferlegt, die sie einschränken, sie abschotten, die Abgrenzung dienen, oder man könnte auch der sagen der ‚Markierung‘ dienen – sich eben nicht einfach selbstverständlich bewegen zu können.
    Bei erwachsenen Menschen geht die Freiheit ja schon so weit, dass man auch die Freiheit zu einer gewissen Unfreiheit hat. Aber auch die ist begrenzt. Angenommen ich würde zustimmen, das mich jemand einsperrt, dann wäre die Frage, ob der Staat eingreift, z.B. denjenigen anklagt, der mich meiner Freiheit beraubt.
    Anders sieht es gegenüber Schutzbefohlenen aus, also Kindern. Die elterlichen Rechte sind begrenzt wenn das Kind Schaden nimmt. So werden Kinder fundamentaler Christen verpflichtet in die schule zu gehen, auch wenn die Eltern dies nicht wollen.