Burka Verbot an der Uni
Die Wissenschaft braucht kein Gesicht, sie braucht Argumente
Die Universität Gießen hat einer Studentin untersagt, mit Burka in den Hörsaal zu kommen. Mit einer Verschleierung sei ein wissenschaftlich-akademischer Diskurs nicht möglich. Denn Mimik und Gestik seien wichtige Aspekte der Kommunikation. Diesem Argument folgt auch Parvin Sadigh in "Die Zeit" – eine Replik von Sanjay Patel.
Von Sanjay Patel Freitag, 16.05.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 12.04.2015, 17:44 Uhr Lesedauer: 7 Minuten |
In ihrem Kommentar „Burka-Verbot an der Uni: Kommunikation braucht ein Gesicht“ folgt die Journalistin Parvin Sadigh von Zeit Online der Linie der Uni Gießen. Die wissenschaftliche Kommunikation braucht jedoch kein Gesicht, sie braucht schlüssige Argumente.
Sadigh schreibt: „Eine Muslimin studiert in Gießen auf Lehramt. Sie trägt normalerweise eine Burka, einen Ganzkörperumhang, der nur ihre Augen freilässt. Damit wollte sie auch in den Hörsaal gehen. Aber die Uni-Leitung hat ihr mitgeteilt: Ein wissenschaftlicher und interaktiver Diskurs sei damit nicht möglich.
___STEADY_PAYWALL___In der Schule und erst recht an der Uni lernen Schüler und Studenten nicht nur Fakten. Sie lernen auch, indem sie argumentieren und mit anderen diskutieren. Kommunikation läuft aber nicht nur über Sprache. Wer sich mit anderen verständigen möchte, ist auf Zeichen angewiesen, die sich im Gesicht des anderen zeigen. Wer sich verbirgt, isoliert sich von den anderen und nimmt an einem wesentlichen Teil des Unterrichts entweder gar nicht mehr teil – oder irritiert Mitschüler und Kommilitonen ebenso wie Lehrer und Dozenten. Darauf hat auch die Uni Gießen die Studentin hingewiesen.“
Nach dem Hochschulrahmengesetz gilt: Lehre und Studium sollen den Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und ihm die dafür erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden dem jeweiligen Studiengang entsprechend so vermitteln, dass er zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit und zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt wird.
Wissenschaftliche Arbeit beruht in der Tat auf Fakten und schlüssigen Argumenten innerhalb der akzeptierten wissenschaftlichen Methoden, um neue Fakten und Erkenntnisse zu erzeugen. Die Rolle der Kommunikation besteht darin, Fakten, Argumente und Grundideen der Welt zugänglich zu machen. Allerdings abstrahiert die Wissenschaft von belanglosen Details, die nichts zur Plausibilität eines Arguments beitragen. Solche belanglosen Details sind zum Beispiel das Geschlecht, die sexuelle Neigung, die politische oder religiöse Einstellung derjenigen Person, die das Argument hervorbringt. Ebenso wenig interessiert sich die Wissenschaft dafür, ob das Argument aus dem Geiste einer Person stammt, die notorisch rote Socken, einen zu kurzen Minirock oder eine Burka trägt. Die Wissenschaft schert sich auch nicht sonderlich darum, ob das Argument spöttisch, sarkastisch, ironisch oder trocken abgehandelt wird. Die Wissenschaft interessiert sich nur für Erkenntnisgewinn. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn man in der Lage ist Argumente kritisch zu hinterfragen statt sich mit dem Gesichtsausdruck des Argumentierenden, seiner Kleidung, dem Zucken seiner Gesichtsmuskeln und der Modulation seiner Stimme aufzuhalten. Kurz, die Universität ist kein Schwatzklub ideologisch Gleichgesinnter, die nicht mehr zugänglich für Argumente sind, wenn diese von Personen außerhalb des eigenen weltanschaulichen Koordinatensystems hervorgebracht werden.
Aufmerksame Leser werden die Ziele des Studiums vielleicht dahingehend auslegen, dass die Burka unvereinbar mit den Aufgaben der Universität sei, die Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorzubereiten und zu verantwortlichen Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu befähigen. Dem ist zu entgegen, dass sich die Vorbereitung auf das Tätigkeitsfeld und das verantwortliche Handeln alleine auf die fachliche Seite beschränkt. Beispiel: Ein Informatiker aus dem Bereich Big Data Analytics soll auf der einen Seite die fachlichen Grundlagen beherrschen, die er in seinem zukünftigen Beruf benötigt, aber er soll sich auch über die möglichen negativen Begleiterscheinungen seiner Neuerungen bewusst sein und in diesem Sinne verantwortlich handeln. Eine solche negative Begleiterscheinung wäre die Entwicklung von Technologien, die auch für den flächendeckenden Missbrauch des Datenschutzes und der Privatsphäre eines Nutzers eingesetzt werden könnten. Eine ideologische Begleiterziehung neben dem eigentlichen Studiengang, wie beispielsweise im Iran oder in der ehemaligen DDR, ist in Deutschland bewusst nicht vorgesehen.
Ein weiterer Punkt ist, dass der von der Uni-Leitung Gießen hervorgebrachte und von Parvon Sadigh ausgebaute Einwand konsequenterweise Blinde vom Studium ausschließen müsste. Denn diese sind unfähig für die wissenschaftliche Argumentation. Sie sollen ja nicht nur Fakten lernen, sondern auch die Mimik von Nerds beim monologisieren über Backbones und Cloud Computing studieren. Das Argument der Uni Gießen und von Parvon Sadigh wirkt deswegen so an den Haaren herbeigezogen, weil auch Studierende der Physik, Chemie, Mathematik oder Informatik in faktisch nicht stattfindenden Debattierrunden zu Küchentischpsychologen ausgebildet werden sollen, um für die Wissenschaft überflüssige Körpersignale ihrer Kommilitonen korrekt deuten und einordnen zu können.
Endgültig bricht die Argumentation von Sadigh als auch der Uni Gießen in sich zusammen, wenn man die jüngsten Trends in der Lehre beobachtet. Das sind Online-Vorlesungen für Studenten und Nicht-Studenten weltweit, die überwiegend von Top-Universitäten der USA angeboten werden. Prominente Plattformen sind beispielsweise Coursera oder Udacity. Die Online-Veranstaltungen bieten Video-Vorlesungen mit den üblichen Hausaufgaben zur Vertiefung des Lehrstoffes an. Zur Standardausrüstung dieser Online-Angebote gehört auch stets ein Forum zum Austausch über den Inhalt der Vorlesung, für Diskussionen oder Fragen. An den völlig gesichtslosen Diskussionen in den Foren beteiligen sich zahlreiche Studenten weltweit. Diese Form der Interaktionen bringt einen Mehrwert, der in der realen Welt alleine aus Zeitgründen überhaupt nicht möglich wäre. Die erfolgreiche Teilnahme an einer solchen Vorlesung kann man sich übrigens zertifizieren lassen. Courseras Konzept ist recht erfolgreich. Innerhalb von nur zwei Jahren konnte Coursera bereits über 100 Partner, 500 Kurse und über 5 Millionen Teilnehmern aus aller Welt zählen.
Alleine an der Vorlesung “Machine Learning” von Andrew Ng nehmen regelmäßig über 100.000 Studenten weltweit teil. Aus Sicht von Sadigh und der Uni Gießen nehmen all diese gesichtslosen Studenten jedoch am “wesentlichen Teil des Unterrichts nicht mehr teil”, weil man deren Gesichter nicht sieht und man deswegen nicht vernünftig miteinander kommunizieren kann. Im Umkehrschluss bedeutet das, international renommierte Spitzenwissenschaftler wie Andrew Ng haben trotz der extrem hohen Nachfrage an ihren Kursen im Gegensatz zu den Regionalgrößen der Uni-Leitung Gießen und einer Journalistin einfach keine Ahnung, wie eine richtige Lehre aussieht. Die Argumentation der Universitätsleitung ist nicht nur unplausibel, sondern legt auch eine Ignoranz an dem Tag, die davon zeugt, dass man die jüngsten Entwicklungen in der Lehre völlig verschlafen hat. Aber immerhin hat die Unileitung Gießen ein Gesicht.
Der hessische CDU-Abgeordnete Ismail Tipi zeigte sich laut Frankfurter Rundschau zufrieden über die Reaktion der Behörden. Es sei richtig, dass die Gießener Uni-Leitung auf einer Teilnahme ohne Verschleierung bestehe. Hessen müsse „klare Kante zeigen“, betonte der CDU-Politiker. „Die Burka hat in unserer demokratischen Gesellschaft keinen Platz.“ Sie nehme Frauen ihr Gesicht weg. Man müsse dem gerade an Schulen und Universitäten „einen Riegel vorschieben“, forderte Tipi. Auch der SPD-Integrationspolitiker Gerhard Merz lobte, die Universität habe angemessen reagiert. In Lehrveranstaltungen müsse Kommunikation möglich sein.
Stellt sich die Frage, auf welche rechtliche Grundlage sich Tipi oder die Uni-Leitung berufen. Es ist eine Sache, etwas aus persönlichen Gründen abzulehnen aber eine völlig andere, seine persönlichen Vorlieben zum rechtlich verbindlichen Standard zu erheben, weil man so vermessen ist und glaubt, anderen damit helfen zu müssen. Es ist nicht der Auftrag einer Universität in gesellschaftlichen Fragen “klare Kanten” zu zeigen und an der Befreiung von angeblich unterdrückten Frauen mitzuarbeiten. Die Studentin hat sich bereit erklärt, die Burka abzulegen. Das bedeutet, sie hat sich offenbar freiwillig dazu entschieden, eine Burka zu tragen. Dazu gehört in dieser Gesellschaft eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, die nicht zum Klischeebild der unterdrückten und gesichtslosen Frau passt. Sie benötigt keine Hilfe oder Befreiung von wohlgesonnenen Professoren und Politikern, die sich eine Befreiung so vorstellen, dass sie mittels Druck ihr Opfer zu etwas zwingen, was in erster Linie eigenen Interessen und Vorstellungen dient.
Egal, wie ablehnend man zur Burka steht, man kann schlecht ohne jegliche Rechtsgrundlage erwachsene Frauen bevormunden und ihnen willkürlich den Zugang zur Universität verweigern, weil man seine private Weltanschauung für normativ und rechtlich bindend hält. Auch das damalige Weltbild diktierte den Herren vor über 100 Jahren, dass am besten keine Frau studieren sollte. Die Scheinargumente, damals wie heute, hatten mit der Sache, um die es eigentlich geht, nämlich der Wissenschaft selbst, überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil, hier werden gesellschaftliche Debatten unzulässig unter dem hervor geschobenen Vorwand der Wissenschaft ausgetragen. Man entmündigt eine Studentin, die man vor Entmündigung zu schützen vorgibt. Wissenschaftliche Kommunikation in der Lehre braucht kein Gesicht, sondern ein Argument. Die erfolgreiche Online-Plattform Coursera ist das lebendige Gegenargument, das die Verlautbarungen der Uni Gießen und der Journalistin Sadigh eindrucksvoll widerlegt. Aktuell Meinung
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen
@Lionel
In vielen Punkten scheinen wir einig zu sein. Im entscheidenden Punkt sind wir uns jedoch uneinig. Unsere Meinungsverschiedenheit lässt sich ganz gut anhand des von Ihnen genannten Paradox der Freiheit von Popper austragen.
Poppers Paradox der Freiheit auf die Burka anzuwenden kann zweierlei bedeuten:
1) Burkaträgerinnen schränken die Freiheit anderer ein
2) Die Freiheit der Frauen wird durch die Burka eingeschränkt.
Punkt (1) wurde in den Diskussionen bisher nicht genannt. Deswegen ignoriere ich diesen Punkt bis ein gegenteiliger Einwand in der Diskussion auftaucht.
Bleibt Punkt (2). Ich stimme zu, dass es genügend Fälle gibt, die davon zeugen, dass die Freiheit der Frauen durch die Burka eingeschränkt wird. Allerdings gibt es auch Frauen, die eine Burka freiwillig tragen und Frauen, die darüber hinaus auch eine Burka als Teil ihrer religiösen Identität tragen.
All die Frauen, die freiwillig die Burka tragen schränken weder die Freiheit der anderen ein, noch wird von Außenstehenden ihre eigene Freiheit eingeschränkt. Damit fallen diese Frauen aus Poppers Paradox der Freiheit heraus.
Allerdings tauchen sie an anderer Stelle wieder in Poppers Paradox der Freiheit auf. Denn das Paradox der Freiheit von Popper lässt sich auch so interpretieren, dass schrankenlose Freiheit der Mehrheit ermöglicht, die Minderheit ihrer Freiheiten zu berauben. Das ist der Fall, wenn die Burka auch gegen den Wilen von Frauen untersagt wird und zwar aufgrund eines Kollektivismus, der eine Einschränkung der Freiheit damit rechtfertigt, dass sich Individuen an die Mehrheitsgesellschaft anzupassen haben.
Unsere Meinungsverschiedenheiut besteht vermutlich in der Bewertung der Burka. Für mich muss im Einzelfall entschieden werden. Für Sie, so vermute ich und für die meisten anderen, scheint eine von der Mehrheit geteilte, pauschale negative Auffassung der Burka ausreichend, um Freiheiten zu beschränken. Da sist etwa mein Eindruck von der laufenden Diskussion. Lassen Sie mich wissen, wenn ich falsch liegen sollte.
„Es ist nicht der Auftrag einer Universität in gesellschaftlichen Fragen “klare Kanten” zu zeigen“ und „Die Universität ist keine Institution, der eine Erziehungsfunktion zuteil kommt “
Woher nehmen Sie diese Thesen? Natürlich sind Bildungsinstitutionen auch Erziehungsinstitutionen. Gerade in der Bologna-Diskussion wird ja darüber diskutiert, dass Persönlichkeitsbildung im Studium heute häufig zu kurz kommt! Dies ist auch Bestandteil einer tiefgehenden wissenschaftlichen Diskussion (die sich um das „wie“ dreht, nicht um das „ob“).
Als Historiker bezweifle ich, dass es eine objektive Wissenschaft, die rein fachwissenschaftlich handelt, überhaupt geben kann, selbst in naturwissenschaftlichen Fächern, wo der Bezug meist viel schwerer zu erkennen ist, da eine Universität und auch Forschungsstrukturen immer systematisch in die Gesellschaft eingebunden sind. Insofern gehört eine Vermittlung von philosophisch-humanistischen Ideen eigentlich zu jeder guten Ausbildung.
Wo hört denn die erziehungsrelevante Vermittlung für Sie auf? Mit Ende der Schulzeit? Oder darf nachher auch in der Schule vom Lehrpersonal nicht mehr erzogen werden?
Um auf den konkreten Fall zurückzukommen: ob dies im konkrten Fall richtg ist,m ist eine Frage, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Der Universität als Struktur aber per se das Recht abzusprechen, ‚erzieherisch‘ (oder besser gesagt: Persönlichkeitsbildend) tätig zu sein, fände ich fatal. Die Inhalte dieser Maßnahmen sind jedoch nach „guten“ (ich würde persönlich sagen: humanistisch wertvollen, aber darüber lässt sich sehr gut streiten) Massstäben auszuwählen.
@ Patel
„Wir können und dürfen die Burka ablehnen. Wir dürfen jedoch nicht alleine deswegen die Burka verbieten und schon gar nicht mit fadenscheinigen Argumenten. Das ist worum es mir in dieser Diskussion geht.“
Welche fadenscheinige Argumente? Das Problem ist doch, dass Sie alle Argumente als fadenscheinig abtun, damit es so aussieht oder sich anhört, als ob die Burkaträgerinnen diskriminiert werden. Es ist für die Menschen komplett uninteressant ob die Frau die Burka freiwillig trägt oder von irgendjemandem aufgezwungen bekommt. Es geht lediglich um die geistige Nähe der Frau mit der Ideologie, wie man sie von den Taliban oder Al-Qaida kennt! Es sind deutsche Soldaten in Kriegen gestorben um diese Ideologie zu bekämpfen und wir sollen diese nun einfach so hier unter uns akzeptieren!? Andersrum gesagt: Es interessiert niemanden, dass das Hakenkreuz auf meinem T-Shirt für mich ein Glückssymbol darstellt, auch wenn es eins ist, es geht darum was die anderen Menschen hier in Deutschland damit verbinden und empfinden und dass man demgegenüber Respekt zeigt!
Und die Burka steht nunmal ganz offensichtlich nicht für die Werte die wir in diesem Land so lieben und für die wir stehen und deshalb hat sich diese Art und Weise zu kleiden auch niemals in Europa etabliert (und eigentlich nirgendwo außer in islamisch geprägten Gegenden). Man kann ja auch, wenn man mal ehrlich mit sich selbst ist, davon ausgehen, dass der Gesetzgeber mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit damals nicht auf die Idee gekommen ist/wäre, dass sich Frauen ein Tuch um den kompletten Körper wickeln und das dann mit dem Islam (also sich auf die Religionsfreiheit berufen) begründet.
Grundsätzlich frage ich mich, warum man sich ständig auf das GG berufen muß!? Wie wäre es, wenn man sich an seinen Mitmenschen orientiert, anstatt sich ständig auf Gesetzestexte zu berufen. Mich erinnert das an das agieren von Investmentbankern, die versuchen in den Gesetzestexten Lücken oder Interpretationsmöglichkeiten zu finden, damit sie Dinge tun können die man eigentlich nicht tun sollte/darf! Die Banker halten sich ebenfalls NUR an das „Gesetz“, aber am Ende müssen sie sich trotzdem unmoralisches, falsches und asoziales Verhalten vorwerfen lassen. Ich sehe da gewisse Parallelen!
Das ist meine Meinung zum Thema Burka!
@ Patel
Wird die Freiheit der anderen nicht dadurch eingeschränkt, weil man ihnen mit der Burka die Sicht auf die Person darunter nimmt? Ich finde das ist kein Aspekt den man vernachlässigen sollte. Das ist doch ganz ähnlich, wie Zensur in der Presse!
Die eigentliche Frage müsste lauten: Gibt es ein recht auf totale vermummung/verhüllung? Ich glaube nämlich, dass der religiöse Aspekt dabei keine Rolle spielt, sondern lediglich der persönliche Glauben. Es wird keiner Beweisen können, dass der Islam eine Burka vorschreibt, da niemand die exakte Interpretation des Islams kennt. Somit fällt, meiner Meinung nach, die Burka unter die Kategorie Motorradhelm und nicht unter religiöse Kleidung.
Unser GG würde ein generelles Vermummungsverbot ohne Ausnahme zu lassen. Übrigens ist Toleranz kein Selbstzweck sonder man hofft natürlich darauf, dass derjenige der Toleranz empfängt sich auch irgendwann erkenntlich zeigt (gegenüber der Gesellschaft).
Ich hoffe doch sehr, dass ein Lehramtsstudiengang auch „Persönlichkeiten“ und deren Bildung in den Fokus nimmt, besonders dann, wenn Defizite nicht in einem Eignungstest aufgedeckt werden.Schließlich sollten sich Lehrer um unsere Kinder kümmern, die genau wissen, warum sie diesen Beruf eigentlich ausüben und ihre zukünftige Rolle eingehend reflektiert haben.
Wer sich gleich zu Beginn als „fehlgeleitet“ outet, sollte den Platz für geeignetere Interessenten frei machen, die noch auf einen Studienplatz warten.Ich plädiere stark für Eignungstests, die die Spreu vom Weizen trennen, bevor Studenten Jahre verbummeln und am Ende scheitern.
Die Burka ist Ausdruck gelebter Demokratie. Nämlich des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Religionsausübung so wie man es für sich persönlich für richtig hält. Grundrechte sind im übrigen Abwehr- und Freiheitsrechte gegenüber dem Staat und nicht gegenüber anderen Bürgern. Das haben ein paar Leute hier noch nicht so ganz verstanden.
@Ochljuff
*** Woher nehmen Sie diese Thesen? Natürlich sind Bildungsinstitutionen auch Erziehungsinstitutionen.
*****
Ich kann schlecht die Nichtexistenz belegen. Deswegen wäre es gut, dass Sie Ihre These belegen und zwar im Zusammenhang mit dem Burka-Streit: Was ist der Erziehungauftrag der Universitäten und wie äußert er sich im universitären Alltag.
Betrachtet man die akademische Laufbahn bis zur Professur, dann ist die einzigen Qualifikationen, die ein Akademiker an einer Universität lernt, das wissenschaftliche Arbeiten und Drittmittel einwerben. Beide sind auch Schlüsselqualifikationen, die zu einer Berufung führen. Die akademische Lehre wird in Berufungskommissionen eher stiefmütterlich behandelt. Gesucht sind Kandidaten, die die Fakultät voranbringen. Das sind keine Typen, die besonders gut in der Lehre sein müssen, sondern die eine wissenschaftliche Reputation besitzen und Drittmittel einwerben können.
Alle anderen Qualifikationen, Didaktik, Menschenführung, Management usw kann sich ein Professor autodidaktisch aneignen, wenn er möchte, muss er aber nicht. Die Habilitation stellt die Lehrbefähigung fest. Das heißt nicht, dass der Kandidat ein ausgezeichneter Didakt ist, sondern dass er sein Fach in der nötigen Tiefe und Breite beherrscht, um lehren zu können.
Bezogen auf die Lehre bedeutet das, die Universität fühlt sich nicht berufen, von(zukünftigen) Professoren eine Nachweis zu verlangen, dass sie nicht nur ihren Lehrstoff fachlich beherrschen, sondern diesen auch didaktisch den Studenten vermitteln können. Bei einer Burkaträgerin fühlen sich ausgewählte professorale Autodidakten dagegen berufen, auf die hohe Bedeutung der Mimik im akademischen Diskurs hinzuweisen.
Ganz zu schweigen davon, dass kaum ein Professor sich seines Erziehungsauftrags außerhalb akademischer Sphären bewusst ist. Wie auch, weder wurde er als Student, Doktorand oder Postdoc von seinem Professor erzogen, noch hat er irgendwelche verpflichtende Kurse für seinen Erziehungsauftrag besuchen müssen. Einen Erziehungauftrag im universitären Alltag gab es in der DDR, aber hier?
***Als Historiker bezweifle ich, dass es eine objektive Wissenschaft, die rein fachwissenschaftlich handelt, überhaupt geben kann, …, da eine Universität und auch Forschungsstrukturen immer systematisch in die Gesellschaft eingebunden sind. Insofern gehört eine Vermittlung von philosophisch-humanistischen Ideen eigentlich zu jeder guten Ausbildung.
****
Es geht in meinen Artikel nicht darum, ob eine objektive Wissenschaft existiert. Es geht darum, ob für eine schlüssige Argumentation in der Wissenschaft das Geschlecht, Weltanschauung, Mimik, Körpersprache, Modulation der Stimme, usw von Belang sind. Die Antwort lautet aus Sicht der Wissenschaft „nein“.
*** Wo hört denn die erziehungsrelevante Vermittlung für Sie auf? Mit Ende der Schulzeit? Oder darf nachher auch in der Schule vom Lehrpersonal nicht mehr erzogen werden? […] Der Universität als Struktur aber per se das Recht abzusprechen, ‘erzieherisch’ (oder besser gesagt: Persönlichkeitsbildend) tätig zu sein, fände ich fatal. Die Inhalte dieser Maßnahmen sind jedoch nach “guten” (ich würde persönlich sagen: humanistisch wertvollen, aber darüber lässt sich sehr gut streiten) Massstäben auszuwählen.
*****
Betrachten Sie bitte meine Äußerungen im Kontext des Themas. Berücksichtigen Sie bitte dabei auch, dass ich ausdrücklich von „erzieherisch“ und nicht „persönlichkeitsbildend“ gesprochen habe. Das sind für mich zwei unterschiedliche Dinge.
Meine Frage ist, hat die Universität einen Erziehungsauftrag, der es ihr gestattet in die persönlichen Bereiche einer Frau einzugreifen und gegen ihren Willen etwas zu verbieten, was den universitäten Ablauf nicht stört?
@Hoppla
*** Wird die Freiheit der anderen nicht dadurch eingeschränkt, weil man ihnen mit der Burka die Sicht auf die Person darunter nimmt? Ich finde das ist kein Aspekt den man vernachlässigen sollte. Das ist doch ganz ähnlich, wie Zensur in der Presse! *****
Mir ist nicht bekannt, dass es sich um ein Grundrecht handelt, anderen Menschen ins Gesicht blicken zu dürfen.
*** Die eigentliche Frage müsste lauten: Gibt es ein recht auf totale vermummung/verhüllung? ****
Die Antwort zu Ihrer Frage lautet: Es gibt nur ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen.
***Ich glaube nämlich, dass der religiöse Aspekt dabei keine Rolle spielt, sondern lediglich der persönliche Glauben. Es wird keiner Beweisen können, dass der Islam eine Burka vorschreibt, da niemand die exakte Interpretation des Islams kennt. Somit fällt, meiner Meinung nach, die Burka unter die Kategorie Motorradhelm und nicht unter religiöse Kleidung. ****
Ihre Interpretationen und Aufassungen sind irrelevant. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Wenn ein Grundrechtsträger das Burkatragen als bindendes religiöses Gebot empfindet und das deutsche Gericht dem zustimmt, dann fällt die Burka unter Religionsfreiheit. Kein Grundrechtsträger muss sich vorhalten lassen, sein Verhalten falle nicht unter Religionsfreiheit. Es ist dabei völlig egal, ob es sich um eine akzeptierte religiöse Position oder um eine krude sektiererische Verirrung handelt. Die Religionsfreiheit schützt auch und gerade den religiösen Außenseiter.
*** Unser GG würde ein generelles Vermummungsverbot ohne Ausnahme zu lassen. *****
Bisher nicht. Wenn es soweit kommen sollte, dann würden Vermummungsverbot und Religionsfreihei kollidieren. Hier würde Güterabwägung gelten.
*** Übrigens ist Toleranz kein Selbstzweck sonder man hofft natürlich darauf, dass derjenige der Toleranz empfängt sich auch irgendwann erkenntlich zeigt (gegenüber der Gesellschaft). *****
Ihre Grundrechte werden durch eine Burkaträgerin nicht eingeschränkt. Kollektivismus, der eine Anpassung von Individuen an die Mehrheitsgesellschaft einfordert, ist gelebte Intoleranz, Verneinung der Individualität und die Vorstufe zum Totalitarismus.
@muslim
*** Grundrechte sind im übrigen Abwehr- und Freiheitsrechte gegenüber dem Staat und nicht gegenüber anderen Bürgern.*****
Guter Punkt, danke.
@muslim- es verbietet ja auch keiner einer Muslimin (oder einem Muslim, warum soll der das nicht auch „dürfen“) eine Burka in ihrer Freizeit oder ihrem privaten Umfeld zu tragen. Wobei Freizeit dann aufhört wenn z.B. Sicherheitsaspekte davon betroffen sind (Idendifizierbarkeit, z.b gleichgesetzt dem Vermummungsverbot).
Daraus leitet sich aber nicht das „Recht“ ab dieses überall machen zu dürfen, und zu jeder Zeit. Zumal sich jeder der will eine „Religion“ bauen kann um abstrusete Forderungen zu stellen (Pastafari)
Tolernaz ist keine Einbahnstrasse, das scheinen einige Muslime leider auch noch nicht sop ganz verstanden zu haben….
Wie einige Kommentatoren vor mir schon schrieben – wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft, das was wir haben hätten wir eventuell so nicht erreicht wenn wir uns vom Dogma der Religion nicht irgendwann weitestgehend gelöst hätten. DAzu zählt vor allem der Bereich der Lehre und der Wissenschaft.