Bundeswehr lehrt in Schulen
Bundeswehr hält Migration für eine sicherheitspolitische Bedrohung
Migration ist für die Bundeswehr eine „sicherheitspolitische Bedrohung“. Jugendoffiziere verbreiten das in Vorträgen und Seminaren - vor allem in Schulklassen. Allein im Jahr 2012 wurden eigenen Angaben zufolge 3.860 Vorträge vor über 100.000 Schülern gehalten.
Dienstag, 28.01.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 03.02.2014, 0:38 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Migration ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Menschen, die kommen und gehen sind nichts Außergewöhnliches. Gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel ist Migration seit einigen Jahren aber auch große Politik, um Menschen aus dem Ausland nach Deutschland zu locken. Eine besondere gesellschaftspolitische Herausforderung hierbei ist der Kampf gegen Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit, wie zahlreiche Studien belegen.
Für die Bundeswehr hingegen scheint das kein Thema zu sein. Statt Vorurteile abzubauen, betrachtet sie Migration vor allem als eine Frage der inneren Sicherheit und verbreitet dies auch noch an Schulen. Das geht jedenfalls aus dem Jahresbericht 2012 der Bundeswehr-Jugendoffiziere hervor. Darin werden Erkenntnisse aus über 7.000 Veranstaltungen zusammengefasst – allein 3.860 davon an Schulen vor über 100.000 Schülern.
Migration als Bedrohung
Darin heißt es wörtlich: „Sicherheitspolitische Bedrohungen wie Proliferation, Internationaler Terrorismus oder Migration wurden von einem Großteil der Jugendlichen, wenn überhaupt, nur abstrakt wahrgenommen.“
Den eigenen Angaben zufolge leisten Jugendoffiziere der Bundeswehr einen „wesentlichen Beitrag zur politischen Bildung“. Sie sind Träger der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr. „Der sicherheitspolitische Vortrag an Schulen ist weiterhin das Kerngeschäft der Jugendoffiziere“, heißt es in dem Papier.
GEW: Bundeswehr keine Bildungseinrichtung
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisert dieses Verständnis bereits seit Jahren. GEW Bundesvorsitzende Marlis Tepe jedenfalls fordert den Stopp militärischer Werbung in Schulen. Nicht die Bundeswehr sei zum Politikunterricht da, sondern die Lehrer. „Die Bundeswehr ist keine Bildungseinrichtung. Den Bildungsauftrag haben die Schulen und ihre Lehrer“, erklärte Tepe kurz vor dem Jahreswechsel.
Marlis Tepe verweist darauf, dass sich spätestens mit der Abschaffung der Wehrpflicht die Motive der Bundeswehr für ihr Engagement an den Schulen geändert hätten. Schulbesuche dienten zunehmend der Rekrutierung von Nachwuchs. „Dass dieses Engagement ausschließlich der Wissensvermittlung dient, wie immer behauptet wird, erleben wir Lehrer anders“, so die GEW-Bundesvorsitzende weiter. Aus Sicht der GEW sollten Lehrer entscheiden dürfen, ob und inwieweit Soldaten Eingang in Schule und Unterricht finden.
Rückendeckung von der Politik
Das wiederum sieht die Große Koalition anders. In dem schwarz-roten Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich.“
Von dieser politischen Rückendeckung macht die Bundeswehr regen Gebrauch. Die Jugendoffiziere arbeiten mit Kultusministerien, Regierungspräsidien, Schul- und Schulaufsichtsbehörden sowie Stellen der regionalen Lehreraus- und Fortbildung „intensiv“ zusammen. Auch die Lehrer schätzen laut Bericht die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr.
Widerstand in Schulen
Nur in einem Bremer Schulzentrum habe es Probleme gegeben, wird im Jahresbericht wohlwollend formuliert. Dort habe sich das Kollegium gegen eine Kooperation mit der Bundeswehr ausgesprochen. „Auch eine Information über die Arbeit der Jugendoffiziere war nicht erwünscht“, heißt es in dem Bericht.
Dabei regt sich schon länger Widerstand gegen Soldaten im Klassenzimmer. Noch Mitte vergangenen Jahres verweigerten Solinger Schulen der Bundeswehr den Zugang. Und vor Jahren hat sich in Köln sogar die Initiative „Schule ohne Bundeswehr“ gebildet. Zu einem Streit mit der Bundeswehr kam es schon im Jahr 2010 im Rahmen der Bildungsmesse didacta. Per Flugblatt forderte die Initiative den Abzug der Bundeswehr aus den Kölner Messehallen. Darin stand: „Wir kommen in Halle 6 und finden einen immens großen Stand der Bundeswehr vor. Was hat das Militär für Interessen, auf einer Bildungsmesse präsent zu sein? Welches pädagogische Können wird uns von der Bundeswehr angeboten?“
Soldaten mit Migrationshintergrund
Eine weitere Frage dürfte sein, wie sich die Bewertung von Migration als Sicherheitsrisiko auf die Soldaten mit Migrationshintergrund auswirkt. Einer Bundeswehr-Studie zufolge sind zwölf Prozent der Soldaten Migranten, die ohnehin nicht selten mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus innerhalb der Truppe zu kämpfen haben. (es) Leitartikel Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen
Ich möchte auf das paradoxe Verhältnis der Linken zum Militär an sich zu sprechen kommen. Es war die pazifistisch orientierte rot-grüne Koalition , die die Bundeswehr-Einsätze im Kosovo und in Afghanistan beschlossen hat, zwei Entscheidungen, die sich im Nachhinein als zumindest wirkungslos, wenn nicht gar als kontraproduktiv erwiesen haben.
So ganz will niemand auf die Möglichkeit verzichten, sein eigenes Hab und Gut zumindest notfalls auch mit Waffengewalt durch die Polizei verteidigt zu wissen. Und das gleiche gilt auch für die meisten Bürger für ihr eigenes Land mit Hilfe einer Armee.
Etwas anderes sind Auslandseinsätze, denen ich in Bezug auf die aktuellen Konflikte generell ablehnend gegenüber stehe. Die jüngeren Erfahrungen haben gezeigt, dass sie eben nicht zu einer Stabilisierung in den jeweiligen Krisenregion beigetragen haben.