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Racial Profiling

Ein Auftrag der Politik?

Laut Bundesregierung führen Polizisten keine Personenkontrollen aufgrund äußerlicher Merkmale durch, laut Polizeigewerkschaft ist genau das Gegenteil der Fall. Wer hat Recht und wer ist gefordert? Ein Gespräch mit Tahir Della, Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland.

Freitag, 15.11.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.11.2013, 23:47 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

„Igitt, das ist Rassismus“, lautet der Titel eines kürzlich erschienen taz-Interviews mit Polizeigewerkschafts-Chef Rainer Wendt über die Konsequenzen der NSU-Affäre und Racial Profiling. Seine Aussagen haben für Protest bei Vereinen und Organisationen gesorgt, die sich gegen die Praxis wenden. Ein Interview mit Tahir Della vom Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Initiatoren der Kampagne „Stop Racial Profiling“.

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MiGAZIN: In Ihren Augen legitimiert der Chef der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt im Interview mit der taz die Praxis des Racial Profiling. Inwiefern?

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Tahir Della: Indem er erklärt: „Wenn die Politik sagt, das brauchen wir nicht mehr, dann haben wir damit kein Problem. Dann würde aber auch die erfolgreiche Arbeit der Bundespolizei bei der Bekämpfung der illegalen Migration beendet sein. Die Politik kann uns jedoch nicht den Auftrag und die Befugnisse geben und hinterher sagen: „Igittigitt, das ist Rassismus.“

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Für uns ist klar. Herr Wendt spricht in seiner Funktion als Vertreter von 94.000 Polizistinnen und Polizisten über die von der Bundespolizei durchgeführte rassistische Praxis. In seiner Aussage beschreibt er sie nicht nur als unverzichtbares Instrument, sondern beruft sich dabei auch auf einen Auftrag durch die Politik. Bisher hat aber die Bundesregierung genau das mehrmals bestritten und sich dabei auf das im Grundgesetz festgeschriebene Diskriminierungsverbot berufen. Und in ihren Wahlprüfsteinen hat die ISD zur Bundestagswahl 2013 die Parteien befragt, wie sie sich zur Problematik des Racial Profiling positionieren: Laut CDU/CSU und SPD kommt die Praxis nicht zur Anwendung und laut den Grünen und der Linken muss diese Praxis unter allen Umständen aus der Arbeit der Polizei verbannt werden.

Was leiten Sie aus der Aussage des Polizeigewerkschaftschefs ab?

Tahir Della: Dass sie im deutlichen Widerspruch zu den Antworten der Bundesregierung und diverse Anfragen im Parlament steht, die ja fast wortgleich aussagen, dass die Praxis des Racial Profiling gegen das Grundgesetz und gegen internationale Bestimmungen verstoßen und deshalb nicht Teil der Polizeiarbeit sind. Wendt sieht aber scheinbar keine Möglichkeit, die Arbeit der Polizei effizient zu erledigen, ohne Schwarze Menschen und People of Color zu diskriminieren beziehungsweise ohne rassistischen Methoden zu handeln.

Es scheint ihm auch entgangen zu sein, dass Studien in europäischen Ländern belegen, dass rassistisch begründete Polizeiarbeit nicht effektiver ist, sondern diese im Gegenteil ineffektiver macht. In diesem Zusammenhang ist auf die Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte zu verweisen, die die Rechtmäßigkeit von Racial Profiling infrage gestellt hat. Darin steht: Selektive Kontrollen sind auch deswegen nicht zu rechtfertigen, weil sie jenseits der Rechtsverletzung im Einzelfall auch gesamtgesellschaftlich negative Folgen haben: für das friedliche Zusammenleben, für das Vertrauen in die Polizei und für die Zugehörigkeit und Teilhabe betroffener Gruppen in Deutschland.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die ISD eine Aussage von Wendt zu Racial Profiling kritisiert.

Tahir Della: Das ist richtig. Wendt hat bereits 2012 die gerichtliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Koblenz – nämlich, dass Kontrollen aufgrund phänotypischer Merkmale gegen das Grundgesetz verstoßen, als „schöngeistige Rechtspflege“ bezeichnet. Mit dieser Aussage behauptete er indirekt, dass Verstöße gegen das Grundgesetz akzeptabel oder notwendig seien, wenn es um die Bekämpfung der sogenannten „illegalen“ Migration ginge. Seine fragwürdigen Einschätzungen hat er im Interview mit der taz nun wiederholt und bekräftigt.

Welche Erwartungen stellen sie an die Polizei?

Tahir Della: Erneut fordern wir von der Polizei, diskriminierungsfreie Polizeiarbeit zu betreiben. Es ist an der Zeit, dass die für die Polizei zuständigen Behörden verstehen, dass die bestehende Gesetzeslage die Praxis legitimiert und fördert. Wir wünschen uns mehr eigenverantwortliches und kritisches Handeln der Polizei beim Erkennen rassistischer Bestimmungen und Weisungen.

Nehmen wir beispielsweise die Proteste der Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg der letzten Wochen und die Weigerung einiger Polizistinnen und Polizisten, gezielte Kontrollen Schwarzer Menschen vorzunehmen, um Geflüchtete zu finden. Das ist ein Beispiel, das Schule machen sollte. Doch geht es ja nicht nur um ein Umdenken der Polizei als Institution oder jedes einzelnen Polizisten.

Was fordern Sie von der neuen Bundesregierung, die ja gerade in Koalitionsverhandlungen steckt?

Tahir Della: Die Anerkennung, dass Racial Profiling in Deutschland existiert und eine Praxis der Polizeiarbeit in Deutschland ist, die es abzuschaffen gilt. Wenn selbst Stimmen aus der Polizei diese Praxis öffentlich konstatieren können, kann die Bundesregierung das Problem nicht weiterhin leugnen. Wir fordern daher eine politische Lösung sowie eine Bewusstseinsschaffung in den deutschen Sicherheitsorganen für institutionalisierten Rassismus. Wir gehen da mit den aktuellen Forderungen des Institutes für Menschenrechte. Es fordert, die Abschaffung rassistischer Personenkontrollen durch die Bundespolizei im Koalitionsvertrag zu verankern sowie die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses zur Reform von Polizei und Justiz aufzunehmen.

Es ist an der Zeit, dass sich die Verantwortlichen mit dem Thema Rassismus, auch in der Polizeiarbeit, ernsthaft beschäftigen, weil er Schwarze Menschen und People of Colour in Deutschland in diesem Land immer noch als „Fremde“ und „Andere“ markiert und nicht als gleichberechtigter Teil dieser Gesellschaft betrachtet. Wie sagte Wendt so passend dazu in seinem Interview mit taz: „Wenn die Politik nicht möchte, dass die Polizei illegale Zuwanderung in dieser Form bekämpft, dann muss sie uns diesen Auftrag entziehen. Dann werden wir das nicht mehr tun.“ Es ist also vor allem auch die Aufgabe der Politik, hier zu handeln. Aktuell Interview Politik

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