Ohnmacht menschlicher Vernunft
Wie deutsche Medien den Israel-Krieg legitimieren
Verrückt und abartig, abartig und verrückt – diese Worte beschreiben treffend die derzeit durch die vorherrschenden Medienanstalten in Deutschland geführte Debatte bezüglich des Israel-Kriegs.
Von Ramadan, Akbulut Dienstag, 12.08.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 13.08.2014, 21:51 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Insbesondere die wachsende Zunahme von Beiträgen zum Thema Israel-Krieg, in denen Parallelen zu einem vermeintlich „muslimischen Antisemitismus“ gezogen werden, verdeutlicht die gegenwärtige gewaltige Unfähigkeit einer rationalen Beschäftigung mit den derzeitigen Ereignissen in Gaza, die sich vor allem durch das bisherige Ausbleiben einer detaillierten Hintergrundanalyse des als „Selbstverteidigungskrieg“ legitimierten Israel-Kriegs, einer umfassenden Darstellung der faktischen Verhältnisse sowie einer ernsthaften politischen Thematisierung bzw. juristischen Prüfung der israelischen Militäroperationen im Hinblick auf ein vorsätzliches Kriegsverbrechen ausdrückt.
Das verbreitete mediale Interesse an diesem „Kriegsverbrechen“ seitens der israelischen Regierung bot die Möglichkeit, die breite Öffentlichkeit zu informieren und aufzuklären. Information und Aufklärung – Forderungen die auch in den westlichen Gesellschaften bezüglich der Situation im Nahen Osten von großer Bedeutung sind. Die räumliche Entfernung allein kann nicht als Erklärung von Ignoranz und Zurückhaltung herhalten. Allgemein bekannt ist die finanzielle, militärische und politische Unterstützung Israels seitens führender westlicher Staaten. Die Mittäterschaft in Form einer utilitaristischen – unaufrichtigen – Unterwürfigkeit gegenüber Israel oder in Form einer apathischen Tatenlosigkeit der zuständigen Politiker (in den USA, aber auch in Deutschland) an den Morden mehrerer tausender unbeteiligter Menschen im Gaza-Streifen, ist nicht abzustreiten. Durch die repräsentative Funktion der Volksvertreter hat aber jeder Bürger durch sein Wahlrecht innerhalb einer Demokratie die Pflicht, seine Kritik, seine Ablehnung, seine Verurteilung dieses Krieges und der befürwortenden Haltung unserer Politiker Ausdruck zu verleihen.
Vor dem Hintergrund der Schwere der Tat erscheint der Aufschrei in der deutschen Bevölkerung, noch viel zu gering zu sein. In einer Gesellschaft, in der Menschenrechte, Freiheit und Gerechtigkeit leitende Prinzipien darstellen sollen, verwundert die geringe Empörung des Volkes sehr.
Ein kollektives Abgestumpft-sein und die kollektive Unfähigkeit, Mitgefühl zu entwickeln, erscheinen als Begründungsversuche unzureichend und unpassend. Die verzerrte Berichterstattung hinsichtlich des Israel-Kriegs und die direkte Verbindung zu antisemitischen Übergriffen durch muslimische Jugendliche oder junge Erwachsene in der deutschen Migrationsgesellschaft sowie die derzeit beobachtbare mediale Überrepräsentanz des konstruierten Phänomens „Islamismus“ insbesondere in den öffentlich-rechtlichen Medien, liefern differenziertere Erklärungsmodelle des ausbleibenden einheitlichen Eintretens für das Ende der Bombardierung einer Zivilbevölkerung und für die zur Rechenschaft zu ziehenden Kriegsverantwortlichen.
Auffällig ist in diesem Zusammenhang die starke Zunahme des medialen Interesses am „Islamismus-Thema“, deren Hintergründe es genauer zu hinterfragen gilt. Durch die Eingabe des Begriffs „Islam“ beispielsweise in die Suchleiste der ARD-Mediathek, wird man eine Reihe von Videobeiträgen fast ausschließlich über sogenannte „Islamisten“ erhalten. Hierbei lässt sich feststellen, dass das „Islamismus-Thema“ nach einer kurzen Pause (seit April 2014) am 1. Juni wieder in den Tagesthemen aufgegriffen wurde und sich seitdem mit immer kürzer werdenden Zeitspannen zwischen den Beiträgen bis dato wie folgt fortsetzt:
„Islamistischer Terror im Nordwesten Irak“ 1, „Kampf gegen Islamisten im Irak“ 2, „Nigeria: Kampf gegen islamische Terroristen“ 3, „Terroranschlag in Kenia“ 4, „Die Gotteskrieger der ISIS“ 5, „Krieg der ISIS-Terroristen – Kommt ein führender Dschihadist aus Deutschland?“ 6, „Irak: Einschätzungen von Volker Schwenck“ 7, „Die Isis-Milizen weiter auf dem Vormarsch“ 8, „Kenia: Die Angst kehrt zurück“ 9, „Blutiger Feldzug – wie gefährlich sind die islamistischen Gotteskrieger?“ 10, „Salafisten in Deutschland“ 11, „Islamisten auf dem Vormarsch – Tödliche Gefahr für Deutschland?“ 12, „Die ausgeklügelte Propaganda des islamischen Staates“ 13, „Irak: Flüchtlinge in Ebil“ 14, „Syrische Christen: Mobbing“ 15, „Das Leid christlicher Flüchtlinge in Asylbewerberheimen“ 16, „Wie deutsche Islamisten unbehelligt nach Syrien reisen“ 17, „Sterben für Allah? Der Weg deutscher Gotteskrieger nach Syrien“ 18, „Irak: Menschen auf der Flucht vor der Terror“ 19.
Die Aufzählung solcher Beiträge, die den Rezipienten in unerträglicher Redundanz eine (Islam-)Angst verbreitende Botschaft zu indoktrinieren versucht, ließe sich hier noch schier endlos fortsetzen. D.h., ein Bemühen um Nachrichtenvielfalt in der journalistischen Beschäftigung mit dem Thema „Islam“, die über eine einseitige Vermittlung von Gewaltaspekten hinausgeht, scheint in der „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“ nicht zu existieren. Angesichts der anhaltenden medialen Überflutung von Informationen zu radikalisierten Menschen, die – weil sie einen muslimischen Hintergrund haben – als „Islamisten“ betitelt werden, lässt sich an dieser Stelle die dringende Frage aufwerfen, zu welchem Zweck die Dramatisierung des konstruierten Bildes vom „radikalen Islamisten“ dient. Vor dem eingangs explizierten Hintergrund scheint die aktuelle Schürung einer medial inszenierten „antimuslimischen Hetze“ nicht zufällig zu erfolgen. Sie dient u.E. vorrangig der Dethematisierung der vorsätzlichen Rechtsbrüche, die derzeit durch die israelische Armee in Gaza begangen werden und somit der stillen Legitimierung des Israel-Kriegs.
Die Tatsache, dass man häufig in der Rubrik „Ähnliche Beiträge“ bei Beiträgen zum Israel-Krieg nunmehr vermehrt Berichte findet, in denen es um Gewalttaten oder Verbrechen muslimischer Einzeltäter an jüdischen und christlichen Mitbürgern oder um „Islamist“ markierte Menschen geht, deutet auf bewusste Einflussnahme durch Verzerrungen in der Berichterstattung hin, die zu Legitimationszwecken instrumentalisiert werden. In der Folge wirkt sich diese Funktionalisierung auf den Medienkonsumenten wie folgt aus: Durch die mediale – bewusste – Schärfung des konstruierten Feindbildes „Muslim“ parallel zu den Ereignissen in Gaza, wird die Wahrnehmung der Situation von muslimischen Opfern im Gaza-Streifen durch das in den Vordergrund gerückte Bild vom „kampfbereiten Islamisten“ überlagert. „Den Muslim“ oder „die Muslime“ als Opfer zu betrachten erscheint unvereinbar vor diesem Hintergrund. Auf dieser Grundlage kann der Angriff auf Gaza subtil als Prävention als notwendige Verteidigungsstrategie vermittelt werden, worauf in den gegenwärtigen Diskussionen über den Israel-Krieg auch vermehrt affirmativ zurückgegriffen wird. Anstatt der intensiven und analytischen Auseinandersetzung bezogen auf den Nahost-Konflikt zur Aufklärung über die sozial-politische Lage in Gaza und zur Information über die historischen Gegebenheiten, dominiert der Versuch der Legitimierung kriegerisch gegen Muslime vorgehen zu dürfen bzw. zu müssen.
In Anbetracht der hohen Opferzahl (darunter viele Säuglinge, Kinder, Frauen und Senioren) innerhalb weniger Wochen in Gaza auf der Basis eines unaufgeklärten Mordfalls an drei jüdischen Schülern, mutet diese Vorgehensweise geradezu paradox an. Anstatt die Täter der getöteten Jugendlichen gezielt zu suchen, indem Ermittlungen aufgenommen werden, Beweise sichergestellt werden etc. fließt die gesamte Energie darin, einen Krieg zu legitimieren, der an Grausamkeit und Sinnlosigkeit kaum zu übertreffen ist.
Die Akzentverschiebung in der Berichterstattung von einer Betrachtungsweise auf eine machtlose muslimische Zivilbevölkerung in Gaza hin zu einer Fixierung auf hasserfüllte Einzeltäter mit muslimischen Hintergrund, trübt nicht nur den Blick auf die gravierende Unverhältnismäßigkeit der israelischen Kriegsführung, sondern macht auch die Öffentlichkeit im Zeitalter von Menschenrechten unempfänglich für die Wahrnehmung menschlicher Verpflichtungen und das zeugt von einer unentschuldbaren Ohnmacht menschlicher Vernunft.
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@Gabriele
Abgesehen davon, dass Sie angeblich genau wissen, dass allein die Hamas schuld ist, wobei Sie ausschliesslich mit Unterstellungen und der Kampfrhetorik der israelischen Regierung und ihrer Verbuendeten „arbeiten“, ist ihr Diskussionsstil unangenehm diktatorisch, „Eine einseitige Berichterstattung findet definitiv nicht statt, nehmen Sie das zur Kenntnis, Ausrufezeichen“.
Was fällt Ihnen eigentlich ein, geht’s noch? Sie haben nicht zu befehlen, was andere Leute angeblich zur Kenntnis zu nehmen haben und was Sie demgemäß nach Ihrem Befehl nicht zur Kenntnis nehmen dürfen. Dass Sie einseitige Berichterstattung nicht bemerken, liegt jedenfalls allein an Ihrer einseitigen Brille. Sie nehmen sehr offensichtlich die schweren Vergehen gegen die Menschlichkeit, die regelmässig Gegenstand der Berichte von Menschenrechtsorganisationen sind, nicht zur Kenntnis. Und sehr vieles andere auch nicht.
@Marianne
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So, so, Herr Masala, wenn in der Türkei ein Präsident gewählt wird, dessen Ausrichtung Ihnen nicht gefällt, aber der Mehrheit der türkischen Wähler, dann ist das ein “sinnentleerter Wahlgang zur Legitimierung einer autokratischen Herrschaft”, aha.
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Ich habe etwas völlig anderes geschrieben.
Der Respekt gegenüber den Wählern wurde nicht ausgeschlossen. Deswegen schrieb ich „Respekt vor Demokratie bedeutet AUCH …“.
Respekt vor Demokratie bedeutet auch, dass man einen Präsidenten oder Ministerpräsidenten scharf kritisieren darf, wenn dieser demokratische Grundprinzipien verletzt. Es ist sogar geboten, dass Bürger und Journalisten den Regierenden sehr genau auf die Finger schauen. Die größte „Hetze“ gegen Erdogan kommt dabei vor allem aus den Reihen oppositioneller Türken selbst.
Meine Aussage bezieht sich auf Ihre Kritik an der für Sie unbotmäßigen Kritik gegen Erdogan. So wie Sie das scharf kritisieren dürfen, was Sie für einen Missstand halten, dürfen andere ebenfalls scharf kritisieren, wenn etwas aus deren Sicht quer liegt. Und bei Erdogan liegen eine ganze Menge Dinge quer, die es zu kritisieren gibt.
…Naja, wenn ich mir momentan die Alternative zu Assad anschaue…
Es spricht nicht unbedingt für Sie, dass Sie die geistige und politische Nähe beider Massenmörder nicht abstreiten, und sogar den Vlad dazu setzen.. Da sind alle in der richtigen Gesellschaft.. Ultrarassistische Politik aus gegossenem Blei.. Blut und Boden, der König stirbt zuletzt und Heim ins Reich.. Brüder im Geiste eben..
@Gero
—-
Wenn dem so wäre, weshalb geht die Charta nicht den Weg alles Irdischen?
Man kann sich auch die Wirklichkeit schönreden…
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Was ist denn die Wirklichkeit bezogen auf die Charta der Hamas?
aloo masala, Sie wollen doch nicht sagen, Sie wüssten nicht, dass die Hamas die Vernichtung des Staates Israel anstrebt.
Die Hamas ist eine… (nun folgt ein Ausschnitt von Wikipedia): …sunnitisch-islamistische Palästinenser-Organisation, die den Staat Israel mit terroristischen Mitteln beseitigen und einen islamisch-theokratischen Staat errichten will….
Ich hatte gerade Sie hier im Forum für schlauer gehalten, aloo masala.
(Wiki) …Als Ziel der Hamas nennt die Charta, „die Fahne Allahs über jedem Zoll von Palästina aufzuziehen“….es sei die religiöse Pflicht (fard `ain) eines jeden Muslims, für die Eroberung Israels zu kämpfen….Verhandlungen und Konferenzen lehnt die Charta als für die Anliegen der Palästinenser untaugliche „Zeitverschwendung“ ….für Palästina gebe es keine andere Lösung als den Dschihad…
Ich weiß, dass Sie Ihre Argumente für die „Harmlosigkeit“ der Charta selbigen Wikipedia-Artikel entnommen haben, aus dem ich auch zitiere. Und nun beantworten sie mir doch bitte die Frage, warum die Hamas diese Charta nicht dem Orkus überantwortet, wenn sie – nach Ihren Worten – doch so unbedeutend ist.
Nun, Masala, Sie lassen leider das Wesentliche weg, was ich geschrieben hatte, und haben es auch nicht verstanden: selbstverständlich darf man E. kritisieren, es geht um die Ausgewogenheit der medialen Bericherstattung und mit Kritik von Bürgern hat das nichts zu tun. Die Kritik an E. auf allen deutschen Medienkanälen ist im Vergleich mit der Nichtkritik an N. m. E. massiv überzogen. Es gibt auch keinen einzigen deutschen Politiker, den man ständig in dieser Weise kritisiert, da wäre es ja durchaus auch geboten, dass Journalisten denen auf die Finger schauen und sie scharf kritisieren. Wenn jetzt aber der Seehofer beispielsweis eine absolute Mehrheit bekommt, bleibt das mediale Geschrei aus und immerhin geht es da um Politiker hierzulande, von deren Wahl der Bürger hierzulande direkt betroffen ist.
Im Übrigen ging es in meiner Aussage nicht um Kritik von Bürgern,, sondern allein um die mediale Berichterstattung über einen türkischen Politiker in deutschen Medien.Legen Sie mir nichts in den Mund, was ich nicht geschrieben habe.
Die Mehrheit der türkischen Wähler hat E. gewählt, E. begeht meines Wissens keine Kriegsverbrechen, wie Herr N und geht auch nicht in derselben Weise wie Herr N. gegen Araber im eigenen Land vorgeht, gegen Bevölkerungsgruppen in der Türkei vor. Von Ghettos ist mir nichts bekannt, von illegalen Siedlungen usw. auch nicht. Herr E. sperrt Menschen nicht in Ghettos ein und baut Mauern um das Ghetto.
Der Respekt vor der Demokratie gebietet es m.E., dass deutsche Medien nicht so tun, als wäre hier der schlimmste Despot aller Zeiten gewählt worden, während sie jede deutliche Kritik an N. komplett vermeiden. Wen die Türken als Staatsoberhaupt haben wollen, ist Sache der türkischen Wähler, nicht der deutschen Medien und deutschen Bürger. Kritik ja – es kommt immer auf die Ausgewogenheit und die Form der Kritik an. Eine unausgewogene Meinung von Bürgern ist etwas völlig anderes, als eine unausgewogene mediale Berichterstattung, denn Medien haben eine Verantwortung und beeinflussen mit Ihrer Berichterstattung die öffentliche Meinung, also die Meinung der Bürger. Verquicken Sie also nicht Äpfel mit Birnen.
@Gero
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aloo masala, Sie wollen doch nicht sagen, Sie wüssten nicht, dass die Hamas die Vernichtung des Staates Israel anstrebt.
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Wenn Sie meinen ersten Kommentar sorgfältig gelesen hätten, wüssten Sie, wie ich zur Charta der Hamas stehe. Ich wiederhole deshalb: „Der Inhalt der Charta ist krass antisemitisch und zielt in der Tat auf eine Vernichtung Israels ab.“
Doch welche Rolle spielt die Charta der Hamas in der Realität? Das war meine eigentliche Frage an Sie, aufgrund Ihrer Aussage: „Man kann sich auch die Wirklichkeit schönreden…“.
Um sicherzustellen, dass der Kontext nicht erneut verlorengeht: Meine Frage ergibt nur dann Sinn, wenn Sie Bezug zu meinem ersten Kommentar an Gabriele und ihrer Antwort nehmen.
a. masala: Doch welche Rolle spielt die Charta der Hamas in der Realität?
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Ich hatte Ihre Kommentare bereits vor Ihrer neuerlichen Anrwort gelesen.
Und ich frage Sie: Ist es erheblich, ob der „kleine Mann“ in Gaza diese Charta kennt oder wichtig nimmt? Nein. Die Führung der Hamas sowie die „Kämpfer“ dieser Terrororganisation wissen um die Charta und stehen hinter ihr.
Und die Charta fordert umnissverständlich zur Vernichtung Israels auf.
Wie stehen Sie, aloo masala, zum Existenzrecht Israels?
Gideon Levy, ein Autor der Haaretz, ist nach eigenen Angaben in Israel wegen seiner kritischen Haltung zur Militäroffensive fast gelyncht worden.
Hier ein Gastbeitrag in der FR:
http://www.fr-online.de/meinung/nahost-konflikt-was-will-die-hamas-wirklich-,1472602,27905952.html
„In der vergangenen Woche wurden im Namen der Hamas und des Islamischen Dschihad zehn Bedingungen für einen zehnjährigen Waffenstillstand veröffentlicht. Wir mögen daran zweifeln, ob das wirklich die Bedingungen dieser Organisationen sind, aber sie taugen als faire Grundlage für eine Verständigung. Nicht eine einzige von ihnen ist haltlos.“
„Sie lauten im Einzelnen: Die israelische Armee soll aus dem Gaza-Streifen abziehen und den palästinensischen Bauern erlauben, ihr Land bis an den Grenzzaun zu Israel zu nutzen. Die Palästinenser sollen wieder freigelassen werden, die erst im Austausch für den israelischen Soldaten Gilat Schalit freikamen und dann bald danach wieder inhaftiert wurden. Die Belagerung muss beendet und die Grenze wieder geöffnet werden; ebenso der Hafen und der internationale Flughafen unter UN-Kontrolle.
Die Fischereizone muss erweitert, der Grenzübergang in Rafah international überwacht werden. Israel soll eine zehnjährige Waffenruhe zusagen und eine Schließung des Luftraums über dem Gaza-Streifen für israelische Flugzeuge akzeptieren. Einwohner des Gaza-Streifens erhalten die Erlaubnis, nach Jerusalem zu reisen, um dort an der Al-Aksa-Moschee zu beten. Israel möge sich nicht in die palästinensische Innenpolitik einmischen, zumal mit Blick auf die Einheitsregierung von Hamas und Fatah. Und zu guter Letzt soll Gazas Industriezone eröffnet werden.“
„Diese Bedingungen sind zivil; die Mittel, mit denen sie derzeit erreicht werden sollen, sind militärisch, brutal und kriminell. Doch die bittere Wahrheit ist: Wenn von Gaza aus keine Raketen auf Israel geschossen werden, kümmert sich hier niemand um sie. Schauen wir uns nur an, wie es jenem palästinensischen Führer ergeht, der endlich genug hatte von der Gewalt. Israel hat alles getan, um Mahmud Abbas zu zerstören. Die deprimierende Schlussfolgerung daraus? Nur Gewalt hilft.“
Der gegenwärtige Krieg ist ein Krieg, für den wir uns bewusst entschieden haben. Sicher, nachdem die Hamas ihre Raketen auf Israel abgeschossen hatte, musste Israel reagieren. Doch anders, als es uns die Regierungspropaganda glauben machen will, sind diese Raketen nicht aus heiterem Himmel auf uns niedergegangen.
„Blicken wir ein paar Monate zurück: Israel lässt die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern scheitern; nach der Ermordung von drei israelischen Talmud-Studenten geht das Militär auf der Suche nach den Tätern äußerst brutal im Westjordanland vor. Obwohl es zweifelhaft ist, dass die Hamas für die Morde verantwortlich zeichnet, nahm Israel über 500 palästinensische Aktivisten fest, stoppte die Zahlungen für Hamas-Mitarbeiter in Gaza und lehnte die Einheitsregierung komplett ab. Wer denkt, all das steckten die Palästinenser einfach weg, muss arrogant, wohlgefällig und blind sein.“
Wie weit sich Israel von internationalen Rechtsstandards entfernt hat, ist auch daran zu erkennen, dass es, wie schon in 2009, UN-Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen ablehnt und das Militär selbst „untersuchen“ will. Das wäre etwa dasselbe, als würde man die Cosa Nostra mit der Aufklärung ihrer eigenen Verbrechen betrauen.
Schon 2009 hat Israel die Ermittler nicht unterstützt, sondern beschimpft. Wie Israel „ermittelt“, hat der Leiter der UN-Ermittlungen, Goldstone, seinerzeit beschrieben.
„Die Israelis haben bisher nur mit ihren eigenen Soldaten gesprochen und keine Beweise geliefert, nur das schlichte Ergebnis: Wir haben nichts falsch gemacht. Wer glaubt das? Sie sollten auch mit den Opfern sprechen. Man kann keine ernsthaften Ermittlungen durchführen, bei denen man nur mit den möglichen Tätern spricht. Wenn die israelische Regierung nichts zu fürchten hat, warum ermittelt sie dann nicht öffentlich? Wenn sie nichts fürchtet, warum hat sie dann nicht mit uns kooperiert? Die Israelis sollten ihre Untersuchungsberichte jetzt öffentlich machen und sie mit unserem Beweismaterial vergleichen. Wenn wir Fehler gemacht haben, sollen sie uns das sagen. Aber unseren Bericht einfach als irrational und emotional zurückzuweisen, das bringt gar nichts.“
„Das Verhalten der israelischen Regierung hat mich von Anfang an enttäuscht. Sie hat jede Kooperation verweigert, so dass wir nicht einmal nach Israel reisen konnten, um dort mit Zeugen zu sprechen. Noch bevor der Bericht veröffentlicht wurde, hat sie bereits versucht, unsere Glaubwürdigkeit zu diskreditieren. Das setzt sie nun fort. Ich bin enttäuscht, dass die Regierung nicht über Inhalte diskutieren will, sondern sie blind angreift. Zu spezifischen Vorwürfen hat sich bisher keiner aus der Regierung geäußert. Aber ich würde sagen: Je näher man der Wahrheit kommt, desto heftiger werden die Attacken.“
So ist es. (Bezogen auf den letzten Satz)
Was Israel aufgrund der Untersuchung damals vorgeworfen wurde, in Kürze:
„Dass sie versucht hat, die Bevölkerung in Gaza zu bestrafen. Dazu gehört die Zerstörung vieler ziviler Objekte, der Wasser- und der Nahrungsmittelversorgung. Damit wurde eindeutig humanitäres Völkerrecht verletzt.“
Ermittlungen vor dem Internationalen Strafgerichtshof, den Israel selbstverständlich auch nicht anerkennt, scheitern am Veto der USA, die den internationalen Strafgerichtshof, na was wohl, natürlich auch nicht anerkennt. Da haben sich die Richtigen gefunden.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/bericht-ueber-kriegsverbrechen-israel-hat-versucht-die-bevoelkerung-in-gaza-zu-bestrafen-a-650065.html
Was Wunder, dass Israel dieses Mal, angesichts der Kriegsverbrechen in Gaza gegen die Zivilbevölkerung, exakt dieselbe Taktik anwendet: Diskreditierung des UN-Ausschusses, Verweigerung der Zusammenarbeit, dafür eigene „Untersuchungen“, nach obigem Muster. Man will um jeden Preis verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Und jedes Gremium, dass Untersuchungen anstellen will, ist angeblich „antisemitisch“, „voreigenommen“, „in Sünde geboren“ usw. Das laute Geschrei schon im Vorfeld zeigt m.E. deutlich, dass es eine Menge zu verbergen gibt.
“ Eine UN-Kommission, die den Vorwürfen von Kriegsverbrechen nachgehen soll, wird von Israel als voreingenommen betrachtet. Das Gremium sei „in Sünde geboren“, sagte die israelische Justizministerin Zipi Livni am Donnerstag.“
“ Die Zeitung „Haaretz“ berichtete unterdessen, die israelische Armee wolle untersuchen, ob ihre Soldaten während des Gaza-Krieges das humanitäre Völkerrecht gebrochen haben. Dutzende Fälle, in denen palästinensische Zivilisten getötet und der Armee Verbrechen vorgeworfen wurden, würden geprüft.“
Also, dass potentielle Kriegsverbrecher, nämlich das israelische Militär, ihre Verbrechen selber „prüfen“, zudem noch im Geheimen, das gibt es nur in Israel. Der einzigen „Demokratie“ im Nahen Osten.
http://www.focus.de/politik/ausland/konflikte-israel-und-hamas-verlaengern-waffenruhe-um-fuenf-tage_id_4059455.html