Maischberger
Mafia und Islam – einfache Weltbilder
Anscheinend musste die ARD den niedrigen Einschaltquoten der vergangenen Zeit entgegenwirken. Und wie macht man das am besten? Einfach Mal eine Talkshow mit einem Titel wie „Feindbild Islam“ auf die Zuschauer loslassen - von Emran Feroz
Von Emran Feroz Mittwoch, 09.04.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 11.04.2014, 1:06 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Seit einigen Wochen ist Hamed Abdel-Samad, Deutsch-Ägypter und „Islamkritiker“ – ja, mittlerweile ist das tatsächlich so etwas wie ein Beruf geworden -, wieder im Fokus der deutschen Mainstream-Medien. Der Grund hierfür ist sein Buch mit dem Titel „Der islamische Faschismus – eine Analyse“, welches seit dem 1. April im Handel ist und allem Anschein nach nicht als Aprilscherz gedacht ist. Die Medien haben in den letzten Tagen uns bewiesen, dass heutzutage ein solcher Buchtitel genügt, um auf irgendeine Art und Weise ernst genommen zu werden. Aus diesem Grund bekam der Publizist mehrmals die Chance, auf verschiedensten Veranstaltungen und Diskussionsrunden für sein Buch zu werben.
Anscheinend nahm die ARD diese Gelegenheit wahr, um den niedrigen Einschaltquoten der vergangenen Zeit entgegenzuwirken. So etwas funktioniert ganz einfach, indem man zum x-ten Mal eine Talkshow mit einem Titel wie „Feindbild Islam“ auf die Reihe bringt. Dass in einem solchen Fall die stets zahlreichen BILD- und WELT-Leser en masse einschalten werden, ist nämlich vorprogrammiert. Die Ehre als Gastgeberin hatte dieses Mal Sandra Maischberger. Dass Talkshows hauptsächlich nur der Unterhaltung dienen und auf keine Weise weiterbilden, sollte mittlerweile außer Frage stehen. Vor allem beim Thema Islam haben Jauch, Will, Maischberger und wie sie alle heißen, stets bewiesen, wie inkompetent sie sein können. So war auch dieses Mal ein Scheitern vor der Kamera vorprogrammiert.
Dafür reichte allein Hamed Abdel-Samads Anwesenheit aus. Die „Todes-Fatwa“, die ein ägyptischer Fanatiker über ihn erließ, wurde seitens der Moderatorin schnell zum Einstiegsthema gemacht. Was eine Fatwa eigentlich ist, wurde nicht erläutert. Mittlerweile spielt das auch keine Rolle mehr. Die deutschen Leitmedien haben es sich nämlich zur Angewohnheit gemacht, islamische Begriffe wie „Fatwa“, ein Synonym für „Tötet ihn!“, „Dschihad“, ein anderes Wort für einen Trip nach Syrien oder „Scharia“, also irgendetwas mit Steinigungen, inflationär in Gebrauch zu nehmen.
Einfaches Weltbild
Dieses einfache Weltbild wurde seitens Abdel-Samad gefördert, indem er Sätze von sich gab: wie: “Nur wer über die Mafia oder über den Islam schreibt, lebt in Gefahr“. Wie ernst man nun eine solche Aussage nehmen soll, ist fragwürdig. Zur Erinnerung: Als der Deutsch-Ägypter im vergangenen November in Kairo entführt wurde, steckten weder Islamisten, noch die Mafia dahinter, sondern lediglich ein paar Herrschaften, denen er Geld geliehen hatte. Abgesehen davon ist seine Aussage eine Ohrfeige für alle jene Journalisten, Publizisten und Autoren, die eben nicht von Islamisten oder Mafiosi bedroht werden, sondern von anderen Kreisen, zum Beispiel von Ägyptens neuem Diktator Abd al-Fattah as-Sisi.
Denn seit das Militär in Ägypten die Macht wieder an sich gerissen hat, spielt es sich am Nil nicht mit Meinungsfreiheit. Vom „Frühling“ ist nicht viel übrig geblieben. Stattdessen herrscht tiefster Winter, eine Art Mubarak 2.0. Die Muslimbrüder, die morgen wahrscheinlich jede Wahl für sich entscheiden würden, wurden offiziell als „Terrororganisation“ erklärt und ihre Mitglieder für vogelfrei erklärt. Gerade erst verurteilte ein ägyptisches Gericht mehr als 500 Menschen zum Tod. Der Vorwurf: Die Angeklagten, die vor einigen Monaten gegen den Putsch, der von manchen immer noch nicht als solcher bezeichnet wird, demonstrierten, gehören angeblich der Muslimbrüderschaft an.
Über solche Dinge will Hamed Abdel-Samad jedoch kein Wort verlieren. Schon vor einigen Tagen machte er deutlich, dass die Muslimbrüder selbst an ihren Debakel schuld seien. Das Urteil des Gerichts findet Abdel-Samad nicht gut. Nicht etwa, weil es einer Aufforderung zu einem Massaker gleicht, sondern vielmehr aufgrund seiner Theorie, dass solche Urteile der Muslimbrüderschaft nützen und sie in eine Opferrolle drängen. Ja, auch so kann man Massenmord relativieren. Solange es nur Islamisten sind, interessiert es ja auch niemanden. Immerhin hielt sich auch die Kritik im Westen mehr als in Grenzen.
Alles Faschisten – irgendwie
Als Abdel-Samad begann, die Grundzüge des Islams mit dem Faschismus zu vergleichen und auf die Thesen seines Buches zu sprechen kam, wurde ein weiteres Mal deutlich, wie einfach man sich die Welt machen kann. Die Türkei, Ägypten, Saudi-Arabien – all diese Länder verbreiten irgendwie faschistisches Gedankengut. In seinem Buch geht Abdel-Samad übrigens nicht anders vor. Die AKP, die Muslimbrüder, die saudischen Wahhabiten, die Salafisten, die Mullahs im Iran und die Taliban in Afghanistan werden alle in einem Topf geworfen. Tatsachen wie jene, dass Saudi-Arabien das gegenwärtige Militärregime in Ägypten unterstützt und Salafisten die schiitischen Ayatollahs, die in Teheran und Qom sitzen, ablehnen, werden vom Autor beinhart ignoriert. Kein Wunder, was nicht ins Schwarz-Weiß-Bild passt, bleibt lieber unerwähnt.
Stattdessen ist es der Muslim, der die Welt in Gläubige und Ungläubige einteilt und deshalb leicht um Faschist werden kann. Wohlgemerkt, es gibt islamistische Gruppierungen, die tatsächlich so handeln und auf Andersgläubige tatsächlich Jagd machen. Derartige Extremisten finden sich allerdings nicht nur in allen abrahamitischen Religionen, sondern auch unter Hindus in Indien und Buddhisten in Burma. In beiden Fällen sind Muslime die Opfer.
Die anderen Gäste taten sich schwer, auf diese Tatsachen aufmerksam zu machen. Während Nahostkorrespondentin Antonia Rados und Religionspädagogin Lamya Kaddor versuchten, dagegen zu halten, wurden Abdel-Samads Thesen von Dauertalkshow-Gast und CDU-Islamexperte Wolfgang Bosbach unterstützt. Dieser machte wie so oft in der Vergangenheit auf die Gefahr des islamistischen Terrors aufmerksam, während NSU und diverse Terrorstatistiken (In Deutschland waren laut Global Terrorism Database von den 503 Terroranschlägen der Jahre 1992 bis 2012 genau 154 rechtsextremistisch. Nur drei wurden von Muslimen begangen) beiseite gedrängt wurden.
Dass der Leibziger Imam Hassan Dabbagh ein weiteres Mal eingeladen wurde, war sicher alles andere als eine kluge Entscheidung. Abgesehen davon, dass er kein Vorzeigebeispiel für die Mehrheit der deutschen Muslime ist, wurde dem Imam wenigstens im Laufe der Sendung klar, dass ihm wohl seitens des Senders die Rolle des „bösen Buben“ zugeteilt wurde. Anders war das sicherlich auch nicht gedacht. Neben Lamya Kaddor, die sich selbst als „liberale Muslimin“ bezeichnet und dem Grünen-Politiker Omid Nouripour, der seine religiösen Gefühle seitens der Bücher Abdel-Samads ebenfalls verletzt sieht, hätte ein „normaler“ Imam, sprich, einer der der sich gut artikulieren kann und auch in der Lage dazu gewesen wäre, sich eindeutig von der „Todes-Fatwa“, die gegen den Publizisten ausgesprochen wurde, zu distanzieren, der Sendung gut getan.
Denn eines sollte klar sein: Auch ein populistischer, Hass schürender Hamed Abdel-Samad muss das Recht haben, seine Meinung – so abstrus sie auch sein mag – frei und ohne jegliche Gefahr äußern zu dürfen. Ob nun in islamischen Ländern oder in Deutschland. Genauso wie jeder andere Islamophober, denn genau das ist Abdel-Samad. Ein gewöhnlicher Islamophober. Nicht mehr und nicht weniger. Aktuell Meinung
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@moslem.
Ich habe nur festgestellt, dass innerhalb der letzten 13 Jahre auch 40 Deutsche durch Anschläge ums Leben kamen, zu denensich islamistische Terroristen verantwortlich bekannt haben.
Zweifel an der wahren Täterschaft kann man auch bei den NSU-Morden äußern. Die angebliche Tatwaffe wurde durch den Wohnhausbrand so deformiert, dass keine Beschussprobe mehr möglich ist. Die vielen Ungereimtheiten bei den weiteren Ermittlungen kann man in einschlägigen Blogs (z.B. NSU watch) nachlesen.
Der „war on terror“ wurde von der deutschen Regierung und den Bürgern ausdrücklich abgelehnt, auch habe mich an den bundesweiten Demonstrationen im Frühjahr 2003 beteiligt.
Sind Sie etwa der Meinung, dass es niemals radikale Islamisten gab und dass z.B. auch die Fanatiker, die2012 nach dem Erscheinen des Mohammed-Videos die deutsche Botschaft im Sudan zerstört haben (als ob wir irgendwas mit dem Video zu tun hätten) alles nur verkleidete CIA-Agenten waren? Dann gibt es zwischen uns wirklich keine gemeinsame Diskussionsgrundlage.
Merca sagt: 3. Mai 2014 um 00:56
„Ich finde Sie übertreiben es ein bisschen mit Ihrer Besserwisserei. Sie unterstellen anderen Foristen Halbwissen und machen selbst ständig nichts anderes, als historische Errungenschaften des Westens schlecht zu reden, indem sie einfach die Geschichte so wiedergeben, dass es am Ende so aussieht, als ob alles nur Missverständnisse gewesen wäre. In meinen Ohren klingen ihre Theorien ein bisschen anti-westlich und anti-europäisch.“
Mich geht es überhaupt nicht um´s Schlecht reden. Ich stelle die Fakten einfach nur im Kontext dar. Wenn hier von Foristen behauptet wird, dass die Berber von Mauren unterdrückt wurden, ist das Quatsch, wenn die Renaissance mit Rechtsstaat und Demokratie in Zusammenhang gebacht wird, ist das Quatsch. Ich unterstelle hier kein Halbwissen, es wird von anderen einfach selber offenbart. Es ist auch lächerlich mir zu unterstellen, dass sich anti-europäisch bin. Ich habe mehrfach betont, dass ich Deutscher und damit Europäer bin. Soll meine Existenz negieren? Ich habe es nur satt, dass hier von einigen ständig ein Eurozentrismus betrieben, der seines Gleichen sucht. Und das wohlgemerkt von Foristen, deren einzige Leistung im europ. Rahmen es ist, aus einer europ. Mu…. Gekrochen zu sein. Die Zufälligkeit der Geburt ist aber keine Leistung per se. Sie legitimiert auch mit Nichten, Ignoranz und Chauvinismus gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen. Ich erachte die europäischen Werte des Humanismus und der Aufklärung als eines der größten Vermächtnisse unseres Kulturkreises. Allerdings verletzten wir diese Werte permanent selbst und unterhöhlen diese fortwährend.
„Ihr historischen Ausschweifer wirken auf mich, als ob Sie dem eigentlichen Thema ausweichen wollen. Wenn jemand schreibt:
“Aber ein frei gelebter Atheismus oder eine Punk-Kultur waren dort sicher nicht gern gesehen. Nein, so tolerant wie es bei uns zur Zeit ist, war es noch nie. Nur deshalb dürfen sich auch alle Leute lautstark über ihre religiösen oder nicht-religiösen Meinungen zanken, ohne Gefahr zu laufen, erdolcht zu werden.“
Dann könnten Sie sehr wohl verstehen, was er meint! Aber lieber schreiben Sie als Antwort, dass es doch nur eine “Konsumentenfeiheit” wäre. Sorry, aber wenn Sie das denken, dann haben Sie nicht verstanden, was die Aufklärung ist.
Ich verstehe nicht was Aufklärung ist? Haben Sie sich das Zitat mal ordentlich durchgelesen und auch entsprechend bewertet. Ziel der Aufklärung ist ganz gewiss nicht die Punk-Kultur und es ging der Aufklärung auch weniger darum für Meinungen erdolcht zu werden. Ziel war es eher die Religion aus Politik und Justiz zu verdrängen. Erdolchen war schon immer strafbar, auch im „finstren“ Mittelalter. Hauptaugenmerk lag also weniger auf Gewalttaten, sondern eher auf der Gerichtsbarkeit. Ein Erdolchen stellt in praktisch allen Kulturen einen Rechtsbruch dar. Die zentrale Frage der Aufklärung ist aber eher die Legitimation von Gewalt seitens der Judikative in Verbindung mit theologischen Moralitäten.
Natürlich werden unsere Freiheiten ständig eingeschränkt. Was bringt es mir, mich mit anderen in religiösen Fragen zu „zanken“ wenn die wirklichen Machtfragen gar nicht zur Disposition stehen. Sobald diese aber hinterfragt werden, kann man auch in DE schnell in der Klapse landen oder wird mit Verleumdungsklagen überzogen. Die einfachste Variante in unserer Rechtsordnung Unliebige und Querulanten kaltzustellen, ist es Ihnen die ökonomische Basis zu entziehen. Wer aber außerhalb des ökonomischen Verwertungsprozesses steht, dem werden inzwischen auch schnell mal Grundrechte verweigert. Insofern ist unsere Freiheit auf die Freiheit des Konsumenten beschränkt.
Und was es bedeutet in einem säkularen Staat zu leben. Ein Staat hört nicht auf säkular zu sein, nur weil es ein paar Defizite gibt und im Vergleich zu sehr vielen Staaten ist Deutschland doch sehr säkular! Darum gehts!
Es geht eher darum, dass Deutschland eben nicht wirklich säkular ist. Bis heute hat die Kirche in vielen Bereichen eine Sonderstellung. Es geht auch darum, dass viele islamische Staaten sehr wohl ähnlich säkular aufgestellt sind und dass der zunehmende Fundamentalismus in vielen Staaten, der diese Säkularität unterwandert, gerade auch von den Westmächten gefördert wird.
Lionel sagt: 2. Mai 2014 um 19:55
„Freisler und Kumpane waren mitnichten Exponenten des Rechtspositivismus, sondern irrationaler Willkür.“
Zumindest seine Kumpane bekamen aber größtenteils einen Persilschein, welcher ihnen das Gegenteil ausstellte. Freisler selbst kam ja nicht mehr in den Genuss eines solchen.