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Appell

Neue Leitlinien der Einwanderungs- und Integrationspolitik braucht das Land

Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert einen politischen und kulturellen Wandel, die Einwanderung als Bereicherung begreift und die Partizipationsmöglichkeiten von Zuwanderern verbessert - DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann kommentiert.

Donnerstag, 18.09.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.09.2014, 20:57 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Über eine Million Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zogen im letzten Jahr nach Deutschland. Der Großteil der Zugewanderten kommt aus EU-Mitgliedstaaten, vor allem aus Ost- und Mitteleuropa sowie aus den südeuropäischen Krisenländern. Auch die Zahl der Flüchtlinge hat sich weiter erhöht. 2013 wurden knapp 110.000 Anträge auf Asyl gestellt.

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Mangelnde Perspektiven, Massenarbeitslosigkeit, Bürgerkriege, Verfolgung – das sind entscheidende Gründe für die Menschen, ihre Heimat zu verlassen und ihr Glück woanders zu suchen. Die immer noch stabile Konjunktur in Deutschland, verbunden mit niedrigen Arbeitslosenzahlen, nährt die Hoffnung vieler Menschen auf gute Beschäftigungs- und Lebensperspektiven.

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Leider werden diese Hoffnungen oft enttäuscht. Das liegt zum einen an der Ausweitung der prekären Beschäftigung, zum anderen an der Migrationspolitik der Bundesrepublik Deutschland, die die Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung zum Ziel hat.

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Viele Betriebe nutzen die schwierige Situation in den süd- und osteuropäischen EU-Staaten aus. Entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden unterhalb ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt, erhalten keinen Tariflohn oder werden gegenüber der Stammbelegschaft benachteiligt. In besonders schweren Fällen werden sie um ihren Lohn und ihre Sozialversicherungsbeiträge betrogen und unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht.

Möglich sind diese miserablen Arbeits- und Lebensbedingungen, weil nationale und europäische Regelungen den Missbrauch der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit bzw. der Arbeitnehmerfreizügigkeit zulassen. Hinzu kommt, dass viele der aus anderen EU-Staaten stammenden Beschäftigten die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen und ohne Informationen über die Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechte nach Deutschland vermittelt werden.

Deshalb müssen die Kontrollen der Arbeitsbedingungen ausgebaut und schärfere Sanktionen gegenüber Unternehmen und Vermittlern, die Lohn- und Sozialversicherungsbetrug betreiben, eingeführt werden. Und, dies zeigen auch die Erfahrungen des DGBProjekts Faire Mobilität, wir brauchen mehr Beratung und Unterstützung bei der Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte.

Für uns als Gewerkschaften stehen der Schutz vor Verfolgung und Krieg, die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten, der Schutz vor Diskriminierung und nicht zuletzt die Schaffung gleicher Partizipationschancen im Mittelpunkt. Erst im Mai hat sich der DGB auf seinem Bundeskongress erneut zu diesen Zielen bekannt. Um sie zu erreichen, müssen vier Bedingungen erfüllt werden:

1. Wir brauchen einen politischen und kulturellen Wandel in der Gesellschaft, mehr Offenheit und eine Haltung, die Einwanderung als Bereicherung begreift.

2. Die Flüchtlingspolitik muss grundlegend reformiert werden. Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, brauchen Schutz und Sicherheit. Die Lebensbedingungen und -perspektiven von Flüchtlingen müssen verbessert, die Asylzuständigkeitsregelung geändert werden.

3. Die Einwanderung aus Nicht-EU-Staaten erfordert politischen Gestaltungswillen, der langfristige Perspektive bietet statt immer neue intransparente Regelungen unter Missachtung von Arbeitnehmerrechten zu schaffen.

4. Die ökonomischen und politischen Partizipationsmöglichkeiten für Zuwanderer müssen verbessert werden. Dazu gehört auch die vollständige Abschaffung des Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht und der Einführung des Wahlrechts für Drittstaatsangehörige, zumindest auf kommunaler Ebene.

Es gehört zum Selbstverständnis der Gewerkschaften, sich jeglicher Form von Rassismus und Ausländerfeindlichkeit entschieden entgegenzustellen. Leider haben sich auch demokratische Parteien im Vorfeld der Europawahl zu populistischen Forderungen wie „keine Zuwanderung in die Sozialsysteme“ oder „wer betrügt, der fliegt“ hinreißen lassen. Horrorszenarien über Rumänen und Bulgaren wurden verbreitet, die angeblich massenhaft die Sozialsysteme missbrauchen würden. Mit der Wirklichkeit hat das alles nichts zu tun.

So lag die Arbeitslosenquote von Bulgaren und Rumänien im Januar 2014 bei zehn Prozent und damit sechs Prozentpunkte unter der aller ausländischen Staatsangehörigen. Einen ähnlichen Unterschied gibt es auch bei den Hartz-IV-Empfängern. Die Entgleisungen im Wahlkampf und der Erfolg populistischer Parteien bei der Europawahl zeigen, dass Integration und die Schaffung einer offenen Gesellschaft eine dauernde Aufgabe bleibt, zu der auch die Gewerkschaften ihren Beitrag leisten werden. Aktuell Meinung

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  1. wiebke sagt:

    Bravo! Bravo! Bravo! Endlich nehmen die Gewerkschaften deutlich Stellung!