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Lampedusa

Europa braucht Masseneinwanderung

Lampedusa zeigt die Brutalität der europäischen Abschottungspolitik gegenüber Einwanderern. Tatsächlich brauchen unsere alternden und wirtschaftlich stagnierenden Gesellschaften mehr Einwanderung. Wir sollten die Grenzen öffnen.

Von Freitag, 18.10.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 22.10.2013, 22:15 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Spätestens seit dem 3. Oktober steht der Name Lampedusa für alles, was in der europäischen Flüchtlingspolitik falsch läuft. Ist es eine Ironie des Schicksals, dass das Unglück genau an dem Tag passierte, an dem des Falls der Mauer zwischen Ost und West gedacht wurde? Gezeigt hat es jedenfalls, dass die Grenzen in Europa, die die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit behindern, weiter bestehen. Lampedusa ist nur einer von mehreren Grenzorten, an denen die Konsequenzen unserer restriktiven Einwanderungspolitik brutal sichtbar werden.

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Seit 1998 sind an der Grenze zur Ukraine, des Balkans und den Mittelmeeranrainerstaaten 19.000 Menschen gestorben. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, wenn die Bürgermeisterin von Lampedusa fordert, dass auch die anderen europäischen Staaten endlich zu einer Lösung des Flüchtlingsproblems beitragen sollen. Das gilt vor allem für Deutschland, das mit der Drittstaatenregelung und dem Dubliner Übereinkommen (Dublin II), alle unmittelbaren Probleme von sich weist und auf die Länder abwälzt, in denen die Flüchtlinge das erste Mal die europäische Außengrenze überschreiten.

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Aber was ist zu tun? Wie immer, wenn es um die Lösung eines Problems geht, steht eine Alternative im Raum. Sie lautet in diesem Fall, die Grenze entweder zu öffnen oder sie noch dichter zu machen. Die erste Option, die Öffnung der Grenzen, wird in der derzeitigen Debatte leider kaum berücksichtigt. Obwohl sie verblüffend einfach ist, erachten sie unsere Regierungsvertreter, allen voran der eifernde Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), offensichtlich als wenig realistisch, wenn nicht sogar als reine „Spinnerei“. Dabei würde dieses Szenario die Probleme der Grenzregionen schlagartig lösen. Böten sich Menschen aus ärmeren Ländern legale, zivilisierte Möglichkeiten nach Europa zu gelangen, würde niemand den selbstmörderischen Weg in überfüllten Booten über das Mittelmeer wählen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt wäre, dass den vielbeklagten Schlepperbanden von einem Tag zum anderen die Geschäftsgrundlage entzogen würde.

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Trotz dieser offensichtlichen Vorteile dürfen wir davon ausgehen, dass die Antwort auf die Flüchtlingskrise nicht Liberalisierung, sondern weitere Abschottung sein wird – obwohl diese die Probleme überhaupt erst hat entstehen lassen. Ob das dem Willen der Mehrheit der europäischen Bevölkerung entspricht, ist schwer zu sagen. Den meisten Bürgern in Deutschland jedenfalls dürften die Hintergründe, Konsequenzen und Kosten dieser Politik kaum bekannt sein. Im Zuge der militärischen Mali-Intervention z.B. soll die libysche Grenze, die seit dem Sturz Gaddafis durchlässiger geworden ist, militärisch abgesichert werden. Ein europäisches Grenzkontrollsystem soll mit Drohnen und Satellitensuchsystemen ausgestattet werden. [1] In einer Zeit, in der die staatliche Überwachung bei uns in den Fokus der Kritik geraten ist, wird an Europas Grenzen ein Kontrollsystem ausgebaut, das allen Freiheitsrechten reinen Hohn spricht.

In einer Zeit, in der die staatliche Überwachung bei uns in den Fokus der Kritik geraten ist, wird an Europas Grenzen ein Kontrollsystem ausgebaut, das allen Freiheitsrechten reinen Hohn spricht.

Der Grund, warum dies so kritiklos hingenommen wird ist, dass Flüchtlinge seit langer Zeit als Gefahr für unseren Wohlstand und unsere Sicherheit gelten. Deswegen wird alles getan, um die unkontrollierte Arbeitseinwanderung zu unterbinden. Beachtenswert dabei ist, dass die Einführung formeller Flüchtlings- und Asylgesetze in Europa diese Politik der Abschottung überhaupt erst ermöglicht haben. Das deutsche Asylgesetz z.B. ist nicht nur verworren, kompliziert und extrem restriktiv, sondern basiert auch auf einem System der Bestrafung. Der Wunsch, Schutz vor Krieg und Armut zu suchen, gilt schon lange nicht mehr als legitimer Einreisegrund, sondern als Verstoß gegen Recht und Ordnung. Flüchtlingen, die die legale Einreiseform als Asylant wählen, wird jede Arbeitsaufnahme, Reisetätigkeit oder sonstige Initiative verboten. Wer überhaupt eine Chance haben will, muss versuchen, als Illegaler in die EU zu gelangen, um sich dann so gut es geht, ohne Genehmigung, durchzuschlagen.

Das Drama in Lampedusa ergibt sich aus einer europäischen Flüchtlingspolitik, die alles tut, um Menschen dort festzuhalten, wo sie durch Zufall geboren wurden. Das Ganze erinnert an die feudalen Fesseln des Mittelalters, die keine persönliche Mobilität duldeten. Die Politik der Abschottung ist aber – auch dafür steht Lampedusa – nur sehr begrenzt wirksam. Migration ist seit jeher einer der effektivsten Maßnahmen, mit denen Menschen versuchen, der Armut im eigenen Land zu entfliehen, und deswegen so schwer zu unterbinden. Zu glauben, Auswanderungswillige wüssten nicht, auf was sie sich einlassen, wenn sie den beschwerlichen und gefährlichen Weg nach Europa wagen, ist naiv. Die meisten Flüchtlinge wissen sehr wohl, was sie erwartet. Auch in den Herkunftsländern gibt es Handys, Internet und Nachrichtensendungen. Dass sie es trotz der vielen Entbehrungen und Risiken versuchen, zeigt die Willenskraft, die mit der Migration einhergeht.

Das zentrale Paradox der derzeitigen Abschottungspolitik ist, dass Europa solche mutigen und entschlossenen Menschen braucht. Deswegen ist auch der Appell für mehr Humanität im Umgang mit den Bootsflüchtlingen, so richtig und verständlich er ist, nicht konstruktiv. Das Bild der hilflosen Opfer, die des Mitleids bedürfen, verkennt die zentrale Dynamik der Einwanderung. Hier kommen keine Opfer, die die Hände aufhalten, um von unseren Sozialleistungen zu profitieren, sondern Menschen, die bereit sind, hart zu arbeiten. Sie verlangen nicht mehr als eine faire Chance auf unserem viel zu stark regulierten Arbeitsmarkt. Wer Einwanderer um jeden Preis fernhalten möchte, muss erklären, wie unsere alternde Gesellschaft die Herausforderungen der Zukunft ohne sie meistern kann – sei es in der Altenpflege, im Straßenbau oder der Landwirtschaft und in vielen anderen Wirtschaftszweigen. Aktuell Meinung

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  1. Han Yen sagt:

    Eine Änderung der Einwanderungsgesetze wird es erst geben, wenn der Staat die Organisation von Sozialleistungen an Kirchen, Stiftungen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Berufsverbänden abgibt. Dann stechen die Argumente Flüchtlinge kämen wegen der sozialen Hängematte nicht mehr, weil jeder Solidarverband über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden könnte.

    Die Autorin hat irgendwie die Absicht, Flüchtlinge für den Niedriglohnsektor anzuwerben. Ökonomisch brauchen wir das nicht, weil diese Arbeit schon die undokumentierten Arbeiter machen. Das hat den schönen Vorteil, dass sie indirekte Steuern in den Fiskus einzahlen, die dann von der dominanten Wähler-Koalition ohne ihre Mitbestimmung verausgabt werden kann.

    Es gibt brauchbare Alternativen für Masseneinwanderung – nämlich die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen und Charter Cities. Die EU muss dafür nur die Handelsverträge nachbessern. Sonderwirtschaftszonen und Charter Cities können 100 Mio. Menschen mit Arbeit und Perspektiven versorgen.

  2. Jatu1979 sagt:

    Hat eigentlich irgend jemand mal daran gedacht, Familien in Deutschland besser zu stellen und ihnen so die Möglichkeit zu schaffen tatsächlich Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen, die dann durch vernünftige Ausbildung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden können, um dann Steuern einzahlen zu können? Dann wäre nämlich das Problem der alternden Gesellschaft ganz einfach aus der Welt geschaffen und man müsste nicht hoffen, dass Einwanderer aus kulturfernen Ländern irgendwann das System finanzell tragen können, was ja zur Zeit eher Wunschdenken ist. Betrachtet man die Statistiken bezüglich Sozialhilfeempfänger und Schulabschlüsse von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sieht die Zukunft hier dunkel aus. Ich habe Verständnis dafür, dass Menschen hier Schutz und eine bessere Zukunft suchen. Aber so wie es im Moment läuft, muss das System bald zusammenbrechen.