Die Flüchtlinge von der Schule
Es wäre schön, wenn das die Öffentlichkeit aufrüttelt
An der von Flüchtlingen besetzten Schule in der Ohlauer Straße in Berlin Kreuzberg ist die Lage nach wie vor unübersichtlich – Räumung ja oder nein. Senat und Bezirk sind sich uneinig. Die Flüchtlinge bleiben bei ihren Forderungen auf ein Bleiberecht.
Von Hadija Haruna Montag, 30.06.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 05.07.2014, 12:06 Uhr Lesedauer: 8 Minuten |
„Eine Menge Kraft ist auf dem Dach“, schreibt Mai Shutta. Die Sudanesin twittert unter ihrem Namen und dem Kürzel @peaceforsudan vom Dach der Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg. Sie ist eine der über 40 Flüchtlinge und deren Unterstützer, die seit Dienstag auf dem Dach des Gebäudes für ihr Bleiberecht demonstrieren. „Jetzt zeigen wir Deutschland und dem Rest der Welt, dass Berlin sich solidarisch mit den Flüchtlingen und ihrem Kampf zeigt“, schreibt Shutta.
Hintergrund ist der seit Dienstag laufende Räumungsversuch der von über 200 Flüchtlingen und Roma besetzten Schule. Seit etwa eineinhalb Jahren leben sie schon dort. Entsprechend kam das Anrücken der Polizei mit 900 Beamten aus mehreren Bundesländern und Bundespolizisten überraschend. Die Gruppe flüchtete aus Angst, abgeschoben zu werden, auf‘s Dach. Manche von ihnen drohen sich vom Dach zu stürzen, sollte die Polizei die Schule gewaltsam räumen. Immer wieder kam es seitdem zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Unterstützern der Flüchtlinge.
Ihnen wurde das Angebot gemacht, in andere vom Senat gestellte Unterkünfte umzuziehen. Die Gruppe auf dem Dach willigte nicht ein. Das sogenannte „Kolat-Papier“ der Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD), das bereits mit den Flüchtlingen am Oranienplatz vereinbart wurde und eine Einzelfallprüfung der Asylanträge und ein Verfahren in Berlin vorsieht, sei für sie wertlos. Der Senat habe die wichtigsten seiner gemachten Versprechen nicht eingelöst und Zusagen gebrochen, so die Kritik der Flüchtlinge. Recherchen der Tageszeitung (taz) zufolge droht vielen von ihnen, die der Einigung zugestimmt hatten, die Abschiebung ohne erneute Prüfung ihrer Fälle. Außerdem wissen sie, dass die Berliner Ausländerbehörde Prüfungen von Flüchtlingen ablehnt, für die eine Behörde eines anderen Bundeslandes zuständig ist. Dabei gibt es für die Übernahme der Verfahren aus anderen Bundesländern gesetzlichen Ermessensspielraum. Das belegt ein Rechtsgutachten der Universität Bremen im Auftrag des Integrationsbeauftragten des Landes Berlin.
Die Flüchtlinge auf dem Dach stehen in engem Telefonkontakt mit den Unterstützern vor der Schule. Es sind aktivistische Gruppen, Mitglieder des Landesbeirats für Integrations- und Migrationsfragen, Künstler, Musiker, Anwohner aus dem Kiez, Berliner Familien und Freunde. „Zwischen ihnen und uns gibt es keine Trennung, sondern da waren vorher schon Freundschaften, aber auch Partnerschaften und wir wollen nun ihrer Stimme Gehör verschaffen“, sagt Unterstützerin Mala, die ihren wirklichen Namen nicht nennen will.
Weil Journalisten der Zugang zum Gelände verweigert wird, koordinieren sie und andere Freiwillige seit Donnerstag den Kontakt zu den Flüchtlingen in einem Büro in einer Bücherei. „Wir mussten Ersatzstrukturen schaffen, die eigentlich ein Menschenrecht sind“, sagt Mala. Der Versuch der taz, eine einstweilige Verfügung über Pressezugang zur Schule erwirken, scheiterte am Freitagabend in erster Instanz. In einem einzigen bisher zugelassenen Pressegespräch, das die Flüchtlinge auf dem Bürgersteig abhielten, konnten sie ihre persönliche Meinung äußern „Wir sind keine Kriminellen. Das ist ein Bild, das die Polizei von uns kreiert, damit die Öffentlichkeit ihr Handeln und das des Senats akzeptiert“, sagt Adam, ein Flüchtling aus dem Sudan, dem MiGAZIN am Telefon.
Die Situation auf dem Dach sei nicht einfach bei dem unbeständigen Wetter, dem instabilen Dach und der Tatsache, dass sie bisher nur zwei Mal zu Essen erhalten hätten. „Aber wir werden die Chance, unser Recht zu bekommen, nicht vertun“, so Adam. Der 32-Jährige ist vor zwei Jahren nach einen langen Weg über Ägypten, Syrien, die Türkei, Griechenland, Italien und Frankreich nach Deutschland gekommen. Eigentlich habe er weiter nach Schweden gewollt, wo die Asylgesetze liberaler seien als in Deutschland, doch sei er bei der Durchreise in Hannover gestoppt worden und gezwungen gewesen, dort Asyl zu beantragen. Bei einem Flüchtlingsmarsch von Würzburg nach Berlin sei er dann nach Berlin gekommen und habe im Camp am Oranienplatz gelebt, bevor dieser aufgelöst wurde und er in die Schule gezogen war.
Um die Öffentlichkeit auch weiterhin über das Befinden der Flüchtlinge und die Vorgänge auf der Straße auf dem Laufenden zu halten, informieren die Freiwilligen an der Ohlauerstraße über einen Blog und Twitter-Account „Ohlauer Infopoint“. Sie haben sich in Schichten eingeteilt und eine Medienstrategie entwickelt. Dabei sichten sie Informationen, die von außen oder über Twitter kommen auf ihren Wahrheitsgehalt, um den Nutzern und Lesern wahre Informationen über die Vorgänge vor Ort zu liefern. „Twitter ist ein schnelles Medium und falsche Informationen verbreiteten sich schnell und führen beispielsweise dazu, dass plötzlich alle an einen falschen Ort stürmen oder Unterstützung an einem wichtigen Ort ausbleibt,“ sagt Mala. Leitartikel Politik
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