Ein Jahr Betreuungsgeld
Erste Zahlen mit Vorsicht zu genießen
Seit einem Jahr zahlt der Staat Betreuungsgeld an Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen. Amtlichen Zahlen zufolge kommt das vor allem bei Familien mit Migrationshintergrund gut an. Erziehungswissenschaftler warnen aber vor voreiligen und falschen Schlüssen.
Montag, 04.08.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 08.08.2014, 8:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Schickt eure Kinder in den Kindergarten, so früh wie möglich. So oder so ähnlich lautet der Appell vonseiten der Politik an Eltern mit ausländischen Wurzeln. Damit ist die Hoffnung der Politik verbunden, dass Kinder mit Migrationshintergrund in einem deutschsprachigen Umfeld vor der Einschulung ausreichend Deutsch lernen.
Gleichzeitig forciert die Bundesregierung aber auch die Eigenbetreuung von Kindern. Eltern, die für ihre Kinder unter drei Jahren weder einen Kita-Platz noch eine staatlich geförderte Tagesmutter in Anspruch nehmen, erhalten seit August 2013 100 Euro Betreuungsgeld vom Staat, 150 Euro ab dem 1. August 2014.
„Wahlfreiheit“ für Eltern nannte das die Union, „Herdprämie“ spottete die Opposition. Kritiker wendeten unter anderem ein, dass vor allem einkommensschwache Eltern ermutigt werden, ihre Kinder zu Hause zu behalten und das öffentliche Krippenangebot zu meiden. Davon würden natürlich auch Eltern mit ausländischen Wurzeln gebrauch machen. So werde die Integration erschwert.
Ausländer beziehen häufiger Betreuungsgeld
Ob die Warnung der Opposition eintritt, möchte das Ministerium spätestens Ende 2015 prüfen. Anlässlich des ersten Jahrestages dieser Regelung gab das Statistische Bundesamt aber schon erste Zahlen bekannt. Und wie es aussieht, scheint sich die Befürchtung der Opposition zu bewahrheiten. Ende März erhielten bundesweit 145.800 Kinder Betreuungsgeld. Davon entfiel 14 Prozent auf Kinder mit einem ausländischen Pass. Ihr Bevölkerungsanteil in der Altersgruppe von unter drei Jahren liegt jedoch bei 5 Prozent.
Allerdings beziehen sich diese Zahlen lediglich auf Kinder mit einem ausländischen Pass. Zahlen zu deutschen Kindern mit Migrationshintergrund, die einen weitaus größeren Anteil in dieser Altersgruppe ausmachen, gibt es keine. Wie aus einer aktuellen Studie der Technischen Universität Dortmund jedoch hervorgeht, erweist sich das Betreuungsgeld unter anderem für Familien mit Migrationshintergrund als besonders attraktiv. Danach haben 25 Prozent der Einwandererfamilien das Betreuungsgeld als Grund dafür angegeben, ihr Kind zuhause zu betreuen; bei Familien ohne Migrationshintergrund lag diese Quote mit 13 Prozent nur halb so hoch.
Keine voreiligen Schlüsse ziehen
Trotz dieser Befunde sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, warnen Erziehungswissenschaftler. Zum einen seien Familien mit Migrationshintergrund in der Regel traditioneller eingestellt als Familien ohne ausländische Wurzeln. Und die traditionelle Erziehung bringe es nun einmal mit sich, dass die Kinder zumindest in jungen Jahren zu Hause betreut werden. Das Betreuungsgeld werde dann natürlich gerne „mitgenommen“.
Zum anderen bezweifle man, ob die Krippenbetreuung schon ab dem ersten Lebensjahr dem Kind guttue. Gerade in den ersten Jahren sei es für die Entwicklung eines Kindes von Vorteil, wenn die Eltern bei ihm sind. Und die Sprache lasse sich auch nach dem dritten Lebensjahr noch problemlos so gut lernen, dass die Kinder bei der Einschulung keine Defizite haben. Muttersprachliche Kenntnisse erleichterten dann sogar das Erlernen weiterer Sprachen.
Minüre: Nicht vor dem 3. Lebensjahr!
Minüre Y. (32), dreifache Mutter aus Ludwigsburg, kann das bestätigen: „Ich hätte meinen Jüngsten auch ohne das Betreuungsgeld zu Hause betreut, bis er mindestens drei ist. Dass der Staat dafür nun Betreuungsgeld zahlt, finde ich nur fair, da ich den Steuerzahler durch die Nichtinanspruchnahme eines Krippenplatzes quasi entlaste.“ Ob sich Minüre Sorgen um den Spracherwerb ihrer Kinder macht? „Nein, überhaupt nicht“, sagt sie und ergänzt: „Meine zwei älteren Kinder kamen auch erst mit 3 bzw. 4 in den Kindergarten und gehören zu den Klassenbesten“. (sb) Leitartikel Politik
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Das Betreuungsgeld wird doch nur deswegen angefeindet, weil man der Mittelschicht nicht einmal das bisschen Geld gönnt, das sie an den Staat abführt. Was wir brauchen, ist eine massive steuerliche Entlastung junger Menschen, die einen vernünftigen Abschluss haben, nicht eine Belastung zugunsten irgendwelcher Luftschlösser.
Die Kritik am Betreuungsgeld übersieht, dass man Migrantenkinder mit deutschen Kindern einfach nicht 1:1 vergleichen kann. Da ist einfach ein enormer soziokultureller Unterschied. Für Kinder, deren Eltern sehr gut Deutsch sprechen, ist es einerlei ob sie diese daheim oder in der Kita erziehen. Ich würde eher sagen, dass die Kita und die Schule als Erziehungsstätten ungeeignet sind, weil das dortige Personal oft nicht mehr macht als „Dienst nach Vorschrift“. Im Umkehrschluss heißt das, dass Migrantenkinder in den Großstädten wieder weitgehend unter ihresgleichen sind. In der Tat gibt es ja den Ruf nach mehr deutschen Kindern in Großstadtkindergärten.
Das „linke“ System erzieht die Eltern doch nur dazu, sich nicht um ihre Kinder zu kümmern. Man will hier etwas und bewirkt genau das Gegenteil. Typisch Sozialismus. Unser Konzept ist besser. Das Betreuungsgeld sorgt für eine gewisse Entlastung auch der unteren Schichten. Es ist sinnvoll, weil es Kinder und Eltern zusammenführt und nicht trennt. Es sorgt auch für mehr Gerechtigkeit, weil angeblich besser Verdienende nicht dafür bestraft werden, dass sie ihre Kinder nicht auf Kitas schicken können, weil diese für sie zu teuer sind, gleichzeitig aber diese für Leute finanzieren müssen, die vom Staat leben und daher keine Gebühren zahlen müssen.
PS: Ist jemand schon einmal auf die Idee gekommen, dass die bürgerliche Schicht in diesem Land mit den Beinen abstimmen könnte? Frei nach dem Motto: „Wir leben da, wo ihr nicht wohnt!“ Wir sehen ja dass jeder der etwas kann, nach Bayern kommt, ob aus NRW, dem Ausland oder dem Osten. alle kommen sie zu uns, weil wir eine bessere Politik machen. Nulla vita extra Bavariam.
Diese Debatte ums Betreuungsgeld ist meiner Meinung nach viel Lärm um nichts. Ein Kitabesuch schon in sehr jungen Jahren wird einfach überbewertet. Ich glaube einfach nicht, dass ein Kind schon vor dem dritten Lebensjahr in eine Kita muss. Ich schreibe das nicht einfach so, sondern ich schreibe aus Erfahrung. Ich bin mit 5 Jahren nach Deutschland immigriert, war also nur ein Jahr in der Kita. In meiner Familie und in meinem sozialen Umfeld wurde wenig bis gar kein deutsch gesprochen. Trotzdem haben meine Geschwister (in Deutschland geboren, auch erst mit 3 in die Kita) und ich allesamt gute Schulabschlüsse erzielt und sogar studiert. Mein ältester kam auch erst mit 3 in die Kita, hat zuerst überhaupt kein deutsch gesprochen, wird dieses Jahr eingeschult und spricht mittlerweile beide Sprachen fließend. Ich werde es auch so beibehalten. Meine anderen 3 Kinder werden auch erst mit drei die Kita besuchen, Betreuungsgeld hin oder her.
Bevor mir hier einer kommt und auf die Hartz4-Bezieher schimpft, die lieber etwas mehr geld monatlich zur Verfügung haben „für Bier und Zigarettenkonsum“ als ihre Kinder frühestmöglich zu fördern, dem möchte ich zuvor kommen, denn das Betreuungsgeld wird 1:1 von ihren monatlichen Leistungen abgezogen, es hat als keinen finanziellen Anreiz für sie, es sei denn das Jobcenter drängt sie dazu, um Mittel einzusparen.
Leider wird bei allen Beiträgen, die in diesem Zusammenhang auf die besondere Problematik von Kindern mit Migrationshintergrund eingehen, ein entscheidener Faktor übersehen der nur aus der Migrationsforschung, und da auch nur dem Zweig bekannt ist, der sich speziell mit Familien in der MIgration befasst. Eine Familie, die erst kurze Zeit im fremden Land lebt, steht unter existentiellen STRESS. Den kriegen auch die Kinder ab, einmal durch die Eltern, aber auch weil sie selbst durch den Bruch mit allem, was sie bisher gewohnt waren, eben auch durch die fremde Sprache, die sie ringsum hören, nachdem sie mühsam die Anfänge der Muttersprache gelernt haben, geschockt sind.
Deshalb beobachtet man immer wieder das Phänomen, dass Frauen, die im Herkunftsland gearbeitet haben, im neuen Land es vorziehen, erst einmal zuhause zu bleiben, was der Familie gut tut, es stabilisert. In dieser Sutation des stressenden Aufenthalts in der Fremde ist es wichtig, besonders auf die Bedürfnisse derer Rücksicht zu nehmen, die am verletzlichsten sind, nämlich die Kleinen, und sie durch eine verlässliche Beziehung mit ihnen bereits vertrauten Personen, ausgedrückt durch vertraute Sprache und Körpersprache, zu stützen. Kinderkrippen bedeuten nur noch mehr Stress für die Kleinen.
Deshalb gebe ich der dreifachen Mutter mit ihren Erfahrungen recht.
Ist eine Familie schon länger im Land, sieht die Sache anders aus. Und Drejährige vertragen auch mehr Stress. Aber auch da würd ich Einschränkungen machen, wenn die Familie gerade erst angekommen ist. Es sei denn, die Eltern sind z.B. Flüchtlinge und ihrerseits derartig traumatisiert, dass sie den Kindern keine verlässlichen Eltern mehr sein können, weil sie hoffnungslos überfordert sind..
Hier zu pauschalisieren ist also schwer.