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Rechtswidrig

EuGH kippt Sprachtest für Ehegatten von Türken

Seit 2007 macht Deutschland die Erteilung eines Visums für den Ehegattennachzug von Drittstaatsangehörigen von einem Sprachtest abhängig. Damit ist jetzt Schluss – zumindest für türkische Staatsbürger. Der Europäische Gerichtshof kippte die Regelung aufgrund des EU-Rechts.

Freitag, 11.07.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 01.08.2014, 21:46 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Auf dem Papier sieht das Gesetz zum Ehegattennachzug eigentlich ganz gut aus. Ehegatten aus Nicht-EU-Ländern müssen bei einem Goethe-Institut im Ausland „einfache Deutschkenntnisse“ nachweisen, um ein Visum für die Einreise zu bekommen. Laut Gesetzgeber werden mit dieser Regelung gleich mehrere Fliegen geschlagen: Es werden Zwangsehen erschwert und die Integration der Neuankömmlinge in die deutsche Gesellschaft erleichtert. Soweit die Theorie.

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In der Praxis ist die Regelung für viele Eheleute allerdings unzumutbar. In vielen Regionen dieser Erde werden keine Deutschkurse angeboten. Und dort, wo Kurse angeboten werden, sind sie meist überteuert. Die Qualität lässt ebenfalls zu wünschen übrig: Mehr als jeder Dritte besteht den Sprachtest nicht. Ob die Regelung tatsächlich Zwangsehen erschwert, ist bis heute nicht nachgewiesen. Zudem ist zweifelhaft, ob die Regelung verhältnismäßig ist; bis heute hat die Bundesregierung nicht einmal eine Schätzung vorgelegt über die Zahl der möglichen Zwangsehen.

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EuGH für Ehegattennachzug
Auf der anderen Seite müssen alle Ehegatten viel Geld und Zeit im Ausland aufwenden, obwohl Sprachkenntnisse in Deutschland viel schneller und günstiger erworben werden könnten. Kritiker der Regelung reden von Schikane. Sie werfen der Bundesregierung vor, mit diesem Gesetz vor allem Eheleute aus finanzschwachen Regionen von Deutschland fernhalten zu wollen. Denn Eheleute aus finanzstarken Handelspartnern wie Australien, Israel, Japan, Kanada oder der USA müssen keine Sprachkenntnisse nachweisen.

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Seit neuestem gilt das auch für Ehegatten von türkischen Staatsbürgern. Am gestrigen Donnerstag hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden, dass in Deutschland lebende Türken ihre Ehepartner künftig auch ohne Sprachtest zu sich holen dürfen. Die EU-Richter verwiesen auf das Assoziationsrecht zwischen EU und Türkei. Beide Seiten hatten Anfang der 70er Jahre vereinbart, die Niederlassungsfreiheit gegenseitig nicht einzuschränken. (AZ: C-138/13) Dagegen verstoße Deutschland seit dem Jahr 2007 mit der Sprachtest-Pflicht.

EuGH: Familienzusammenführung unerlässlich
Geklagt hatte Frau Doğan. Die vierfache Mutter ist türkische Staatsangehörige, lebt in der Türkei, ist Analphabetin und möchte zu ihrem Ehemann nach Deutschland ziehen. Ihr Ehemann, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, lebt seit 1998 in Deutschland, wo er eine GmbH leitet und eine Niederlassungserlaubnis besitzt. Im Januar 2012 lehnte die Deutsche Botschaft in Ankara zum wiederholten Mal die Erteilung eines Visums für den Ehegattennachzug an Frau Doğan mit der Begründung ab, dass sie nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfüge. Hiergegen erhob Frau Doğan Klage beim Verwaltungsgericht Berlin. Dieses hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob das Spracherfordernis mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Die Luxemburger entschieden nun, dass die Familienzusammenführung „ein unerlässliches Mittel zur Ermöglichung des Familienlebens“ sei. Zwar könne Deutschland die Niederlassungsfreiheit von türkischen Staatsbürgern beschränken, „sofern sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet“ sei, die Erreichung des angestrebten legitimen Zieles zu erreichen. In diesem Fall habe Deutschland aber über das Ziel hinausgeschossen. Sprachkenntnisse führten automatisch zur Ablehnung des Antrags auf Familienzusammenführung, ohne dass besondere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Krings: Urteil gilt nur für Türken
Ob die Bundesregierung nach diesem Richterspruch nun die gesamte Regelung kippt oder nicht, wird man abwarten müssen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), jedenfalls bekräftigte in Berlin die Haltung der Regierung, wonach „eine erfolgreiche Integration Sprachkenntnisse voraussetzt“. Diese Position habe der EuGH „auch nicht grundsätzlich infrage gestellt, sondern Einschränkungen gemacht“. Die Entscheidung beziehe sich ausschließlich auf türkische Staatsangehörige. Insofern, so der Staatsekretär weiter, „ist der Sprachnachweis für drittstaatsangehörige Ehegatten grundsätzlich aber weiterhin mit dem Recht der EU vereinbar“.

Unklar zum jetzigen Zeitpunkt im Grunde auch, ob die Bundesregierung die Spracherfordernisse für alle Ehegatten türkischer Staatsbürger abschafft oder nur für jene, die selbstständig sind. Denkbar wäre auch eine Gesetzesänderung, wonach das Nichtvorliegen von Sprachkenntnissen nicht automatisch zur Ablehnung führt, wie vom EuGH moniert. Erinnert sei jedenfalls an die Worte des parlamentarischen Staatssekretärs Ole Schröder (CDU) vom November 2011. Er sagte, dass dies „letztendlich eine politische Frage“ sei. Schröder weiter: „So lange es rechtlich möglich ist, einen solchen Sprachnachweis zu verlangen, werden wir das auch tun.“

Linke und Grüne fordern Abschaffung
Vertreter von Grünen und Linken forderten hingegen, auf die Sprachprüfung für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten generell zu verzichten. „Es ist gut, dass die diskriminierenden Sprachtests nun zumindest bei türkischen Ehegatten nicht mehr praktiziert werden dürfen“, erklärte die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dağdelen. Für die Bundesregierung sei das Urteil eine „schallende Ohrfeige“. Die bisherige Regelung habe eine nicht zu akzeptierende „soziale Auslese“ dargestellt. „Jetzt ist die Bundesregierung gefordert. Die bisherige Regelung muss nicht nur für türkische Staatsangehörige, sondern ganz aufgehoben werden. Der Ehegattennachzug darf nicht von Sprachkenntnissen abhängig gemacht werden, ganz gleich woher die Betroffenen kommen“, so die Linkspolitikerin.

Erfreut zeigte sich auch Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen: „Heute ist ein guter Tag für die Integrationspolitik in Deutschland. Die Union hat den Schutz vor Ehe und Familie von Türken mit Füßen getreten. Zudem war die Idee, deutsch im Ausland zu lernen, integrationspolitischer Quatsch. Deutsch lernt man in Deutschland am schnellsten.“ Ähnlich äußerten sich auch Sozialverbände. Erfahrungen in Integrationsprojekten hätten gezeigt, dass eine Abschaffung die beste Lösung sei, erklärte etwa die Diakonie Baden.

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften in Berlin unterstrich, dass die Sprachnachweis-Pflicht Familien und Partnerschaften unnötig stark belaste. Viel sinnvoller wäre es, die Integrationskurse für Neuankömmlinge auszubauen und auf beruflich orientierte Deutschkurse auszuweiten, meinte die Organisation. (es/epd) Leitartikel Recht

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