Flüchtlingscamp Oranienplatz
Konflikt noch lange nicht gelöst
Trotz großer Ankündigungen von Seiten der Politik ist ein Ende des Konflikts um das Flüchtlingscamp am Oranienplatz nicht in Sicht. Das Einigungspapier Oranienplatz hält nicht, was es verspricht.
Von Gabriele Voßkühler Montag, 31.03.2014, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 02.04.2014, 8:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Welt schien plötzlich wieder in Ordnung zu sein, als der regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), sein Innensenator Frank Henkel (CDU), die Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) und die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grünen), im Pressesaal des Roten Rathauses vor knapp zwei Wochen (18.03) ihren Ausweg aus dem Konflikt um die Oranienplatz-Besetzung vorstellten: das Einigungspapier Oranienplatz.
Der Kern dieses Papiers lässt sich schnell zusammenfassen: Der Senat verspricht den Flüchtlingen Einzelfallprüfung und andere Unterkünfte. Im Gegenzug sollen die Flüchtlinge den Abbau der Zelte organisieren. Eine Frist, bis zu der die Flüchtlinge den Platz und die Gerhart-Hauptmann-Schule zu räumen haben, gebe es keine, lässt die Politikerrunde an diesem Dienstagmittag verlautbaren.
„Der Ball liegt jetzt auf dem Oranienplatz, die Einigung umzusetzen“, sagt Frank Henkel, der Innensenator. Am selben Abend erklärt Integrationssenatorin Dilek Kolat gegenüber dem rbb, dass „80 Prozent“ der Flüchtlinge hinter dem Einigungspapier stehen würden. Auf dem Oranienplatz ist jedoch nicht viel von Einigung zu bemerken. Ganz im Gegenteil. Auch am Dienstag, dem Tag der Pressekonferenz, hämmern und nageln die Flüchtlinge an ihren Holzhütten.
Eine Einigung, die keine ist
Wirft man einen genaueren Blick auf die „Einigung“, überrascht das kaum: Denn das Einigungspapier richtet sich, so der Flüchtlingsrat Berlin, „lediglich an eine Minderheit der Oranienplatz-Flüchtlinge, nämlich ausschließlich an die Gruppe der Lampedusa-Flüchtlinge, die in Deutschland noch nicht registriert sind“. Bei allen anderen Flüchtlingsgruppen verweist die Senatsverwaltung auf die Zuständigkeit anderer Bundesländer, auch eine wohlwollende Prüfung der Umverteilung nach Berlin ist nicht vorgesehen. Die Sprecherin des Flüchtlingsrates Martina Mauer spricht in diesem Zusammenhang von einer „Scheinlösung“, man wolle medial und in der Öffentlichkeit eine polizeiliche Räumung vorbereiten.
Mit dem Einigungspapier Oranienplatz schiebt der Berliner Senat die Verantwortung erfolgreich auf die Flüchtlinge ab. Im Wortlaut heißt es hier nämlich: „Die Flüchtlinge organisieren selbstständig den Abbau aller Zelte bzw. Unterkünfte bis auf das Info-Zelt und wirken darauf hin, diesen Zustand dauerhaft zu erhalten.“ Was soll das heißen? Wer eine Duldung bekommen will, muss die Zelte der anderen abbauen. Frau Dr. Ulrike Kostka vom Caritasverband Berlin versteht dies als einen Angriff auf die Solidarität unter den Flüchtlingen: „Viele der Flüchtlinge haben keine Familienangehörigen mehr. Sie sind selbst eine Familie. Sie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
Angespannte Unterbringungssituation
Laut Silvia Kostner, Sprecherin des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, hingegen mangelt es in Berlin an Unterkünften für die Flüchtlinge. „Wir haben keine Plätze. Schon jetzt ist die Unterbringungssituation für Asylbewerber sehr angespannt“, sagt sie der Berliner Zeitung. Derzeit würden mehrere Gebäude geprüft, die eigentlich für die regulären Asylbewerber gedacht seien. Die freiwillige Räumung des Oranienplatzes bleibt also noch Wunschdenken – nicht nur weil für viele der Flüchtlinge das Einigungspapier überhaupt keine Lösung darstellt, sondern auch weil die Stadt Berlin schlichtweg keine Unterkünfte für sie hat.
Es brodelt im rechten und linken Lager
Derweil brodelt es im rechten und im linken Lager: Die NPD hat für den 26. April eine Demonstration in Kreuzberg angemeldet. Die Route liege noch nicht fest, sagt ein Polizeisprecherin, sie solle aber zum Oranienplatz führen. Auf der anderen Seite rissen Unbekannte das Türschild am Bürgerbüro des CDU-Abgeordneten Kurt Wanser im Stadtteil Friedrichshain ab. Mitte Januar hatte er vor einer angeblichen „Seuchengefahr“ beim Flüchtlingscamp am Oranienplatz gewarnt.
Kurz: Der Konflikt um das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz ist noch lange nicht gelöst. Wie denn auch? Der Oranienplatz ist nämlich nicht nur ein Berliner, sondern vor allem auch ein europäisches Problem. Aktuell Politik
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