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Perspektivwechsel

Klingt erschreckend, ist aber nur die Spitze des Eisbergs

An den meisten Schulen in Deutschland gibt es keinen Rassismus. Gibt es einfach nicht. Ausradiert. Nicht existent. Zumindest, wenn wir die meisten Lehrer fragen, mit denen ich arbeite - "Perspektivwechsel", die neue Kolumne von Tupoka Ogette im MiGAZIN

Von Tupoka Ogette Donnerstag, 09.10.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 12.10.2014, 21:34 Uhr Lesedauer: 8 Minuten  |  

Einer meiner Workshops heißt „Schwarze Kids stärken. Ein Forum für Eltern Schwarzer Kinder.“ Damit reise ich seit circa zwei Jahren quer durch Deutschland. Unter anderem war ich damit bereits in Hamburg, Stuttgart, München, Tübingen, Bielefeld, Leipzig, Koblenz, Bremen, Köln und Frankfurt. Der Workshop bietet Raum für Wissenserweiterung zu Rassismus, Empowermentstrategien und dient vor allem dem Austausch und der gegenseitigen Stärkung im Hinblick auf rassistische Erfahrungen. Der Workshop ist fast immer ausgebucht, so dass ich in einigen Städten bereits mehrfach war.

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Ein Hauptthema, dem wir jedes Mal einen halben Tag des zweitägigen Workshops widmen, lautet „Rassismus in der Schule“. Es sind die Eltern, die dieses Thema einbringen und besprechen möchten. Ein Seufzer geht durch den Raum, wenn ich das Thema ankündige. Wut, Schmerz und Hoffnungslosigkeit sehe ich in den Augen der Mütter und Väter. In jeder einzelnen Stadt. Tränen der Verzweiflung. Immer. Nach kurzem Schweigen sprudelt es aus ihnen heraus:

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  • „Mein Sohn war so ein selbstbewusstes Kind, sprudelte vor Lebensfreude und jetzt, nach einem Jahr in der Schule, weint er jeden Tag, hat chronische Kopfschmerzen und ist nicht mehr wieder zu erkennen.“
  • „Meine Tochter geht nur noch mit Kapuze in die Schule, weil sie es nicht mehr aushält, dass ihre Mitschüler und Lehrer ihr in die Haare fassen. Die Schule hat jetzt reagiert und Kapuzen verboten.“
  • „Mein Sohn kam von der Klassenfahrt und wir Eltern standen alle da, um den Bus in Empfang zu nehmen. Die Tür des Busses ging auf, und ich hörte, wie alle Kinder zusammen mit den Lehrern laut ‚Zehn kleine N-Wort‘ sangen. Mein Sohn war der einzige Schwarze im Bus und saß schweigend, mit Tränen in den Augen, da. Am Ende klatschten alle.“
  • „In der Schule haben sie die Sklaverei durchgenommen und die ganze Klasse hat permanent auf meinen Sohn gezeigt und ihn Sklave genannt. Der Lehrer hat nichts gemacht und ihm nur gesagt, er solle doch auf seine deutschen Vorfahren stolz sein und auf deren Errungenschaften während der Kolonialzeit“.

Es sind viele dieser Geschichten. Zu viele.

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Doch dies ist, auch wenn das erschreckend klingt, nur die Spitze des Eisbergs. Rassismus an Schulen ist nicht nur ein individuelles Problem. Es ist vor allem ein strukturelles Problem. Will heißen, Rassismus sitzt, wie auch in der deutschen Gesellschaft, als Geschwür tief im System. Und genau wie außerhalb der Schule, kommt dieser Rassismus häufig unbewusst, naiv oder gar lächelnd einher. Das heißt, natürlich gibt es den Lehrer Herr Blödwurst, dessen Markenzeichen offen rassistische Sprüche sind. So wie der PW-Lehrer eines Teenagers aus meinem Workshop: „Nun wollen wir den Bimbos da unten doch mal zeigen, wo es langgeht.“

Aber die meisten Lehrer halten sich für überzeugte Nicht-Rassisten, wollen gute und vor allem faire Menschen sein. Das verstehe ich. Die Krux sitzt im Kleingedruckten. Rassistisch sozialisiert sein oder an strukturellem Rassismus teilhaben, ist etwas anderes, als offen rassistisch zu sein. Letzteres bezieht sich auf Menschen, die wir in dieser Gesellschaft in die rechte Ecke packen. Von denen wollen sich die meisten klar distanzieren. Und das ist auch gut so. Bei rassistischer Sozialisierung geht es um eigene rassistische Denk- und Gefühlsmuster, die wir von klein auf verinnerlicht haben. Diese Sozialisierung findet sich in der Art, wie wir sprechen, in den Büchern, die wir lesen, in den Medien, die wir konsumieren, in den Witzen, die wir machen. Und sie befindet sich dementsprechend auch in den Systemen, die wir kreieren. Ja, Rassismus kann Hass sein, dies ist aber nur eine Erscheinungsform. Privileg ist eine weitere. Und Zugang. Ignoranz. Apathie. Und viele weitere. Ich stimme zu, wenn Menschen sagen, dass niemand als Rassist geboren wird. Allerdings behaupte ich ebenfalls, dass es sich um ein mächtiges System handelt, in das wir hineingeboren werden. Der Dichter Scott Woods sagt zu Rassismus: „It’s like being born into air: you take it in as soon as you breathe. It’s not a cold that you can get over. There is no anti-racist certification class. It’s a set of socioeconomic traps and cultural values that are fired up every time we interact with the world.“

Aber zurück zur Schule. Laut IDA orientiert sich die deutsche Schule an Normalitätsvorstellungen, die allerdings nicht der Realität entsprechen. Als Normalitätsindikatoren werden genannt:

  • die Zugehörigkeit zur ethnischen, nationalen und kulturellen Mehrheit;
  • „weiße“ Hautfarbe;
  • körperliche und psychische Gesundheit;
  • Zugehörigkeit zur einer der christlichen Kirchen;
  • Zugehörigkeit zu einer sozial und ökonomisch abgesicherten Schicht.

Weiter berichten sie: „Die Pisa-Studie 2003 hat nachgewiesen, dass es kein anderes Land innerhalb des Vergleichskanons der OECD gibt, in dem der Zusammenhang zwischen sozialen (und damit externen) Indikatoren und dem Bildungsgrad so signifikant ist wie in Deutschland, so der Erziehungswissenschaftler Frank-Olaf Radtke (2004).“ Institutioneller Rassismus in Schulen ist also nicht nur nicht existent, sondern hat in Deutschland sogar besonders starke Auswirkungen.

Aber was ist damit konkret gemeint?

Schwarze Kinder und Kinder of Color werden tendenziell älter geschätzt. Dies hat zur Folge, dass Ihnen mehr abverlangt wird und die übersteigerten Erwartungen bei Nichterfüllung ihnen aber als Defizit angelastet werden. Aktuell Meinung

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  1. Cengiz K sagt:

    …Eine Lehrerin sprach sich vonn rassistischem Denken frei, denn sie hat schliesslich eine sehr gute Beziehung zu ihrer türkischen Putzfrau!…

    Ja, den kenne ich auch, in verschiedenen Ausführungen sogar..