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Mehr als Verzicht

Der Ramadan und seine Klassiker

Seit dem 28. Juni fasten Muslime von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang – bis zu 19 Stunden. Der Verzicht auf Essen und Trinken ist aber nicht das einzige Thema, das Muslime an diesen heißen Tagen beschäftigt. Der Ramadan hat seine Klassiker.

Von Thomas Morell Dienstag, 15.07.2014, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 17.07.2014, 16:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Für die Muslime in Deutschland beginnt eine harte Zeit. Weil der Ramadan in diesem Jahr in den Frühsommer vom 28. Juni bis 27. Juli fällt, sind die Fastentage besonders lang. Rund 19 Stunden täglich müssen Muslime Verzicht üben: kein Essen, kein Wasser, keine Zigaretten. „Man muss sich anstrengen“, sagt der Hamburger Ayatollah Reza Ramezani, Imam der „Blauen Moschee“ an der Außenalster. „Aber der Wille kann Berge versetzen.“

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Adam Caferoğlu etwa arbeitet auf der Hamburger Aluminium-Hütte Aurubis am Hochofen. Drei Flaschen Wasser trinkt er normalerweise am Tag. Doch vom nächsten Wochenende an bleibt er „trocken“. In der Mittagspause übernimmt er die Arbeit von Kollegen. Über die Hälfte seiner Kollegen sind Muslime. Weniger arbeiten werden sie im Ramadan aber nicht. Caferoğlu: „Wir haben keinen Bonus.“

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Nur mit guten Nieren und Gefäßen sei das Fasten bei dieser harten Arbeit erlaubt, erläutert der Mediziner Hadji Abdolrahim. Wenn gesundheitliche Schäden zu befürchten seien, müsse das Fasten aufgegeben werden. So stehe es auch im Koran. Auch Menschen mit zu niedrigem Blutdruck oder Verwirrtheitszuständen dürften auf Wasser nicht verzichten. Kranke, Kinder, Reisende und Schwangere müssen laut Koran grundsätzlich nicht fasten.

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Doch der islamische Fastenmonat soll mehr sein als nur Verzicht. Er biete Gelegenheit, sich der eigenen Seele, den Mitmenschen und Gott intensiv zuzuwenden, erläutert Imam Ayatollah Ramezani. „Ein Schutzschild vor der Hölle.“ Geboten sei, die eigenen Leidenschaften zu zügeln und den Schwachen der Gesellschaft zu helfen, ergänzt Sheikh Samir Rajab, Imam der Hamburger Al-Nour Gemeinde. „Wenn jemand lügt und fastet, macht das keinen Sinn.“

Nach den Erfahrungen des Schriftstellers und Muslims Peter Schütt verzichten viele auch auf Ablenkungen wie Fußball, Fernsehen oder Computer. „Ich will mich im Ramadan weniger ärgern“, bekennt Mohammad Khalifa, Orientalist an der Uni Hamburg.

Im Fastenmonat werde allerdings nicht weniger, sondern etwa doppelt so viel Fleisch gegessen, kritisiert Schütt. Denn nach Sonnenuntergang beim Fastenbrechen wird in den Familien lecker aufgetischt und viel gegessen. Es gehöre zum Ramadan, dass zum Nachtessen Nachbarn, Freunde und Angehörige eingeladen werden, berichtet Khalifa. Da sei es üblich, besonders üppig zu kochen. Schnell vergessen sind da die TV-Tipps der unzähligen Ernährungsexperten, die man während des Ramadan besonders gerne einschaltet.

Zwischen Nachtessen und Frühstück bleibt in diesem Jahr dann nur noch wenig Zeit zum Schlafen. Das Fasten endet in den ersten Tagen gegen 22.30 Uhr und beginnt erneut etwa um 3.30 Uhr. Danach werden die Tage wieder um wenige Minuten kürzer. Eine gute Tagesplanung kann da helfen. Wann holt man sich den Schlaf, wann kann man besonders konzentriert arbeiten? Die Studentin Johanna Gorny will auch im Ramadan studieren wie sonst: „Der Ramadan gibt Kraft für das Wesentliche.“

Eine Vereinheitlichung der Ramadan-Tage auf zwölf Stunden, wie es sein Vorgänger Mehdi Razvi vorgeschlagen hatte, lehnt Ayatollah Ramezani ab. Entscheidend für den Sonnenuntergang sei der „lokale Horizont“. Für Muslime am Nordpol, räumt der Geistliche ein, müsse es allerdings eine Sonderregelung geben. Ein Dauerthema unter vielen während der Fastenzeit: Bis zu welchem Breitengrad ist ein gesundes Fasten noch möglich. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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  1. Lynx sagt:

    Im Qurʾān (Koran) heißt es: „… Vervollständigt hierauf das Fasten bis zur Nacht.“ [2 al-Baqara 187]. Daraus schließen die Gelehrten, daß das Fasten nach einer theoretisch angenommenen Tageslänge (von bspw. 12 Stunden) in polarnahen Gebieten erst ab einem Breitengrad zulässig ist, wo in einer Anzahl von Tagen im Hochsommer die Sonne nicht mehr untergeht, also die Nacht nicht mehr eintritt. Da sich der Monat Ramaḍān nach dem Mondkalender richtet, verschiebt er sich gegenüber dem Sonnenjahr jährlich um 10 bis 11 Tage nach vorn und wandert damit alle 33 Jahre einmal durch alle Jahreszeiten. Das bedeutet, daß er in ungefähr fünfzehn Jahren auf der nördlichen Erdhalbkugel in den Winter fällt, wo die Tageslängen verhältnismäßig kurz sind.
    Die großen islamischen Dachverbände haben sich im Jahre 2008 darauf geeinigt, den Beginn und das Ende des Fastenmonats nach den langjährigen Vorausberechnungen der türkischen Religionsbehörde (DITIB) festzulegen. Diese Berechnungen sind jedoch fehlerhaft, und die Wahrheit läßt sich nicht durch Mehrheitsbeschluß ermitteln. Jeder Mondmonat hat entweder 29 oder 30 Tage, und sein Beginn richtet sich nach der tatsächlichen Sichtung der Sichel des Jungmonds. Da diese am Abend auf den 28. Juni nicht gesichtet werden konnte, mußte der Monat vor dem Ramaḍān auf 30 Tage vervollständigt werden. Somit ist für sehr viele Muslime in Deutschland dieses Jahr der erste Fastentag nicht Sa., der 28., sondern So., der 29. Juni gewesen. Es ist eine Anmaßung, wenn diese Dachverbände im vorgeblichen Namen einer Mehrheit die häufig falschen Daten für den Beginn und das Ende des Monats Ramaḍān als offiziell angeben.