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Bildungsbericht 2014

Bildungssystem kann soziale Ungleichheit nicht kompensieren

Migranten erzielen in der Schule immer bessere Leistungen. Das geht aus dem Bildungsbericht 2014 hervor. Dennoch gibt es viel zu tun. Das Bildungssystem kann soziale Ungleichheit nach wie vor nicht auffangen. Dies trifft junge Migranten besonders hart.

Dienstag, 17.06.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung steigt in den jüngeren Altersgruppen weiter an. Von den unter 6-Jährigen hat inzwischen gut ein Drittel der Gesamtbevölkerung einen Migrationshintergrund. In einzelnen westdeutschen Bundesländern machen Migranten in dieser Altersgruppe sogar mehr als 40 Prozent der Bevölkerung aus.

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Diese wachsende Heterogenität bildet sich auch in Bildungsinstitutionen ab: „So werden beispielsweise in Kindertageseinrichtungen sich verstärkende Segregationstendenzen deutlich“, warnen die Verfasser des Bildungsberichts 2014, der am Freitag veröffentlicht wurde. Danach setzt sich der Trend zu höheren Abschlüssen fort, der Bildungsstand der Bevölkerung erhöht sich. Dies gilt auch für Migranten. Dennoch ist deren Bildungsstand deutlich geringer als der Personen ohne Migrationshintergrund.

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Soziale Ungleichheit
Größtes Defizit im deutschen Bildungssystem ist nach wie vor die starke soziale Ungleichheit bei der Bildungsbeteiligung. Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern und Kinder ohne Migrationshintergrund machen vor der Einschulung vielfältigere und frühere Erfahrungen mit nicht-elterlicher Betreuung in Spielgruppen, Kindertagespflege oder Kindertageseinrichtungen. Zudem werden sie in der Familie stärker gefördert. Das führt dazu, dass Schüler mit einem niedrigen soziökonomischen Status weiterhin erheblich seltener das Gymnasium besuchen als diejenigen mit hohem soziökonomischen Status.

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Erst nach dem Ende des Sekundarbereichs I werden die Disparitäten geringer, wenn sozial schwächere Schüler Chancen zum Erlangen der Hochschulreife wahrnehmen. „Beim Übergang in die Hochschule verringern sich die in der Vergangenheit zu beobachtenden sozialen Unterschiede jedoch nicht“, fassen die Forscher zusammen.

Ausbildungsperspektiven mangelhaft
Eine weitere Großbaustelle sind die mangelnden Ausbildungsperspektiven für bildungsbenachteiligte Jugendliche. Diese sind laut den Verfassern des Berichts „weiterhin prekär“. Aber auch bei der Weiterbildungsteilnahme gibt es nicht nur erhebliche Defizite, sondern auch falsche Entwicklungen. So hat die Erhöhung der Gesamtquote beispielsweise nicht dazu geführt, dass die Abstände zwischen den sozialen Gruppen sich nachhaltig verringert haben. Für Personen mit Migrationshintergrund hat sich der Abstand sogar vergrößert.

Erfreulich ist allerdings, dass junge Migranten tendenziell einen höheren Bildungsabschluss als ältere Altersgruppen erreichen. Wie der Bericht zeigt, haben 37 Prozent der 30- bis 34-Jährigen mit Migrationshintergrund die Hochschulreife erworben, während der Anteil bei den 60- bis 64-Jährigen bei nur 24 Prozent liegt.

Download: Der Bericht wurde zum fünften Mal im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) verfasst. Er kann hier heruntergeladen werden.

Jüngere erfolgreicher
Auch ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund ohne beruflichen Bildungsabschluss bei den 30- bis 34-Jährigen mit 35 Prozent zwar ebenfalls niedriger als bei den älteren Personen, er ist aber immer noch mehr als drei Mal so hoch wie der entsprechende Anteil der gleichaltrigen Personen ohne Migrationshintergrund (11 Prozent).

Wie aus dem Bericht außerdem hervorgeht, gibt es unter Migranten erhebliche Unterschiede nach den Herkunftsregionen. Mehr als jede zweite Person mit türkischem Migrationshintergrund (53 Prozent) weist in der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen keinen beruflichen Bildungsabschluss auf, während der Anteil unter den Personen mit Migrationshintergrund aus europäischen Staaten deutlich geringer ist. Im Vergleich wird jedoch deutlich, dass insbesondere die jüngeren türkischstämmigen Personen mit Migrationshintergrund einen sehr viel höheren Bildungsstand aufweisen als die älteren. (sb) Gesellschaft Leitartikel Studien

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  1. Han Yen sagt:

    In Deutschland kann man mit Bildung Ungleichheit auch nicht kompensieren, weil die Bildungsideologie immer schon eine Legitimationsstrategie sozialer Ungleichheit war.

    Die etablierten Mileus erkennen sich untereinander anhand feinster Indikatoren beim Sprachcode, Modegeschmack, Musikgeschmack. Qualifikation zählt aber nicht auschließlich.

    Neuerdings kann die Arbeitgeberseite durch Mikro-Targeting des Strassenabschnittes aus der Bewerberinnen kommen, das Schwangerschaftsrisiko der Bewerberinnen einschätzen – und damit Entspannung auf dem Arbeitsmarkt schaffen. Das müssen eben erst alle Personaler lernen, wie man eine solche Datenbank bedient.

    Die einzige gute Möglichkeit Migranten sauber auf den Arbeitsmarkt zu bringen, ist ihnen ein Angebot zu machen und sie nach us-amerikanischen Vorbild auszubilden mit anglo-amerikanischen Abschlüssen.Damit wäre der Zugang zu den Arbeitsmärkten der transnationalen Konzerne gesichert.

    Die deutsche Bildungsmisere hat mit den Migranten wenig zu tun, sondern die deutschen Mittelschichten sind bildungsfern. Die Dominanz der US und britischen Universitäten ist eindeutig. An den deutschen Universitäten befinden sich nicht viele Studenten mit Migrationshintergrund. Das ist so. Migranten taugen hier einfach nicht als Sündenbock.

  2. "Mittelschichtler" sagt:

    „Die deutsche Bildungsmisere hat mit den Migranten wenig zu tun, sondern die deutschen Mittelschichten sind bildungsfern.“

    Tut mit leid Han Yen aber das ist reines Wunschdenken. Informieren Sie sich:

    http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,521201,00.html

    Pisa-Ergebnisse

    Deutschland alle Schüler: 516 Punkte, Platz 13
    Deutschland, autochthon: 532 Punkte, Platz 4
    Deutschland, migrantisch: 439 Punkte, Platz 40!

    Die Dominanz der amerikanischen und britischen Universitäten steht in gar keinem Verhältnis zur Zahl der Patentanmeldungen und zur Publikationsdichte bei den Professoren. Englischsprachige Rankings sind meist sehr subjektiv, weil sie von Unis subventioniert werden, die nicht vom Staat finanziert werden. Solche Studien können folglich gar keinen großen Wert haben. Nein: Es ist einfach eine Tatsache, dass eine Region wie Oberbayern spielend mit Oxford mithalten kann. Die Region Oxford hat im Durchschnitt nicht einmal halb so viel Patentanmledungen. Selbst Nürnberg steht besser da.
    All das ist aber auch kaum verwunderlich, da Deutschland seit je her einen gewissen Vorsprung hat, der erst seit den letzten Jahren abbröckelt.

    PS: Ich rate dringend davon ab, am deutschen Bildungssystem herumzubasteln.

    Vgl.

    http://www.sueddeutsche.de/app/wirtschaft/europaatlas/

  3. Spötter sagt:

    Ja, Han Yen, wenn man vor der Realität die Augen verschließen will, ignoriert man, dass die ganze Welt die Leistungen des deutschen Mittelstands zur Kenntnis nimmt. So etwas existiert nicht in GB und USA. Darum ist dort auch die Unternehmensdichte aufs ganze Land verteilt viel geringer. Was ist denn mit den erfindungsreichen Schwaben und Franken? Alles nicht existent aus Ihrer Sicht?