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Immigrierte Chef's

Das Geheimnis des Silicon Valley

IBM war ein Monopol, bis Microsoft kam. Dieser wiederum erlebte mit Google, wie sich totale Marktdominanz anfühlt. Das alles ist in dem kleinen Örtchen Silicon Valley entstanden. Das Geheimnis dieses Ortes? Tobias Busch meint: Es sind die Immigranten und der Umgang mit ihnen.

Von Montag, 28.04.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 04.05.2014, 23:13 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Jeder, der in den achtziger Jahren irgendetwas mit Computern zu tun hatte, kannte IBM. „Big Blue“ hatte fast ein Monopol und man hielt das für einzigartig. Niemand konnte sich vorstellen, dass in der freien Wirtschaft noch einmal ein Unternehmen eine derart marktbeherrschende Stellung erreichen könnte – zumal ja auch die Globalisierung im Anmarsch war. Bis Microsoft kam und der Welt gezeigt hat, wie eine wirklich marktbeherrschende Position aussieht. Und schließlich Google kam und Microsoft erleben durfte, wie sich totale Marktdominanz anfühlt, wenn der dominante Wettbewerber nicht nur Geld verdienen, sondern die vollständige Kontrolle seiner Kunden erreichen möchte – und das intelligent in die Tat umsetzt.

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Ich will das nicht bewerten – es sieht ja so aus, als ob die Sorgen über Google und Co. inzwischen langsam den Mainstream erreichen. Wer Landkarten herstellt oder von Autorenhonoraren leben muss, macht sich schon etwas länger Gedanken. Wenn aber nun der Chef des Springer Verlages, Matthias Döpfner in einem – sehr lesenswerten- offenen Brief an den Google Chef Eric Schmitt von seiner Angst und Furcht vor Google spricht, besteht Hoffnung, dass hier ein Stein ins Rollen kommt.

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Mein Thema ist ein anderes: Wie ist es möglich, dass die nordamerikanischen Unternehmen und insbesondere das Silicon Valley alles, was mit IT und High Tech zu tun hat, derartig dominieren? Die englische Sprache alleine kann es nicht sein – die haben ja z. B. die Engländer schon seit längerer Zeit.

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Immigranten als Kulturfaktor
Meine Meinung: Es sind die Immigranten und der Umgang mit ihnen. Es ist kein Zufall, dass Ebay, Google, Intel und Yahoo von Immigranten gegründet wurden und dass zwei Drittel der Akademiker im Valley eingewanderte Ausländer sind. In dieser Welt geht es nur um Performance, Ideen, Durchhaltevermögen, Lebenseinstellung und Flow. Geschlecht, Religion, ethnische Herkunft, selbst Körpergröße und sexuelle Präferenzen – spielt alles keine Rolle. Wenn Sie in Santa Clara oder Palo Alto einen Job wollen, müssen Sie nur wirklich das können und bringen, was gebraucht und gesucht wird – dann werden Sie auch eingestellt.

Es geht mir nicht darum, wie gut oder wertvoll IT und High Tech für die Entwicklung der Menschheit sind. Man kann sich natürlich fragen, was Zehntausende von begabten Leuten dazu bringt, ihre Lebensenergie in Google und Facebook zu investieren. ”The best minds of my generation are thinking about how to make people click ads. That sucks.” hat Ex – Facebook Mann Jeff Hammerbacher dieses Dilemma vor ein paar Jahren so schön zusammengefasst. Trotzdem oder gerade deshalb findet aber hier Wettbewerb auf höchstem Niveau statt. Silicon Valley ist der ultimative Beweis, dass eine vielfältige Gesellschaft mit niedrigen formalen Zugangshürden jeder monokulturellen im Leistungspotential überlegen ist – weil sie sich auf der Suche nach begabten und motivierten Menschen in keiner Form beschränken muss. Und weil wahrscheinlich gerade die besten Leute in einem Klima blühen, das wenig formale Zugangshürden braucht und das die Menschen nach dem beurteilt, was sie beitragen und nicht danach, wie sie aussehen oder wo sie herkommen.

Immigranten als Alleinstellungsmerkmal
Einige Länder haben versucht, das Silicon Valley Modell zu importieren, am konsequentesten vielleicht Japan; es zeigt sich, dass man viele der Erfolgsfaktoren übernehmen kann – von der Förderung der venture capital Finanzierung bis zu liberaler Unternehmensregulation, von toller freier Verpflegung bis zur Campusatmosphäre in den Betrieben. Aber die einzigartige Mischung aus globaler Vielfalt, Freiheit und Toleranz ist schwer kopierbar.

Die Ironie der ganzen Geschichte: Die amerikanischen High-Tech-Firmen sehen ihr Erfolgsmodell durch die zunehmend restriktiveren amerikanischen Einwanderungsgesetze bedroht. Google und Co. denken jetzt offenbar ernsthaft und sehr konkret darüber nach, wie man vor den Küsten regulationsfreie Zonen schaffen könnte, in denen überhaupt keine staatlichen Vorschriften mehr stören würden. Das allerdings würde nicht nur die Einwanderungsregulation außer Kraft setzen, sondern auch jegliche andere….

Und Deutschland?
Aus deutscher Sicht muss man hoffen, dass unser Öffnungsprozess gegenüber Immigranten – viel zu spät begonnen, aber inzwischen mit Geschwindigkeit unterwegs – weiter an Fahrt gewinnt. Noch tun sich viele Firmen schwer. Führungspositionen ohne perfektes Deutsch gibt es fast gar keine, in der Wirtschaft fehlen die erfolgreichen Immigranten als Vorbilder noch fast vollständig und auch im Nachwuchsbereich haben es Migranten und Immigranten oft noch furchtbar schwer. Aber der globale Wettbewerbsdruck nimmt weiter zu; die klugen Auto- und Maschinenbauer wissen, dass sie langfristig ihre Spitzenposition nur halten können, wenn sie gute Leute herkunftsunabhängig integrieren können.

Der IT Zug ist für die Deutschen wohl abgefahren – auch die SAP möchte auf ihre Denkfabrik in Kalifornien keinesfalls verzichten. Mittelfristig aber müssen auch die vielen deutschen „hidden champions“ in ihren Betrieben ein Klima schaffen, in dem sich Immigranten und ihr Nachwuchs gewünscht, gebraucht und geschätzt fühlen. Mangels attraktiverer Alternativen sind BMW, Porsche und Co. in Deutschland seit Jahren die beliebtesten Arbeitgeber. Und Elon Musk – natürlich ein Immigrant!- wird Ihnen mit seinem Tesla Elektroauto nicht nächstes Jahr das Wasser abgraben. Aber der Charme einer offenen und integrativen Kultur ist für gute Leute unwiderstehlich und das gilt auch in Deutschland! Leitartikel Meinung

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  1. H.P.Barkam sagt:

    ‚…Google und Co. denken jetzt offenbar ernsthaft und sehr konkret darüber nach, wie man vor den Küsten regulationsfreie Zonen schaffen könnte, in denen überhaupt keine staatlichen Vorschriften mehr stören würden. Das allerdings würde nicht nur die Einwanderungsregulation außer Kraft setzen, sondern auch jegliche andere …‘

    Und wenn etwas dabei schief geht, sind’s die sch… Ausländer halt Schuld.

  2. Wiebke sagt:

    Die Meinung, dass eine Wirtschaft höhere Innovations-Fähgkeit dank der Im/migranten zeigt, teile ich unbedingt. Was aber ein weit schwierigeres Thema ist, hat mit Vertrauen zu tun. Google und facebook schaffen die Voraussetzungen eines totalen Überwachungstaates. Wer den gläsernen Konsumenten als erstrebenswertes Ziel sieht, hat ein völlig unpolitisches Denken, die Implikationen sind den Machern herzlich fremd und unwichtig, weil sie keinerlei Begriff von Gesellschaft mehr haben (wie bereits Frau Thatcher!). Wo der fehlt, ist aber auch das totale Misstrauen gegenüber dem Nächsten die Norm. Wenn man seinen Nächsten nicht mehr lange Jahre kennt, wie das bei eher sesshaften Gesellschaften der Fall war, wird dieser unberechenbar. Dem trägt die NSA Rechnung. Auch das ist kein Zufall, dass die USA als Einwanderergesellschaft immer wieder durch politische Paranoia, schon in der McCarthy- Ära, aufgefallen sind.

  3. aloo masala sagt:

    Eine recht eindimensionale Sicht:

    —–
    Wie ist es möglich, dass die nordamerikanischen Unternehmen und insbesondere das Silicon Valley alles, was mit IT und High Tech zu tun hat, derartig dominieren?

    Meine Meinung: Es sind die Immigranten und der Umgang mit ihnen.
    ——-

    Im Verhältnis zu seiner Bevölkerung hat Kanada seit den 80er-Jahren mehr Einwanderern und Flüchtlingen dauerhaften Aufenthalt gewährt als jedes andere Land der Welt. Trotz der hohen Einwanderungsquoten in Kanada gibt es nicht die politischer Vorbehalte gegen Einwanderung und Multikulturalismus wie in Deutschland. Doch was hat Kanada vergleichbares zum Silicon Valley zu bieten?

    Umgekehrt sind in den USA Einwanderer aus Mexiko im gesamten 20. Jhdt. Zielscheibe von Diskriminierung und Rassismus gewesen. Der Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko erinnert mehr an die Berliner Mauer als an eine offene Einwanderungspolitik. Die meisten Mexikaner sind halt unerwünschte Wirtschaftsflüchtlinge.

    Schließlich ist die Automobilindustrie in Deutschland und Japan weiterhin eine Topsparte, trotz des miserablen Umgangs mit Ausländern in beiden Ländern.

  4. Ein Migrant sagt:

    Tja, ein Hammer denkt, er könnte jedes handwerkliche Problem mit einem Hammer lösen. So denkt ein Migrantenmagazinwohl auch, Toleranz gegenüber Migranten löst das Innovationsproblem in Deutschland. Ihr vergesst die vielen Latinos, die als Tellerwäscher in den Staaten arbeiten. Die Zahlen stehen in keinem Verhältnis zu den paar glücklichen Immigranten im SV.

    Nein, so niedlich dieser Erklärungsversuch auch ist, der Grund ist ein anderer. Denkt man daran, wer hinter Google und Facebook steht und wie viele Jahre diese mit Kapital vollgepumpt wurden, als sie noch keinen Profit machten, braucht man kein Verschwörungstheoretiker zu sein, um zu verstehen, was dahintersteckt.

  5. Selami Sahin sagt:

    Ein Migrant Kapital ist immer nur die Finanzierungseite eines Unternehmens, aber nicht die Investitionsseite. Kapital musst du in Personal und Assets investieren, damit auch Konzepte erstellt und diese umgesetzt sprich programmiert werden können. Kapital selbst programmiert nicht, erzeugt weder Ideen noch Konzepte. So abwegig ist die hier geführte These nicht. Innovation entsteht immer dort wo die hellsten und kreativsten Köpfe ungeachtet ihrer Kultur, Religion, Herkunft etc. zusammenkommen. Hätte Deutschland ihre jüdischen Wissenschaftler damals gut behandelt, hätten die Deutschen vielleicht vor den Amis die Atombombe gebaut.