Die Banalität des Bösen
Nahost-Konflikt, Rassismus und Deutschland
Ich habe lange überlegt, wie ich meine Streitschrift schreibe. Aber dann hab ich mir gesagt ‚warum zensieren’? Warum überlegen, wie was zu formulieren ist für einen deutschen Kontext? Ich habe mich bewusst entschieden, keine sachlichen Argumente zu vertreten.
Von Anna-Esther Younes Montag, 28.07.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 09.01.2017, 22:41 Uhr Lesedauer: 43 Minuten |
Jedes Mal, wenn die Gewalt in Nahost eskaliert, verringert sich meine Facebookfreundesliste. Ich lösche einfach die, die sich als „Post-Zionisten“ 1 oder „Vermittler“ verstehen und dann Verständnis bekundend Nachrichten von Zuflucht suchenden Israelis posten: Nachrichten, in denen zu 99 % nie jemand stirbt 2. Oder die, die immer ausgewogen sein wollen, die andere Seite mit bedenken. 3 Die Asymmetrie der Konfliktführung und des angerichteten Schadens wird mittlerweile sogar im Morgen Magazin auf der ARD von Journalisten wie Jürgen Todenhöfer hervorgehoben, der noch vor Kurzem durch Gazas Tunnel gehen musste, weil das Land „hermetisch abgeriegelt ist“. 4 Als Journalist hebt er die deutsche Medienlandschaft hervor, die schweigt über die palästinensische Seite des Konfliktes und dessen brutale Asymmetrie: Er beschreibt, wie Menschen in Gaza mittlerweile einfach zu Hause bleiben, nachdem das Militär sie auffordert ihre Häuser zu verlassen – sie nehmen es in Kauf bombardiert und getötet zu werden, weil sie eh kaum noch Fluchtmöglichkeit haben. 5 Mittlerweile wurde der Hälfte der knapp zwei Millionen Bewohnern vom israelischen Militär mitgeteilt zu fliehen – wohin weiß niemand so genau. 6
Anfangs war ich noch so ‚nett’ und habe die versteckten oder offenen „Pro Zionisten“ noch als unterschiedliche „Meinung“ stehen lassen, basierend auf einem Verständnis von Demokratie oder Pluralität – eh alles nur Wörter, deren Prekarität uns anscheinend nicht mehr bewusst ist. Kein Grund jemanden von Facebook zu löschen, dachte ich mir. Mensch muss ja irgendwie damit leben. Aber das ist jetzt vorbei. Ich war tatsächlich mal so naiv und dachte, dass es so was gibt wie Hoffnung, Empathie und ein objektives Verständnis für „unverhältnismäßige Gewaltanwendung“. 7 Israel taumelt gerade orgasmatisch 8 (siehe Facebook Screenshot unten), beim Grillen und mit viel Bier beim Pick-Nick auf den Hügeln vor Gaza, in den Faschismus und wir schauen alle zu. 9 Laut Prof. Goldberg möchte Israel die totale „Unterwerfung der Palästinenser“ 10 – und der Western nickt es ab: „PalästinenserInnen sollen gehorchen oder ausreisen“. 11 Doch bevor über Themen wie Vertreibung, ethnische Säuberung und Unterdrückung der PalästinenserInnen gesprochen werden kann, scheint es so, als müsste erst das Problem des Antisemitismus gelöst werden – jedenfalls hier in Deutschland. Natürlich ein absoluter Catch-22: je mehr Mensch versucht raus zu kommen, desto mehr steckt man drin. Über Palästina und Menschenrechte wurde aber immer noch nicht geredet. Stattdessen sollen die Kolonisierten das Problem der Kolonialisten lösen: Rassismus. 12
Dieses Mal habe ich vier weitere meiner übrig gebliebenen zionistischen israelischen Kontakte oder die, die sich ebenso positionieren, aber aus anderen Ländern kommen, gelöscht. Ich konnte deren Posts oder ihre Kommentare einfach nicht mehr ertragen. Alle anderen verschwanden schon die Jahre davor. Die, die übrig bleiben, sind genauso hilflos wie ich, oftmals gefangen zwischen Ländern, Sprachen und Gefühlen der Ohnmacht. Ethnizität spielt fast keine Rolle mehr, da letztlich alle – ob jüdisch oder nicht – mit verschiedenen Ausformungen der Antisemitismusdefinitionen konfrontiert werden: Antizionistischer Antisemitismus, sekundärer Antisemitismus, muslimischer Antisemitismus, religiöser Antisemitismus, etc. 13 Wenn die westliche Akademie und Medien so weitermachen, und die Kritik schnell mit Antisemitismusvorwürfen ausgehebelt wird, gibt es bestimmt auch bald einen spezifischen „norwegischen“ 14 „chilenischen“ 15, oder „südafrikanischen Antisemitismus“ 16. Oder vielleicht irgendwann einen „3. Welt Antisemitismus“? Eine Bekannte merkte an: „Die wollen bloß, dass wir aufhören zu demonstrieren.“
Nation und die internationale politische Ökonomie des Rassismus
Es scheint, als wäre der Vorwurf des Antisemitismus vergleichbar mit dem des Kommunismus zu Zeiten des Kalten Krieges – im Westen natürlich. Jedenfalls für alle die, die sich selbst Pro- oder Anti-Deutsche nennen. Der oftmals selbst-proklamierte Unterschied zwischen Rechts und Links macht mittlerweile weniger Unterschied als noch zu Rosa L’s Zeiten im Jahre 1918 17: Es gibt z.B. Europas Rechte, die Siedler in Israel besuchen. Und alle kämpfen gemeinsam gegen „den radikalen Islam“ wie ein Siedler bemerkt (Min. 0:30-0:40) 18. Natürlich gibt es auch Rechte, die das Gegenteil einfordern, nämlich den Tod aller Juden – egal wo. Das Interessante ist nur, dass sich vom rechten Internetportal Politically Incorrect-News (PI News) bis hin zur „uneingeschränkten Israelsolidarität“ Bundesdeutscher Regierungen ein vergesellschaftlichter Konsens ergeben hat, der alle Israelkritischen Stimmen unter einer polarisierten Gegenseite subsummiert: Palästinenser, die Israelischen Anarchisten oder die Antifa, sind das Gleiche wie die rechten Neonazis, die alle JüdInnen töten wollen. Oh, und Judith Butler, deren Familie den Nazis entkommen ist, sollten wir nicht auf der Liste der Israelhasser und Antisemiten vergessen! 19 Kontext 20, Geschichte und persönliche Schicksale werden ausgeblendet. Und so zieht sich der National-Charakter der deutschen Israel-Solidarität mittlerweile von den Anti-Deutschen, zur deutschen Linken 21, über Merkel 22 bis hin zu den Rechten von PI-news 23.
Hier geht’s schon lange nicht mehr um „Juden“, „Israel“ oder „Palästina“ oder „Antisemitismus“ 24. Hier geht es um die Aufrechterhaltung westlicher Dominanz 25, politischer Definitionsmacht und das Austesten neuer Waffen 26 und Gas 27, um eine westlich militärische Vormachtstellung aufrechtzuerhalten, nach innen und nach außen, nachdem Hayeks Neoliberalismus die Grenzen zwischen Ost- und West-Stamina aufgelöst hat 28. Ich wage zu behaupten, dass das „jüdische Element“ des angeblich „Jüdischen Staates“ in der Kalkulation von westlichen Staaten, die Israel unterstützen, eine relativ kleine Rolle spielt: Mit Waffenlieferungen Deutschlands an Israel und Ägypten 29, kann immerhin die europäische Wirtschaftskrise verschoben werden, und politische Macht hier und dort gesichert werden 30. Wenn die Mächteverhältnisse sich irgendwann mal ändern – und das wird irgendwann bestimmt passieren, wenn wir uns die Menschheitsgeschichte anschauen war dies die einzige Konstante – wird Israel vom Westen wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen werden. Zwischen Antisemitismus und Philosemitismus ist nur ein schmaler Grad! Aber solange das nicht der Fall ist, und die Welt so ist, wie sie sein soll, kommentiert Thomas von Osten-Sacken in der Jungle World: „Längst ist der sog. Antizionismus in Europa ganz zu sich gekommen und geworden, was er immer war: Antisemitismus, dem es ums Judenmorden geht.“ 31 Sprachlosigkeit …
- Odet Schechter, Ha’aretz, 31. Mai 2007, „Political theory / Post-Zionists and other perverts“
- Kurzvideo einer Hamasrackete, die niemanden trifft
- Uwe Kalbe, Neues Deutschland, 23. Juli 2014, „Ausgewogen sollt ihr sein„
- moma, Das Erste am Morgen, ARD, 18.07.14, 04:21 Min., Verfügbar bis 26.07.14, Interview mit Jürgen Todenhöfer
- Todenhöfer: „… Ich musste durch einen Tunnel gehen, weil das Land hermetisch abgeriegelt ist durch Mauern, durch Schiffe auf der Seeseite, und zur Luft hin überwachen Drohnen das Gebiet. Das ist ein Käfig (…) und die Menschen können nirgendwo hin fliehen.“ Danach spricht er von den vier Kindern, die am Strand ermordet wurden durch das israelische Militär und das Behindertenheim, das bombardiert und zerstört wurde. Er erläutert weiter: Das „ist eines der gequältesten Länder auf der Welt“ (…) und „man sollte darüber nachdenken, ob die Sanktionen, die Israel (…) Gaza auferlegt, nicht auch Israel auferlegt werden sollten, solange die Blockade aufrechterhalten bleibt.“
- „The Israeli military urged Palestinians to flee a growing area of Gaza ahead of further military action in the Mediterranean enclave. Residents say about half of the territory’s 1.8 million population have been told to move.“ Reuters, Nidal al-Mughrabi and Jeffrey Heller, 20. Juli 2014, „At least 20 dead in Israeli attack on Gaza district: medical officials“
- Prof. David Theo Goldberg, „In Our Collective Name“, 15. Juli 2014, Truthout, Op-Ed
- Der israelische Akademiker Dr. Mordechai Kedar ruft zur Vergewaltigung Palästinensischer Frauen auf und auf Facebook ziehen sich Israelinnen aus um die Armee zu unterstützen. Siehe: Connie Hackbart, Alternative Information Center (AIC) Jerusalem, „Israeli academic: raping Palestinian women would deter attacks“, 21. Juli 2014 oder; bezüglich Facebook Nacktfotos: Rut Perel-Baharir, Haaretz, 25. Juli 2014, „Mixed reactions to Israelis‘ erotic moral-boosting Facebook effort“
- Hans Berger, Der Hintergrund, „Es darf geschossen werden, Israel bombardiert Gaza: Bild, Welt und taz sind schon auf Kriegskurs“, ein Kommentar, 16. Juli 2014
- Der Politikwissenschaftler Michael Lüders bennent den Fakt, dass die westlichen Staaten es anscheinend akzeptieren, dass Gaza ein „riesen Freiluftgefängnis“ ist. Er hebt auch hervor, dass die Geschichte zurückgeht auf Israels Angst eine palästinensische Einheitsregierung tolerieren zu müssen, sowie Friedensbestrebungen, die von Israel immer wieder boykottiert werden. ZIB2, 18. Juli 2014, 22:10
- Das Video zeigt Israelis die sich beim BBQ auf den Hügeln um Gaza das „Feuerwerk“ anschauen und sich Biertrinkend freuen. Die Reporterin wurde von der Gruppe bedroht, sollte sie etwas Falsches sagen. Video: „Israeli Crowd Cheers As Missile Hits Gaza“, Live on CNN, 17. Juli 2014. Die Reporterin wurde von CNN zurückgezogen, nachdem sie die sie bedrohenden Israelis, die Freudensrufe ausstießen als die Bomben auf Gaza einschlugen, als „Dreck“ bezeichnet. Der Amerikanische Nachrichten Sender NBC zog Reporter Ayman Mohyeldin zurück, langjähriger Reporter aus und für Gaza, der bei der Ermordung von vier Palästinensischen Kindern, mit denen er gerade noch Fußball spielte und die am Strand Gazas von Kampffliegern gejagt und alle getötet wurden. Mehr zum Inhalt der vier gejagten und getöteten Kinder in der: Washington Post, Adam Tayler, 16. Juli 2014, „What happened when Palestinian children were killed in front of a hotel full of journalists“. Oder: Tyler Hicks, New York Times, 16. Juli 2014, „Through Lens, 4 Boys Dead by Gaza Shore“. Hier ist ein durchaus plastisches Video der getöteten und zerrissenen Kinder, was sich nur angeschaut werden sollte, wenn man die Nerven dazu hat.
- Rolf Verleger in seinem neuesten Kommentar zu Anti-Israelischen Protesten: Rolf Verleger, Deutschlandfunk, 22. Juli 2014, „Wer hat uns das eingebrockt“
- Bundeszentrale für Politische Bildung, Ideologische Erscheinungsformen des Antisemitismus; oder auch: Susann Witt-Stahl, Hintergrund, 27. Januar 2012, „Auschwitz als machtpolitisches Kalkül – Ein Kommentar zum Antisemitismusbericht des Deutschen Bundestages“
- memo, Middle East Monitor, 20. Juli 2014, „Norwegian MP calls for boycott of Israel over its Gaza offensive“
- World Bulletin, „Chile to suspend trade talks with Israel over Gaza bombing“, 17. Juli 2014
- ANC: Statement by Office of the ANC Chief Whip, on the situation in Gaza, 18. Juli 2014
- Die Anti-deutsche Linke, die ihre extreme Idiotie in der Bahamas gefunden hat, ruft mittlerweile für eine noch rechtstaatlichere Prozessunterstützung für Beate Zschäpe auf und vergleicht Zschäpe, die Mitorganisatorin der NSU mit den RAF Häftlingen in Stuttgart Stammheim. Angeblich könne mensch Zschäpe ja nicht wirklich nachweisen, dass sie Teil der NSU war. Zschäpe, laut Bahamas, wird angeblich auch vom faschistoiden deutschen Rechtssystem überrollt; der Artikel heißt dementsprechend: „Wir bekämpfen Faschist*innen – Warum Beate Zschäpe ein fairer Prozess verweigert werden soll“!
- Claus Pándi, Dokumentarfim, dtsch., online: „Teil 1: 100 Stunden – Pándi begleitet Strache durch Israel“ (12/2010) Weitere Informationen der deutschen Antifa unter: Regina Wamper, „Jenseits des Antisemitismus? Europäische Rechte auf Israel-Tour“
- Judith Butler, Frankfurter Rundschau, „Fangen wir an, miteinander zu sprechen.“, 31. August 2012
- Dell Cameron, The Daily Dot, 25. Juli 2014, „Israeli police official refutes claim that Hamas kidnapped Isareli teens“
- Historischer Überblick über die Debatte der deutschen Linken zum Thema Israel: Debatte der Linken über Israel: „Die Antideutschen und die Debatte der Linken über Israel“, Patrick Hagen. Patrick Hagen nochmals zum Vergleich von Antisemitismus und Antizionismus
- Ali Fathollah-Nejad, MR Zine, 30. Januar 2009, „More Zionist than Israel? German Policy and Media on Gaza“
- Politically Incorrect (PI News) – Israel Rubrik: „Wir stehen zu Israel“, 18.07.2014
- Die letzte Überlebende des Warschauer Ghetto Aufstandes, Chavka Fulman-Raban, richtet sich in einer Rede an die nächste Generation junger Israelis und ruft dazu auf gegen die Besatzung durch Israel zu rebellieren. Darüber hinaus hält die englisch-sprachige Jüdische Stimme für Frieden ein up-date an ihren Demonstrationen gegen Israels Aggressionen.
- „Vermögen weltweit. Globale Ungleichheit in Zahlen“, 19. Januar 2014
- Siehe die Links zu Yotam Feldman oder auch: Letters, The Guardian, 18. Juli 2014, „The arms trade and Israel’s attack on Gaza“; Aber auch Deutschland liefert im Rahmen der Solidarität Waffen und weiß, laut Handelsblatt, über die Ausstattung von Atombooten seitens Israelis, mit Atomsprengköpfen seit den 60er Jahren bescheid: Handelsblatt, 3. Juni 2012, „Israel stattet deutsche U-Boote mit Atomraketen aus“
- memo, Middle East monitor, 18. Juli 2014, „Medical sources: Israel using unfamiliar toxic gas against Palestinians in Gaza“. Aber nicht nur Gas als Waffe wird ausgetestet, sondern auch Gas als Rohstoff spielt eine Rolle laut: Nafeez Ahmed, The Guardian, 9. Juli 2014, „IDF’s Gaza assault is to control Palestinian gas, avert Israeli energy crisis“
- Dr. Hatem Bazian, „Gaza: A Symbol of Global Dispossession“, Turkey Agenda, 18. Juli 2014
- Kolumbien wurde auch unterstützt. Siehe: Sabine Lösing, MdEP, Die Linke, 16.07.2014. Siehe auch FAZ, 20. Juli 2014; Handelsblatt, 29. November 2012, „Deutschland beliefert Israel massiv mit Waffen“
- Nafeez M. Ahmed, Le Monde Diplomatique, „Israel’s War for Gaza’s Gas“
- Thomas von der Osten-Sacken, Jungle World, 14. Juli 2014, „Ziel: Judenmord“
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Ich finde den Text sehr eindrucksvoll, mit einer sehr liebenswerten (obwohl Hass durchaus eine verständliche Reaktion wäre) Intensität, die sich in keine Härte reinschreibt, sondern ihre (und unsere) Ohnmacht spürbar macht, ohne das Bewußtsein zu verlieren.
Und sie hat mit Blick auf Deutschland vollkommen recht: Die politische Ohnmacht der Linken hier ist oft schwerer zu ertragen, als die Verhältnisse, um die ich weiß. Sie beklagt mit Recht, die Angst hier, sich auseinanderzusetzen, sich (auch) hier die Ohnmacht einzugestehen (dafür gibt es genug Gründe: NSU, NSA, mehr Kriegsbeteiligungen).
Über die Frage, ob es sich in Israel um Faschismus handelt, läßt sich streiten – wenn der Vorwurf, wie von ihr, im Detail belegt und begründet ist. Aber das wäre eine Auseinandersetzung, die man führen müßte, um Worte für das zu finden, was sie in der Tat, nicht nur in Israel, rasant verändert (hat).
Ich würde nicht das Wort „Faschismus“ benutzen, weil es gerade jene entlastet, die politische Verhältnisse schaffen und zementieren, die deshalb so schwer zu fassen sind, weil sie die Fehler des Faschismus nicht wiederholen – und totalitäre Verhältnisse in Business-Zonen mit queeren Freizeitvergnügen vereinen … aber da wäre ein ganz andere, notwendige
Diskussion.
Ich hoffe und wünsche mir, dass dieser Beitrag diese bleierne Lähmung überwindet.
Wolf Wetzel
Was sich in Palästina abspielt widerspiegelt die heutige Pathologie der westlichen Welt. Israel ist bloß ein Vorreiter. Seine Rolle ist die Grundlagen des neuen Orwellstaates zu erkundigen und testen. Die Palästinenser sind die Versuchskaninchen für Deutschland, Frankreich, USA, NATO. Was Israel tut wird dann kopiert in den USA, Indien, Deutschland und sonst wo.
Wir können nur Widerstand leisten, wenn wir nicht die Grundwerte des Menschlichkeit aus den Augen verlieren: Gerechtigkeit, Wahrheit, Solidarität. Das können und müssen wir tun, auch wenn wir nur ein Häuflein sind. Unsere MitbürgerInnen werden eines Tages dankbar sein, dass einige Menschen die Grundwerte der Zivilisation gerettet haben. Nur jene, die eine Hoffnung hatten, konnten die KZ überleben. Wir müssen daher die Hoffnung weiterbehalten, helfen wo wir können, unseren Mitmenschen informieren und die Geduld nicht verlieren. In einem Wort: Sumud!
Elias! Vergiss mir die britischen Eliten und ihre eigenen Helfershelfer nicht! Die reiben sich im Hintergrund die Hände und haben diese Tragödie überhaupt eingebrockt (und nicht nur die…)!
Das wusste ich auch schon vor Wikipedia… ;-)
Mandatszeit und Teilung
Durch den Sieg der Briten im Ersten Weltkrieg wurde 1917 die osmanische Herrschaft beendet. Im Anschluss an die Konferenz von Sanremo 1920 übertrug der Völkerbund 1922 Großbritannien das Mandat für Palästina mit dem Gebiet, das heute gemeinsam von Israel und Jordanien eingenommen wird. Zu den Mandatsbedingungen gehörte, dass die Briten die Verwirklichung der Balfour-Deklaration ermöglichen sollten, in der sie am 2. November 1917 die „Gründung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ versprochen hatten, die aber die Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina nicht beeinträchtigen sollte. Die Mandatsmacht war aufgefordert, die jüdische Einwanderung zu ermöglichen, diese jüdischen Einwanderer geschlossen anzusiedeln und hierfür auch das ehemalige osmanische Staatsland zu verwenden. Es sollte dabei ausdrücklich dafür Sorge getragen werden, dass „nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung, deren sich die Juden in irgendeinem anderen Lande erfreuen, präjudizieren könnte“.
Im Juli 1922 teilten die Briten Palästina in zwei Verwaltungsbezirke, Palästina, und Transjordanien, das etwa dreiviertel des Mandatsgebietes umfasste. Zunächst wurden Transjordanien und Palästina noch als Verwaltungseinheit mit einheitlichen Mandatsgesetzen, der gleichen Währung und gleichen Mandatspässen betrachtet (siehe auch: Weißbuch von 1939), aber Juden war es nur noch erlaubt, sich westlich des Jordans anzusiedeln. Im östlichen Teil, in Transjordanien, dem heutigen Jordanien, setzten die Briten den haschemitischen Herrscher Abdullah ein, der von der arabischen Halbinsel vertrieben worden war.
Zwischen 1924 und 1932 folgte die vierte Alija. Die fünfte Alija folgte 1933 bis 1939, nachdem Deutschland nationalsozialistisch geworden war und die Juden anfänglich noch ausreisen konnten, was die jüdische Bevölkerung in Palästina stark anwachsen ließ.
1937 legte die britische Peel-Kommission einen ersten Teilungsplan vor. Gemäß der prozentualen Bevölkerungsverteilung sah dieser Galiläa und einen Küstenstreifen als israelischen und den größeren Rest als arabischen Teil vor. Die neu eingewanderten Juden waren sofort begeistert, die ansässigen Araber reagierten ablehnend. Der Plan scheiterte.
Wie sollen sich die Palästinenser von der Hamas trennen, wenn sie zusammen in einen Käfig gesperrt sind und nicht raus dürfen? Wohin sollen sie flüchten, wenn die Grenzen geschlossen sind? Die einzigen Wege nach draußen sind die Tunnel, die Israel gerade attackiert und zuschüttet.
Vielen Dank für diesen guten und klaren Text! Wie in der Frage des Umgangs mit dem NSU, der Totalüberwachung durch NSA und BND und die Errichtung eines neoliberal-faschistischen Regimes in der Ukraine mit der unverzichtbaren Hilfe von NATO, BRD, EU schweigen die allermeisten Linken, ja sogar die meisten AntifaschistInnen nun auch zum Gazakrieg.
Der rote Faden all dieser kollaborativen Fehhleistungen ist der fast vollständige Verlust des Bewusstseins, in der BRD in einem imperialistischen Staat zu leben – und was das für Süd- und Osteuropa sowie den Rest der Welt bedeutet. Wenn es hart auf hart geht ist dem überwiegenden Teil der bundesdeutschen Linken der Kapitalismus trotz aller verbaler Bekundungen anderer Art durchaus lebenswert. Das kommt auch schon darin zum Ausdruck, dass über reale Systemalternativen kaum nachgedacht, geschweige denn für sie gekämpft wird. Solange dieser Zustand anhält, sind alle Formen von Widerstand eher virtuell – und das weiss natürlich auch die Gegenseite. Diese Situation erreicht zu haben ist nicht letzt das fragwürdige Verdienst sog. „antideutscher“ (in Wirklich erzdeutscher) „Linker“, deren Haltung im Konflikt immer eins ist: proimperialistisch, und hinter deren Proklamation „antinationaler“ Positionen in Wahrheit nur der eigene Abscheu vor jedem Internationalismus steckt und jedem revolutionären Anspruch an sich selbst. Man hat durchaus mehr zu verlieren als nur seine Ketten, die man so liebt.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich nie abschleifen lassen, dass Sie so mutig, klar und schlagfertig bleiben, wie ich es in ihrem Text lese. Auch wenn das bitte klingt: bleiben Sie dabei: Sie haben völlig Recht!
Vielen Dank für diesen Artikel!
Ein sehr klarer Text,dem ich in jedem einzelnen Punkt zustimme Es ist eine Schande, was im Nahen Osten seit Jahrzehnten mit Billigung und unter tätiger Mithilfe der westlichen „Wertegemeinschaft“ passiert. Es ist eine Schande, dass sich der größte Teil der Linken mit den rassistischen und imperialistischen Aggressionen und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit solidarisiert. Es ist eine Schande, wie den Kritikern dieser Verbrechen das Etikett Antisemit aufgeklebt wird, um sie einzuschüchtern und mundtot zu machen und wie die BRD, die bei sämtlichen Verbrechen des israelischen Staates fest an der Seite Israels steht, versucht, die Demonstranten gegen diese Verbrechen zum eigentlichen Problem zu erklären, nicht aber die Verbrechen. Wegen einiger antisemitischer Ausfälle wird eine rassistische Debatte in allen medialen Kanälen über den Antisemistismus DER Muslime als das eigentliche Problem angezettelt. Das Abschlachten tausender Zivilisten in Schulen, Flüchtlingsunterkünften, auf Märkten, in Wohnhäusern in einem Gefängnis, aus dem es kein Entrinnen gibt, wird dagegen als „Selbstverteidigungsrecht“ zur deutschen Staatsräson erklärt.