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Ehegattennachzug

Innenministerium hält an Sprachtests fest

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Sprachtests vor dem Ehegattennachzug bei türkischen Eheleuten rechtswidrig sind. Dennoch wird aus dem Bundesinnenministerium verkündet, an diesen Tests festhalten zu wollen. Das stößt auf heftige Kritik.

Von Dienstag, 15.07.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 20.07.2014, 19:59 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Man stelle sich vor, Thomas klaut im Laden von Ayşe eine Tafel Schokolade, wird erwischt und gerichtlich verurteilt. Das hält Klaus aber nicht davon ab, weiter zu klauen – bei Fatma, bei Hatice, bei Semra. Seine Begründung: das Gericht habe nur das Klauen bei Ayşe verurteilt. Nachdem er erneut erwischt und belehrt wird, dass das Verbot für alle Läden gilt, fängt Klaus an, Kakao zu klauen. Seine Begründung: Ihm sei nur das Klauen von Schokolade verboten worden.

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So kurios und dreist sich diese Geschichte auch anhören mag, so unwahrscheinlich ist sie nicht, wie uns so mancher Unionsbürger an diesen Tagen eindrucksvoll zelebriert. Zugegeben, das Beispiel ist zwar vereinfacht und überspitzt, in Wirklichkeit geht es dafür aber um viel mehr als nur Schokolade. Aber der Reihe nach. Worum geht’s:

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Die Vorgeschichte
Am Donnerstag hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg festgestellt, dass die seit 2007 geltende Regelung, nach der türkische Staatsangehörige Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen müssen, wenn sie zu ihren in Deutschland lebenden Ehepartnerinnen nachziehen möchten, nicht mit dem EU-Assoziierungsabkommen mit der Türkei vereinbar, also unzulässig ist. Dieses Abkommen verbietet es EU-Staaten, die Niederlassungsfreiheit türkischer Staatsbürger zu beschränken.

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In einer ersten Stellungnahme erklärte das Bundesinnenministerium gleich, dass dieses Urteil nur für Türken gelte und man an den Sprachanforderungen für Ehegattinnen aus anderen Ländern weiter festhalten wolle. Medienberichten zufolge hat Günter Krings (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, zudem erklärt, dass der EuGH einen Härtefall entschieden hat – die Betroffene ist Analphabetin. Insofern sollten die Betroffenen im Einzelfall besondere Härtefälle nachweisen, im Übrigen könne man diese Tests weiter anwenden.

Innenministerium wie immer
Wer jetzt überrascht ist, kennt die lange Vorgeschichte nicht. Bereits mehrmals hat der EuGH das Assoziierungsabkommen mit der Türkei ausgelegt und fast immer zugunsten türkischer Kläger. Und jedes Mal hat das Bundesinnenministerium seine Begründung dafür gefunden, dem Urteil nicht zu folgen. Und selbst nachdem Österreich und die Niederlande ähnliche Ehegattennachzugsregelungen aufgrund von EuGH-Entscheidungen streichen mussten, fand das Bundesinnenministerium einen Grund, wieso das EU-Abkommen nicht auch in gleicher Weise für Deutschland gelten sollte. Selbst das noch laufende EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, scheint das Ministerium nicht sonderlich zu stören.

Kurz: Wie der chronische Schokoladendieb Thomas, hat sich das Bundesinnenministerium nach jedem Urteil und jeder Rüge etwas einfallen lassen, um seinen Trieb begründen zu können. Im direkten Vergleich hat Thomas aber einen klaren Nachteil: Im Gegensatz zu den Verantwortlichen im Ministerium muss er persönliche Sanktionen fürchten, wenn er Richterspruch nicht befolgt – auch wenn er „nur“ Schokolade klaut und nicht die wahrscheinlich schönsten Ehejahre von unzähligen frisch verheirateten Paaren.

SPD will Sprachtest abschaffen
Und weil diese Dreistigkeit so schwer zu vermitteln ist, bemüht die Union sogar das Argument aus der Parallelgesellschaft und stellt seinen Willen so dar, als stehe und falle damit die gesamte Integrationspolitik. „Wer einfache Grundkenntnisse der deutschen Sprache nicht erwerben will, ist letztlich auch nicht bereit, sich in Deutschland zu integrieren“, sagte der Generalsekretär der CSU, Andreas Scheuer, Spiegel Online. Dabei geht es in dieser Frage nicht um das „Ob“ des Spracherwerbs, sondern um das „Wo“, also im Ausland oder in Deutschland.

Die Union pocht darauf, dass der Spracherwerb im Ausland erfolgt und nachgewiesen wird. Der Rest des Bundestages ist anderer Meinung. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD) etwa ist für die komplette Abschaffung der Regelung: „Für die Integration der Einwanderer wird der Wegfall des Zwangstests keine negative Auswirkung haben. Mit den Integrationskursen haben wir seit 2005 leistungsfähige Instrumente geschaffen, um in Deutschland schnell, intensiv und nachhaltig Sprachkennnisse zu vermitteln.“

Grüne und Linke fordern Umsetzung des Urteils
Ähnlich argumentiert der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck. „Deutschkenntnisse als Voraussetzung für die Einreise von Ausländern ist ohnehin Quatsch. Deutsch lernt man in Deutschland ohnehin am besten und schnellsten“, erklärt Beck und fügt hinzu: „Wer eine Aufenthaltserlaubnis neu erhält, ist nach dem Zuwanderungsgesetz ohnehin zur Teilnahme an Integrationskursen sanktionsbewehrt verpflichtet.“ Deshalb sollte diese Vorschrift nicht nur für Türken, sondern für alle Ausländer fallen. Wenn es aber „um die Gängelung der Türken geht“, sei „die Union auch zum offenen Rechtsbruch bereit“.

Nicht minder scharf fällt die Kritik der Linken aus, die die Bundesregierung nicht selten in Erklärungsnot brachten: „Die sich anbahnende Nicht-Umsetzung des Urteils schlägt dem Fass den Boden aus. Das würde eine unerhörte Missachtung des höchsten europäischen Gerichts darstellen“, so migrationspolitische Sprecherin Sevim Dağdelen. Sie fordert die Bundesregierung auf, „diesen geplanten Rechtsbruch des Innenministeriums zu verhindern“. Der Außenminister sei am Zug, das Urteil sofort und umfassend umzusetzen. Bestehende Verträge seien einzuhalten.

Leben wir noch in einem Rechtsstaat?
Das sieht die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) genauso: „Leben wir noch in einem Rechtsstaat?“ Das Festhalten an den Sprachtests „wäre ein unerhörter Rechtsbruch, der in unserer jüngsten Geschichte seinesgleichen sucht. Dass die Bundesrepublik innerhalb der EU am häufigsten gegen Türkei-EU-Recht verstößt und deshalb laufend vor dem EuGH Prozesse verliert, ist nicht neu, aber bisher hat sie sich zumindest an Gerichtsurteile gehalten,“ kommentierte TGD-Bundesvorsitzender Safter Çınar die Äußerungen aus dem Ministerium. Um weitere Irritationen zu vermeiden müssten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier für die sofortige Umsetzung des Urteils sorgen. Leitartikel Politik

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  1. derspieler sagt:

    @zoe

    e pluribus unum , in god we trust ,Liberté, Égalité, Fraternité, Life, Liberty and the pursuit of Happiness

    das sind nicht nur leere worte das sind ideen ,ideale , gelebte werte .

    ideen die für mehr stehn als nur pünktlichkeit oder pedantische fetische die über rasse und

    mal abgesehn davon , sie kennen wohl den unterschied zwichen selbstwahrnehmung und fremdwahrnehmung ???

  2. Tai Fei sagt:

    Petra Szablewski-Cavus sagt: 15. Juli 2014 um 12:13
    „…– Und der Leitartikel zeigt ziemlich deutlich, dass es bei der Regelung offensichtlich nicht wirklich darum, die Familienzusammenführung zu verbessern, sondern darum, die Familienzusammenführung für “bestimmte Personen” (z.B. weniger reiche) zu behindern oder sogar unmöglich zu machen.“
    Danke für die Link,
    Die Zusammenfassung entspricht auch meiner Ansicht. Diese gesetzliche Regelung ist vor allem eine soziale Diskriminierung. Hier soll es Menschen mit begrenzten finanziellen Resourcen unmöglich gemacht, zumindest aber deutlich erschwert werden, den Familienzuzug zu vollziehen.

  3. Rastislav sagt:

    Ich stimme dem Artikel voll und ganz zu.

    Und bezogen auf Zoe, einige der aufgezählten Tugenden, wie Aufrichtigkeit, Redlichkeit und Gerechtigkeitssinn, vermisse ich bei den Veranwortlichen.

  4. Jochen sagt:

    Entscheidend ist nicht, was Hinz und Kunz diskriminieren könnte, entscheidend, ist was dem Staat nützt. Denn das dient der Allgemeinheit.