NSU-Komplex
Der staatseigene Untergrund
Warum wurden die zahlreichen Möglichkeiten nicht genutzt, die Terror- und Mordserie des NSU aufzuklären bzw. zu stoppen? Ganz offensichtlich haben andere Interessen überwogen. Welche das waren und was der NSU-Komplex mit der Fußball-WM zu tun hat, erläutert Geheimdienst-Experte Wolf Wetzel.
Von Wolf Wetzel Donnerstag, 17.07.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.07.2015, 0:14 Uhr Lesedauer: 15 Minuten |
Wenn man die Rolle des Staates beim Zustandekommen und Gewährenlassen des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) nicht als eine Serie von bedauerlichen und ganz individuellen Pannen begreifen will, stößt man auf viel Achselzucken und wenige Erklärungen.
Eine politische Analyse macht die verselbstständigten Geheimdienste für das Desaster verantwortlich: »Heute können wir nur ihr völliges Versagen [der Geheimdienste] feststellen, mindestens zehn Menschen könnten noch leben, wenn sie ihre Arbeit gemacht hätten. Die Dienste dienen nur sich selbst. Es ist darum richtig, sie aufzulösen.« 1
Eine andere Erklärung haben u.a. Prof. Hajo Funke und Micha Brumlik in einem beachtenswerten Kommentar eingebracht: Sie sehen einen ›tiefen Staat‹ am Werk -»samt seiner Wasserträger im Parlament … eine Sphäre jenseits des Rechtsstaates« 2
Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf? Unrast Verlag 2013/2. Auflage
Diese Erklärung bemüht sich, eine substanzielle Veränderung der Staatsgenese auszumachen, die sich nicht nur im Kontext des ›NSU-Skandals‹ zeigt.
Wenn Gladio 3 seit den 60er Jahren an allen parlamentarischen Institutionen vorbei über Jahrzehnte geführt wurde, dann muss man sich um die Beantwortung der Frage bemühen: Wer hat die politische Entscheidung – außerhalb der dafür vorgesehenen und legitimierten Dienstwege – getroffen?
Wer entscheidet, dass parlamentarische Institutionen obsolet werden? Kann man diese »Sphäre außerhalb des Rechts« sichtbar machen? Gibt es einen staatseigenen Untergrund, der auch dann noch existiert, wenn Gladio, wie durch die Bundesregierung bekannt gegeben, Ende 1991 »aufgelöst« wurde?
Im Folgenden geht es darum, diesen Thesen nachzugehen.
Die Geheimdienste haben sich verselbstständigt
In vielen Analysen wird die Rolle der Geheimdienste, also des BND und des Verfassungsschutzes, als wesentliche Ursache für die Nichtverfolgung des NSU, für die fortgesetzte Weigerung, die Terror- und Mordserie des NSU aufzuklären, verantwortlich gemacht. Diese Einschätzung wird durch zahlreiche Belege gestützt. Hinlänglich dokumentiert ist, dass der Verfassungsschutz Dutzende von V-Männern im Nahbereich des NSU ›geführt‹ hatte. Mehr noch: Es ist belegt, dass zahlreiche V-Männer des Verfassungsschutzes beim Aufbau eines neonazistischen Untergrundes beteiligt waren, also zur Konstituierung einer terroristischen Vereinigung beigetragen haben. Anstatt neonazistische Straftaten (in der Vorbereitung) zu verhindern, haben sie nachweislich dafür gesorgt, dass sie begangen werden konnten.
So wichtig es ist, diese Fakten zu benennen, so stellt sich doch die Frage, ob der Verfassungsschutz eigenmächtig, also ohne Zustimmung der übergeordneten Instanzen, jenseits parlamentarischer Kontrollgremien 4 gehandelt hat.
Tatsächlich fehlen für die Verselbstständigung der Geheimdienste die Belege. Dagegen ist über viele Jahre belegbar, dass diese Dienstwege im wesentlichen eingehalten wurden.
Oberster Dienstherr von Polizei und Geheimdienst ist das Innenministerium bzw. in besonderen Fällen das Bundeskanzleramt. Gibt es einen Konflikt zwischen Polizei- und Geheimdienstinteressen, und diese sind konstitutionell gewollt, trifft das Innenministerium eine Entscheidung. Wurde dieser Dienstweg im NSU-Komplex eingehalten? Nach allen, was vorliegt: ja. Eins von zahlreichen Beispielen aus der Anfangszeit:
Die Weigerung, die abgetauchten Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes festzunehmen, ist bis in das Jahr 2002 dokumentiert: »Vergangene Woche war in einer vertraulichen Sitzung des Thüringer Justizausschusses bekannt geworden, dass ein halbes Dutzend Aktennotizen aus der Zeit zwischen 2000 und 2002 existieren, laut denen das Innenministerium Festnahmeversuche verhindert hatte«, war in der Frankfurter Rundschau vom 8.12.2011 zu lesen.
Die Belege, dass in Bundesländern, wo die Terror- und Mordserie des NSU verübt wurde, die jeweiligen Innenministerien das letzte Wort hatten, unabhängig davon, ob sie von der CSU oder der SPD geführt wurden, sind zahlreich und fast lückenlos.
Der tiefe Staat
»Der faschistische Staatsrechtler Carl Schmitt brachte es auf den Punkt: ›Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet‹. Genau das wird mit der geplanten Reform der Sicherheitsbehörden faktisch erreicht. Indem V-Leute vor Strafverfolgung weitgehend geschützt sind, erhalten sie eine von außen unkontrollierbare Macht über einen rechtsfreien Ausnahmezustand. Ohne jede wirkliche Analyse der Mordserie und des staatlichen ›Versagens‹ wird ein Abgrund an geheimen Parallelstrukturen im Staat rechtlich etabliert.« 5
Dass auch dieser Staat geltendes nationales und internationales Recht bricht, ist mit Blick auf die Beteiligung und Initiierung von Kriegen fast schon Teil der Staatsraison, Bestandteil der seit Jahrzehnten geforderten ›Normalisierung‹ geworden. Wie z.B. der Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 oder – ganz aktuell – die aktive Unterstützung eines Putsches in der Ukraine, mit maßgeblicher Beteiligung faschistischer Kräfte.
- Nils Minkmar, Feuilletonchef der FAZ vom 20.11.2011
- TAZ-Kommentar vom 25.4.2014
- die Bewaffnung, Instruierung und Anleitung von Faschisten als staatsterroristische Reserve
- Parlamentarisches Kontrollgremium im Bundestag/PKG, G-10-Ausschüsse
- Prof. Hajo Funke, Jenseits des Rechts, S. 238/39, in: Geheimsache NSU, Zehn Morde, von Aufklärung keine Spur, Andreas Förster (Hg.), 2014
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„Ganz offensichtlich hat das Interesse überwogen, diese Morde als Beweis für eine wachsende Gefahr der ›Ausländerkriminalität‹, als Beleg für das Anwachsen ›Organisierter Kriminalität (OK)‹ zu nutzen. Gleichzeitig war das Bemühen groß, die Gefahren eines »gewaltbereiten Rechtsradikalismus« klein und die Bedrohung durch einen »rechtsterroristischen Untergrund« für gänzlich übertrieben zu halten.“
gott bewahre uns vor den damen und herrn , wenn sie zwar nicht aktiv , aber wissentlich einen anschlag von selbsternannten jihadisten ,zuließen um die ohnehin angeheizte lage und stimmung zumüberlaufen zubringen .
oder noch besse auf weisung aus washington um die nsa akzeptanz zuerhöhen .
„… gott bewahre uns vor den damen und herrn , wenn sie zwar nicht aktiv , aber wissentlich einen anschlag von selbsternannten jihadisten ,zuließen um die ohnehin angeheizte lage und stimmung zumüberlaufen zubringen .
oder noch besse auf weisung aus washington um die nsa akzeptanz zuerhöhen …“
PSSST! nicht alles verraten!
Was in Darstellung wider mal fehlt, ist der Hinweis darauf, dass es im Bundestag auch einen Verfassungsschutzausschuss gibt und wer die Parlamentarier waren, die während der NSU-Morde diesem Ausschuss angehört haben.
Es gibt noch ein paar Fragen, die ich Ihnen gerne Stellen möchte, Herr Wetzel:
Müssten, wenn die Verantwortung für den NSU-Komplex bei den Innenministern lägen, diese dann nicht vor Gericht gestellt werden? Würde der Tatverdacht dann „Beihilfe zum Mord“ lauten? Mit welcher Strafe müssten heutige und ehemalige Innenminister, Kanzleramtsvertreter und gar die Kanzlerin/der Kanzler rechnen? Wie kann der stellvertretende Ministerpräsident und Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir mit einem Bouffier eine Koalition eingehen?
Auf diese Idee, Volker, kann nur kommen, wer die BRD noch immer für einen Rechtsstaat irrtümlich hält. In einer korrupten Bananenrepublik müssen die Verantwortlichen nicht mit Strafen rechnen und wer immer noch glaubt, der Verfassungsschutz sei zum Schutz der Verfassung da oder ein Untersuchungsausschuss zur Untersuchung und ein Gerichtsverfahren zur Aufklaerung, der kann auch an den Weihnachtsmann glauben. Das sind alles nur Institutionen zum Vorspiegeln einer angeblichen Rechtsstaatlichkeit. Nachdem in einer konzertierten Aktion sämtliche relevanten Akten vernichtet wurden, können die leider, leider, allesamt nichts feststellen. Wie praktisch, nicht wahr. Wo der Staat leider, leider nichts untersuchen kann, weil der Staat leider versehentlich irrtuemlich dafuer gesorgt hat, dass man mithilfe von Aktenvernichtung, als es brenzlig wurde, nix untersuchen kann, wie praktisch, kann leider, leider auch keiner zur Verantwortung gezogen werden. So funktioniert in Deutschland der „Rechtsstaat“. Und ganz sicher nicht nur im Fälle der NSU.
Marianne: ein Land dessen Regierung aus allgemeinen geheimen und gleichen Wahlen hervorgegt als Bananenrepublik zu bezeichnen ist mehr als deplatziert
Freie und geheime Wahlen einer korrumpierten Politikerkaste durch ein medial bis zum Anschlag manipuliertes Volk als bestimmendes Kriterium für einen Rechtsstaat? Entweder, Sie haben keine Ahnung, was einen Rechtsstaat ausmacht oder Sie wollen hier mal so eben ein abwertendes Statement loswerden. Deplatziert ist eine Wertung, kein Sachargument. Ich warte gerne auf Sachargumente, die meine obigen Ausführungen zu den schweren und mit einem Rechtssaat unvereinbaren Missständen (wobei es sich nur um ein Beispiel unter unzähligen handelt) widerlegen. Oder haben Sie keine?
Marianne Für mich gehören freie allgemeine und geheime Wahlen durchaus zu einer Demokratie. Wenn Sie sich durch Medien oder was auch immer manipulieren lassen so ist das Ihr Problem. Ich bin der Meinung das die Bundesrepublik das beste Deutschland ist das wir je hatten oder wollen Sie zurück zu brauen oder roten Diktaturen?
Sie haben anscheinend Schwierigkeiten, meine, wie ich finde, sehr klar formulierten Beiträge zu verstehen. Dass freie und geheime Wahlen zu einer Demokratie und einem Rechtsstaat gehören, habe ich nicht in Abrede gestellt, es gehört da allerdings noch viel mehr dazu, was Sie komplett unter den Tisch fallen lassen. Ich habe auch nirgends behauptet, dass ICH persönlich manipuliert sei, drehen Sie freundlicherweise nicht den Inhalt meiner Worte um. Ihre persönliche Meinung ist leider kein Sachargument und auf meine Sachargumente ist Ihnen auch jetzt nichts eingefallen, was diese widerlegen würde. Die zuletzt angefügte Frage ist eine Unterstellung, mit der Sie Sachargumenten ausweichen. Ich habe jedenfalls nirgends auch nur ansatzweise verlauten lassen, ich wolle braune oder rote Diktaturen. Somit ist das ein rein populistisches Ablenkungsmanöver Ihrerseits.
Marianna, aka Marie, verdreht mal wieder den Leuten die Wörter im Mund… Marianne, gibt es auf der Welt irgendwo einen Rechtsstaat, der Ihnen genehm ist? Halten Sie zum Beispiel die Türkei mehr für einen Rechtsstaat als Deutschland? Sie feuern ja pausenlos und in jedem Artikel gegen Deutschland. Gibt es irgendwas, was Sie hier in Deutschland überhaupt gut finden?