Winfried Kretschmann
Grün allenfalls hinter den Ohren
Auf einen Taschenspielertrick ist Winfried Kretschmann reingefallen. Er hat sich falsche Zahlen aufschwatzen lassen von Unionspolitikern. Der Kompromiss ist so schlecht, dass man geneigt ist zu behapten, Kretschmann wollte das Asylgesetz verschärfen.
Von Birol Kocaman Montag, 22.09.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 23.09.2014, 22:48 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Bevor Arbeitslosenstatistiken bekannt gegeben werden, errechnen Experten Monat für Monat mühsam die sogenannten bereinigten Arbeitsmarktzahlen. Diese Zahlen sind unverzichtbar, weil Faktoren wie saisonale Schwankungen berücksichtigt werden, damit der Vergleich zum Vormonat nicht hinkt. Sonst würde man Äpfel mit Birnen vergleichen und gar nicht wissen, ob die Arbeitslosigkeit konjunkturell gestiegen oder gesunken ist.
Wenn das Bundesinnenministerium Monat für Monat Asylstatistiken bekannt gibt, sucht man vergeblich nach bereinigten Zahlen. Beispiel: Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 99 von 100 Asylanträgen abgelehnt hat, liegt die nicht bereinigte Anerkennungsquote von Schutzsuchenden bei 1 Prozent. Diese Quote ist also abhängig davon, wie restriktiv das Amt prüft. Die durch Richterspruch erzwungenen positiven Asylbescheide beispielsweise sind in diesen unbereinigten Zahlen nicht berücksichtigt.
Wie große die Unterschiede zwischen nicht bereinigten und bereinigten Anerkennungsquoten sein könnten, würden sie errechnet werden, zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion aus März. Danach erhielten im Jahr 2013 nur 42 Asylsuchende aus Serbien und Mazedonien einen Schutzstatus. Erst auf Anfrage teilt die Bundesregierung mit, dass 65 weitere Anerkennungen durch die Verwaltungsgerichte erfolgten, ein Plus von 155 Prozent.
Das hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, allenfalls Grün hinter den Ohren, offensichtlich nicht mitbekommen. Wieso sonst geht er einem so billigen Taschenspielertrick auf den Leim? Die Anerkennungsqoten für Schutzsuchende aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien liege ohnehin bei 0,3 Prozent, verteidigte er seine Entscheidung nach der Abstimmung im Bundesrat im Fernsehen.
Dem stehen zwar Urteile im Namen des Volkes gegenüber, aber gut… Der Kompromiss sei nicht faul. Er, Kretschmann, habe viel erreicht für die Flüchtlinge. Zugegeben, die Situation der Schutzsuchenden wird sich ein Stück weit verbessern, doch wer keine Ahnung von Salamitaktik hat, sollte in die Kosmetikschule und nicht in die Politik.
Dafür, dass Kretschmann der Union sein Ja-Wort gab, erhielt er von der Union eine schwammig formulierte Aufhebung der ohnehin vom Aussterben bedrohten Residenzpflicht und des Sachleistungsprinzips sowie eine in der Praxis weitestgehend leerlaufende Streichung der Vorrangprüfung auf dem Arbeitsmarkt. Zwei von drei Punkten wurden also ohnehin kaum angewandt und die dritte stand im Zuge der Debatten um Fachkräftemangel und Willkommenskultur ohnehin in der Kritik. Wäre man böse, könnte man glatt behaupten: Kretschmann wurde gar nicht über den Tisch gezogen. Er wollte diese Verschärfung!
Was aber mehr ärgert als Kretschmann sind die anderen Grünen aus den Ländern und dem Bund. Die Abstimmung im Bundestag hätte man sich anders vorgestellt, mit dem Ergebnis sei man nicht zufrieden, man sei überrascht… Und? „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“, hatte Helmuth Kohl schon 1984 gesagt. Wäre nicht schlecht, wenn sich die Grünen an diese Zeiten erinnern und daran, wofür sie einst standen. Aktuell Meinung
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