Richtungsweisendes Racial-Profiling-Urteil
Polizeikontrolle von deutsch-afrikanischem Paar war unzulässig
Das Verwaltungsgericht Koblenz erklärt verdachtsunabhängige Kontrollen im innerdeutschen Reiseverkehr als unzulässig. Damit werden polizeiliche Personenkontrollen aufgrund äußerlicher Merkmale wie Hautfarbe - Racial Profiling - stark eingegrenzt.
Montag, 10.11.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.11.2014, 18:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat der Klage eines deutsch-afrikanischen Ehepaares stattgegeben, das von der Bundespolizei ohne erkenntlichen Grund in einem Zug kontrolliert worden war. In dem Fall habe es nachweislich keinen sachlichen Anlass für die Feststellung der Personalien gegeben, die Kontrolle sei somit rechtswidrig gewesen, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Urteil (AZ: 1 K 294/14.KO).
Die Kläger waren im Januar 2014 in einer Regionalbahn von Mainz in Richtung Köln von Bundespolizisten überprüft worden. Das Paar empfand diese Maßnahme als unrechtmäßig, da im Zugabteil keine weiteren Fahrgäste ihren Ausweis vorzeigen mussten. Sie seien nur wegen ihrer Hautfarbe überprüft worden, beschwerten sich die Eheleute, die deutsche Staatsangehörige sind. Die Bundespolizei hielt die Befragung und Kontrolle hingegen für zulässig und argumentierte, bei der Bahnstrecke von Mainz nach Köln handele es sich um einen bekannten „Schleuserweg“.
Wo keine Grenze, da keine Kontrolle
Das sah das Gericht jedoch nicht so. Die Bundespolizei hätte in der Regionalbahn ohne Anlass keine Kontrolle vornehmen dürfen, heißt es in dem Urteil. Denn in diesem Fall habe es keinen Verdachtsmoment für eine illegale Einreise gegeben. Der Regionalzug habe seinen Ausgangs- und Endpunkt im Bundesgebiet gehabt, und es seien weder Flug- oder Seehäfen passiert, noch Grenzen zu anderen Staaten erreicht oder überschritten worden.
Angesichts dieses Richterspruchs ist die Freude groß beim Kläger: „Wir hatten uns sehr unangemessen behandelt gefühlt als die Beamten nur mich und meine Familie kontrollierten. Ich bin sehr froh, dass das Gericht der Bundespolizei klare Vorgaben macht, wie die rechtliche Grundlage nun auszulegen ist.“
Richtungweisendes Urteil
Biplab Basu von der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) konkretisiert: „Damit wird der Bundespolizei die Befugnis zur Durchführung von verdachtsunabhängigen Kontrollen in den meisten deutschen Zügen und Bahnanlagen entzogen“. Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) ergänzt: „Das ist ein richtungsweisendes Urteil, das Auswirkungen auf die Zukunft haben wird – nämlich, dass niemand mehr bei Zugfahrten innerhalb Deutschlands kontrolliert werden darf.“
Zwar benennt das Gericht in seinen Ausführungen nicht die Praxis des Racial Profiling, die Kontrolle von Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale oder zugeschriebener Herkunft. Doch im Ergebnis läuft das Urteil genau darauf aus. „Wenn sich die Auffassung der neu zusammengesetzten Koblenzer Richter durchsetzt, bedeutet dies die faktische Abschaffung der Kontrollen anhand der Hautfarbe zumindest in meisten deutschen Zügen und Bahnanlagen“, ist der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der die Kläger juristisch vertritt, überzeugt.
Berufung wahrscheinlich
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung geht der Jurist davon aus, dass die Bundespolizei gegen das Urteil Berufung einlegen wird. Damit wird sich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz ein weiteres Mal mit den diskriminierenden Kontrollen der Bundespolizei beschäftigen müssen. Erst im Oktober 2012 hatte das Gericht mit einer Entscheidung europaweit für Aufsehen gesorgt, nach der die Kontrolle eines Studenten einzig wegen seiner „Hautfarbe“ für nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar erklärt worden ist.
Seit dem hat die öffentliche Debatte um Racial Profiling „etwas in Bewegung gesetzt“, erklärt Vera Egenberger vom Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG), das den Kläger beim Klageweg unterstützte. Nur der Gesetzgeber hält sich bisher zurück. Die Grundlage für solche Kontrollen bietet Paragraf 22 Absatz 1a im Bundespolizeigesetz, dessen Abschaffung schon seit Jahren erfolglos gefordert wird. (epd/mig) Aktuell Recht
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Zunächst einmal eine schöne Nachricht, hoffentlich hält das Urteil auch der wahrscheinlich folgenden Berufung stand.
Nur eines:
„Das Verwaltungsgericht Koblenz hat der Klage eines deutsch-afrikanischen Ehepaares stattgegeben“.
Afrika ist kein Land und afrikanisch auch keine ethnische Herkunft. Was ist dann also mit dieser Bezeichnung gemeint? Wenn schon auf die Herkunft hingewiesen wird, dann doch bitte mit der gebotenen Genauigkeit.