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Integrationspolitik

Erdoğan wie immer: Integriert euch!

Medienberichten zufolge hat der türkische Premier Erdoğan bei seinem Deutschlandbesuch eine Kehrtwende vollzogen. Assimilation sei kein Thema mehr und endlich habe er seine Landsleute zur Integration aufgefordert. So weit, so richtig. Nur ist das keine Kehrtwende.

Von Mittwoch, 05.02.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.02.2014, 2:20 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Wenn der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdoğan nach Deutschland reist, stehen Themen wie der EU-Beitrittsprozess der Türkei oder die deutsch-türkischen Beziehungen groß auf der Agenda. Eine Frage interessiert hierzulande aber besonders: Welche integrationspolitischen Töne wird er in Richtung seiner Landsleute anschlagen?

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Bei seinem Auftritt gestern in Berlin habe er, glaubt man Medienberichten, eine Kehrtwende vollzogen. Assimilation habe er bei seinem gemeinsamen Presseauftritt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel begraben. Am Abend im Berliner Tempodrom habe er seine Landsleute sogar aufgefordert, kein Hindernis für die Integration zu sein.

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Keine Kehrtwende
So weit, so richtig. Doch eine Kehrtwende vermag der aufmerksame Beobachter nicht erkennen. Schon bei seinem legendären ersten Deutschlandauftritt in der Kölnarena vor sechs Jahren wurde er verkürzt wiedergegeben und daher missverstanden. Laut Übersetzung des Bundespresseamtes hat Erdoğan folgendes gesagt: „Ich verstehe die Empfindlichkeit, die Sie gegenüber der Assimilation zeigen, sehr gut. Niemand kann von Ihnen erwarten, Assimilation zu tolerieren. Niemand kann von Ihnen erwarten, dass Sie sich einer Assimilation unterwerfen. Denn Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

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Erdoğan sprach sich also nicht gegen die Assimilation aus freien Stücken aus, wie er in der Breite verstanden wurde, sondern gegen eine „erwartete“ Assimilation. Angesprochen auf seine Kölner Rede verwies er gestern dann auch mit einem Lächeln auf Bundeskanzlerin Merkel. Beide bekundeten, dass es in diesem Punkt keinen Dissens gebe. Assimilation werde nicht erwartet und sei deshalb auch kein Thema. So viel dazu.

Eigentlich wie immer
Eine Kehrtwende hat der türkische Premier auch nicht in Sachen Integration vollzogen. Bei allen seinen Auftritten auf deutschem Boden, ob in Köln, Düsseldorf oder in Berlin, hat er seine Landsleute unmissverständlich und mehrmals aufgefordert, sich zu integrieren. Wie ein Lehrer im Klassenzimmer hat er Punkt für Punkt erklärt, wieso das Erlernen der deutschen Sprache so wichtig ist und die Einbürgerung dazu. Er hat seine Landsleute mehrmals aufgefordert, sich in die Gesellschaft einzubringen, erfolgreich zu sein in der Schule wie im Arbeitsleben. An die Eltern hat er appelliert, sie sollten ihre Kinder bestmöglich unterstützen und fördern. Und er hat oft bekundet, wie sehr es ihn freut, wenn er Erfolgsgeschichten hört – auf dem Fußballplatz, in der Wirtschaft wie in der Politik.

Erdoğan hat aber auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er großen Wert auf den Erhalt und Pflege der türkischen Kultur, der Religion und der Sprache legt. Doch wer möchte ihm das verübeln und mit welcher Begründung? Ein Blick über den Tellerrand hinaus zeigt, dass nahezu alle Staaten ein Interesse daran haben, die Bindung ihrer im Ausland lebenden Landsleute zur Heimat aufrechtzuerhalten. Selbst Deutschland fährt diese Politik in Bezug auf deutsche Minderheiten im Ausland und fördert das nicht nur ideell, sondern auch mit reichlich Geld.

Kontraproduktiv
Insofern ist es an der Zeit, der Öffentlichkeit reinen Wein einzuschenken, nicht zu verzerren, nicht zuzuspitzen. Ein konfliktbeladener und kontroverser Erdoğan mag die Einschaltquoten und Auflagenzahlen in die Höhe treiben, geht aber zu Lasten eines sachlichen Diskurses, den wir vor allem im integrationspolitischen Bereich bitter benötigen. Das sollten vor allem Politiker wissen, die Erdoğans Assimilationsrede aus dem Jahr 2008 heute noch im falschen Kontext zitieren und instrumentalisieren. Leitartikel Politik

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  1. vulkansturm sagt:

    Wenn das Wohl der Deutschtürken Erdogan am Herzen liegen würde, dann hätte er derzeit auf Wahlkampfauftritte in Deutschland verzichtet. In einer sensiblen Situation, in der SPD und CDU/CSU über den Doppelpass verhandeln, macht er es allen Befürwortern des Doppelpasses schwer dafür zu argumentieren. Die Befürchtung, dass je mehr Menschen in Deutschland zusätzlich den türkischen Pass behalten können und damit zur Zielscheibe türkischer Wahlkämpfer werden, desto mehr werden autoritäre Führer wie Erdogan ihre antidemokratische Gesinnung nach Deutschland exportieren,
    liegt zu sehr auf der Hand und macht es selbst für Menschen, die sich seit langen Jahren für den Doppelpass eingesetzt haben, schwer, sich weiter ohne Bauchschmerzen für diesen einzusetzen.

  2. Cengiz K sagt:

    In deutschen Medien hat wieder das Erdogan-bashing angefangen.. Ist schon erstaunlich, dass Merkel immer noch alles „nicht so schlecht macht“.. Bis heute hat keine deutsche Zeitung es geschafft eine Hintergrundanalyse über die Politik in der Türkei hin zu kriegen.. Aber das ist ja schon bereits bei Frankreich zuviel verlangt.. Und bei Merkeldeutschland erst recht.. Man will sich ja nicht die Chancen verscherzen auch mal einen Seibert-Posten zu ergattern..

  3. Wolfgang Weinem sagt:

    NEIN! Wenigstens ein Land in Europa sollte seine Währung behalten und als Zufluchtsort für nach dem Konkurs der EU offen sein… Kaum will die Türkei ernsthaft in diese (T)euro-EU, mehr offene Handelsbeziehungen und jetzt und heute eine Mobilisierung der qualifizierten Türken „zurück zu kommen“ – Türkei ist und steht in den Startlöchern. Vergleichbar mit Deutschland in den 60ger/70ger Jahren – alles Potential ist vorhanden, Türkei ist eine junge Bevölkerungsnation mit Selbstbewusstsein und den Willen seiner Tradition gerecht zu werden.
    Denn richtig ist: Zitatauszug: Erdoğan hat aber auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er großen Wert auf den Erhalt und Pflege der türkischen Kultur, der Religion und der Sprache legt. Doch wer möchte ihm das verübeln und mit welcher Begründung? Ein Blick über den Tellerrand hinaus zeigt, dass nahezu alle Staaten ein Interesse daran haben, die Bindung ihrer im Ausland lebenden Landsleute zur Heimat aufrechtzuerhalten. Selbst Deutschland fährt diese Politik in Bezug auf deutsche Minderheiten im Ausland und fördert das nicht nur ideell, sondern auch mit reichlich Geld. Zitatende.
    Die Zeit wird es zeigen…!!!…

  4. Global Player sagt:

    „Vergleichbar mit Deutschland in den 60ger/70ger Jahren“

    Moment, warte mal, bis die Blase platzt. Die Türkei hat einen BIP pro Kopf wie Libyen oder Malaysia. Das darf man nicht vergessen!

  5. deutscher staatsbuerger sagt:

    Also ich muss auch zugeben, dass ich ganz schön irritiert war. Gut, dass ich auch türkisch kann. Erdogan ist mir eigentlich nicht wichtig. Wichtiger für mich ist die Merkel, die immer wieder betont, dass sie auch meine Bundeskanzlerin sei aber trotzdem mich mit ihrer Einbürgerungspraxis ablehnt, ausgrenzt, diskriminiert und terrorisiert. Hier geboren und aufgewachsen hat ihre tolle Einbürgerungsbehörde null interessiert. Komisch, wie gewisse Medien auf dem Rücken einiger Mitmenschen trampeln. Das Bild des bösen Türken wird direkt, oder wie im Fall Erdogan, indirekt injiziert. Um Objektivität und Wahrheit zu finden sollte man schon die Sprache verstehen. Nur schade, dass so wenig türkisch können. Ein Nährboden für gewisse Hassprediger. Seit dem Mittelalter herrscht das Bild des bösen Türken.

  6. Ahmetzade sagt:

    @vulkansturm

    Erdoğan ein Antidemokrat und autoritär? Wer sowas behauptet, der hat zwar viel Meinung, aber keine Ahnung. Die (Lügen-)Propaganda der hiesigen Medien und der von Kryptokommunisten dominierten […] scheint langsam Früchte zu tragen und Sie sind die beste Bestätigung dafür. Natürlich ist es einfach, Menschen, die keine Rede von Erdoğan im O-Ton verfolgt haben, in die Irre zu führen. Seit über 10 Jahren höre ich von der deutschen Medienberichterstattung über Erdoğan fast nur Negatives. Da sollte es keinen Wundern, dass ich als Deutschtürke für eine solche Berichterstattung nur noch Verachtung übrig habe. Man sollte Medien, die eine solche Berichterstattung abgeben, boykottieren.

  7. Ahmetzade sagt:

    „Die (Lügen-)Propaganda der hiesigen Medien und der von Kryptokommunisten dominierten […] scheint langsam Früchte zu tragen und Sie sind die beste Bestätigung dafür.“

    Die Zensur in diesem Satz zeigt mir eher die große Angst vor der genannten Gruppe als die Sorge vor Zwietracht und Streit. Ich frage mich allerdings, wie lange sich die türkische Community die ungeheuerlichen Unterstellungen von Seiten jener Gruppe noch gefallen lassen und sich in Schweigen hüllen wird.