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40 Jahre

Von den Anfängen des Nürnberger Ausländerbeirats

Die Erkenntnis, dass dringend etwas getan werden musste, vertiefte sich in Nürnberg. Vor 40 Jahren machten sich die "Gastarbeiter" an die Arbeit und gründeten den ersten Ausländerbeirat - eine Erfolgsgeschichte, die bundesweit Schule machte.

Von Menzel, Suzan Donnerstag, 31.10.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 06.11.2013, 23:48 Uhr Lesedauer: 12 Minuten  |  

Als Filmemacher lesen wir seit Jahren in Bildern. Und wenn wir uns die Aufnahmen vom diesjährigen Neujahresempfang des Nürnberger Integrationsrates im historischen Rathaussaal anschauen, sehen wir einen selbstbewussten und auch fordernden Integrationsrat.

Auf seine Einladung hin gibt sich alle Jahre wieder das multikulturelle Nürnberg ein Stelldichein; der Oberbürgermeister spricht, es versammeln sich Prominenz aus Politik und Stadt, Bundestagsabgeordnete verschiedener Couleur, – wenn auch zu wenige -, diplomatische Vertretungen, verdiente Bürger, die Vereine und viele mehr. Ein Come-together mit einiger gesellschaftlicher, aber auch symbolischer Bedeutung.

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Symbolik der Bilder – vom Rand in die Mitte
Denn die Anfänge des Integrationsrates als Ausländerbeirat vor 40 Jahren sahen anders aus: man suchte nach einem Ort in der Stadt, nach Teilhabe und Akzeptanz, wünschte aus der Marginalität herauszutreten. So betrachtet, lässt sich dieser Empfang ebenso deuten als Ankommen in der Mitte der Stadtgesellschaft.

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1973 beschloss der Nürnberger Stadtrat einstimmig die Satzung für einen Ausländerbeirat, der am 11. November des gleichen Jahres gewählt wurde und im Januar 1974 das erste Mal zusammentritt. Schnell folgten diesem Beispiel die meisten deutschen Städte und mit vielen Jubiläumsveranstaltungen wird im nächsten Jahr daran erinnert. Unsere Vorarbeiten und Recherchen für ein dokumentarisches Feature über die Entstehungsgeschichte des Nürnberger Beirats führten zu diesem Artikel, der auch in der Sommerausgabe 2013 der Zeitung des Integrationsrats Nürnberg abgedruckt wurde.

Auch wenn die Bilder eine Erfolgsgeschichte erzählen, sind einige Einschränkungen zu machen. So bleibt zu fragen, warum sich das multikulturelle Nürnberg mit seinen fast 40 % Einwanderern noch immer nicht annähernd abbildet in den Institutionen der Stadt, im Stadtrat selbst, in den Verbänden, den Medien. Und zu fragen ist: Warum haben die ca. 50.000 eingewanderten Nicht-EU-Bürger (über 18 Jahre) – insbesondere die lang ansässigen – noch immer kein Wahlrecht, nicht einmal das kommunale?! Oder warum kommt das Verhältnis der Stadtgesellschaft zu seinen Einwanderern so leicht unter die Räder populistischer Politik, ob mit einer Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, wie Anfang 1999 geschehen oder mit Leitkulturdebatten.

Und letztlich zeigen die Attentate von Neonazis, die in Nürnberg mit dem Fall Oxner im Juni 1982 drei Menschenleben forderten und in den letzten Jahren durch die NSU wiederum drei Opfer, dass die Stadtgesellschaft seine eingewanderten Bürger immer wieder couragiert und entschlossen verteidigen muss.

Hoffnungen – Geschichte ist machbar
Im Folgenden wollen wir einige Gedanken mitteilen, die uns bei der Arbeit an dem filmischen Feature – „Ein Fremder ist nicht immer ein Fremder – vom Ausländerbeirat zum Integrationsrat Nürnberg“ – bewegten.

Während der Montage von Bildern und Filmteilen schauten wir immer und immer wieder in die Gesichter der Menschen, die ihre Erinnerungen mit uns in langen Interviews teilten. Wir blickten mit Ihnen auf Fotos, die sie uns zeigten und spürten ihren Emotionen nach, wenn sie von ihren ersten Jahren in Nürnberg erzählten, eine Zeit voller Entbehrungen und Hoffnungen.Die so entstandene Vertrautheit ließ uns erahnen, wie groß ihr Beitrag war, den sie als Ehrenamtliche für ihre neue Heimat Nürnberg erbrachten – trotz vieler Rückschläge und Enttäuschungen.

Wenn heute die ehemaligen Ausländerbeiräte Luis Ramos, Juan Cabrera, Ali Bencibara oder der damaliger Leiter des Amtes für Kultur und Freizeit Siegfried Kett, im Film stellvertretend für viele Bilanz ziehen, ist unüberhörbar: Der Einsatz für ein tolerantes und weltoffenes Nürnberg war nicht umsonst, er hat Früchte getragen.

So entsteht für uns das Bild, dass 1973 mit dem Ausländerbeirat ein Ort entstanden war, von dem aus die damaligen „Gastarbeiter“ die Sensibilisierung der Stadt für ihre Anliegen betreiben und sie mit ihren mitgebrachten Kulturen, Sprachen, Geschichten bekannt machen konnten. Unzählige Aktionen auf den Straßen, Demonstrationen, Mahnwachen, multikulturelle Feste, Veranstaltungen und Pressekonferenzen zu den brennenden Fragen, ja sogar Predigten in der Sebalduskirche,- von denen Juan Cabrera uns lächelnd berichtet-, gehörten zu diesem Repertoire, dessen sich die Beiräte mit Ausdauer und Erfolg bedienten. Sie wurden dabei begleitet von vielen Bündnispartnern und von einer überwiegend – auch das erstaunte uns – sympathisierenden Presse.

Und es ist kein Zufall, dass viele der „Gründungsväter“ des Ausländerbeirats, wie der türkische Sozialberater und Musiker Alpay Şakar, sich auch als Kulturbotschafter verstanden, indem sie ihre Heimatkultur zum Mittel der Verständigung machten. Rückblickend betrachtet, markiert das Jahr 1973 den Beginn eines interkulturellen städtischen Lebens, mit nachhaltigen Auswirkungen.

Anfänge – „Es hat gekocht, es musste etwas geschehen“
Zunächst hatten wir den Eindruck, dass die Entstehung des Nürnberger Ausländerbeirats gern linken, zielstrebigen politischen Partizipationsstrategien zugeschrieben wird. Aus vielen Gesprächen und Recherchen ergibt sich ein anderes Bild. Weder Gebhard Schönfelder, der 1972 für die Jungsozialisten in den Nürnberger Stadtrat einzog und ihm bis heute angehört, noch Luis Ramos, der 1. Vorsitzende des Ausländerbeirats und damals Vorstand des Centro Español, würden von einer solchen Zielstrebigkeit sprechen.

Es war vielmehr eine Zeit, die Entscheidungen verlangte, oder wie es Luis Ramos auf die einfache Formel bringt: „Es hat gekocht, es musste etwas geschehen“. Denn das Krisenjahr 1973 kündigte sich an, mit einer Wirtschaftsflaute und ersten Entlassungen, der „Energiekrise“ und dem Anwerbestopp im November.

Zudem war die Zahl der „Gastarbeiter“ schnell gestiegen, – allein in Nürnberg bis Anfang der 70er Jahre auf rund 50.000, d.h. knapp 10 % der Stadtbevölkerung. Die Stadt war weder mit ihrem Personal noch mit ihren Einrichtungen darauf vorbereitet. Zum drängenden Problem wurde die schulische Versorgung der Kinder, die nachgeholt wurden, und um die sich die Frauen der ersten Stunde sorgten. Es fehlte an Wohnraum oder der Bereitschaft, diese an „Ausländer“ zu vermieten. Die sprachliche Verständigung war nur mit den wenigen Dolmetschern der Sozialdienste möglich, – z.B. nur drei Sozialberater der AWO für alle türkischen Landsleute in Nürnberg und Umgebung.

Pater San Pedro, der damalige Geistliche der spanisch-katholischen Mission, klagte 1971 gegenüber dem ZDF: „Die Räume, die wir haben sind zu eng (gemeint war der erste Nürnberger Arbeiterverein Centro Español), es fehlen Bibliotheken – es muss alles in Privatinitiative gemacht werden von Menschen, die die Sprache, die Verhältnisse nicht gut kennen und daher kommen sie nicht weit mit ihren Forderungen…“.

Zudem drohte über den Arbeitsmigranten das Damoklesschwert der Rotation, da die Ausländerämter in Nürnberg und der Region Aufenthaltsverlängerungen verweigerten, Ausweisungen verfügten. Feuilleton Leitartikel

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  1. Han Yen sagt:

    Lassen Sie es lieber mit den Begriffen „multikulturelle Stadtgesellschaft“. Der Diskursstar Multikulturalismus ist eine politische Strategie, die sehr gut als repressive Toleranz bezeichnet werden kann. Hegemonie wird im Multikulturalismus so organisiert, als ob es einen neutralen Staat gibt. Multikulturalismus ist eine polizeiliche Funktion des Staates nach kulturellen Identitäten zu fahnden, und sie dann mit Sozialarbeit, Förderschulen und sonstigen Befriedigungsstrategien zu narkotisieren.

    Die türkische Diaspora führt ein transnationales Leben, wo Grenzen durch die Familien und Communities gezogen wurden. Es ist besser sich zu fragen, warum sich diese transnationale Orientierung, sich nicht auch in der politischen Beteiligung umschlägt.

    An der Bildung transnationaler Öffentlichkeiten wie dem Weltsozialforum, attac, transnationaler NGO’s sind die Deutschländer kaum beteiligt. Deswegen können Deutschländer auch nicht aus der „Politik als Polizei“ Beziehung heraus treten. Die Politik der Nationalstaaten lässt sich nur mit einer transnationalen Öffentlichkeit sinnvoll kritisieren. Ausländerbeiräte & Integrationsräte erfüllen administrative Funktionen für den Verwaltungsapparat als Informationsbeschaffer.

  2. Danke Han Yen für Ihre kritischen Anmerkungen zum Begriff “multikulturelle Stadtgesellschaft”.
    Vorab: der von Ihnen verwendete Begriff „transnationale Öffentlichkeiten“ gefällt mir sehr gut, er muss sich aber nicht widersprechen mit unserem Verständnis von multikulturellen Gesellschaften, die dazu einen Ausgangspunkt bilden können (beyond belonging) – notwendig ist allerdings, dass diese vielen in den Städten beheimateten Kulturen (in Nürnberg werden ca. 150 Sprachen gesprochen) der immer wieder versuchten nationalen Umklammerung/Eingemeindung widerstehen (s. d. jeweilige muttersprachliche Presse, die politische und kulturelle Instrumentalisierung von Herkunft/Kultur durch Parteien, diplomatische Vertretungen/Konsulate etc. etc. etc.) – einige der Gründungsvater des Nürnberger Ausländerbeirats schildern uns eindrucksvoll, wie schwer dies – – die Herstellung einer „transnationalen Öffentlichkeit“ – gerade am Anfang war (u. letztlich noch heute ist) — es gäbe noch so viel anzumerken,…..

  3. Pirner Marina sagt:

    Ich habe eine persönliche Frage, denn ich habe früher in Alanya gewohnt und möchte später wieder in Alanya wohnen.

    Können Sie mir sagen wie viele deutsche Aussieder in Alanya leben und wie hoch die Einwohnerzahl der Stadt Alanya ist? (ohne Umkreis)

    Mit freundlichen Grüßen

    M. Pirner