Flüchtlinge
Festung Europa
Vor Lampedusa fanden erneut zahlreiche Flüchtlinge aus Afrika einen grausamen Tod im Meer. Ein weiteres Mal erkennt man, dass all die Werte, welche die Europäische Union vorgibt zu präsentieren, spätestens vor den Toren Europas enden.
Von Emran Feroz Freitag, 04.10.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.10.2013, 9:31 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ist ein Schiff mit mehr als 500 Flüchtlingen an Bord gesunken. Mindestens 82 Passagiere ertranken im Meer, unter ihnen mehrere Kinder. Die meisten Flüchtlinge stammten aus dem kriegsgeschundenen und verarmten Somalia. Der Vorfall, der schon der zweite innerhalb einer Woche ist – am Montag starben vor Sizilien mindestens dreizehn Flüchtlinge – macht ein weiteres Mal die bittere Realität von Flüchtlingen deutlich, die immer wieder auf dem Weg nach Europa scheitern und im schlimmsten Fall den Tod finden.
Die Verantwortlichen hierfür lassen sich vor allem im sicheren Brüssel finden. Allerdings herrscht nur geringes Interesse. Der Friedensnobelpreisträger – die Europäische Union – will vom Leid der Flüchtlinge nichts wissen. Jene Werte, auf die man anscheinend immer wieder Wert legen will, sprich, Freiheit, Menschlichkeit und Solidarität, scheinen an den Grenzen der europäischen Festung tagtäglich ihr Ende zu finden.
Kein Wunder, denn die EU-Grenzen werden seit Jahren streng überwacht. Dies liegt vor allem an der „Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“, kurz, Frontex. Diese Organisation, die vorgibt, für „Sicherheit“ zu sorgen, hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass sie auf Menschenrechte keinen Wert legt. Stattdessen wird eiskalt Jagd auf Flüchtlinge gemacht.
Ein Beispiel hierfür ist ein Fall aus dem Jahr 2009. Damals hat Frontex ein senegalesisches Flüchtlingsschiff auf hoher See aufgebracht. An Bord waren nicht nur Menschen, die dem Verdursten nahe waren, sondern auch Leichen. Dies berührte die Flüchtlingsjäger – anders kann man die Mitglieder von Frontex gar nicht bezeichnen – in keinster Weise. Stattdessen wollte man den Flüchtlingen kein Wasser geben, drohte, ihr Schiff zu zerstören und schickte sie zurück in den Senegal.
Dieses Ereignis ist kein Einzelfall. Auf diese Art und Weise wurden schon Tausende von Flüchtlingen zurück nach Afrika getrieben. Zahlreiche Zeugenaussagen und Berichte bestätigen die gewalttätige und skrupellose Vorgehensweise der Organisation immer wieder. Obwohl Frontex des Öfteren von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wurde, gab es bis zum heutigen Tag keine Konsequenzen seitens der EU. Stattdessen wird erbarmungslos weitergemacht.
Um die Belange von Flüchtlingen will man sich ohnehin nicht kümmern. Diese erleiden nicht nur auf hoher See derartige Schicksale. In Griechenland werden Flüchtlinge auf den Straßen von Neonazis gejagt. Die Polizei schreitet nicht ein, sondern unterstützt derartige Hetzjagden. Dass Flüchtlinge – unter ihnen auch Minderjährige – in griechischen Gefängnissen oftmals schwerst misshandelt werden, interessiert in Brüssel niemanden.
Ähnliche Zustände herrschen in Ungarn. Dort nimmt sich die extremistische Regierung Viktor Orbáns kein Blatt vor dem Mund. Flüchtlinge enden oftmals auf der Straße. Von Unterstützung fehlt jede Spur. Nun – zur „Krönung“ des Ganzen – entschloss sich die Regierung, Obdachlosen das Übernachten im Freien zu verbieten. Ein Protest seitens der EU war praktisch nicht vorhanden. Obendrein darf man nicht vergessen, dass man den Herrschaften von Frontex auch an den Landesgrenzen dieser Staaten begegnet. Diese gehen auch zu Lande alles andere als zimperlich mit den Flüchtlingen um.
In Staaten wie Deutschland und Österreich kann man solche Zustände nicht vorfinden. Stattdessen hat man sich entschlossen, Flüchtlingen auf bürokratischer Ebene Steine in den Weg zu legen. Aufgrund dieser Tatsache wissen syrische Flüchtlinge in Deutschland immer noch nicht, wie sie ihre Familien aus dem Krieg in der Heimat herausholen können. Das Gleiche gilt für Syrer mit deutscher Staatsbürgerschaft. Auch dieses Verhalten bringt die Doppelmoral sowie die Scheinheiligkeit der Politik in diesen Fragen zum Vorschein. Während man nur begrenzt Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen will, schreckt man vor Kriegsrhetorik, der Bewaffnung Aufständischer in fernen Ländern und der darauffolgenden Aufheizung des Krieges nicht zurück.
Diese Praxis kann man nicht nur im Hinblick auf Syrien beobachten. Man bombardiert Länder wie Afghanistan, den Irak, Libyen oder Mali, man lässt den afrikanischen Kontinent aushungern und man lechzt nach Flächenbränden in Krisenregionen. Nur die Flüchtlingswellen aus diesen Ländern sind nicht erwünscht, denn die Festung muss „sicher“ bleiben. So will es der Friedensnobelpreisträger. Leitartikel Meinung
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Frust im Oval Office Trumps Migrationspolitik trifft auf die Realität
- Uraltes Villenviertel-Privileg Streit um Flüchtlingsunterkunft im Hamburger Nobelviertel
- Mehr Nazi-Material aufgetaucht Richter im Solingen-Prozess kritisiert Polizei: „Das…
- Hinkende Vergleiche, falsche Schlüsse Kriminalität und Migration: Was sagen die Zahlen wirklich?
- Offener Brief Bündnis kritisiert Polizeiliche Kriminalstatistik:…
- Rücktrittsforderungen Chef vom Bundesamt FÜR Flüchtlinge – GEGEN Asyl
@mo
—-
Der europäische Wohlstand ist in erster Linie selbst erwirtschaftet und ohne diesen Wohlstand ginge es Afrika noch schlechter.
—
Diese These ist kaum haltbar. Was sich seit Jahrhunderten gezeigt hat ist, dass die Wirtschaft dann wächst, wenn man die Regeln des freien Marktes verletzt. Die Regeln des freien Marktes sind Regeln, die wirtschaftsstarke und entwickelte Nationen den wirtschaftlich schwachen Ländern aufbürden, sich aber im besten Fall selbst nicht daran halten. Das war während des Kolonialismus so, als England starke Handelszentren wie Indien zerstörte und das ist heute nicht viel anders.
In Afrika bedeutet freie Marktwirtschaft beispielsweise, dass Europa seine subventionierten (Regelbruch!) Lebensmittel feilbieten kann und die heimische Agrarwirtschaft der Bauern zerstört.
Dann gibt es die IMF und World Bank. Die Instrumente der Mächtigen für die Mächtigen, die in den 80ern mit ihrer structural adjustment policies die armen Länder in die Katastrophe führte.
Wir leben in einer kapitalistischen Welt. Das Prinzip kapitalistischer Konzerne ist nicht harte Arbeit, die dann zum Wohlstand führt, sondern gnadenlose Ausbeutung, so weit es die Gesetze halt erlauben.
Vielleicht trägt diese Frage zum besseren Verständnis bei.
Was würde an den Börsen passieren, wenn ganz Afrika mit Ausnahme von Nigeria und Südafrika im Meer versinken würde?
Man schaue sich einmal das Handelsvolumen afrikanischer Länder und den Ausstausch mit europäischen Ländern an.Beinahe irrelevant.
Der Wohlstand Deutschlands (das seine Kolonien schon vor 100 Jahren verlor) beruht mit Sicherheit nicht auf der Ausbeutung afrikanischer Länder.
In Frankreich sagte man schon am Anfang des 20. Jahrhunderts:“Die Kolonien kosten uns nur Geld.“
Die Kolonien waren tatsächlich ein volkswirtschaftliches Minusgeschäft – für die Kolonialherren.
Im Übrigen ist die EU-Agrarwirtschaft eine Planwirtschaft, sonst würde sie gar nicht funktionieren.
Folglich sind alle in der EU produzierten landwirtschaftlichen Erzeugnisse direkt oder indirekt subventioniert.
Ohne Subventionen würde die Landwirtschaft in Europa zusammenbrechen.
Lionel sagt: 16. Oktober 2013 um 10:18
„Der Wohlstand Deutschlands (das seine Kolonien schon vor 100 Jahren verlor) beruht mit Sicherheit nicht auf der Ausbeutung afrikanischer Länder.
In Frankreich sagte man schon am Anfang des 20. Jahrhunderts:”Die Kolonien kosten uns nur Geld.”
Die Kolonien waren tatsächlich ein volkswirtschaftliches Minusgeschäft – für die Kolonialherren.“
Das die Kolonien NUR Geld gekostet haben, ist Quatsch. Tatsächlich fand über die Kolonien auch nur eine Umverteilung der Gelder statt. Man darf hier, wie heute wieder gern in Mode, lediglich nicht Investitionen mit Konsum verwechseln. In die Kolonien wurde viel Geld investiert, dass ist richtig. Dabei handelte es sich jedoch um Investitionen, welche die Ausbeutung durch private Gesellschaften überhaupt erst ermöglichte. Der Bau von Bahnlinien etc. erfolgte doch nicht als Geschenk des Himmels. Hier wurde kräftig verdient.
Von Minusgeschäft sprechen nur die, die eben von Volkswirtschaft keine Ahnung haben und diese nur als Betriebswirtschaft im größeren Zusammenhang verstehen.
Das der Wohlstand Dts. gar nicht auf Kolonien beruht ist ebenfalls falsch. Natürlich verlangten auch diese dem dt. Reich enorme Investitionssummen ab. Jedoch hat die Privatwirtschaft hierbei sehr wohl verdient. Da das dt. Reich seine Kolonien nach dem WW1 verlor und zusätzlich mit Reparationen und Verschuldungen (Kriegsanleihen) belastet war, brach die Amortisation der Investitionen natürlich weg. Das bisher verdiente Geld war aber nicht weg. Im dritten Reich wiederum wurden große Vermögen mit der Arisierung, Zwangsarbeit und natürlich der Kriegswirtschaft verdient. Frag mal, wo die großen Vermögen der heutigen Unternehmerfamilien herkamen? Das dt. Wirtschaftswunder schließlich war in den ersten Jahren durchaus sehr gefährdet. Erst der Verzicht auf Reparationen und ein deutlicher Schuldenschnitt in Verbindung mit einem großem Investitionsprogramm (Marshallplan) brachte Deutschland den Wohlstand. Dabei profitiert auch die dt. Wirtschaft vom Ungleichgewicht mit der dritten Welt und auch dem Ostblock. Dessen Fall wiederum eröffnete gerade auch dt. Firmen einen Raubzug bisher nicht gekannten Ausmaßes. Hier wurden ganze Volkswirtschaften verramscht. Dafür wurde die Mär der Pleitestaaten ins Leben gerufen. Ähnlich läuft das heute in Südeuropa ab.
Lionel sagt: 16. Oktober 2013 um 10:18
„Im Übrigen ist die EU-Agrarwirtschaft eine Planwirtschaft, sonst würde sie gar nicht funktionieren.“
Da hat aber jemand Ahnung von Planwirtschaft. Ich wüsste nicht, dass dt. Bauern von der EU vorgeschrieben wird, wer, was, wann und wie viel anzubauen hat. Die EU setzt lediglich Anreize um den Markt zu steuern. Das hat mit Planwirtschaft aber nichts zu tun. Ferner wird wohl auf die EU-Bauern eine viel größere Gefahr zukommen und zwar nicht durch EU-Behörden in Brüssel, sondern durch Patentansprüche von Großkonzernen.
Im Übrigen sind die Subventionen der EU Landwirtschaft an sich nicht das Problem für die afrikanischen Länder. Das Problem dieser Länder ist, dass es denen verwehrt wird hier Zollgrenzen und Einfuhrbestimmungen zu setzen. Dies geschieht im Wesentlichen über IMF, WTO und Weltbank. Daher kann die dortige Wirtschaft nicht mit den subventionierten Landwirtschaftsprodukten konkurrieren.
@aloo masala
Natürlich hat Europa den Wohlstand in erster Linie selbst erwirtschaftet. Wer hat denn Pest und Cholera besiegt, ein Gesundheitssystem aufgebaut, bei dem die Lebenserwartung kontinuierlich gestiegen ist, Infrastruktur geschaffen, die das Funktionieren von Märkten erlaubt, eine extensive Landwirtschaft (mit z.T. negativen Folgen), die es ermöglicht hat, dass immer weniger Anteil an der Bevölkerung für die Ernährung zuständig waren und dadurch andere Aufgaben übernehmen konnten, die wiederum zu mehr Wohlstand geführt haben, ein Schul- und Bildungssystem aufgebaut, das ein Mindestmaß an Bildung ermöglicht und Analphabetismus in den Minimalbereich gedrängt hat, Wissenschaft ermöglicht hat und Erfindungen und Entwicklungen, auf die keiner verzichten möchte, und schließlich ein Sozialsystem, bei dem auch das Überleben gesichert wurde, wenn man keinen Job mehr hatte. Alles über Jahrhunderte und alles Bausteine des Wohlstandes. Gesundheit, Bildung, Infrastruktur und schließlich auch eine Annäherung der Besitzenden und der Besitzlosen. Man mag die heutige Schere zwischen Arm und Reich für zu groß erachten, verglichen mit der Vergangenheit und auch mit der Schere in den meisten Drittweltstaaten ist sie geringer.
Von all dem, was über lange Zeit geschaffen wurde, profitieren die Volkswirtschaften heute und natürlich auch jedes Unternehmen. Es ist natürlich leichter ein Unternehmen zu gründen, wenn man das in einer funktionierenden Infrastruktur macht.
Man kann alles im einzelnen kritisieren. Es gibt Auswüchse und Übertreibungen, aber dass von erfolgreichen Volkswirtschaften auch Afrika mitprofitiert hat, ist Fakt.
Bekämpfung von Seuchen, Klärung giftigen Wassers, Schulen, Krankenhäuser, Energiegewinnung mittels einfacher, billiger Sonnenkollektoren, landwirtschaftliches Knowhow etc. – das sind auch einige der europäischen Exportschlager Richtung Afrika, die gerne unterschlagen werden.
Wo hatten die Türken eigentlich ihren Mokka her?
Was mir bei der Debatte auffällt, ist die Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass Afrika nicht nur von Europa her kolonialisiert, ausgebeutet, oder, je nach Sicht, auch erschlossen wurde. Afrika wurde schon vor der europäischen Kolonialisierung von den Osmanen, Arabern auch von den Indern wirtschaftlich genutzt.
Der Sklavenhandel ist dabei ein besonderes Kapitel, zu dem ch nur soviel sagen will, dass die Sklaverei in Saudiarabien erst 1962 offiziell abgeschafft wurde.
@TaiFai
Kritik an den von Ihnen genannten Organisationen kann man durchaus üben. Sie tun jedoch so, als würden alle Probleme erst durch diese Organisationen geschaffen und ohne Welthandelsorganisation wäre in Afrika etc. alles Friede, Freude Eierkuchen.
Glauben Sie wirklich, dass durch Zölle der Wohstand in Afrika ausbrechen würde? Und meinen Sie im Ernst, die Afrikaner sollten auf ewige Zeiten Kleinbauern bleiben. Ich denke, die Flüchtlinge suchen in Europa etwas anderes.
Vom Grundsatz her sind preiswerte Importe auch nichts Schreckliches. Es tut der heimischen Wirtschaft nicht gut, aber den heimischen Verbrauchern. In Deutschland sind reihenweise die innovativen Elektronikunternehmen pleite gegangen, Grundig und wie sie alle heißen, weil man inChina – auch ohne dort selbst innovativ gewesen zu sein – billig produziert hat. Die deutschen Verbraucher haben gekauft und die Unternehmen gejammert. Hat jetzt China Deutschland ausgebeutet?
Dass China die ganze Welt beliefert hat die produzierende Industrie im Westen doch fast komplett lahmgelegt. Dadurch hat China einen kolossalen Aufschwung erlebt, der inzwischen dazu geführt hat, dass die Arbeitsbedingungen besser geworden und die Löhne gestiegen sind. Inzwischen weichen die Billighersteller in andere Länder aus? Versucht der westliche Kapitalismus die Entwicklung in China aufzuhalten? Mitnichten, denn auch wenn es für die produzierenden Gewerbe zunehmend teurer wird, in China herstellen zu lassen, bedeutet das keineswegs einen Konkurrenznachteil, da es alle betrifft. Aber was viel wesentlicher ist, ist dass China zunehmend interessant wird als Abnehmerland. Nicht für billige Gummienten, sondern für alles, was mit Knohow zu tun hat. Werden in China Autos entwickelt? Nein. Apps? Nein. Europa ist gut im Entwickeln und China gut im Produzieren. Ist das gut für China oder Europa oder schlecht?
Aber das passt nicht ins vorgestrige antikapitalistische Weltbild, da passt eben nur rein, was schief läuft, die Fehler, die gar keiner leugnet. Das pickt man sich heraus, alles andere lässt man beiseite.
Wenn man in Afrika billige Lebensmittel kaufen kann, könnte man das auch mit ein bisschen Fantasie als Chance sehen. Dann könnte sich Afrika von der Abhängigkeit von der Landwirtschaft emanzipieren.
Der Afrikaner indes soll aber Bauer bleiben, als Selbstversorger seinen Acker beackern, möglichst noch alles Bio, damit er nicht unsere schöne Luft verpestet. DAS ist Doppelmoral.
@mo
Den Wohlstand Europas als faire Eigenleistung darzustellen würde bedeuten, dass der Kolonialismus marktwirtschaftlich eine saubere Angelegenheit war. Die Geschichte lehrt uns das Gegenteil. Heute ist das nicht viel anders. Ohne Regelbruch lässt sich der Wohlstand nicht halten. Und Regeln bricht der wirtschaftlich Mächtige, er kann das durchsetzen.
Indien wäre wegen seiner starken Textilindustrie eine Wirtschaftsmacht geworden. Das wäre aber zu Lasten der englische Wirtschaft gegangen. Was hat England gemacht? Es hat die Textilindustrie von Indien zerstört, was zu gewaltigen gesellschaftlichen Umwälzungen führte. England hatte Indien unterentwickelt.
Dieses Prinzip lässt sich auch auf Afrika übertragen. Ich denke, hier liegen Sie mit Ihrer Behauptung falsch.
@mo
Also zunächst einmal sollte man hier nicht jede Menge Halbinfos zusammenwürfeln und sich daraus sein eigenes kleines Weltbild zusammenbasteln. Sie schmeißen China und Afrika in einen Topf und stellen Vergleiche an, die so gar nicht zum Tragen kommen.
Afrika: Wo habe ich denn behauptet, dass Zölle allein Wohlstand bringen. Sie ziehen sich ein Argument heraus, füllen das mit viel heißer Luft und wundern sich, dass die Sache platzt. Ich habe lediglich festgestellt, dass Freihandel NUR dem starken Handelspartner nützt. Die afrikanischen Länder sind mit ihren Wirtschaften nicht konkurrenzfähig. Das hat vor allem auch historische Wurzeln, da die Wirtschaft dieser Länder zur Zeit der Kolonisation ja nicht als Konkurrent entwickelt wurde. Die Wirtschaft dieser Länder war auf die Wirtschaft der jeweiligen Kolonialmacht hin ausgerichtet. So haben die meisten Länder Afrikas keine nennenswerte Industrie oberhalb des primären und sekundären Sektors. Davon ausgenommen sind die südafrikan. Wirtschaftszone und die Nordsaharastaaten. In der Vergangenheit gab es hier enorme Anstrengungen dies zu ändern. Letztendlich hat der Zusammenbruch des Ostblocks hier jedoch die meisten Staaten enorm zurückgeworfen.
Es ist völlig aus der Luft gegriffen mir vorzuwerfen, ich würde den „Afrikaner“ nur als Selbstversorger sehen wollen. Wo hab ich so´n Mist gepostet? Die meisten afrikanischen Länder sind agrarisch geprägt. Der größte Teil der Bevölkerung lebt auf dem Land. Das ist Fakt. Das die Landwirtschaft nicht ausreicht um Afrika zu ernähren ist nur zum Teil wahr. Es fehlt eher an einer Infrastruktur um die Verteilung auch zu organisieren. Ferner steht die Landwirtschaft in den afrikan. Staaten vor mehreren Problemen. Einheimische Pflanzen werden immer mehr verdrängt durch Hybridzüchtungen westl. Konzerne. Hier haben sogar einige NGOs (Bill Gates als Negativbsp.) mit Hand angelegt. Zwar können die Erträge hier kurzfristig gesteigert werden. Nachbau ist aber nicht möglich. Zudem wird oft spezieller Dünger benötigt. Die Landwirtschaft wird somit teurer. Kleinere Betriebe lohnen hier immer weniger. Es kommt zur Zentralisation, die wiederum jede Menge Arbeitskräfte freisetzt. Das Phänomen lässt sich übrigens weltweit beobachten. Hinzu kommt vermehrt das sogenannte Landgrabbing. Landflächen werden von westl. Konzernen gepachtet (Schwellenländer spielen hier auch vermehrt eine Rolle) was wiederum einen Großteil der Landbevölkerung vertreibt. Jedoch gibt es keine nennenswerte industrielle Entwicklung, welche diese „Freisetzungen“ von Arbeitskräften auch nur annähernd aufnehmen könnte. Hier könnten Zollschranken durchaus nutzen, Einheimische Industrien aufzubauen und vor globaler Konkurrenz zu schützen, bis diese überhaupt wettbewerbsfähig ist. Genau das ist aber nicht gewollt. Warum sollten westl. Konzerne neue Konkurrenz dulden. Das widerspräche dem Wesen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung.
China: Hier lief die Entwicklung völlig anders. Zunächst einmal ist China zwar ein Vielvölkerstaat, hatte aber seit Jahrhunderten eine zentralistische Ausrichtung mit einem starken Verwaltungsapparat. China blieb daher zumindest formal auch immer autonom. Weitere Ereignisse prägten die Entwicklung Chinas. Das waren die Revolution in Russland, die stark antiimperialistische Ausprägung der Kuomintang in der chinesischen Republik, der Aufstieg Japans zur Konkurrenz im pazifischen Raum, der WW2, der von der KPCh gewonnene Bürgerkrieg. Chinas Wirtschaft ist seit der Öffnung zum Westen stark geschützt. China hat hohe Zölle und Einfuhrbeschränkungen durchsetzen können. China besteht auch auf einen Know how-Transfer (ja auch in China werden in zwischen Autos und Apps entwickelt), Chinas Finanzmarkt ist komplett abgekoppelt vom westlichen. China kann dies durchsetzen, da sein Eintritt ins globale Wirtschaftssystem mit komplett anderen Vorraussetzungen erfolgte, als dies für die afrikanischen Staaten zutraf.
Aber China hat durchaus vergleichbare Probleme wie afrikan. Staaten und das gerade im landwirtschaftlichen Sektor. Die Landwirtschaft ist nicht in der Lage den kompletten Bedarf zu decken. Es setzt eine zunehmende Zentralisation ein, was enorme Arbeitskräfte freisetzt.
Die chinesische Wirtschaft hat zunehmend Probleme diese einzubinden. Ferner wird gerade auch in China zunehmend auf hochtechnische Landwirtschaft gesetzt, siehe Genreis, Hybridpflanzen. Landwirtschaftlich nutzbare Flächen verschwinden durch Bauboom und Umweltschäden was sie Situation nur noch verschärft. Wie die afrikanischen Staaten so hat auch China inzwischen große Probleme der Urbanisierung Herr zu werden. Durch die wesentlich stärkere Position der politischen Elite kann hier jedoch anders reagiert werden, als in Afrika. Dort kommt es zu Bürgerkriegen und Flüchtlingswellen.
Kompletter Nonsens ist schließlich Ihre Feststellung: „In Deutschland sind reihenweise die innovativen Elektronikunternehmen pleite gegangen, Grundig und wie sie alle heißen, weil man inChina – auch ohne dort selbst innovativ gewesen zu sein – billig produziert hat. Die deutschen Verbraucher haben gekauft und die Unternehmen gejammert. Hat jetzt China Deutschland ausgebeutet?“
Natürlich nicht, westl. Konzerne lasse ja nur in China produzieren. Grundig ging nicht deswegen pleite, weil China Waren im Auftrag westl. Unternehmen produziert. Grundig ging pleite, weil sie eben NICHT mehr innovativ waren. So hat Grundig z.B. komplett die mp3-Entwicklung verschlafen.
@aloo masala
Die Frage ist nicht, ob Indien ohne England zu einer Wirtschaftsmacht geworden wäre, sondern ob England ohne Kolonien keinen Wohlstand erreicht hätte. Und mit der Einschätzung, dass man nur durch Kolonien oder Ausbeutung Wohlstand erreicht habe, liegen Sie definitiv falsch.
Es geht um Wohlstand, nicht um Reichtum. Diamanten kann man nicht essen. Wohlstand bedeutet nicht Goldreserven zu haben, sondern – eben Wohlstand.
@TaiFai
Solange Sie die Probleme in Afrika aufzeigen, habe ich keine großen Probleme, Ihnen größtenteils zuzustimmen. Das mit dem afrikanischen Selbstversorger war eine kleine Provokation (ich wollte mich auch mal aufs hohe moralische Ross setzen).
Ich kritiere aber Ihre sehr einseitige und meiner Meinung nach auch ideologisch geprägte Sichtweise,
Ich habe China nicht mit Afrika in einen Topf geworfen, sondern das Beispiel China heran gezogen, um zu zeigen, dass es bestimmte Wechselwirkungen gibt, die man nicht einseitig als Ausbeutung bezeichnen kann. Ich möchte jetzt auch nicht das Thema China vertiefen, aber das, was dort entwickelt wird, ist Peanuts. (Autos bauen auf dem technologischen Niveau von vor 10 Jahren ist keine technologische Leistung – alle Hochtechnologie-Produkte werden derzeit in Europa, USA/Kanada oder Japan/Südkorea/Singapur entwickelt. Es geht auch nicht um komplette Autos, sondern neue Technologien – Werkstoffe, intelligente Bauteile etc.). Was funktioniert und eine Folge der Entwicklung ist, sind die Kooperationen. Man kann nicht sagen, europäische Unternehmen lassen dort herstellen. Auch das passiert, aber inzwischen – und wegen des chinesischen laxen Umgangs mit geistigem Eigentum auch sinnvoller – sind Kooperationen, wo Europäer oder Amis Technologie beitragen und Chinesen ihr Produktions-Knowhow. Inzwischen kann man nämlich auch von Produktionsknowhow sprechen, denn es geht nicht mehr nur um billiger, billiger.
Wenn Grundig und Co. etwas versäumt haben, dann sind es möglicherweise diese Kooperationen. Ähnliches kann man ja auch bei Photovoltaik-Technologie sehen. Europäische Produktion zu teuer. China produziert billiger und gut (aber kreativ war China dabei nicht).
Für Afrika kann man weder europäische noch chinesische Lösungen hernehmen. Es braucht afrikanische. Aber das wiederum setzt auch afrikanische Initiative voraus. Teilweise vorhanden. Es sieht ja nicht in allen afrikanischen Ländern so schlecht aus.