Geheim oder öffentlich?
Hessen streitet seit zwei Jahren über NSU-Aufarbeitung
In Hessen streiten sich Landesregierung und Opposition auch zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des NSU über die Aufarbeitung. Der entscheidende Streitgegenstand: Die Regierung will eine geheime Kommission einsetzen, SPD und Linke sind für einen öffentlichen Ausschuss.
Montag, 12.05.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 15.05.2014, 7:21 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) streitet sich die hessische Landtagsfraktionen immer noch über die Art der Aufarbeitung der zahlreichen offenen Fragen. Während die schwarz-grüne Regierung eine geheim beratende Regierungskommission einsetzen will, möchte die SPD einen Sonderausschuss. Die Linke wiederum hält einen Untersuchungsausschuss für den einzig gangbaren Weg.
Dieser sei das einzig verfassungsmäßige Organ des Parlamentes, das Regierungshandeln umfassend überprüfen und für Aufklärung sorgen könne. Regierungskommissionen und Geheimgremien könnten dies nicht, kritisierte der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Hermann Schaus, am Donnerstag bei einer Entscheidungsvertagung im Innenausschuss des Landtages. Das sei ein „Armutszeugnis“.
Großes Schweigen
„Seit über zwei Jahren verweigern wechselnde Regierungsmehrheiten, erst CDU und FDP, nun Schwarzgrün, die Umsetzung eines einstimmig gefassten Landtagsbeschlusses“, erklärte Schaus weiter. Zu den zahlreichen Widersprüchen und schlimmen Versäumnissen, in die der hessische Verfassungsschutz und der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident Volker Bouffier bei den skandalösen NSU-Ermittlungen involviert gewesen seien, schweige sich die Landesregierung aus.
Schaus kündigte einen Einsetzungsantrag für einen Untersuchungsausschuss an und forderte die SPD auf, diesem zuzustimmen. Für diesen Antrag müssten mindestens 22 der 110 Landtagsabgeordneten votieren. Allerdings hat Die Linke 6 Sitze im Landtag, die SPD 37. Ob die Sozialdemokraten dem Antrag der Linken zustimmen werden, ist unklar. Sie setzen auf eine Einigung mit der Regierung.
Noch keine Aufklärung
Allerdings betonte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Nancy Faeser: „Für uns ist eine parlamentarische, hessenspezifische Aufarbeitung der NSU-Morde Grundvoraussetzung für eine überfraktionelle Einigung.“ Des Weiteren sei für die SPD-Fraktion von Bedeutung, dass auf Grund des bestehenden öffentlichen Interesses auch ein Informationsfluss nach außen ermöglicht wird.
Faeser erinnerte daran, dass in wesentlichen Punkten noch keine Aufklärung stattgefunden habe. „Wir wollen unter anderem wissen, ob und wenn ja inwieweit die Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung des Mordes an Halit Yozgat durch das Landesamt für Verfassungsschutz beeinträchtigt und behindert wurde. In dieser Frage sind in Berlin nicht alle wesentlichen Zeugen gehört worden. Auch die Rolle von Andreas T. bleibt für jeden mysteriös, der den Prozess in München verfolgt hat“, so die Innenpolitikerin.
Medienberichten zufolge hatten die Anwälte von Halit Yozgats Eltern vor dem Münchner Oberlandesgericht Mitte April mehrere Beweisanträge gestellt. Diese zeigen nach Aussage der Anwälte, dass Andreas T., der am Tatort in Kassel anwesende Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, über exklusives Täter- oder Tatwissen verfügt habe. Die Anwälte wollen belegen, dass T. die Information, dass es sich bei dem Mord in Kassel um das Werk von Serientätern handelt, schon zu einem Zeitpunkt weitergegeben hat, als diese noch gar nicht über Medien öffentlich verbreitet worden ist. Andreas T. hatte bisher das Gegenteil behauptet.
Regierung unter Erklärungsdruck
Sollten CDU und die Grünen diesen Streit am Ende für sich entscheiden, werden sie erklären müssen, wie eine auf die Reform des Verfassungsschutzes fokussierte, geheim beratende Kommission dem Versprechen nach einer „raschen, vollständigen und rückhaltlosen Aufklärung der durch die Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund begangenen Straftaten und aller sie begleitenden Umstände“ nachkommen soll, wie sie in einem Landtagsbeschluss formuliert wurde.
Im Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags wurden massive Versäumnisse bei den hessischen Sicherheitsbehörden aufgelistet. Diese reichen von der Verweigerung von Aussagegenehmigungen durch den heutigen Ministerpräsidenten Bouffier (CDU), da er den Quellenschutz höher einschätzte als den zusätzlichen Erkenntnisgewinn durch eine polizeiliche Vernehmung in den NSU Morden. (bk) Aktuell Politik
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