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Diskriminierung am Ausbildungsmarkt

Türken haben deutlich schlechtere Chancen auf ein Vorstellungsgespräch

Junge Menschen mit Migrationshintergrund werden bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen diskriminiert. Eine aktuelle Studie belegt: Türkische Bewerber haben bei einer Bewerbung auf einen Ausbildungsplatz deutlich schlechtere Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.

Donnerstag, 27.03.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz haben Jugendliche mit Migrationshintergrund auch bei gleicher Qualifikation schlechtere Chancen. Sie müssen deutlich mehr Bewerbungen schreiben, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, als Mitbewerber ohne Migrationshintergrund. Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des SVR-Forschungsbereichs belegt mithilfe eines Korrespondenztests erstmals, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausbildung im dualen System in Deutschland noch nicht gewährleistet ist.

Für die Studie wurden jeweils zwei Bewerbungen von gleich gut qualifizierten männlichen Bewerbern mit einem türkischen und einem deutschen Namen für die Ausbildungsberufe Kfz-Mechatroniker und Bürokaufmann bundesweit an rund 1.800 Unternehmen verschickt. Die Auswertung der Rückläufe auf die fiktiven Bewerbungen zeigte: Um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten, muss ein Kandidat mit einem deutschen Namen durchschnittlich fünf Bewerbungen schreiben, ein Bewerber mit einem türkischen Namen hingegen sieben.

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1,5-mal so viele Bewerbungen nötig
Im Ausbildungsberuf Kfz-Mechatroniker ist die Benachteiligung stärker ausgeprägt: Hier muss ein Bewerber mit einem türkischen Namen etwa 1,5-mal so viele Bewerbungen schreiben wie ein Kandidat mit einem deutschen Namen. Bei einer Bewerbung um einen Ausbildungsplatz als Bürokaufmann sind es 1,3-mal so viele. „Diskriminierung tritt also nicht in allen Branchen gleichermaßen auf“, erläuterte Dr. Jan Schneider, Leiter des SVR-Forschungsbereichs und Autor der Studie. „Einen wichtigen Einfluss auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung hat außerdem die Unternehmensgröße: Die Diskriminierungsrate ist bei kleinen Firmen mit weniger als sechs Mitarbeitern deutlich höher als bei mittleren und großen Unternehmen.“

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Die Auswirkungen der Ungleichbehandlung können gravierend sein. „Wo diskriminiert wird, entgehen den Ausbildungsbetrieben geeignete Bewerber. Mittelfristig kann dies die Sicherung der Fachkräftebasis gefährden“, sagte Schneider. Problematisch und integrationspolitisch folgenschwer seien aber auch die Konsequenzen für den Einzelnen. „Wenn junge Menschen mit Migrationshintergrund die Erfahrung machen, dass sie auf ihre Bewerbungen immer wieder Absagen erhalten, kann das zu Resignation und Rückzugstendenzen führen“, sagte Schneider.

Diskriminierungsgründe vielfältig
Die Gründe für die Benachteiligung von Bewerbern mit einem ausländisch klingenden Namen sind vielfältig. Eine Rolle spielen hierbei häufig unbewusste Assoziationen, stereotype Zuschreibungen oder Erwartungen, die auf bestimmten Vorbehalten basieren. Dazu zählt beispielsweise die Annahme, dass ein Auszubildender mit Migrationshintergrund von Kunden weniger akzeptiert werden könnte.

Für kleine und mittlere Unternehmen sind zudem häufig Aspekte der ‚Risikominimierung‘ entscheidend: Wenn eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch der Ausbildung oder Schwierigkeiten bei der Integration ins Team vermutet werden, kann dies die Aussichten insbesondere von Bewerbern mit Migrationshintergrund verringern. „Erwartungshaltungen, Vorurteile und Projektionen erweisen sich in Verbindung mit betrieblichen Auswahllogiken als Nährboden für Diskriminierung“, sagte Schneider.

Lösung: anonyme Bewerbungen
Um Diskriminierung zu vermeiden und Chancengleichheit auf dem Ausbildungsmarkt herzustellen hat der SVR-Forschungsbereich eine Reihe von Handlungsempfehlungen entwickelt. Dabei wurden zentrale Erkenntnisse der Berufsbildungs- und Diskriminierungsforschung einbezogen ebenso wie bewährte Ansätze aus der Praxis. Die Empfehlungen richten sich vorrangig an Unternehmen und die berufsständischen Kammern, aber auch an Schulen, Zivilgesellschaft und Politik.

Download: Weitere Einzelheiten zur Studie enthält der Policy Brief, der hier heruntergeladen werden kann. Eine Zusammenfassung des Policy Briefs steht ebenfalls zum Download bereit.

Um Diskriminierung vorzubeugen sollten Firmenchefs, Personalverantwortliche und Ausbilder verstärkt sensibilisiert werden. Bislang ist die Vermittlung interkultureller Kompetenz nur selten fester Bestandteil der Lehrgänge für angehende Ausbilder. Ein entscheidender Beitrag zur Verringerung von Diskriminierung in Bewerbungsverfahren ist die Anonymisierung von Bewerbungen. Doch fehlen insbesondere kleinen Unternehmen oft die personellen und finanziellen Ressourcen, anonymisierte Bewerbungsverfahren durchzuführen. Um den flächendeckenden Einsatz anonymisierter Bewerbungen voranzubringen, sollte eine kostengünstige EDV-Lösung entwickelt werden. Das wäre vor allem für kleine Unternehmen eine entscheidende Erleichterung.

Versagte Teilhabechance
Darüber hinaus sollten Schulen und Unternehmen enger kooperieren, um Jugendlichen erste Kontakte zu Arbeitgebern zu ermöglichen. Denn nach wie vor beschäftigen über zwei Drittel der Ausbildungsbetriebe in Deutschland keine Auszubildenden mit Migrationshintergrund. Praxistage und Kurzpraktika sind für Jugendliche mit Migrationshintergrund eine Chance, ihr Können unter Beweis zu stellen und ‚einen Fuß in die Tür‘ zu bekommen.

„Jede Diskriminierungserfahrung ist eine versagte Teilhabechance. Das ist integrationspolitisch kontraproduktiv“, sagte Schneider. Doch die Unternehmen sollten Diskriminierung auch im wirtschaftlichen Eigeninteresse vermeiden. Denn bei der Sicherung des betrieblichen Nachwuchses sind die Betriebe in Zeiten des Fachkräftemangels mehr denn je darauf angewiesen, das gesamte Potenzial der Bewerber auszuschöpfen.“ (bk) Gesellschaft Leitartikel Studien

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