Sehr geehrter Herr de Maizière!
Doppelte Staatsbürgerschaft oder wir werden laut
Die Große Koalition hat sich nach harten Verhandlungen für die Abschaffung der Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsgesetz geeinigt, jetzt soll dies nur eingeschränkt für Jugendliche gelten, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Der 18-jährige M.K. Tayyib Demiroglu protestiert in einem offenen Brief an Bundesinnenminister de Maizière.
Von K G Mittwoch, 19.02.2014, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 20.02.2014, 23:11 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Sehr geehrter Herr de Maizière,
bei allem Respekt: Jetzt reicht es mir! Die Meldungen, die ich jüngst aufmerksam in der Tagespresse verfolgte, rufen in mir – wieder einmal – große Bestürzung aus.
Freute ich mich nach den Koalitionsverhandlungen zunächst, dass es den Volksvertretern, die ich leider nicht wählen darf, gelungen ist, zumindest uns, in der dritten Generation, endlich die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, muss ich jetzt erneut Rückschläge hinnehmen.
Mein Name ist M.K. Tayyib Demiroglu, ich wurde 1995 in Salzgitter geboren und von meiner Mutter mit preußischen Tugenden erzogen. Ich habe eine Aufenthaltsdauer in meiner Heimat Deutschland von 18 Jahren, was meinem Alter von 18 Jahren entspricht. Mein Abitur habe ich mit einem Durchschnitt von 1,6 bestanden und das nicht obwohl, sondern gerade wegen meines deutsch-türkischen Hintergrunds, denn dieser stellt für mich eine enorme Bereicherung dar. Heute studiere ich BWL an der WHU – Otto Beisheim School of Management und engagiere mich nebenher seit Jahren ehrenamtlich in zahlreichen Projekten. Was ich als Wertschätzung aus der Politik erfahre, ist dagegen, dass sich darum gestritten wird, wie wir rechtssicher „aufgewachsen“ definieren wollen. Ein schlechter Scherz.
Aber auch das wundert mich nicht, denn schließlich werden immer neue Gründe gefunden, uns die doppelte Staatsangehörigkeit vorzuenthalten. Debatten werden fern ab von meiner Lebenswirklichkeit und der anderer Deutsch-Türken geführt. Die Lösung des Problems immer wieder auf die Zukunft verschoben. Was müssen wir denn noch alles tun, um endlich alle Rechten und Pflichten ohne Einschränkung zugestanden zu bekommen? Ja, ich spreche auch von Pflichten. Gerne würde ich wählen dürfen, wer im Stadtrat, im Landtag und im Bundestag die meine Meinung vertritt, doch ich bin nach wie vor nur auf der Zuschauertribüne erwünscht, auch wenn ich das Spiel jeden Tag aufmerksam verfolge. Wir haben lange genug nur zugeschaut.
Falls Sie, Herr de Maizière mein Schulabschlusszeugnis für meine Einbürgerung sehen möchten, kann ich Ihnen gerne eine Kopie zuschicken, im Gegenzug erwarte ich aber, dass Sie mir genau erklären, welchen Sinn und Zweck das Ganze haben soll, denn dieser erschließt sich mir bisher nicht. Ich habe mitbekommen, dass es wohl darum geht, dass wir Deutsch-Türken einen „Bezug zu Deutschland“ nachweisen sollen. Allein diese Forderung empfinde ich als Anmaßung. Es unterstellt mir doch, dass ich gar keinen Bezug zu Deutschland habe.
Wir mussten ja bereits hinnehmen, dass unseren Familienangehörigen der ersten beiden Generationen die doppelte Staatsangehörigkeit verwehrt bleiben wird. Allein diese Entscheidung verkennt die Lebensleistung, die hier Hunderttausende im Sinne der deutschen Gesellschaft erbracht haben. Aber jetzt werden auch von uns, in der dritten Generation, weitere Zugeständnisse verlangt. Mal wieder.
Jetzt liegt Ihnen sicherlich auf der Zunge, dass ich ja die türkische Staatsbürgerschaft ablegen könnte. Doch dieses kommt für mich auf keinen Fall in Frage. Meine türkische Staatsbürgerschaft gehört ebenso zu mir wie meine nicht vorhandene deutsche. Sie ist Teil meiner deutsch-türkischen Identität. Außerdem sehe ich darin eine große Ungerechtigkeit. Vielen anderen Staatsbürgern wird durchaus die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht, und es werden keine Gewissenskonflikte herbeigeschworen. Diese entstehen aber gerade durch die Optionspflicht und immer mehr Freunde und Bekannte denken seit Monaten darüber nach, wie Sie sich entscheiden sollen. Für jeden Einzelnen ist das ein wirklicher Gewissenskonflikt.
Ich fordere von Ihnen, Herr de Maizière, ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, dass den hybriden Identitäten unserer globalisierten Welt gerecht wird. Wir brauchen es dringender als je zuvor. Die deutsche Willkommenskultur fängt für mich damit an. Auch wenn ich es schon komisch finde, in seiner Heimat willkommen geheißen werden zu müssen.
Als Stipendiat des Programms „Geh Deinen Weg“ der Deutschlandstiftung Integration habe ich durchaus auch Positives erlebt. Auf dem Neujahrsempfang der Stiftung bot sich mir die Gelegenheit, meine Anliegen an Staatsministerin Aydan Özuğuz, unsere neue Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, hervorzubringen. Ich hatte erstmals das Gefühl, dass ein Mitglied der Bundesregierung meine Anliegen ernst nimmt. Sie hörte nicht nur aufmerksam zu und nahm sich Zeit, Sie machte mir und vielen Anderen Mut, dass Vertrauen in unsere Politik nicht zu verlieren. Hierfür bin ich der Staatsministerin dankbar.
Doch es muss einfach weitergehen. Ich bin keine Ausnahme, wie es einem häufig unterstellt wird. Es gibt immer mehr von uns – gut ausgebildeten, fleißigen und aufstrebenden jungen Deutsch-Türken. Wir erwarten von Ihnen jetzt eine Lösung. Keine Zwischenlösung, keine weiteren jahrelangen Debatten. Wir sind nicht mehr bereit, weiter mit vorläufigen Lösungen hingehalten zu werden. Auf Worte müssen jetzt Taten folgen! Wir werden die Bundesregierung und Sie, Herr de Maizière, daran messen, ob wir noch vor Ablauf Ihrer Legislaturperiode zwei Pässe in den Händen halten dürfen.
Es sei Ihnen versichert: Falls unser Anliegen nicht Gehör finden oder aber verschoben werden sollte, werden wir laut! Wir haben lange genug nur zugeschaut. Wir haben lange genug gewartet. Jetzt fordern wir unsere Rechte ein!
Ich erwarte Ihren Gesetzesentwurf und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
M.K. Tayyib Demiroglu Aktuell Meinung
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Die einzig akzeptable Lösung wäre: Entweder doppelte Staatsbürgerschaft für ALLE, oder doppelte Staatsbürgerschaft für NIEMAND. So einfach ist das. Alles was dazwischen ist, ist abzulehnen. Die deutsche Regierung macht sich die Debatte unnötig schwer, und das nur weil es Politiker gibt, die Vorurteile haben. Unglaublich…
@ Mika
Zur Frage ob das „Gerecht“ ist:
Ja, das ist gerecht, da die EU die jeweiligen Rechtsnormen aneinander angepasst hat. Das hat überhaupt nichts mit besseren und schlechteren Menschen zu tun sondern einzig und allein damit, dass die EU als Institution Regeln für sämtliche Mitgliedsstaaten macht.
Es ist also gerecht, dass ein Spanier der seit einem halben Jahr sich hier in Deuschland aufhält mehr Rechte hat als ein Türke der über 30 Jahre lang in Deutschland lebt. Und dieses Gerechtigkeitsverständnis sollen wir akzeptieren und für sinnvoll halten. Da lachen ja die Hühner darüber, so etwas ist keinem mit gesundem Menschenverstand vermittelbar.
@schwach: Ihr Beispiel hinkt! Kein Spanier erhält nach einem halben Jahr die deutsche Staatsangehörigkeit. Es gelten die gleichen Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wie beim Türken, bis auf die Aufgabe der Staatsangehörigkeit.
Mag sein, dass das Hühner drüber lachen, aber das ist das Recht der Europäischen Union.
Eu-Bürger haben nun einmal gewissen Rechte, die andere Drittstaatsangehörige nicht haben. Das ist in der Türkei ähnlich. Der Österreicher hat dort auch mehr bzw. andere Rechte als der Armenier oder Jordanier.
Zwischen Spanien und Deutschland besteht das Staatenbündnis der EU. Dieses Bündnis hängt von bestimmten geografischen, rechtsstaatlichen und ökonomischen Voraussetzungen ab. Nicht nur Einzelpersonen, auch Staaten steht es frei, mit unterschiedlichen Partnern unterschiedliche Verträge einzugehen.
Andernfalls ist es auch nicht gerecht, wenn ein im Ausland geborener Mensch, der die ursprüngliche Staatsbürgerschaft seiner Eltern erhalten hat, automatisch mehr staatsbürgerliche Rechte erhält, wenn er später in das Herkunftsland seiner Eltern geht, als die dortigen Ausländer.
So läuft das also, Herr Demiroglu? Sie erwarten etwas und der deutsche Innenminister schlägt die Hacken zusammen? Was für eine Arroganz und Borniertheit quillt aus diesem Beitrag.
Alle Dinge, die Sie hier beklagen, wären mit dem deutschen Pass zu bekommen. Doch den wollen Sie nicht – dann sollte es auch besser bei den Einschränkungen Ihre Person betreffend bleiben.
Viele Menschen – auch einige Kommentatoren hier – können nicht nachvollziehen, dass Migranten beide Staatsbürgerschaften haben wollen, da ihr Herz für beide Nationen schlägt! Sie führen stets eine Entweder-Oder-Debatte und führen irgendwelche EU-Abkommen auf. Hier muss ich echt schmunzeln: die derzeitige doppelte Staatsbürgerschaft umfasst aber nicht nur das EU-Gebiet – sprich: auch Menschen aus Drittstaaten sind berechtigt, die doppelte Staatsbürgerschaft zu erwerben. Und das ist es, was ich anprangere…dass manche Bürger gleicher sind als andere! Aber eine objektive Sichtweise wäre hier zuviel verlangt.
Nein, eine objektive Sichtweise ist nicht zuviel verlangt. Aber Interesse an juristischen Gutachten hat auch niemand.
Sie haben vollkommen recht, es gibt neben EU-Bürgern auch andere Drittstaater, die die doppelte Staatsangehörigkeit besitzen.
Nun kann man
1. denken, die bösen Deutschen behandeln ja doch nicht alle gleich oder aber
2. Überlegen ob es gerechtfertigte Gründe dafür gibt.
Zu Punkt 1 brauche ich mich nicht äußern, da hat jeder seine eigene Meinung zu.
Aber Punkt zwei ist durchaus beachtlich. Denn die doppelte Staatsbürgerschaft erhalten Menschen, denen die Abgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder zumutbar ist. Achtung, möglich und nicht zumutbar hat der Gesetzgeber definiert.
Nicht möglich: Z.B. Es gibt Staaten auf der Welt, bei denen man die Staatsangehörigkeit gar nicht ablegen kann. Würde man hier auf Abgabe pochen, könnten diese Menschen NIE eingebürgert werden.
Unzumutbar: Z.B. Hier stellt man zum Beispiel auf anerkannte Asylbewerber, sprich: Asylberechtigte ab. Da hat das Bundesamt festgestellt, dass sie der Heimatstaat verfolgt und daher wurden Sie anerkannt. Folgerichtigt müssen diese Menschen auch keinen Kontakt mehr zu den Heimatbehörden suchen, brauchen also nicht den Reisepass Ihres Staates beantragen und, wie hier entscheidend, müssen sich auch nicht um die Abgabe Ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit bemühen
Bei der Diskussion werden da immer wieder die Begrifflichkeiten durcheinander gebracht. Ungleichbehandlung liegt hier allein im juristischen Sinne nicht vor. Diskutiert wird hier aber nicht juristisch, sondern aufgrund der persönlichen Meinung.
Daher ist es auch schwierig eine einzige objektive Berichterstattung / Meinung hier zu publizieren.
Ich finde es super das er diesen Schritt gewagt hat. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen dass so manches Gesetz einfach nur dreist und Schwachsinnist Er hats da noch gut denn wenn er wil kann er deutscher werden. Ich hingegen darf noch nicht eingebürgert werden und warum??? Weil ich mich laut dem deutschen gesetzt keine 8 Jahren in Deutschland “ rechtmäßig “ gelebt habe was völliger Schwachsinn ist. Kein einzigen in der Regierung interessiert es wie wir Jugend lichen bei so einer Entscheidung fühle n. Auch stellt vieles einen klaren Widerspruch dar. Denn auf der einen seite will man dass sich die “ Ausländer“ hier integrieren und auf der anderen nsSeite lehnt man uns ab. Soll mal einer von denen den sinn erklären weil ich persönlich komm da nicht hinter. :@
@schwach: Ihr Beispiel hinkt! Kein Spanier erhält nach einem halben Jahr die deutsche Staatsangehörigkeit.
Sie haben nicht genau gelesen. Ich habe nicht behauptet, ein Spanier erhält nach einem halben Jahr die deutsche Staatsangehörigkeit