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EuGH Generalanwalt

Sprachanforderungen vor dem Ehegattennachzug verstößt gegen EU-Recht

Die Sprachanforderungen vor dem Ehegattennachzug stehen vor dem Aus. Die Regelung verstößt laut EuGH-Generalanwalt gegen EU-Recht. Der Bundesregierung droht damit eine herbe Niederlage im jahrelangen Streit um den vermeintlichen Kampf gegen Zwangsehen.

Freitag, 02.05.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 07.05.2014, 22:21 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Nach Ansicht von Paolo Mengozzi, Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), verstößt es gegen das Unionsrecht, dass Deutschland Nicht-EU-Bürgern nur dann ein Visum für den Ehegattennachzug erteilt, wenn sie Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen können. Dieses Spracherfordernis sei weder mit der Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei noch mit der Richtlinie über die Familienzusammenführung vereinbar.

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Bereits seit 2007 macht Deutschland die Erteilung eines entsprechenden Visums grundsätzlich von der Bedingung abhängig, dass sich der nachzugswillige Ehegatte schriftlich wie sprachlich in deutscher Sprache verständigen kann. Diese von der damaligen schwarz-roten Regierung eingeführte Regelung sollte die Integration von Neuankömmlingen in Deutschland erleichtern und der Bekämpfung von Zwangsehen dienen.

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Regelung unverhältnismäßig
Das sieht Generalanwalt Mengozzi anders. Zum einen könnten Ehegatten auch nach der Einreise zu einem Deutschkurs verpflichtet werden, zum anderen sei die Regelung unverhältnismäßig. Denn sie könne die Familienzusammenführung unbegrenzt hinausschieben. Außerdem würden Betroffene durch die Teilnahme an einem Sprachkurs in Deutschland aus ihrem familiären Umfeld heraustreten. Von einer Isolation, wie sie von der Bundesregierung vorgetragen wurde, könne also keine Rede sein.

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Geklagt hatte die in der Türkei lebende Frau Doğan. Sie möchte seit vier Jahren zu ihrem Ehemann nach Deutschland ziehen. Ihr türkischer Ehemann, leiter einer GmbH, lebt seit 1998 in Deutschland und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Im Januar 2012 lehnte die Deutsche Botschaft in Ankara die Erteilung eines Visums für den Ehegattennachzug an Frau Doğan ab, da sie nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfüge. Frau Doğan ist Analphabetin.

Hilfsweise Härtefallregelung
Gegen diese Entscheidung erhob die Betroffene Klage beim Verwaltungsgericht Berlin. Dieses wiederum legte dem EuGH die Frage vor, ob die geltenden Regeln mit EU-Recht und insbesondere mit der sogenannten Stillhalteklausel vereinbar sind. Die Stillhalteklausel gilt seit Anfang der 1970er Jahre im Rahmen des Assoziierungsabkommens mit der Türkei. Sie verbietet die Einführung neuer Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit für türkische Staatsbürger.

Leiharbeit...
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    Die Entscheidung des EuGH wird erst in einigen Monaten erwartet. Der Gerichtshof folgt in seinen Urteilen meist den Empfehlungen seines Generalanwalts. Falls nicht, so Mengozzi, solle eine Einzelfallprüfung erfolgen. Hierbei seien die Interessen minderjähriger Kinder sowie alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Berücksichtigt werden solle auch, ob in der Heimat des nachzugswilligen Ehegatten Unterricht und Lernmaterial zugänglich sind, auch aus Kostengesichtspunkten. Ebenso seien etwaige Schwierigkeiten zu berücksichtigen, wie Alter, Analphabetismus, Behinderung und Bildungsgrad.

    Politische Entscheidung
    Diese Ergänzungen des Generalanwalts kommen nicht von ungefähr. Deutschland machte bisher keinen einen Unterschied, ob Ehegatten Analphabet waren, die lateinischen Buchstaben nicht kannten, behindert waren, das nächste Goethe Institut mehrere Hundert Kilometer entfernt vom Wohnort lag oder andere erschwerende Umstände vorlagen. In kaum einem Fall wurde ein Visum erteilt ohne Nachweis von Deutschkenntnissen. Selbst von deutschen Staatsbürgern wurde verlangt, die Ehe im Ausland zu führen. Und kam es mal zu einer Klage und drohte das Auswärtige Amt den Rechtsstreit zu verlieren, wurde kurzerhand ein Last-Minute-Visum erteilt, um keinen Präzedenzfall zu schaffen.

    Schon mehrmals wurde die Bundesregierung von der Opposition auf die Rechtswidrigkeit dieser Regelung aufmerksam gemacht. In haarspalterischer Manier argumentierten sich das Innenministerium und das Auswärtige Amt über viele Jahre von einer parlamentarischen Anfrage zur nächsten. In einer mündlichen Fragestunde setze Staatssekretär Ole Schröder den vorläufigen Höhepunkt als er einräumte, dass dies vor allem eine politische Frage ist und die Bundesregierung an dieser Regelung festhalten wird, so lange es geht.

    Dağdelen: Endlich Ende in Sicht
    Die integrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dağdelen, kritisierte damals, dass die Bundesregierung von Einwanderern die Einhaltung der Gesetze einfordere, sie selbst aber nicht mit einem guten Beispiel vorangehe und sich nicht einmal an höherrangiges EU-Recht halte. Die aktuelle Stellungnahme des Generalanwalts kommentierte sie mit Erleichterung: „Tausenden zwangsweise voneinander getrennten Ehegatten dürfte angesichts der Stellungnahme des EuGH-Generalanwalts ein Stein vom Herzen fallen: Endlich ist ein Ende der menschenrechtswidrigen Beschränkung des Ehegattennachzugs durch Sprachtests im Ausland in Sicht“, erklärt sie am Mittwoch.

    Allein im Jahr 2013 schafften 12.828 Ehegatten den Sprachtest im Ausland nicht. Das entspricht etwa einem Drittel aller abgelegten Sprachprüfungen. Insgesamt sank die Zahl der zum Ehegattennachzug erteilten Visa infolge der gesetzlichen Hürden um mehr als ein Fünftel, von knapp 40.000 auf etwa 32.000 pro Jahr. Die von der Bundesregierung oftmals vorgegeben Zahl, mit einem Wortschatz von 300 Wörtern könnten die Sprachtests gemeistert werden, entpuppte sich als unwahr. Konfrontiert mit den hohen Durchfallquoten teilte sie mit, dass es an den Prüflingen liege. Sie seien unvorbereitet. „Es ist höchste Zeit, diesen diskriminierenden staatlichen Eingriff in das Familienleben sofort zu beenden“, fordert Dağdelen und ergänzt: „Es wurde genug Leid und Unglück produziert.“ Leitartikel Politik

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    1. TimTom sagt:

      @ Matthias
      Sie schreiben: „Ein Verstoß gegen den EMRK kann ich ebenfalls nicht erkennen. Wenn dem so wäre, dann hätte spätestens 2007 in den ersten Klagen gegen abgelehnte Visa der EUGH dem sehr sehr schnell einen Riegel vorgeschoben. Wir haben 2014!“
      Der EuGH kann nicht von sich aus über die Rechtmäßigkeit einer nationalen Umsetzung von EU-Recht entscheiden! Richtig, wir haben 2014, aber bislang konnte der EuGH zu der Thematik noch nicht urteilen, unter anderem, weil im Jahr 2011 ein anderes Vorlage-Verfahren dadurch erledigt wurde, dass der Betroffenen dann doch ein Visum zur Einreise ohne Sprachnachweis erteilt wurde. Der EuGH kann nur nach Vorlage eines nationalen Gerichts entscheiden – oder aber im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens. Letzteres wurde von der EU-Kommission zwar ebenfalls bereits eingeleitet, die Überweisung der Angelegenheit an den EuGH steht aber noch aus.

      Sie schreiben: „Und auch für die Fälle, die aufgrund anderer Umstände (keine Sprachkurse werden angeboten, der Besuch ist unzumutbar oder aber über eine lange Zeit konnte der Test nicht bestanden werden) gibt es mittlerweile Ausnahmen.“
      Diese Ausnahmen gelten infolge der Rechtsprechung, aber nur beim Nachzug zu DEUTSCHEN Staatsangehörigen. Beim Nachzug zu Drittstaatsangehörigen (nur den regelt die EU-Richtlinie) gibt es diese zusätzlichen Ausnahmeregelungen infolge der Rechtsprechung gerade nicht! Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Ausnahmen beim Nachzug zu Deutschen, dies wurde bereits vorgetragen, wird in der Praxis überdies völlig unzureichend und restriktiv umgesetzt, vgl. z.B.: BT-Drs. 17/12780.

    2. TimTom sagt:

      @ Daniel Hautz
      Sie schreiben: „Natürlich wird mit diesem Test implizit bestrebt, den Nachzug unqualifizierter und damit hochpotentiellen Hartz4- Empfängern zu unterbinden, aber das ist doch auch gut so.“
      Das nenne ich wenigstens ehrlich. Der Grundrechtsschutz für Ehe und Familie gilt allerdings nicht erst ab einem bestimmten Einkommen oder Bildungsabschluss!
      „Hochpotentielle Hartz4-Empfänger“ – ein menschenverachtender Begriff aus dem Wörterbuch des Unmenschen…

    3. deutscher staatsbürger sagt:

      Genauer gesagt, allgemein hat allgemein die deutsche Regierung und speziell die Mitte-Rechts bis Extrem-Rechts, also CDU und noch ein klein wenig weiter Rechts, ein Ausländerproblem. Speziell hat allgemein die deutsche Regierung und speziell die Mitte-Rechts bis Extrem-Rechts, also CDU und noch ein klein wenig weiter Rechts, ein Türkenproblem.

    4. Wiebke sagt:

      Ich finde es erschütternd, dass hier einige Menschen für die Regelung plädieren. Jeder, der selbst, aus welchen Gründen auch immer, längere Zeit von seinem Ehegatten getrennt lebte, weiß, wie zersetztend das für eine Ehe und für Bindungen überhaupt ist. Vor allem sind die Kinder die Leidtragenden. An die denkt natürlich wieder niemand. Wie kann man Ehe und Familie schützen wollen, und dann Menschen auf diese Weise aus bürokratischen Gründen auseinander reißen???
      Wenn ich an diese menschenverachtende Regelung denke und dann daran,was vor den Toren Europas mit den Flüchtlingen passiert, frage ich mich wirklich: Was für eine Welt ist das?

    5. Garamasala sagt:

      Das ist die tollste Neuigkeit, die ich seit langem höre :-) Ich hoffe so sehr, daß das tatsächlich abgeschafft wird und mein Mann endlich zu mir kommen kann.Er ist kein potenzieller Hartz4 Empfänger…und darf trotzdem mangels A1-Zeugnis nicht herkommen.Die Situation in seinem Heimatland ist einfach katastrophal zum deutsch lernen..Wie soll Jemand innerhalb eines 9-wöchigen crashkurses weit weg vom Wohnort..inklusive Aufgabe des Jobs dafür…der dazu noch keine lateinischen Buchstaben in der Schule gelernt hat.nach dieser kurzen Zeit in der Lage sein, Texte in die Perfekt-Form umzuwandeln???? Einfache Deutschkenntnisse sind das nicht mehr!!! Das beherrscht so mancher hier geborenen nicht..Ich bin sehr traurig, wie manche Menschen hier denken…Ich wünsche niemandem, so eine lange Zeit vom geliebten Partner getrennt zu sein…Den ganzen Stress und die finanzielle Belastung dieser Visa-Streitereien , des Deutschkurses, Zug zum Goetheinstitut, Hotel, Essen, Kursgebühr usw…Wer es nicht selbst erlebt hat, sollte sich kein Urteil bilden…Ich freue mich jedenfalls :-) Drücke Allen Betroffenen ganz fest die Daumen

    6. Global Player sagt:

      @Garamasala

      Und die Möglichkeit, dass Sie zu ihm ziehen, besteht nicht?

    7. Tai Fei sagt:

      Daniel Hautz sagt: 2. Mai 2014 um 12:38
      „Natürlich wird mit diesem Test implizit bestrebt, den Nachzug unqualifizierter und damit hochpotentiellen Hartz4- Empfängern zu unterbinden, aber das ist doch auch gut so.“
      Stellt sich nur die Frage, inwiefern das mit dem GG vereinbar ist. Mir ist zumindest nicht bekannt, dass der Schutz von Ehe und Familie lt. GG an die H4-Regelungen des SGB gekoppelt ist.

    8. Matthias sagt:

      Sollte es tatsächlich so sein, dass man von einer blinden Frau die normale A1 Prüfung verlangt, wäre ich dafür tatsächlich beschämt. Ich kann aus zigfacher Praxis aber nicht von so etwas berichten und verstehe diese ganze Hyterie nicht. Es wird hier so getan, als ob es kaum Ausnahmen gäbe und diese dann auch nicht gemacht werden.

      Das stimmt aus meiner Erfahrung keinesfalls.

      Im Übrigen kann ich meinem Vorredner gut zustimmen. Ich habe im Fallbeispiel der türkischen Frau nicht erkennen können, warum Sie keine Deutschkenntnisse bislang erworben hat.
      Analphabetismus ist ja nicht unüberwindbar und der Ehemann lebt seit 1998 in Deutschland.

      Ob die Deutschprüfungen als Zuzugshindernis eingebaut wurden weiß ich nicht. Die Gesetzesbegründung gibt das vom Wortlaut nicht her.
      Zwangsehen werden so aber auch nicht verhindert. Sofern Wunsch der Bundesregierung ist, dass Türken nur unter den gleichen Bedingungen nach Deutschland ziehen dürfen wie andere Drittstaater, müsste man sich überlegen ob man den ARB 1/80 aufkündigen kann. Immerhin sind wird meilenweit weg von der ursprünglichen Intention der Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern regeln noch zahlreichste andere Sachverhalte über den ARB. Dies ist für mich eine massivste Besserstellung gegenüber allen nicht Unionsbürgern. Es bestehen im Aufenthaltsrecht so viele Vorteile, die Türken gegenüber anderen Drittsstaatern geniessen, ob beim Ausweisungsschutz oder aber zahlreichen anderen Rechten.

      Bevor wieder jemand auf die doppelte Staatsangehörigkeit hinaus will: Die hat nix mit dem ARB zu tun!

    9. Edmund sagt:

      Offensichtlich sind hier einige Leute sehr schlecht informiert. Es geh hier um den Sprachnachweis vor der Einreise. Alles andere ändert sich nicht. Die Ausländerämter können nach wie vor einen Sprachkurs von eingereisten Ausländern verlangen. Und selbst das Aussenministerium ist nicht mehr überzeugt von dieser Reglung. Und dann sollten einige sich mal den EU-Vertrag durchlesen und dann werden Sie erkennen, dass hier gegen EU-Recht verstoßen wird. Offensichtlich weiß die BRD nicht mehr so genau was Sie unterschrieben hat. […] Das ganze ist nur Ablenkung von verfehlter Integrationspolitik.

    10. Mike sagt:

      Stellt sich nur die Frage, inwiefern das mit dem GG vereinbar ist. Mir ist zumindest nicht bekannt, dass der Schutz von Ehe und Familie lt. GG an die H4-Regelungen des SGB gekoppelt ist.

      Art. 6 des Grundgesetzes verleiht kein unbedingtes Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet; ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Insofern ist es zulässig den Nachzug ausländischer Familienangehöriger (bei Familiennachzug zu Deutschen mit Einschränkungen) beispielsweise von der Sicherung des Lebensunterhalts oder ausreichenden Wohnraums abhängig zu machen.