Essay
Ein Burka-Verbot ist kontraproduktiv!
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden: Das seit 2011 in Frankreich geltende Burka-Verbot ist rechtens. Eine Muslimin hatte geklagt, weil sie sich dadurch diskriminiert fühlte – Khola Maryam Hübsch kommentiert das Verbot.
Von Khola Maryam Hübsch Montag, 21.07.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 23.07.2014, 0:06 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Was soll das Burka-Verbot anderes sein als Symbolpolitik? Entstanden in einem Klima von Islamfeindlichkeit dient das Gesetz vor allem dazu, Klientelpolitik zu betreiben und antimuslimische Ressentiments zu schüren. Denn auch wenn die große Mehrheit der Muslime die Burka ablehnt und es keine theologische Grundlage für diese Art der Totalverschleierung im Koran gibt, steht die Burka für die böse Form des Islam. Sie steht für das Fremde, das einhellig abgelehnt wird und in die Schranken gewiesen werden muss.
Ein Verbot wird dann zur Machtdemonstration im Kampf um die Leitkultur, das der Reviermarkierung dient: Mit uns nicht, soll es sagen, wir bestimmen, wo es langgeht. Auch wenn die Burka von jedem vernünftigem und aufgeklärtem Menschen abgelehnt werden muss – soviel ist Konsens – stellt sich doch die Frage, was ein Verbot bewirkt. Es ist nicht, was es vorgibt zu sein: Weder erleichtert das Burka-Verbot die Integration in die Gesellschaft noch führt es zu mehr Geschlechtergerechtigkeit. Das Gegenteil ist der Fall. Denn unter den überschaubar wenigen Fällen von Frauen, die das Verbot berührt, gibt es eine Reihe von überzeugten Gesichtsschleierträgerinnen, darunter auch die Klägerin. Sie tragen keine Burka, sondern den sogenannten Nikab, einen Schleier, der nur die Augen frei lässt, und konnten glaubwürdig darlegen, dass sie ihren Nikab freiwillig tragen. Es mag sein, dass dies schwer nachzuvollziehen ist, doch Aufklärung und Säkularisierung bedeutet nun einmal das Recht auf Selbstbestimmung und Autonomie, das nicht beschnitten werden darf, solange die Rechte anderer nicht verletzt werden.
Es gibt kein Grundrecht, das Gesicht seiner Mitbürger zu sehen – für Sicherheitskontrollen müssen Ausnahmen gelten. Doch das so schwer erkämpfte Recht auf Selbstbestimmung und Gewissensfreiheit ist ein derart hohes Gut, dass seine grundsätzliche Verletzung aufgrund einer Randerscheinung unverhältnismäßig ist. Die Angst, dass das Burka-Verbot zu einem Einfallstor für die Beschneidung weiterer religiöser Rechte wird, erklärt die empfindlichen Reaktionen mancher Muslime in Frankreich. Zumal ein Verbot den wirklich unterdrückten Frauen nicht weiterhilft. Denjenigen Frauen, die dazu gezwungen werden, eine Burka zu tragen, sind nun vermutlich die letzten Chancen auf ein Ausbrechen durch Kontakt mit der Außenwelt genommen.
Was also soll ein Burka-Verbot? Und wem nützt es? Ist eine pluralistische, liberale Gesellschaft nicht in der Lage die wenigen Grenzfälle auszuhalten, die am Rande auftauchen? Ob es der ganzkörpertätowierte Punk ist oder der Freak mit 100 Piercings – es gehört zu einer freiheitlichen Kultur dazu, das zu ertragen, auch wenn es nicht gefällt. Ja, ein Gesichtsschleier wirkt auf die meisten Menschen (in Europa) befremdlich. Der Hauptgrund, das Burka-Verbot Frankreichs zu akzeptieren, ist – so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)- der Umstand, dass geltende Normen des Zusammenlebens verletzt werden. Dieser Logik zufolge bestimmt die Mehrheit, wie sich eine Minderheit zu kleiden hat. Der Politikwissenschaftler Rainer Forst fragt daher zu Recht: „Leben wir in einer politischen Gemeinschaft, in der die „Hausordnung“ der Konvention oder der Mehrheit gilt, oder leben wir in einer Gesellschaft, die sich den in den Grundrechten manifestierten Gerechtigkeitsprinzipien so verpflichtet weiß, dass sie Minderheiten als Gleiche respektiert und sie zugleich verschieden sein lässt?“
Die Denkweise, die dem Burka-Verbot zugrunde liegt, führt letztlich zu einer Tyrannei der Mehrheitsnormen, die die muslimische Minderheit diskriminiert. Ganz konkret äußert sich dies in Deutschland darin, dass Frauen mit Kopftüchern in einigen Bundesländern nicht unterrichten dürfen, während die Nonne mit der Haube nicht vom Kopftuchverbot betroffen ist, weil es für sie Sonderklauseln gibt. Verträgt es sich etwa mit einem universellen Rechtsverständnis, Sondergesetze für bestimmte Bevölkerungsgruppen zu erlassen? Wie wirkt diese offensichtliche Ungleichbehandlung? Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung sieht im muslimischen Kopftuch ein politisches Symbol für die Unterdrückung der Frau, obwohl es empirische Studien gibt, die belegen, dass kopftuchtragende Frauen in Deutschland sich aus religiösen Gründen verschleiern und darin keinen Widerspruch zur Gleichstellung der Geschlechter sehen.
Doch die Fremdwahrnehmung der Mehrheit reicht, um die nicht belegbare Behauptung aufzustellen, das Kopftuch verletze demokratische Prinzipien. Gehört es nicht gerade zu jeder guten demokratischen Erziehung, den Mainstream kritisch zu hinterfragen? Ja, es erfordert auch Selbstbewusstsein und Mut sich selbstbestimmt gegen herrschende Normen für ein Kleidungsstück zu entscheiden, das von der Majorität derart stereotyp wahrgenommen wird. Wird das Kopftuch aus Liebe zu Gott getragen, erklärt das, woher die Freiheit kommt, seiner Überzeugung trotz Diskriminierungsgefahr treu zu bleiben. Symbolpolitische Scheindebatten dagegen, die in Hau-Ruck-Mentalität Verbote als Lösungen präsentieren, erkennen dies nicht an, sondern signalisieren Ausgrenzung. Was wirklich helfen würde? Die Einsicht, dass unsere religionspolitische Ordnung sich angesichts der Pluralisierung unseres Landes verändern muss. Wenn es islamischen Religionsunterricht und eine Islamlehrer-Ausbildung gibt, hilft das, ein Islambild jenseits der Scharfmacherversion mit Burka zu vermitteln. Das Kopftuchverbot für Lehrerinnen verhindert dies.
Es gibt derzeit zu wenige muslimische Lehrer, die mit einem qualifizierten (Islam)unterricht dazu beitragen könnten, dass die Identitätsbildung und Integration junger Muslime gelingt und Extremisten keine Aussicht auf Erfolg haben. 90 Prozent der Studentinnen des Studiengangs, der Lehrer für den islamischen Religionsunterricht ausbildet, tragen ein Kopftuch und können anschließend nicht in das Berufsleben einsteigen. Gerade sie könnten eine Brücke bilden, werden aber seitens des Staates durch Verbote ausgegrenzt und werden nicht nur im öffentlichen Dienst sondern auch in der Privatwirtschaft benachteiligt, wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beklagt. Diese Frauen sind ein Symbol für die Konsequenzen der Islamdebatten: Ressourcen bleiben ungenutzt und werden vergeudet, weil das Fremde als störend empfunden wird. Verbote verschärfen das Problem, sie lösen es nicht. Es ist nicht die Burka, die den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet – es ist das Burka-Verbot, in dem sich machtpolitisch die Zurückweisung einer Mehrheitsgesellschaft manifestiert, die sich ihrer Überlegenheit durch die Stigmatisierung der vermeintlich rückständigen Minderheit versichert. Diese paternalistisch-herablassende Grundeinstellung gefährdet das gesellschaftliche Miteinander, denn sie gibt Extremisten beider Lager neuen Auftrieb. Aktuell Meinung
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Ich sehe nicht, @ Hubert Mendelei, inwiefern es die Würde einer Frau beschädigen solte, wenn Sie sich freiwillig in Kleidungsstücke Ihrer Wahl kleidet. Ebenso wird auch nicht jegliche Kommunikation unterbunden, wenn (ein paar wenige, übrigens) Frauen ihr Gesicht verhüllen. Jede Kommunikation wird unterbunden, wenn diese Frauen aus der Öffentlichkeit verbannt werden.Im Übrigen sehen die Gesetze auch keine Zwangskommunikation vor und es muss immer noch jedem einzelnen selbst überlassen bleiben, mit wem er freiwillig kommunizieren möchte, mit wenigen Ausnahmen. Ich sehe auch nicht, weshal Sie Ihre Identität verleiren sollten, wenn ein paar Frauen sich Ihrer Identität und den darauf basierenden Zwansvorgaben nicht anschließen wollen. In einem demokratischen Rechtsstaat hat jedes Individuum das Recht auf seine eigene Identität. Mir ist noch nie ein Kind begegnet, dass sich sor dem Anblick einer Burkaträgerin gefürchtet hätte und selbst wenn, wäre es für die Erzieher ein Leichtes, dem Kind in einfachen Worten zu erläutern, dass keinerlei Gefahr besteht. Ihre sämtlichen „Argumente“ sind nur vorgeschoben, in Wirklichkeit geht es allein darum, dass hier mit an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen verlangt wird, dass ein jeder sich zwangsweise in der „Leitkultur“ zu assimilieren hat. Wer übrigens eine echte Identität hat, der fühlt sich nicht bedroht, wenn sich nicht einjeder zwangsassimiliert. Menschen mit echter Identität können das „Fremde“ problemlos aushalten.
Inwiefern ein paar Verschleierte unserer Gesellschaft angeblich schaden, ist leider nicht ersichtlich. Sie stützen diese Behauptung ausschließlich auf subjektive Meinung und subjektiven Eindruck, die aus obigen Gründen vollkommen irrational und nicht objektivierbar sind und keineswegs auf belegbare Fakten.Letztlich basieren Ihre Behauptungen m.E. auf sarrazynischem Gedankengut. Verschleierte Frauen mit Hooligans zu vergleichen, mit welcher fadenscheinigen „Begründung“ auch immer, ist absolut unerhört. Damit schaden SIE dem gesellschaftlichen Miteinander.
Hier hat niemand die Idee des Zusammenlebens in Frage gestellt, das tun vielmehr diejenigen, die verschleierte Frauen an den heimischen Herd verbannen wollen.
Krass, dass Sie in der zwangsweisen Verbannung „eines Stückchens Stoff“ und der Verbannung der Trägerinnen von „einem Stückchen Stoff“ aus dem öffentlichen Leben einen angeblichen Beitrag zum Zusammenleben erblicken wollen. Wer andere zwingt, sich den eigenen Vorstellungen zu unterwerfen, und das ohne zwingenden Grund, verhindert ein Zusammenleben. Exakt das ist es, was die Mehrheitsgesellschaft der Sarrazinanhänger betreibt: Aufzwingen der eigenen kulturellen Regeln, Verbannung desjenigen, der sich nicht unterwirft aus dem öffentlichen Leben, Verhinderung und Kampf gegen ein Miteinander aus reinem Dominanzstreben, die jegliche Abweichung mit Gewalt bekämpft. Verbote von Abweichungen, von denen keine Gefahr ausgeht, sind Gewalt einer Mehrheit gegen die Minderheit.
@Hubert Mendel
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Diese Frage wurde doch dem EGMR gestellt und er hat sie beantwortet.
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Wie schon mehrfach gesagt, der EMGR hat die gestellte Frage nicht beantwortet, sondern sich mit einer völlig anderen Fragen beschäftigt. Weil Ihnen ständige Wiederholungen im Kommentarbereich lästig sind, verweise ich auf entsprechende Beiträge von mir.
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Die Schranken sind da wo die “Idee des Zusammenlebens” gestört wird.
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Auch das wurde mehrmals im Kommentarbereich wiederholt. Eine Idee des Zusammenlebens existiert als Schranke im Grundgesetz nicht.
@ Matthias
Ihre Einstellung, nach der die Mehrheit einer Minderheit angeblich Ihren Willen aufzwingen darf, ebenso, wie eine, sehr vorsichtig ausgedrückt, fragwürdige Einstellung zu den Grundrechten, mit denen Sie sehr offensichtlich auf Kriegsfuss stehen, jedenfalls, wenn es um Ihnen missliebige Minderheiten geht, entlarvt sich u.a. auch hervorragend an diesem Satz:
„Ist die Einschränkung der Religionsfreiheit der Betroffenen am Verhältnis zur Gesamtbevölkerung denn derart gravierend? Wie viele der 2.000 Burkaträgerinnen in Frankreich machen dies denn freiwillig?
Selbst wenn es alle 2.000 Frauen freiwillig täten, dann wären dies bei 65.000.000 Einwohnern dort 0,003 % der Gesamtbevölkerung, die benachteiligt wären. Und das ist also laut Autorin Tyrannei?“
Es ist völlig unerheblich, ob das 1000, 2000 oder auch nur eine Burkaträgerin ist, die Grundrechte gelten nämlich für jedes einzelne Individuum uneingeschränkt und Ihre Mengenbetrachtungen sind hier völlig fehl am Platz. Tyrannei wäre es selbstverständlich auch dann, wenn das nur eine einzige Schleierträgerin wäre, die derart von der Mehrheit tyrannisiert wird.
Im Übrigen sind Gerichtsurteile, welcher Art auch immer, keineswegs ein Garant für Rechtskonformität. Die Gerichte sind keineswegs unfehlbar, davon zeugen Massen von Fehlurteilen, und zudem vom Zeitgeist sehr wohl beeinflusst. Was Sie „glauben“, ist kein Sachargument. Anders gesagt: Glauben ersetzt keine Sachargumente. Und stichhaltige Sachargumente habe ich leiider noch keine gelesen, obwohl Sie doch andauernd gebeten wurden, solche zu benennen.
@Hubert Mendelei: „Die Würde der Frau wird beschädigt, jegliche Kommunikation wird unterbunden, Identitätsverlust unserer Gesellschaft und unseres Miteinanders, Kinder die sich fürchten und eine nicht akzeptable visuelle religiöse Dominanz.“
Die Würde der Frau kann nicht beschädigt sein, wenn diese sich selbst verschleiern möchte. ICh halte es nicht für würdevoller, wenn Herren leichterbekleideten Damen ins Dekoltee blicken können. Genauso wenig sehe ich die Würde der Frau gewahrt, wenn sie in der Werbung als halbnacktes, verführerisch posierend Wesen dargestellt wird. Da der Niqab (umgangssprachlich falsch Burka) nur das gesicht bedeckt, nicht aber den Mund knebelt, ist eine Kommunikation mit diesem Kleidungsstück möglich. Selbst essen funtioniert (wenn auch anders als wir das kennen). Hinsichtlich des Identitätsverlustes halte ich Nichtverschleierte oder auch Nichtmuslime für durchaus kompetent genug, nicht im Angesichts einer einzigen Gesichtsverschleierten gleich die eigenen Identität zu verlieren, völlig identitätsleer durch die Straßen zu schleichen auf der Suche nach einer Moschee, damit man dort den sofortigen Glaubenswechsel vollziehen kann, weil man gerade einer Gesichtsverschleierten begegnet ist und nun keine Identität mehr hat. Entschuldigen Sie, dass ich das hier so humoristisch aufziehe. Aber die Identität entwickelt sich im Laufe unseres Lebens. Sie braucht Zeit, um zu entstehen (Kindes- und Jugendalter) und sie braucht auch Zeit für eine Veränderung. Einen Verlust an ihr kann man als gesunder und nicht geistig erkrankter Mensch eigentlich überhaupt nicht erleiden. Natürlich kann sich die Identität auch verändern, aber das passiert in einem natürlichen Ablauf und zwar auch dann, wenn in Deutschland gar keine Gesichtsverschleierten zu sehen wären oder Muslime unter uns leben würden. Wenn wir anderen Menschen aus anderen Kulturen, mit anderen religiösen Einstellungen oder uns unbekannten Lebensweisen begegnen, dann lassen wir uns nicht nur auf das Andere ein, sondern wir geraten auch in einen Prozess der Selbstreflexion. Das Arbeiten an sich selbst wird dabei von einigen Individuen unserer Spezies als anstrengend, gar als verwirrend empfunden. Diesen Prozess machen auch die hier lebenden Zuwanderer (egal ob muslimisch, verschleiert, christlich orthodox….usw.) durch.
Das Miteinander wird nicht zerstört, aber es wird verändert. Die Konfrontation mit dem „Unbekannten, dem Anderen“ stellt auch Herausfoderungen an die Mehrheitsgesellschaft. Muslime müssen bei sommerlichen Temperaturen tolerieren, dass es Menschen in ihrem Umfeld gibt, die sich leichter kleiden oder im Ramadan vor ihren Augen essen und trinken und für die das Gottesverständnis eine andere oder gar keine Rolle mehr spielt. Die Mehrheitsgesellschaft muss ihrerseits verstehen, dass es auch andere Lebensentwürfe gibt, die Bestandteil des Miteinanders in Deutschland sind. Ein Miteinander ist also mit und ohne Gesichtsschleier möglich.Möglich ist aber auch, dass ich als Individum (egal ob Muslim oder nicht) nicht an diesem Miteinander teilhaben möchte; das ich keine Freunde haben will und auch keinen Spass habe einem Spaziergang im Park. Ich kann die Kosumgesellschaft ablehnen und mir aus Sperrmüll neue Möbel zusammensetzen; ich kann bewußt auf ein Handy und auf einen Fernseher verzichten; ich kann Kinos nicht mögen und Gespräche mit meinen Nachbarn ablehnen und vieles mehr. Es gibt leider keinen Zwang zur Gemeinschaft oder zum Teilen einer Idee des Miteinanders.
Das Kinder sich fürchten halte ich für möglich. Erwachsene halte ich für aufgeklärt genug, dass sie das einschätzen können.
Eine visuelle religiöse Dominanz können auch kirchliche Gotteshäuser darstellen oder Anhänger von Sientology die Werbung in der Fussgängerzone verteilen. Das können auch Sikhs sein, die einen Turban tragen und sich aus religiösen Gründen die Haar lang wachsen lassen und auf den Verzehr von tierischen Produkten verzichten. Es kann aber auch die Dame sein, die bei uns mir einem großen Kreuz über die Straßen läuft und „Jesus rettet“ ruft. Kurzum: es gibt im Alltag religiöse Symbole und auch Symbolik, die wir für vermeintlich religiös halten. Symboliken haben aber keinerlei hinderlichen Einfluss auf unserer persönliches Leben, sie fügen uns im Allgemeinen keinen körperlichen Schaden zu und selbst wenn ich den Sinn hinter einer solchen Symbolik nicht verstehe, kann es mir in meinen Alltag nicht schaden, ein solches zu entdecken.
@ Hubert Mendelei: „Eigentlich krass, dass man doch tatsächlich den Zusammenhalt einer Gesellschaft eher in Frage stellt, als ein Stück Stoff!
Grundsätzlich existiert die “Idee des Zusammenlebens”, die Alternativen dazu wären nämlich aneinander vorbei leben oder gegeneinander leben. Dass manche das tun und als selbstverständlich halten ist mir bewusst, deshalb hatte Sarrazin ja auch einen solchen Erfolg mit seinen Büchern.“
Es wird nicht der Zusammenhalt der Gesellschaft in Frage gestellt, wenn jemand ein Kopftuch oder eine Gesichtsverschleierung trägt. Genauso wenig wird der Zusammenhalt gefährdet, wenn einige Individuen den Zusammenhalt ablehnen und sich der Gesellschaft nicht zugänglich zeigen. Dass betrifft nicht die Gesichtsverschleierten sondern eben auch jene, die aus persönlichen oder psychischen Gründen keinen Kontakt zur „Außenwelt“ wollen. Manchmal gibt es auch die Herausforderung, dass Menschen teilhaben wollen, aber auf Schwierigkeiten treffen, weil sie wegen ihrer religiösen, weltanschaulichen, sexuellen Orientierung, des Geschlechtes oder wegen körperlicher Einschränkungen durch die Gesellschaft and einer Teilhabe gehindert werden. Bis heute ist es nicht selbstverständlich, dass ein Mensch mit Behinderung einen gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben zusammen mit Nichtbehinderten KollegInnen bekommt. Es ist auch nicht selbstverständlich das deutsche, nichtmuslimische Transsexuelle eingestellt werden. Unserer Gesellschaft hat ein Problem mit dem „Anderssein“; das „Andere“ wird als Bedrohung des eigenen Selbst verstanden. Und nur in den wenigstens Fällen haben die „Anderen“ ein Problem mit uns „Anderen“!
Ein Aneinandervorbeileben ist möglich, selbst Ehepaare bekommen das hin…;-) Nachbarn sowieso…..Solange es Respekt voreinander gibt, kann man das Nichtzusammenleben bedauern; es schadet dem einzelnen aber nicht, wenn sich beide Seiten damit abfinden können und das Aneinandervorbeileben auf der Basis der geltenden Rechtsordnung geschieht.
Herr Sarrazin hatte mit seinem Buch Erfolg, weil er sich traute auszusprechen, was andere nur heimlich dachten. Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamhass sind latent in der deutschen Gesellschaft vorhanden; nicht nur bei den Randgruppen, sondern eben auch mitten in der Gesellschaft. Sarrazins krude Thesen sind mehrfach widerlegt worden; auch seine wissenschaftliche Ungenauigkeit. Da Muslime kaum politische und gesellschaftliche Lobby in der BRD geniessen, konnte dieses Buch überhaupt auf den Markt kommen. Würde man die Wörter Muslim und Islam durch Jude und Judentum austauschen, hätte man Herr Sarrazin sicherlich zu Recht der Volksverhetzung und des Antisemitismus bezichtigt und das Buch wäre aus dem Handel genommen worden.
@Hubert Mendelei: “ Wer die Idee des Zusammenlebens in Frage stellt, versteht nicht was Integration heißt und was von ihm verlangt wird! Die Burka ist die in Kleider gegossene Anti-Integration und ein Importprodukt aus einem Land, dessen Gesellschaftsform und Werte wir hier zutiefst ablehnen!“
Integration heißt nicht, seine eigenen Überzeugungen ablegen zu müssen. Integration verlangt auch der Mehrheitsgesellschaft etwas ab. Sie richtet sich nicht nur an die Zugewanderten, sondern fordert auch die gesellschaftliche Bereitschaft ein, andere Lebensstile in das Leben in Deutschland zu integrieren und den Einzelindividuen aus diesen Gruppen eine geleichberechtigte Teilhabe am Leben zu ermöglichen. Wenn Sie „Anderseingestellte“ ablehnen und diese auffordern, Ihren Gusto zu folgen, dann nennt man das Assimilation. Integration fordert die Zugewanderten lediglich auf, sich mit dem Alltag, den Regel und Gesetzen sowie den strukturellen Abläufen vertraut zu machen und die deutsche Sprache zu erlernen, um besser Teilhaben zu können. Es wird jedoch nicht gefordert, seinen Glauben und was man als diesem zugehörig betrachtet aufzugeben (sofern er nicht gegen deutsche Gesetze verstösst). Im öffentlichen Raum ist eine Gesichtsverschleierung nicht verboten. Ausnahmen gelten nur für Demonstrationen und Großveranstaltungen wie z.B. Fussballspiele.
Zudem tragen sehr viele deutsche Konvertitinnen eine solche Gesichtsverschleierung. Diese sind keine Zuwanderer und man kann ihnen schlecht „Desinteresse an Integration“ vorwerfen. Sie haben sich bewußt für einen bestimmten Lebensweg entschieden, den wir vielleicht nicht teilen mögen. Ihr Gesichtsschleier ist aber kein Exportprodukt, sondern Made in Germany. Wir müssen verstehen, was Vielfalt heißt und wir müssen verstehen, dass diese Diversität keine Bedrohung der eigenen Werte ist. Deutschland ist keine einsame Insel, sondern ein Land, indem vielfältige Lebensweise die Gesellschaft gestalten.
@aloo masala:
@Saadiya:
@Marianne:
Ich respektiere Ihre Meinung, aber es ist nunmal nicht die Meinung vom EGMR und vieler anderer Menschen die in Deutschland und Europa leben. Die meisten Menschen in Europa haben nunmal ganz offensichtlich eine andere Vorstellung vom Leben, vom miteinander Leben und was die Integration von Einwanderern (und die Definition dieses Begriffs) betrifft, das müssen Sie wiederum respektieren und es wird sich am Ende immer eine Meinung durchsetzen und ob es nun gefällt oder nicht, aber es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Meinung der Mehrheit sein. So funktioniert nunmal Demokratie! Alles andere wäre noch weniger akzeptabel. Es wird auf Minderheiten Rücksicht genommen, aber man wird sich von Ihnen nicht in jedem Punkt blockieren lassen können.
Was Sie oder ich hier schreiben ist nicht richtig oder falsch, es ist nur eine Meinung. Ob es richtig oder falsch ist wird an ganz anderen Orten von ganz anderen Menschen mit ganz anderen Qualifikationen entschieden und das widerum müssen wir alle akzeptieren.
Man sollte jetzt auch nicht so tun, als ob man den Islam an sich verboten hätte, sondern lediglich ein, sogar unter Muslimen, höchstumstrittenes Kleidungsstück! Mir kommt es teilweise vor, als würden Minderheiten, allein wegen ihres Minderheitenstatus als Unantastbar gelten, aber das ist nicht der Fall! Wenn, Sie Saadiya selbst schreiben, dass selbst von der Mehrheitsgesellschaft etwas abgefordert werden darf (was ich nicht bezweifle), warum denn nicht auch von Minderheiten? Ist es denn nun objektiv betrachtet ein derart tiefgreifendes Verbot? Nein, finde ich nicht! Man schützt den Islam auf die Art uns Weise sogar vor weiterer negativen Presse, denn auch wenn wir alle gerne mal träumen und ins ideologische abrutschen so sieht es in der Realität so aus, dass die Burka in Europa niemals akzeptiert werden würde! Ich könnte Ihnen noch ein dutzend andere kulturelle Besonderheite aufzählen aus anderen Ländern, die man hier nicht akzeptieren würde.
Vielfalt ist OK, aber es ist nur ein Mehrwert, wenn wir alle auf den gleichen gesellschaftlichen Grundlagen miteinander leben. Es gibt in Europa meiner Meinung nach eine Leitkultur, die es anderen Kulturen ermöglicht hier friedlich miteinander zu leben und diese ist das Fundament unserer Gesellschaft. Und man sollte nicht so tun, als ob es hier toleranter zugehen würde, wenn es diese Leitkultur nicht geben würde. Ganz im gegenteil!
@ Hubert Mendelei: „Vielfalt ist OK, aber…“
Vielfalt ist okay ohne aber….es gibt in der Tiewelt auch eine Vielfalt bei Schmetterlingen, aber müssen sich die bunten Schmetterlinge den einfarbigen anpassen, weil…..????
@ Hubert Mendelei: „Es gibt in Europa meiner Meinung nach eine Leitkultur,…“
Es gibt keine europäische Leitkultur. Europa ist geprägt durch vielfältige Nationen, Lebenweisen, Wertvorstellungen und Traditionen. Es gibt keine europäische Sprache….jedes Land hat seine eigene Gesetzgebung…Europa ist lediglich ein auf wirtschaftlichen Interessen beruhender Zusammenschluss von Staaten, die – auf den Einzelstaat bezogen – ganz unterschiedlich entwickelt sind.
@ Hubert Mendelei: „Mir kommt es teilweise vor, als würden Minderheiten, allein wegen ihres Minderheitenstatus als Unantastbar gelten…“
Minderheiten und Mehrheiten steht es frei, sich im Rahmen der geltenden Gesetze frei entfalten zu dürfen. Der Staat hat dieses Recht zu schützen. Es obliegt weder dem Staat noch der Mehrheitsgesellschaft darüber zu entscheiden, was eine Minderheit für sich als verbindlichen Bestandteil der Religion betrachtet.
@ Hubert Mendelei:“Man schützt den Islam auf die Art uns Weise sogar vor weiterer negativen Presse….“
Das wage ich zu bezweifeln. Der Islam ist ein beliebtes Thema, das auch ohne Gesichtsverschleierungen negative Presse in Lkw-Ladungen vor die Haustüre geliefert bekommt. Es ist unsinnig zu behaupten, man würde den Islam vor negativer Presse schützen, indem man ihn ein Korsett überstülpt, dass Nichtmuslime – oft eben jene Negativler – aus ihrem eigenen Gutdünken angefertigt haben. Der Islam ist in sich schon so vielfältig, dass sich auch ohne Schleier noch zahlreiche Dinge finden lassen, die dem ein oder anderen Mehrheitenverteter nicht gefallen mögen.
@ Hubert Mendelei:“Wenn, Sie Saadiya selbst schreiben, dass selbst von der Mehrheitsgesellschaft etwas abgefordert werden darf (was ich nicht bezweifle), warum denn nicht auch von Minderheiten?“
Ja, auch diesen wird etwas abgefordert und das schrieb ich bereits im post auf welches Sie sich hier beziehen. Die Anforderung an Neuzuwanderer besteht, sich in einem fremden Land zu orientieren, sich über die Abläufe und den Alltag zu informieren, das Rechtssystem zu kennen und die Sprache zu erlernen; damit einen uneingeschränkte Teilhabe ermöglicht werden kann, wenn sie denn beabsichtigt ist. Viele Neuzuwanderer tun dies heute schon ganz selbstverständlich. Integration beinhaltet aber nicht, dass ich meinen Glauben oder meine persönliche Lebenseinstellung über Bord werfen muss, nur um der Mehrheit zu gefallen. Menschen mit schwarzer Hautfarbe können sich auch nicht weiß färben nur damit sie optisch besser zu den Deutschen passen und unter diesen nicht auffallen.
@ Hubert Mendelei „Die meisten Menschen in Europa haben nunmal ganz offensichtlich eine andere Vorstellung vom Leben, vom miteinander Leben und was die Integration von Einwanderern (und die Definition dieses Begriffs) betrifft….“
Stimmt. Es gibt auch Staaten ohne Burkaverbote im öffentlichen Raum, Deutschland zum Beispiel oder Großbritanien. Das eine nicht näher definierbare Zahl von Menschen andere Vorstellungen vom Leben haben ist mir durchaus bewußt, es bedeutet aber nicht, dass sich die Minderheit einer Mehrheit anpassen muss. Der Begriff der Integration ist wissenschaftlich definiert, ebenso wie das Rot ein Rot ist und kein Blau. Wie ich andeutete, ist die Mehrzahl der Niqabträgerinnen ( es ist keine Burqa) in Deutschland, aber auch in Frankreich gar nicht zugewandert, sondern sie sind Einheimische. Welche Integration, selbst in Ihrem Sinne, könnte man von Einheimischen im eigenen Vaterland denn erwarten???
Die Menschenrechte, Herr Mendelei, sind nicht beliebig und hängen nicht von Meinungen ab.
@ Hubert Mendelei: „….es wird sich am Ende immer eine Meinung durchsetzen und ob es nun gefällt oder nicht, aber es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Meinung der Mehrheit sein. So funktioniert nunmal Demokratie! Alles andere wäre noch weniger akzeptabel. Es wird auf Minderheiten Rücksicht genommen, aber man wird sich von Ihnen nicht in jedem Punkt blockieren lassen können.“
Sie werden doch gar nicht von Minderheiten in Ihrer eigenen Lebensweise blockiert. Sie können doch nach wie vor ihre Lebens- oder Glaubensvorstellungen für sich selbst verwirklichen. Kein Muslim, keine Gesichtsverschleierte hindert sie daran. Mehrheiten – und Minderheitenprinzipien, wie sie sie oben zitierten, betreffen hier eher die politischen Entscheidungen. Dort kann sich die Idee der Mehrheit meist durchsetzen. Aber Demokratie im gesellschaftlichen Sinne bedeutet nicht, dass die Mehrheit entscheidet, wie die Minderheiten zu leben und zu denken hätten. Demokratie würde hier bedeuten, dass sowohl Mehr- als auch Minderheiten an der Gesellschaft teilhaben können. Es wurde bedeuten, dass alle sich einbringen können und daraus eine gesellschaftliche Entwicklung resultiert, die den Gegebenheiten (jeder 5. Mensch in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, davon stammen etwa 60% aus anderen europäischen Staaten, 45 % der Muslime in Deutschland haben eine deutsche Staatsbürgerschaft, der Islam ist nach dem Christentum die Glaubensrichtung mit den zweitmeisten Anhängern) rechnung trägt. Wirtschaftsunternehmen haben die Chancen dieser Vielfalt erkannt und setzen ganz bewußt Diversity Strategien in ihren Unternehmen ein.