Oberlandesgericht Celle
1.850 Euro Schadensersatz für Bewerberin mit Kopftuch
Die Ablehnung einer Bewerberin aufgrund ihres Kopftuchs kostet eine Arbeitsvermittlerin 1.850 Euro Schadensersatz. Das Oberlandesgericht Celle begründete die Entscheidung mit dem Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta.
Donnerstag, 13.03.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.03.2014, 10:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Züleyha K. bewarb sich im Juni 2011 bei einer privaten Arbeitsvermittlerin in Lüneburg als Bürokauffrau. Nach Einreichen der Bewerbungsunterlagen fand ein Telefonat statt, in dem zunächst die Qualifikationen der Bewerberin gewürdigt wurden. Als der Blick jedoch auf das Bewerbungsfoto fiel, auf dem die Bewerberin mit Kopftuch abgebildet war, gab die Personalvermittlerin unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie aufgrund des für sie untragbaren religiösen Symbols nicht bereit sei, die Bewerbung an den potenziellen Arbeitgeber weiterzugeben.
„So kommen wir nicht zusammen.“, beendete die Personalvermittlerin das Telefonat lapidar und Frau K. erhielt nur wenige Minuten später ihre Unterlagen mit der Aussage zurück, es lägen keine geeigneten Arbeitsangebote für sie vor.
Ein Schock
„Das war ein Schock für mich. Ich bin hier aufgewachsen und gut qualifiziert, habe gearbeitet und bin Teil dieser Gesellschaft. Und plötzlich so etwas. Ich musste etwas tun und suchte nach Beratung und Unterstützung“, kommentiert Züleya K. ihre Erfahrung.
Vertreten durch den Anwalt Sebastian Busch und unterstützt durch die Hamburger Antidiskriminierungsberatung von basis & woge e.V. sowie mit finanzieller Absicherung durch die Stiftung „Leben ohne Rassismus“ legte sie Klage ein.
OLG glaubt der Klägerin
Das Landgericht Lüneburg wies die Klage ab, da es meinte, Frau K. habe die Aussagen in dem Telefongespräch nicht beweisen können. Die Klägerin legte Berufung ein, das Oberlandesgericht Celle (OLG) verurteilt die Personalvermittlerin nun zur Zahlung einer Entschädigung von 1.850 Euro. Das Urteil vom 13. Februar 2014 ist mittlerweile rechtskräftig.
Das Oberlandesgericht schenkte den Angaben der Klägerin Glauben und berücksichtigte hierbei auch ausdrücklich, dass die Personalvermittlerin auf ihrer Homepage tatsächlich damit geworben hatte, Arbeitgeber könnten durch ihre Einschaltung die Diskriminierungsverbote umgehen und hierbei anonym bleiben.
Es geht um Gerechtigkeit
Das entschädigt nicht für die verlorene Stelle und nicht für die Auseinandersetzung der letzten drei Jahre. Aber Frau K. ist froh über die Entscheidung: „Es geht mir um Gerechtigkeit. Ich wollte am Ende nur noch, dass jemand sagt, dass so etwas nicht passieren darf!“
Birte Weiß von basis & woge macht darauf aufmerksam, dass sich viele Menschen mit ähnlichen Erfahrungen in der Antidiskriminierungsberatung melden mit ähnlichen Erfahrungen. „Aber die wenigsten haben ausreichend Zeit, Kraft und Möglichkeiten, die erfahrene Benachteiligung auch zu belegen. Frau K. hat einen langen Weg durchgehalten und am Ende zeigen können, dass eine Diskriminierung auch ohne Zeugen vor Gericht beweisbar sein kann. Dies sollte auch ein Signal an Arbeitgeber und Personalverantwortliche sein, ihre Einstellungspraxis zu überprüfen“, so Weiß.
Begründung: Grundgesetz und nicht AGG
Der Anwalt Sebastian Busch ergänzt: „Erfreulich ist, dass das Oberlandesgericht ohne Diskussionen feststellt, dass die Verweigerung der Einstellung wegen des Kopftuches ein offenkundiger Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht ist und zu sanktionieren ist“. Das Oberlandesgericht legte dem nicht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zugrunde, sondern die Diskriminierungsverbote des Grundgesetzes und der EU-Grundrechtecharta in Verbindung mit dem Persönlichkeitsrecht der Bewerberin.
„In Zeiten, in denen man mit rassistischer Hetze gegen ‚Kopftuchmädchen‘ auf die Bestsellerlisten kommt, erscheint dies nicht selbstverständlich“, ergänzt Busch und stellt fest: „In den meisten englischsprachigen Ländern ist es verpönt, einer Bewerbung ein Foto beizufügen – der Fall illustriert, dass diese Praxis auch in der Bundesrepublik beendet werden sollte.“
Staat ist kein gutes Vorbild
Ein Wunschdenken. Obwohl die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie mehrere Bundesländer Pilotprojekte für anonyme Bewerbungen erfolgreich durchgeführt und abgeschlossen haben, wurde das Verfahren selbst von staatlichen Stellen kaum übernommen. Dabei könnten gerade Behörden und Ministerien mit gutem Beispiel vorangehen und Arbeitgebern und –vermittlern ein Vorbild sein.
Davon ist man aber weit entfernt. Gesetzliche Kopftuchverbote, wie sie beispielsweise in einigen Bundesländern für Lehrerinnen gelten, werden von Arbeitgebern immer häufiger als Begründung vorgebracht, Frauen mit Kopftüchern ebenfalls abzulehnen. Ein Unrechtsbewusstsein entsteht so nicht. Jedenfalls hat sich die Personalvermittlerin bei Züleyha K. bis heute nicht entschuldigt. Nur der Hinweis auf der Homepage, Arbeitgeber könnten anonym bleiben und so das Diskriminierungsverbot umgehen, wurde entfernt. Ob das aus Einsicht geschah, darf bezweifelt werden. (bk) Leitartikel Recht
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@ „Das Kopftuch ist nicht nur ein persönliches religiöses Ausdrucksmittel sondern es steht auch eine Ideologie dahinter. Immer nur mit der Rassismus-Keule zu kommen, ist beim Kopftuch zu kurz gegriffen. “
natürlich und sie haben die absolute deutungshoheit was religion in deutschland ist und was ideologie ???
„Die – mittlerweile halbstaatliche -Turkish Airlines hat jahrzehntelang keine Flugbegleiterinnen mit Kopftuch eingestellt, da man im Sinnes des Staatgründers Mustafa Kemal Atatürk die strikte Trennung von Religion und Staat pflegte. Aufgrund des Einflusses der religiös-konservativen Regierungspartei AKP werden jetzt Kopftücher akzeptiert, dafür wird roter Lippenstift und Nagellack untersagt “
was wollen sie damit sagen ? wieder ein scheinargument das vom eigentlichen kern des themas ablenkt ? In dem Fall ging es darum das eine Frau apriori abgelehnt wurde auf grund ihres Kopfuches ,nicht aufgrund ihrer Leistung oder ihrer Fähigkeit die dargelegte Arbeit zuerbringen !!! nicht in einer „halbstaatlichen airline “ sondern von einer privaten arbeitsvermittlerin .
Sie führen selber an das frauen in der türkei wegen ihres kopfuches diskriminiert wurden , und nehmen das als beweis für die richtigkeit der diskriminierung in deutschland ? desweiteren führen sie an das jetzt ,in rahmen einer Reform ,roter nagellack und lippenstift nicht gestattet sind .
Gut , dann müssen alle betriebe uniformen einführen um das gesetz der neutralität zuwahren und religion muss per dekret aus dem öffentlichen leben verbannt werden . aber da sie ja für sich beanspruchen was religion und was ideologie ist , kann man das ja vergessen . denn das problem betrifft nur eine kleine gruppe .
wieder zeigt sich der rassimus und die anmassende haltung ,zu glauben was richtig und falsch ist , in form vom substanzlosen scheinargumenten .
es geht nicht um kopftücher ,es geht nicht um religionen oder ideologieen sondern darum die moraliche deutungsgewalt über menschen zuhaben und zu bestimmen was freiheit des einzelnen ist .
erinnert mich irgendwie an Faschismus .
Das Urteil und der zugesprochene Schadenersatzanspruch von 1.850 Euro wäre nur dann gut und richtig, wenn die Arbeitsagentur andere religiöse und weltanschauliche Kleidungsstücke oder Symbole (Kreuzketten, Kippas) akzeptiert, das Kopftuch aber nicht. Nur in diesem Fall läge tatsächlich eine Diskriminierung, d.h. Schlechterstellung vor. Ist in der Arbeitsagentur das auffälliger Sichtbarmachen religiöser und weltanschaulicher Gesinnung generell unerwünscht (was ich gut verstehen würde), dann wäre auch die Abweisung einer Kopftuchträgerin legitim.
@Cizek Naz
Die Streitfrage, wie viel an Religion außerhalb des rein privaten Bereichs zulässig bzw. zumutbar sein soll, betrifft keineswegs nur die Türkei sondern eigentlich alle Länder der Erde, ganz unabhängig von den religiösen Mehrheitsverhältnissen. Dieses Themenfeld hat mit Rassismus überhaupt nichts zu tun. So mussten bekanntlich Pussy Riot in ein russisches Straflager, weil sie lautstark gegen den steigenden Einfluss der orthodoxen Kirche protestierten. Beim solchen Kopftuchprozessen wie jenem von Züleyha K., geht es nicht daher nicht um den Kampf gegen Rassismus sondern um die Durchsetzung von religiösen und politischen Interessen.
„Das Urteil und der zugesprochene Schadenersatzanspruch von 1.850 Euro wäre nur dann gut und richtig, wenn die Arbeitsagentur andere religiöse und weltanschauliche Kleidungsstücke oder Symbole (Kreuzketten, Kippas) akzeptiert, das Kopftuch aber nicht. Nur in diesem Fall läge tatsächlich eine Diskriminierung, d.h. Schlechterstellung vor. Ist in der Arbeitsagentur das auffälliger Sichtbarmachen religiöser und weltanschaulicher Gesinnung generell unerwünscht (was ich gut verstehen würde), dann wäre auch die Abweisung einer Kopftuchträgerin legitim.“
frage , warum soll also jemand praktizierend religiöses schlechter gestellt sein als jemand nicht praktzierendes , und warum soll das an etwas optisch sichtbaren festgemacht werden ?
und wieder die frage , in welchen zusammenhang steht das mit der erbrachten leistung oder arbeit ?
es scheint eher so man muss sich einen vorwand zurechtbiegen um sich dran aufzuhängen
„eht es nicht daher nicht um den Kampf gegen Rassismus sondern um die Durchsetzung von religiösen und politischen Interessen.“
was sollen das für politische interessen sein ,wenn eine frau die einen beruf ergreifte , also auf eigenen beinen steht und stehn will,am erwerbsleben teilhaben will, aber ihrer religiösen überzeugung nach ihr haupt bedeckt ?
und was sollen das für religiöse interessen sein ? können sie das bitte erläutern ?