Europas "Geduld"
Das Asylheim am Rande der Stadt
Erneut fanden vor den Grenzen Europas zahlreiche Flüchtlinge aus Afrika einen grausamen Tod im Meer. Und die wenigen, die es schaffen, werden erniedrigt. Selbst in Deutschland leben Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Umständen.
Von Nasreen Ahmadi Montag, 07.10.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 11.10.2013, 16:58 Uhr Lesedauer: 8 Minuten |
Am Rande von Oberursel, einer Vorstadt von Frankfurt, stehen heruntergekommene beigefarbene Container. Dass in diesen schäbigen Containern Menschen leben, konnte ich zuerst nicht glauben. Doch als mich zwei Mädchen vor dem Container, eines aus Afghanistan und die andere aus Mazedonien, aufklären, dass dies das Asylheim sei, bin ich geschockt.
In dem von Rost zerfressenen Containern sind ungefähr 130 Flüchtlinge untergebracht, die auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten oder nur für kurze Zeit geduldet sind. In den Stahlkisten leben auf 15 Quadratmetern zwei Erwachsene. Das Mädchen aus Afghanistan teilt mit ihren beiden Geschwistern und ihrer kranken Mutter seit einem Jahr dort ein einziges Zimmer. Allen Bewohnern stehen Gemeinschaftsküchen und Duschen zur Verfügung. Die Küchen befinden sich in schäbigen Zuständen und auch die Sanitäranlagen sehen schlimm aus. Kein Wunder, zu viele Menschen müssen sie benutzen. Privatsphäre ist hier ein Fremdwort, die Duschen und Toiletten sind nicht abschließbar.
Als die Hausmeisterin des Asylheimes merkt, dass ich hier herumgeführt werde, werde ich vom Gelände verwiesen, da es angeblich ein Privatgelände sei. Doch ich glaube, der wahre Grund für den Rausschmiss ist folgender: Sie weiß, dass die Unterbringung in diesem Asylheim keinem menschenwürdigen Standard entspricht. Eine angemessene Unterkunft ist ein Menschenrecht, doch anscheinend nicht für Asylsuchende, denn die Situation im Containerlager Oberursel ist in Deutschland kein Einzelfall.
Rund 40 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. In Asylheimen untergebrachte Menschen sind verletzt, traumatisiert und gezwungen, auf fremde Hilfe zu vertrauen. Sie haben ihre Heimat, ihr letztes Hab und Gut, ihre Freunde und Familie verloren. Sie flohen vor Gewalt, Krieg, Verfolgung und vor massiven Menschenrechtsverletzungen oder aufgrund miserabler Lebensverhältnisse. Ihr Leben oder das ihrer Familien ist bedroht und der einzige Ausweg liegt in der Hoffnung, an einem anderen Ort Schutz und ein neues zu Hause zu finden. Doch wer sich in ein anderes Land retten will, ist nicht unbedingt aus dem Elend befreit und in Sicherheit. Der Traum von einem besseren Leben mit Zukunftsperspektiven verwandelt sich oft in einen Albtraum.
Europa mauert sich ein
Europa hat in den letzten Jahren mit ungeheurem Aufwand alle Zugangsmöglichkeiten abgesperrt. Die Grenzen sind mit Zäunen, Gräben, Radartürmen und Wärmebildkameras gesichert. Grenzsoldaten bewachen mit Schnellbooten die Gewässer. Trotzdem versuchen hunderte von verzweifelten Flüchtlingen, die Grenze zum besseren Leben zu überwinden. Dass diese Reise oftmals ihre Letzte sein wird, wissen sie nicht.
Die Küstenwache versucht mit allen Möglichkeiten, die kleinen, überfüllten Flüchtlingsbote aufzuhalten und zurückzudrängen. Dabei ist ihnen nahezu jedes Mittel recht, denn anscheinend gelten die Menschenrechte außerhalb der europäischen Grenze nicht. Und so sterben vor den Grenzen Europas viele Männer, Frauen und Kinder. Schaffen sie es doch auf’s Festland, treffen sie in den Grenzlagern auf Erniedrigung, Abschreckung oder sogar Misshandlung.
Nach der Drittstaatregelung ist der EU-Staat für das Asylverfahren zuständig, in den der Flüchtling als erstes eingereist ist. Griechenland ist mit dieser Regelung besonders überfordert, da dort die meisten Asylsuchenden ankommen. Aber auch in Italien, Malta, Spanien und Ungarn sieht es nicht anderes aus, denn auch dort stehen illegale Zurückweisungen, Obdachlosigkeit, Verwahrlosung und gewalttätige Übergriffe an der Tagesordnung.
Dennoch ist die EU weit davon entfernt, einen europaweiten Rechtsschutz für Asylsuchende einzuführen. Stattdessen setzen sie auf Abschottung und Abgrenzung und verweigern Hilfe unter Missachtung des elementaren Gebotes der Menschlichkeit.
Flüchtlinge in Deutschland
Flüchtlinge, die es nach schweren Strapazen doch nach Deutschland geschafft haben, leben für viele Jahre in furchtbaren Verhältnissen. Sie führen ein Leben zwischen Hoffen und Bangen. Denn sie sind nur für kurze Zeit geduldet, was lediglich bedeutet, dass sie vorübergehend nicht abgeschoben werden dürfen.
In Deutschland leben über 200.000 geduldete Menschen, über die Hälfte von ihnen schon seit mehr als 10 Jahren. Ihr Leben ist von Fremdbestimmung, Rechtlosigkeit und staatlicher Kontrolle geprägt. Das fängt schon mit der Zuteilung zu einem Asylbewerberheim an. Der Wunsch, in ein bestimmtes Bundesland zugeteilt zu werden, in dem Verwandte und Bekannte leben, wird komplett außer Acht gelassen. Außerdem unterliegen sie der sogenannten Residenzpflicht: Es ist ihnen untersagt, den zugewiesenen Landkreis zu verlassen. Reisen innerhalb Deutschlands und der Besuch von Freunden und Verwandten ist ohne Genehmigung, die in den meisten Fällen nicht erteilt wird, nicht gestattet.
Die Fremdeinmischung geht so weit, dass Flüchtlinge den ihnen zustehenden Geldbetrag nur in Form von Gutscheinen, Sachleistungen, Kleidung und Lebensmittelpaketen bekommen. So wird ihnen deutlich vor Augen geführt, dass sie am gesellschaftlichen Leben nicht teilhaben dürfen und hier nicht erwünscht sind. Die Ausübung einer Arbeit ist im ersten Jahr verboten. Aber auch nach diesem einen Jahr ist die Wahrscheinlichkeit, Arbeit zu finden, ziemlich gering, da andere Arbeitnehmer, Deutsche oder EU-Ausländer, gegenüber Asylsuchenden Vorrang haben. Außerdem wollen viele Arbeitgeber niemandem einen Job geben, von dem sie nicht wissen, ob er morgen noch da sein wird. Grotesk daran ist: Die Erwerbstätigkeit ist gesetzlich der entscheidende Faktor für eine Bleibeperspektive.
Integration trotz massiver Ausgrenzung
Elif A. kam im Alter von sieben Jahren mit ihrer Familie und ihren drei Schwestern im Januar 1994 nach Deutschland. Aus politischen Gründen flohen sie aus der Türkei. Dass sie die nächsten 13 Jahre ein Leben mit unsicherer Aufenthalts- und Lebensperspektive zwischen Ausreisepflicht und Bleiberechtsoption führen müssten, wussten sie jedoch nicht. Alle drei Monate wurde ihre Duldung verlängert. Vor jeder Verlängerung erfasste sie Panik und Angst. Einen relativ normalen Alltag zu gestalten war schwer, denn zu oft hat man mit ansehen müssen, wie Familien und Freunde von heute auf morgen trotz Duldungsstatus abgeschoben wurden.
Da Elif mit ihrer Familie nur auf Duldung lebte, wurde ihren Eltern kein Deutschkurs angeboten und so musste sie sich um alle bürokratischen Hürden selbst kümmern. Dass diese Lebenssituation sie besonders belastete, versuchte sie zu verbergen. Schon früh merkte sie, dass sie hier „anders leben“ musste, als all ihre Mitschüler.
Das fing schon damit an, dass sie und ihre Familie jahrelang in einem Asylheim untergebracht waren. Während all ihre Freundinnen ein eigenes Zimmer hatten, lebte Elifs Familie zu sechst in zwei Zimmern mit einer Gemeinschaftsküche. Freunde zu sich „nach Hause“ einzuladen, war ihr deshalb unangenehm peinlich. Auch die Klassenfahrt nach Italien wurde ihr bis zur letzten Sekunde verboten. Erst durch das Einschreiten ihrer Lehrer bekam sie die Erlaubnis von den Behörden.
Trotz der vielen Unsicherheiten und Entmutigungen versuchte Elif, sich gegen diese Ausgrenzungen zu widersetzen. Während viele Asylkinder oft durch die massiven Ausgrenzungen und das fehlende „zu Hause“, das von hoher Bedeutung für eine gesunde Entwicklung des Kindes ist, demotiviert wurden, bewirkten all diese Belastungen bei Elif und ihren Geschwistern eine besondere Motivation. Und so erreichten sie schulische Bestleistungen und waren nebenbei noch gesellschaftlich sehr aktiv. Trotzdem wurden sie weiter mit kurzfristigen dreimonatigen Duldungen bestraft. Gesellschaft Leitartikel
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@Mike
Sie behaupten:
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Es wird der Eindruck erweckt als lebten in Deutschland Flüchtlinge dauerhaft in Asylbewerberheimen, […]
—
Der Artikel bestätigt Ihren Eindruck nicht. Dort steht:
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In dem von Rost zerfressenen Containern sind ungefähr 130 Flüchtlinge untergebracht, die auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten oder nur für kurze Zeit geduldet sind.
—-
Damit werden die ersten beide Absätzen Ihres Kommentars obsolet. Bleibt der dritte und letzte Absatz. Einiges hat ja Saadiya schon gesagt. Ich ergänze um folgenden Punkt: Sie schreiben:
—
Worte wie “Bestrafung mit nur 3-monatiger Duldung”, “kein Deutschkurs” sind da eben fehl am Platz.
—
Wenn Unternehmen ihren Arbeitnehmern jahrelang Verträge mit einer Dauer von 3-Monaten anbieten würde, wäre das ein Skandal erster Güte. Was bedeutet das dann erst für Duldungen, die nur 3-Monate befristet sind?
@Lionel
—
Dazu dient ja das Asylverfahren, und 85% können eben keine Asylgründe darlegen.
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Darum geht es hier ja nicht. Es geht um die Menschenwürde auch von Flüchtlingen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde.
@aloo masala
Laut Wikipedia besteht die Residenzpflicht (der Aufenthalt ist zwar auf das Gebiet des Regierungsbeziks beschränkt, allerdings sind Ausnahmen möglich) nur noch in Bayern und Sachsen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Residenzpflicht
Selbst wenn wir den Begriff Flüchtling durch Asylbewerber austauschen, legitimiertes nicht die unmenschlichen Verhältnisse.
Des Weiteren kenne genügend Fälle, wo die
Flüchtlinge auf ihr Asylverfahren mehr als 15 Monaten warten müssen.
Obwohl die Fälle eindeutig sind.
Anschließend müssen sie weitet in den Asylheim verweilen, weil man keine Unterkunft für sie findet. Das darf nicht sein !
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aloo masala sagt@Mike
Sie behaupten: Es wird der Eindruck erweckt als lebten in Deutschland Flüchtlinge dauerhaft in Asylbewerberheimen, […]
Der Artikel bestätigt Ihren Eindruck nicht. Dort steht:
In dem von Rost zerfressenen Containern sind ungefähr 130 Flüchtlinge untergebracht, die auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten oder nur für kurze Zeit geduldet sind.
Mein Kommentar betog sich auf die im Artikel erwähnte Elif A, bei der es sich um eine Duldungsinhaberin, folglich um eine abgelehnte Asylbewerberin handelte, die eigentlich Deutschland wieder verlassen musste aber aus uns nicht näher bekannten Gründen von der Ausländerbehörde geduldet wurde. Einen Artikel über Asylbewerber zu schreben und dann als Negativbeispiel für das deutsche Asylsytem eine ABGELEHNTE Asylbewerberin anzuführen ist in meinen Augen nicht hilfreich, sondern der plumpe Versuch Stimmung zu machen.
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„Worte wie “Bestrafung mit nur 3-monatiger Duldung”, “kein Deutschkurs” sind da eben fehl am Platz.
Wenn Unternehmen ihren Arbeitnehmern jahrelang Verträge mit einer Dauer von 3-Monaten anbieten würde, wäre das ein Skandal erster Güte. Was bedeutet das dann erst für Duldungen, die nur 3-Monate befristet sind“
Was sollI hrer Meinung jemand bekommen, der ein rechtstattliches Asylverfahren durchlaufen hat, das zu dessen Ungunsten ausging und der Deutschland wieder nach dem Gestz verlassen muss?
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