Verbraucherzentrale-Marktcheck
Ethno-Mobilfunktarife nutzen sprachliche Defizite von Migranten aus
Die Verbraucherzentrale deckt Rechtsverstöße bei Ethno-Handytarifen auf. Versteckte Kostenfallen, intransparente Kostenauflistungen oder mangelhafte Widerrufsbelehrungen seien nur die gröbsten Mängel. Die Experten sprechen von Ausnutzung sprachlicher Defizite der Zielgruppe.
Freitag, 24.10.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.10.2014, 21:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Viele Mobilfunkanbieter, die sich mit sogenannten Ethno-Tarifen gezielt an russisch- und türkischsprachige Migranten wenden, verstoßen gegen Verbraucherrechte. Das ergibt ein Marktcheck der Verbraucherzentralen, den der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Ulrich Kelber, und Eva Bell, Vorstand der Verbraucherzentrale Berlin, vergangene Woche Donnerstag vorstellten.
„Alle untersuchten Ethno-Mobilfunktarife beinhalten zahlreiche Kostenfallen und sind intransparent“, fasste Bell das Ergebnis des Marktchecks zusammen. Hier werde eine ganze Verbrauchergruppe mit wettbewerbsrechtlichen Verstößen und Lockangeboten in die Irre geführt. So stellten die untersuchten Anbieter auf ihren Webseiten irreführende und intransparente Preislisten und AGB für türkische und russische Verbraucher bereit.
Lockangebote
Alle fünf untersuchten Anbieter würden mit Lockangeboten und niedrigen Preisen werben. Insbesondere die angepriesenen Flatrate-Angebote, die dem Namen nach vorgeben, dass alle Telekommunikationsleistungen bereits im Preis inbegriffen sind, würden zahlreiche versteckte Kosten bergen. Häufig würden Einzelheiten zu den Preisen der angebotenen Telekommunikationsdienste in Fußnoten und in intransparenten Preislisten versteckt.
Erschwerend komme hinzu, dass einige Anbieter mit deutschen Mobilfunkunternehmen verflochten seien. Deshalb tauchen auf den Webseiten dieser Unternehmen unterschiedliche Preislisten von unterschiedlichen Firmen auf, die die Erschließung von wichtigen Preisangaben für die Verbraucher unmöglich machten. „Bei einigen Unternehmen ist es schwierig, den Vertragspartner zu identifizieren“, heißt es im Bericht der Verbraucherzentrale.
Ausnutzung sprachlicher Defizite
Zwischen Mitte Juni und Ende Juli 2014 untersuchten die Verbraucherzentralen Berlin, Hamburg und Bremen zehn Ethno-Tarife von fünf häufig genutzten Mobilfunkanbietern in die Türkei und in die Russische Föderation. Geprüft wurden die transparente Darstellung der Preise, die leichte Zugänglichkeit der AGB, die Widerrufsbelehrungen, die Mehrsprachigkeit von Webseiten und Kundenhotlines sowie Datenschutzerklärungen und Pflichtangaben im Impressum. Außerdem wurden die Darstellung von Mindestvertragslaufzeiten und monatlich anfallenden Kosten sowie die Verfügbarkeit von 12-monatigen Vertragslaufzeiten überprüft. Neben den Rechtsverstößen fanden die Verbraucherschützer weitere kritisch zu beurteilende Praktiken – so u.a. eine verwirrende Gestaltung der Webseiten und fehlende muttersprachliche Informationsmaterialien.
„Im expandierenden Marktsegment der Ethnotarife nutzen Unternehmen sprachliche Defizite einer verletzlichen Verbrauchergruppe aus“, so die Experten. Die Umfrage zeige, dass die Verbraucherprobleme der türkischen Migranten sich nicht wesentlich von denen der russischen Migranten unterscheiden, wenn es um Vertragsabschlüsse im Mobilfunk und Reklamationen der Telefonrechnung geht.
Verbraucherzentrale fordert klare Regeln
„Der Marktcheck zeigt, dass wir eine rasche Verabschiedung und Umsetzung der Tele-kommunikations-Transparenzverordnung brauchen“, erklärte Bell. Insbesondere die Verpflichtung zum Informationsblatt werde mehr Licht in den Tarifdschungel bringen. „Darüber hinaus benötigen wir mehr Information und Aufklärung für Migrantinnen und Migranten zu ihren Verbraucherrechten“, so Bell weiter.
Einen konkreten Tipp hat die Verbraucherzentrale für alle Nutzer, die einen der überprüften Ethno-Tarife für Gespräche nach Russland und in die Türkei abschlossen haben: „Alle seit Mitte Juni untersuchten Tarife enthielten keine gültigen Widerrufsbelehrungen“, so Bell. „Verbraucher, die die untersuchten Tarife abgeschlossen haben, können diese daher noch widerrufen. Bei älteren Verträgen lohnt sich eine rechtliche Überprüfung.“
Der Marktcheck wurde im Rahmen des Projektes „Migranten und Verbraucherschutz in digitalen Märkten“ durchgeführt. Das Projekt wird vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gefördert und von der Verbraucherzentrale Berlin in Kooperation mit den Verbraucherzentralen Hamburg und Bremen durchgeführt. Ziel des Projektes ist es, türkisch- und russischstämmige Konsumenten über Verbraucherrechte, Markt- und Beratungsangebote in digitalen Märkten aufzuklären. (etb) Leitartikel Wirtschaft
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hhhhh
seltsam das genau das gegenteil der fall ist .
die meisten „ethno“ tarife bringen die produkte an die leute in der sprache die sie am besten beherrschen . wobei fast alle bilingual arbeiten
auch von der preispolitik sind die preise eher an die zielgruppe angepasst und sie sind soooo viel günstiger das auch ethno deutsche eher auf die ethno tarife zurückgreifen .
anscheinend kann man mal wieder nicht die realität ertragen
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